PHÖNIX AUS DER ASCHE
Eine Theologie für alle
und
von
Gottfried Hutter
Franziskanerstraße 16, 81669 München
Werfen Sie bitte mit mir einen Blick aus der Zukunft
auf das Leben und auf die Transformation der christlichen Religion!
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Was den Leser erwartet 5
Erlösung heute 6
1 Gott 8
3 Der erste Schritt 13
5 Von der Kirche der Affen zur Kirche der Menschen 18
7 Auferstehung oder Apokalypse 28
8 Befreit durch die Krankheit 32
9 Glaube und Erfahrung 37
10 Instinkt - Hypnose - Religion 41
11 Vergebung 43
12 Das Dialogische Prinzip des Universums 44
13 Niemand kennt die Stunde 55
14 Meditation 56
15 Wie der Tod kommt 57
16 Kapitulation 59
17 Der Spalt der Wahrheit 60
18 Böse? 61
19 Was ist Wahrheit? 68
20 Warum ist Religion nicht totzukriegen? 75
21 Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Theologie 79
22 Ein Christentum ohne magisches Paradigma 83
23 Das Reich der Paranoia und wie wir daraus entkommen können 87
24 Das Ostergeheimnis 93
25 Ist Jesus Gottes einziger Sohn? 99
26 Wer berühren kann 105
27 Das einzig Unbedingte im Christentum: Der Geist 107
28 Der Geist und die Kirche 112
29 Gemeinschaft im Geist 117
30 Zwanghafte Wut loswerden 122
31 Gottes Willen erkennen 125
32 Die Sehnsucht und ihr Ziel 132
33 Dankbarkeit 136
34 Was ist der „Teufel“? 139
35 Heilung 144
36 Vorgefertigte Gebete oder unmittelbare Kommunikation? 150
37 Bewusstheitsentwicklung 154
39 Der Motor des Universums 166
40 Sexualität 171
41 Erstaunliche Phänomene ("Wunder") - und was dann kommt 183
42 Der Traum von der einen Religion der einen Welt 190
43 Leben nach dem Tod 197
44 „Kapitulation“ – der Weg zur Heilung allen Leidens 203
45 Die Zerstörung des World Trade Center 209
46 Bisherige Religion und die Religion der Zukunft 213
47 Das verhängnisvolle Missverständnis des Bilderverbots im Islam 230
Consequences of Misunderstanding that
Commandment 231
49 Wie sieht das Leben im Reich Gottes in unserer Zeit aus? 233
50 Die Transformation der christlichen Religion 247
51 Das Erfolgsrezept 251
52 Was ist Religion – was ist Therapie – was sind Übergangsrituale ? 253
53 Meine Vision 265
54 Der Weg im „Plan“ des Weltgeists 271
55 Ich bin vollkommen in Deiner Hand 277
56 Die Meditation 281
57 Analyse des posthumen Erscheinens Jesu 284
58 Holocaust 289
59 Umkehr 289
60 Theologische Inzucht 290
61 Eine Sexuelle Kultur 291
62 Ein Lösungsbild für den Kulturkonflikt zwischen dem Islam und dem
Rest der Welt 296
63 A Vision
of the Solution of the Cultural Conflict between Islam and
the Rest of the World 301
64 Auferstehung – objektiv und subjektiv 306
65 Der Tempelberg: Wie sich Menschen durch ein Bild verändern werden 307
66
Jerusalem’s Temple Mount: How People will be Changed by an Image 308
67 Das Problem der Jenseitshoffnung 310
68 Bild und Realität 311
69 Der Totalangriff gegen jede Moral: Das Gleichnis vom Barmherzigen
Samariter 313
70 Die gegenwärtige Weltlage einschließlich Perspektiven und Visionen
von Lösungen 317
71 Der Faschismus der dritten Welt und seine Überwindung 320
72 Ein Projekt für Frieden im Nahen Osten – und weit darüber hinaus 325
73 A
Project For Peace In The Middle East – And Far Beyond 327
74 Armageddon 330
75 Das islamische Kommunikationssystem 333
76 Der Teufelswahn und wie ihm entkommen 337
77
Gefolgschaftstreue im Islam 341
78 The
„real causes“ of the conflict in the Middle East 343
78 Theodizee 344
79 Wichtige politische Ziele für islamische Staaten 351
80 Das Konzept der Schuld ist obsolet 352
81 Ein neues Paradigma der Schuld 362
82 Gebet – und: die Natur der Natur 363
83 Der Geist der Samurai 368
84 Das einzige Hindernis ist die Angst 369
85 Das menschliche Tier 373
86 Die Kraft muss wachsen 379
87 Dem Geist folgen 383
88 Das Gesetz und die Freiheit (Abraham – Jesus – Sensitivität) 387
89 Die vier Lebensziele der Hindus 390
90 Ein Kommentar zu 1 Kor 15,28 394
91 Warum lebende Propheten bei Priestern und Schriftgelehrten
unbeliebt sind 402
92 Natural
principles of international law and conduct 404
93 Wie Konstellationen wirken 405
94 Beziehungskrisen 408
95 „Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt …“ 413
96 Sola fide – Allein durch Glauben? 415
97 Was ist verrückt – was ist normal? 417
98 Was bedeutet „Wiedergeburt“? 418
99 Die Emmausgeschichte 423
100 Der Terror der Muslime 428
101 Jesus, Maria und Marta 440
102 Der Mythos des Gottessohnes im Credo heute 442
103 Glaube als Verhängnis und als Chance (Vortrag beim
Psychiaterkongress DGPPN in Berlin, November 2004) 457
104 Zeitreise
in einer Raumkapsel – Meditationen zu einem Vortrag
im Klinikum Rechts der Isar in München,
März 2005 469
105 Auferstehung, Wiedergeburt, ewiges Leben 480
106 Strittige
Interreligiöse Fragen klären 497
107 Veneration of Saints in a Non-Idolatrous Way 503
Nachwort „Warum es nur eine Religion gibt“ und biografische Notiz 505
vorläufiges Ende 509
Kurze Gebrauchsanweisung für die folgenden Seiten:
Die folgenden Texte sind gedacht als Wegweiser zu einem neuen Leben. Sie sollten daher in einem meditativen Geist gelesen werden, vielleicht jeden Tag nur ein Kapitel, damit sich das, was intendiert ist, entfalten kann.
Was
den Leser erwartet:
Die christliche Religion von heute hat mit dem, was Jesus vor 2000 Jahren wollte, ungefähr so viel gemein, wie die jüdische Religion zur Zeit Jesu mit deren ursprünglicher Intention gemein hatte – immerhin war die Diskrepanz damals so groß, dass die Verantwortlichen glaubten, es wäre für das "Volk Gottes" besser, den Störenfried Jesus zu beseitigen.
Um von der heute gegebenen Lehre der katholischen Kirche auf den genuinen Geist Jesu zu stoßen, ist es notwendig, durch mehrere extrem solide archäologische Schichten hindurchzugraben: Die erste Schicht ist die des Hellenismus; aus dieser Schicht stammt der Mythos, der schließlich erklärt und eingegrenzt werden musste. Die zweite Schicht ist daher die der Scholastik; aus dieser Schicht stammt das immer noch gebräuchliche, haarspalterische System von Definitionen, dem schließlich die Wirk–lichkeit entglitten ist – das dafür aber zur Wissenschaft geführt hat, die uns jetzt instand setzt, die gesamte Entwicklung zu erforschen. Die dritte Schicht ist die der dogmatisch definierten Überheblichkeit, die zum Kolonialismus geführt hat. Aus ihr stammt der grenzenlose Hochmut, mit dem die Christen andere Kulturen und Religionen betrachtet haben. Aus ihr stammt aber auch die jetzt gegebene gleichzeitige Gegenwart und Erreichbarkeit aller Kulturen und Religionen und in ihr die Einheit der Welt.
Die folgenden Texte setzen den erfolgreichen Abschluss der Grabungen voraus, daher handelt es sich (noch) um eine Art „Science–Fiction“-Theologie. Im Geist ist das Juwel bereits wieder freigelegt. Wir können also aus der in unserem Geist bereits gegenwärtigen Zukunft zurückblicken auf den Ursprung.
Das Resultat dieses Rückblicks, dieser Text, steht aber vor einer zweifachen Hürde: Zum einen hat ein Teil der Leser das Juwel bereits abgeschrieben, weil die Schichten von historischen Ablagerungen lange als undurchdringlich galten; zum anderen ist ein weiterer Teil der Leser mit einem Grabungsverbot belegt, weil ihr Weltgebäude ohnehin schon schwer einsturzgefährdet ist. Dieser zweiten Gruppe muss ich leider mitteilen, dass der Einsturz unvermeidlich ist – wie Jesus schon sagte: "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben!" Entweder er erfolgt durch eigenes Forschen oder er erfolgt durch äußere Ereignisse, auf die wir keinen Einfluss haben. Die gute Nachricht aber ist, dass das, was einstürzt, nur eine Illusion ist und dass hernach erst das Leben in Fülle beginnt.
Davon und von den Übergängen hierzu handeln die folgenden Texte.
Nichts davon sollte in irgendeiner Religion Anstoß erregen, denn alles stammt aus der allgemein–menschlichen (also der „kat-holischen“) Anschauung des Lebens – in der Ausdrucksweise Jesu: aus der Anschauung „des Menschensohns“.
'Erlösung' - was soll das sein? 2000 Jahre Christentum haben das Wort mit so vielen Bedeutungen befrachtet, dass wir heute neu überlegen müssen, worum es eigentlich geht. Wovon sollen wir denn erlöst werden und was soll dabei herauskommen?
Dass die Welt für die meisten Menschen kein Paradies ist, zeigt ein Blick in die täglichen Nachrichten. Aber wie soll sich das ändern? Hatte Karl Marx, der geistige Vater des Kommunismus, nicht recht, wenn er Religion als 'Opium des Volkes' bezeichnete und meinte, zuerst müsse das Opium weg, dann würden die Menschen ihr Schicksal schon selbst in die Hand nehmen?
Das kommunistische Experiment ist gescheitert, aber hatte Marx nicht trotzdem etwas Richtiges gesehen? Und sehen es heute nicht alle mit ihm? Religion hat doch tatsächlich etwas Benebelndes, etwas, das die Leute verrückt macht. Nicht, dass die Menschen heute nicht mehr benebelt werden wollten, aber genau diese Art von Opium wollen sie heute nicht mehr - denn heute haben sie, jedenfalls in unserem Kulturkreis, ein viel besseres Opium: diese unglaubliche Fülle an Konsummöglichkeiten. Statt in Kirchen strömen die Leute daher in die Kaufhäuser und an ferne Strände. Und sie spüren tatsächlich eine Erleichterung - für eine gewisse Zeit, dann hat sie der Alltag wieder mit all seinen Sorgen und Ärgernissen. Und im Hintergrund beginnt langsam eine Ahnung zu dämmern von jener uralten Sehnsucht - nach einem bleibenden Paradies.
Die alten Erlösungsgeschichten waren voll von Wundern, so märchenhaft, dass die realistischen Menschen von heute sie nicht mehr glauben können. Jesus erscheint da wie ein großer Zauberer, der mit irgendwelchem außer- oder überirdischen Hokus-Pokus Kranke heilt, Tote auferweckt, übers Wasser geht, Lebensmittel aus dem Nichts hervorzaubert, und zuletzt sogar selbst von den Toten aufersteht. Diese Art von Geschichten kann heute jeder dutzendweise täglich im Fernsehen sehen, aber natürlich nicht in den Nachrichten, sondern in den Fantasy-Filmen. Und so verkommt Jesus zu einem Vorläufer heutiger Comix-Figuren. War das schon alles?
Jesus soll der Erlöser gewesen sein, aber wen hat er wovon erlöst? Auf den Erlöser, den die Kirchengeschichte uns vorgeführt hat, können die Menschen heute gut und gern verzichten. Die Zeit, wo Millionen hingemetzelt wurden für irgendeinen alten Aberglauben möge doch vorbei sein, hoffen heute alle. Also, was soll da noch Religion?
Der uralten Sehnsucht wegen - lassen Sie die folgenden Seiten an sich vorüberziehen wie einen Film und wenn etwas zu anstrengend wird (wie vielleicht der Anfang des "Dialogischen Prinzips"), spulen Sie einfach ein wenig vor!
Falls Ihnen manche Aussagen allzu gewagt erscheinen: Es geht mir in keiner Weise darum, irgendwelche neuen dogmatischen Behauptungen aufzustellen, sondern nur darum, das allzu Bekannte in einen neuen Blickwinkel zu stellen, damit etwas zu Tode Geglaubtes zu neuem Leben erwachen kann.
Das wollte zu seiner Zeit auch Paulus, deshalb hat er geschrieben (2 Kor 10,4f.):
„Die Waffen, die wir bei unserem Feldzug einsetzen,
sind nicht irdisch, aber sie haben durch Gott die Macht, Festungen zu
schleifen; mit ihnen reißen wir alle hohen Gedankengebäude nieder, die sich
gegen die Erkenntnis Gottes auftürmen. Wir nehmen alles Denken gefangen, so
dass es Christus gehorcht.“
Gott - die Kraft, die alles
bewegt
Gott ist - natürlich! - die Kraft, die alles bewegt.
Wie sollen wir uns Gott vorstellen? Soll diese Kraft, die im Lauf der Zeit aus Steinen Menschen entstehen hat lassen, unbewusst sein – wo sich doch die Sinngerichtetheit in jeder Phase der Entwicklung zeigt und die Evolution mit jeder ihrer Stufen immer mehr Bewusstheit möglich macht?
Ein Beispiel:
Irgendwo im indischen Ozean gibt es eine Schildkrötenart, die Verwandte hat, die im Fluss leben. Diese Verwandten, so fanden Wissenschaftler, unterscheiden sich von ihren Meeresschildkrötenvorfahren nur durch ein winziges Detail: Sie haben auf der Zunge einen beweglichen Fortsatz, der aus ihr hervorschnellen kann und dabei genau so aussieht, wie ein Wurm, der, von der Strömung freigespült, versucht, sich wieder in den Boden einzugraben - ein gefundenes Fressen für die Fische. Nun braucht die doch eher schwerfällige Schildkröte nicht mehr den Fischen nachzujagen, sie muss nur noch stillhalten, ihr Maul öffnen, den Fortsatz sich ringeln lassen und warten, bis der erste Fisch versucht, den Wurm zu kriegen. - Und das soll Zufall sein?
Ähnliches spielt sich bei der oft so unglaublich exakten Kooperation von Pflanzen und Insekten ab. Offenbar ist es so, dass sich aus einer Art Traum vom Idealzustand dieser Idealzustand irgendwie materialisiert und niederschlägt in einem evolutionären Sprung. Das ist das Wunder der fortwirkenden Schöpfung.
Gibt es daher überhaupt so etwas wie "unbelebte" Materie? Woher kommen die Vorlieben gewisser Atome für bestimmte andere, woher haben sie die Tendenz, sich auf gewisse Strukturen einzulassen? Sollen wir wirklich glauben, das wären nur zufällig entstandene Programme - und wenn es so wäre, was schreibt derartige Programme?
Was wir kennen, sind wir Menschen. Wie werden wir gesteuert - abgesehen von der sogenannten "Instinkt"-Basis und der sozialen Programmierung? Gibt es in uns nicht etwas, das der Sehnsucht ähnelt, die die Schildkröten den Fluss hochgetrieben hat - eine Art Traum, den wir von Zeit zu Zeit in gewissen Situationen wiedererkennen, einen Traum, der uns manchmal zu Tränen rührt - vor Schmerz, wegen der Entfernung, die uns trennt von seiner Erfüllung?
Es gibt Menschen, die sich von dieser Sehnsucht führen lassen, aus dem Bekannten heraus in neue Räume, nicht nur geografisch, sondern auch was die Art zu leben betrifft. Solche Menschen haben entdeckt, dass die Werte, von denen sich die meisten Menschen leiten lassen, so etwas wie Raubtierwerte sind. Jeder will durch sie der/die Beste sein, alle anderen übertrumpfen. Die tiefe Sehnsucht jedoch spricht eine andere Sprache. Wirkliches Glück, sagt sie, findet ein Mensch nicht im Übertrumpfen, sondern im Zusammensein, im sich Hingeben, ja letzten Endes im sich Verlieren.
Die Menschen, die dieser Sehnsucht gefolgt sind, mussten ihre Angst vor dem Untergang überwinden. Natürlich blieben sie vor dieser Angst nicht verschont und oft mussten sie sie ganz extrem unter ihr leiden. Doch durch ihr Wagnis haben sie entdeckt, dass sie gar keine Angst zu haben brauchten, weil die Kraft, die sie da hin geführt hat, sie auch trägt. Sie haben sogar entdeckt, dass diese Kraft sie aus völlig ausweglosen Situationen befreit, indem sie ihnen Ideen gibt, auf die ein Raubtier niemals kommen würde. Die biblische Geschichte von Gideon [im Buch Richter, Kapitel 6 - 8, in einer gut lesbaren Form in meinem Buch "Auferstehung - vor dem Tod", Seite 200-203] ist ein unübertreffliches Beispiel dafür.
Die Kraft, aus der das alles kommt, ist "Gott" genannt worden.
Und wenn wir jetzt weiter überlegen, wie es überhaupt zur Schöpfung kommen konnte, dann ahnen wir, dass diese wunderbare Kraft nicht für sich bleiben wollte, sie wollte sich verschenken, sich verlieren - im All. Und damit sind wir bei dem ansonsten unerklärlichen, jedenfalls unerklärten Urknall, bei dem anfänglichen "es werde Licht".
Und dann hat das Sein dieser Kraft das All dazu bewegt etwas hervorzubringen, das das alles erkennen kann - und das sein eigenes Sein, so wie die Kraft selbst es getan hat, (scheinbar) aufgeben und sich hingeben kann an seine eingeborene Sehnsucht - und das war der Mensch - in diesem Zustand dann bewusst als "Gottes" "Sohn". Und wir sehen, dass damit natürlich nicht nur Jesus gemeint ist, denn dieses Bewusstsein gab und gibt es in allen Kulturen zu allen Zeiten, denn jeder von uns wird von innen her dazu gedrängt, das göttliche Sein sichtbar werden zu lassen.
Der Rest ist bekannt - nein, er muss erst gelebt werden, von mir, von dir.
Die zwei Stufen der Religion
Es gibt zwei Stufen von Religion:
Die erste Stufe - für die meisten Menschen wird es nie eine andere geben - ist die Stufe der formalen Religion.
Paulus nannte diese Stufe "das Gesetz" und er identifizierte diese Stufe mit dem "Alten Bund". Für die damaligen Menschen war das richtig, um das Neue als das nicht Formalisierte zu begreifen - für die heutigen Menschen ist diese Unterscheidung ein Verhängnis, weil das damals Neue inzwischen längst mindestens ebenso formalisiert ist wie es das Alte je war - ja noch viel mehr. Für die biblischen Patriarchen aber war nichts formalisiert und für Jesus auch nicht, für sie war alles neu, für sie gab es nichts als ein Leben aus dem Geist des Augenblicks, der ja gleichzeitig auch die temporal weiteste Perspektive hat.
In dieser ersten Stufe ist Religion eine Erlaubnis-Vereinigung, d.h. eine Einrichtung, die den Verdammten ein gewisses Recht zu leben bescheinigt, nämlich nur unter gewissen Bedingungen, letztlich unter der Bedingung, keinen Anstoß zu erregen, nicht unangenehm aufzufallen und im Idealfall durch große Selbstbeherrschung selbstlos zu werden, auf alles Eigene zu verzichten und nur noch für andere da zu sein.
Das Hauptmerkmal dieser Stufe ist daher die Moral. Sofern sie es nicht nur in gewissem Rahmen und nur zum Schein tun, bemühen sich die Menschen auf dieser Stufe sehr darum, den Vorschriften zu entsprechen und im Idealfall werden sie bekannt als Heilige.
Natürlich bleiben die Menschen auf dieser Stufe abhängig von einer äußeren, zudem noch formalisierten Instanz, dem Gesetz. Ihre Wahrnehmung ist vermittelt, eine unmittelbare Wahrnehmung der Wirklichkeit ist ihnen nicht möglich.
Ganz wesentlich für diese Stufe ist der Ritus, der seinem Wesen nach eine tatsächliche Brücke sein könnte zur zweiten Stufe, denn sein Wesen ist der nicht hinterfragte Vollzug, der keinen Zweck hat, sondern jeden Zweck aufhebt. Er kann für die, die sich ihm überlassen, jene Stille erzeugen, die die Welt anhält. - (Das ist natürlich nur einer der möglichen Wege in diese Stille - doch) nur in solcher Stille kann sich der Blick öffnen in die Welt, in der alles klar ist.
Für die Menschen der ersten Stufe jedoch geschieht dies kaum je. Und wenn, dann ist die alte Geschäftigkeit doch zu gewohnt, als dass sie wirklich durchbrochen werden könnte. Daher ist auf dieser Stufe auch der Ritus nur eine der übernommenen verpflichtenden Tätigkeiten.
Weil alles nur Pflicht ist, fehlt auf der ersten Stufe der Religion der Jubel. Es gibt höchstens "Festlichkeit". Es bleibt bei Weihnachten, von Ostern keine Spur und an Pfingsten ist gar nicht zu denken.
Weil man nicht lebt, hat man gelernt, das Gesetz für den heiligen Geist zu halten.
Es ist typisch für diese Stufe, dass Verwaltung und Bürokratie von überragender Bedeutung sind - wie in den Kirchen von heute.
Das Positive an dieser Phase ist gleichzeitig das Negative: Man bewahrt, archiviert und überliefert das Alte, ohne je was Neues zu versuchen. Etwas Wertvolles bleibt zwar erhalten, aber irgendwann brennen alle Archive ab und was ist dann?
Und heute sind diese Archive abgebrannt – obwohl es nie verlässlichere Archive gegeben hat – denn die Zugänge sind den meisten Menschen verschlossen. Es ist alles formuliert in einer Sprache, die unverständlich geworden ist, die aber aus Traditionsgründen krampfhaft festgehalten wird.
Die zweite Stufe der Religion ist das, was Jesus mit "Wiedergeburt aus dem Geist" bezeichnet hat.
Den Bewahrern wird diese Wiedergeburt immer ein Gräuel sein, denn was bei ihr herauskommt, ist niemals orthodox. Es ist ja immer neu, unvorhersehbar, überraschend, und so genau auf eine bestimmte Situation bezogen, wie das beste erlernte Verhalten es nie sein kann. Mit Moral geht da nichts mehr.
Die zweite Phase liegt jenseits jeder formalen Religion, und doch kommt erst in ihr etwas Göttliches zum Vorschein. Das Göttliche der ersten Phase war nur vergoldeter Schein - deshalb vergoldet!
Die erste Phase bietet nur ein Bild (von Gott). Sie ist ein Versuch, etwas darzustellen, was niemals dargestellt werden kann, weil die Wirklichkeit eben immer unendlich viel tiefer und außerdem immer neu und anders ist. Kaum hat man sie beschrieben ist sie schon wieder anders. Das ist das ewige Problem der Theologen - nur bleiben die meisten von ihnen ohnehin in der ersten Stufe gefangen und kennen das Original selbst nur vom Bild. Sie haben vom ewigen Leben nie etwas selbst erlebt - obwohl es jederzeit da ist, selbstverständlich für die, die gesprungen sind - freiwillig oder unfreiwillig - aber eben abgesprungen von der (kirchlichen) Erlaubnisvereinigung ins eigene Leben, in die eigene Bestimmung.
Es war zwar ihr Sprung, der sie in die Wiedergeburt geführt hat, aber die Wiedergeborenen wissen, dass es keineswegs ihr Verdienst ist, sondern geschenkt und sie achten die Menschen der ersten Stufe, doch sie können ihnen nicht mehr folgen. Sie können nur noch dem Geist folgen und der führt sie möglicherweise in den Konflikt mit ihnen. - Im Extremfall geht es ihnen wie Jesus, dem ja auch von den Vertretern der ersten Stufe die Lebensberechtigung aberkannt worden ist, weil er sich ihnen nicht fügen wollte.
Für die Menschen der zweiten Stufe ist Gott nicht ein Wesen irgendwo draußen, sondern das eigene Wesen.
Menschen der zweiten Stufe wissen, dass sie auch nicht anders sind als der Rest der Schöpfung und so fühlen sie mit mit aller Kreatur.
Sie wollen nicht mehr etwas sein, sondern vielleicht - wenn das ihrer Natur entspricht - helfen, dass das mitfühlende Wesen sich ausbreiten kann. Aber in jedem Fall wissen sie, dass es nichts Höheres gibt als sie selbst und dass der "Vater" - natürlich - in ihnen ist.
Natürlich kann man sich in die zweite Stufe nicht hineinphantasieren und auch nicht hineinarbeiten, wie die Esoteriker meinen. Sie gehen den Weg zur Erleuchtung wie einen Weg der Karriere. Doch damit bauen sie nur weiter an einem Gebäude, in dem doch wieder alles bekannt ist und nichts wirklich neu. In allem ihrem Tun und sich Geben wollen sie daher ständig als "schon so weit" anerkannt werden. Doch sie sind damit immer noch nur auf der ersten Stufe, nämlich auf der Stufe der Exoterik, des äußeren Rahmens und kommen mit all ihrem "esoterischen" Theater nie auf die Stufe der wirklichen Esoterik, auf der sie sich einbilden zu sein. Sie bestätigen mit ihrem Streben nur, dass auch die verschiedenen esoterischen Gruppen nur Erlaubnisvereinigungen sind wie die Kirchen. Und hier liegt ihr Problem - nicht in ihrer Ablehnung der Kirchlichkeit.
Auf der zweiten Stufe der Religion gibt es keine Anhaltspunkte mehr, da gibt es nur noch die unmittelbare Wahrnehmung von Stimmigkeit oder Unstimmigkeit, von Anziehung und Abstoßung, also von Geist und von Wahrheit.
Der erste Schritt Richtung
Himmel
Nun! Um anzufangen mit dem ersten Schritt:
Du bist, wo du bist und nicht irgendwo anders.
Die Yoga-Sutras sagen: Das Wahrgenommene ist für den Wahrnehmenden bestimmt.
Du musst anfangen, wo du gerade bist!
Wage es für einen Augenblick, den Kurs zu stoppen, den du in deinem Leben eingeschlagen hast, und schau dir deine Wirklichkeit an. Sie ist, wie sie ist, ob du sie magst oder nicht. So grauenhaft sie sein mag, schau sie nun an. Das ist der Anfang.
Nach einiger Zeit wirst du erkennen, dass es o.k. ist, wie es ist – sogar wenn du es im Moment geradezu hasst. Sogar wenn du jetzt Gott und dein Geschick verfluchst. Sogar das ist o.k.! Sorge dich nicht, es wird sich verändern – in angemessener Zeit. Offenbar verstehst du das Ganze noch nicht ganz, aber du wirst alles verstehen. Es gibt dafür nur eine Bedingung: Du musst da anfangen, wo du bist, jetzt! Du magst das vergessen, aber sogar wenn du alles vergessen hast, sobald du dich wieder erinnerst, wirst du wieder wissen: Es gibt nur einen Ausweg: Du musst da anfangen, wo du in diesem Augenblick bist.
Ist deine Existenz ruiniert? Hast du schwere Schulden? Hast du eine tödliche Krankheit? Egal, was es ist, es gibt einen Ausweg! Unvorstellbare Horizonte öffnen sich dem, der bereit ist, sein Leben neu zu beginnen, jetzt.
Fürchte dich nicht, du brauchst dein Leben nicht augenblicklich radikal verändern. Das ist nicht gemeint. Du brauchst nicht ein moralisch makelloser Mensch werden. Alle Moral ist nur wieder eine Illusion, eine Art Filter, eingerichtet, um andere Menschen oder sogar sich selbst zu disqualifizieren. Nein, lebe einfach weiter, wie du magst, nicht wie es irgendjemand sonst richtig finden würde. Tu, was du magst, schau einfach, was das wirklich ist. Schau nicht auf deine moralischen Standards oder auf die von irgendjemand sonst, nein, schau einfach nur, was du wirklich magst.
Es mag unerreichbar erscheinen, es mag im Augenblick tatsächlich unerreichbar sein, verlier es nur nicht aus den Augen und dränge alle anderen Standards aus dir hinaus. Dränge sie alle hinaus aus deinem System. Was andere Menschen möchten, dass du tust, ist das Gift, das dich krank macht.
Für den Fall, dass es dich interessiert (falls du an Bibel-Dingen kein Interesse hast, überspring diesen und geh zum nächsten Absatz, vergifte deinen Geist nicht mit meinen Vorlieben!): Der Name Gottes in der Bibel ist „JAHWE“, was übersetzt heißt: „Ich bin der, der ich bin“. Und das erste Gebot liest sich in wirklicher Übersetzung: „Ich bin, der ich bin. Dieser vollkommen authentische ‚Ich bin’ hat dich in der Vergangenheit aus der Sklaverei befreit und er wird dich wieder befreien. Vertrau auf ihn und beuge dich niemals wieder unter die Maßstäbe anderer Leute – oder du wirst wieder zum Sklaven werden.“ Das ist das erste, und, wenn du es verstehst, das einzige Gebot, das du je befolgen musst.
Was andere Leute glauben, ist das Gift, das dich krank macht.
So beende das alles jetzt!
Egal wie viel Ärger oder Schuld du fühlen magst. Lauf nicht davor weg, bleib stehen und schau dem allem ins Gesicht, jetzt! Halte den Anblick aus für einen Moment oder für zwei. Halte einfach deine Gefühle aus und schau sie dir an. Hebe alle Urteile auf! Schau einfach nur. Was immer es ist, es ist nur menschlich! Was für Abgründe sich auch vor dir auftun mögen. Lauf nicht weg, halte den Anblick aus für einen Moment oder für zwei.
Du musst anfangen, wo du bist. Fang jetzt an!
Und wenn du fühlst, dass dein Geist abwandert, zwinge ihn nicht. Lass ihn gehen. Und nach eine Weile geh zurück oder lies einfach weiter und mach diese Übung.
Diese Übung wird deine sein von jetzt an. Von Zeit zu Zeit setz dich einfach hin und schau dir deine Situation an. Verzichte auf alle Beschönigung oder Abwertung. Schau einfach deine Situation an, so wie sie wirklich ist, so wie du sie ehrlich empfindest – und ich meine hier nicht nach Standards deiner Ambition, sondern nach den Standards deines Herzens. Und wenn du deine Wirklichkeit erfasst hast, versuche den Anblick für eine Weile zu halten, und dann lass ihn wieder los. Du wirst sehen, diese kleine Übung ist tatsächlich die einzige Übung, die du je brauchen wirst auf deinem Weg – ja – auf deinem Weg zum Glück.
Vergiss allen Aberglauben. Wie weiß eine Biene, was sie zu tun hat? Instinkt? Wenn du es so nennen willst. Alle lebendigen Dinge und sogar die Elemente der sogenannten „toten“ Materie, wie Elektronen, haben ein ihnen innewohnendes Wissen. Es ist nicht ein Programm. Ein Programm könnte niemals auf die stets auftretenden Überraschungen des Lebens reagieren. Es ist eine Sensitivität. Und du hast diese Sensitivität auch. Sie wird nur verzerrt durch die von anderen übernommenen Standards. Jeder hat dieses Problem. Unsere ganze Sicht der Welt ist schwer beeinflusst durch den Willen anderer Menschen. Wir sind irgendwie gezähmt. Wie Kühe bleiben wir innerhalb der Abzäunung, die andere für uns errichtet haben, damit sie uns da benützen können.
Wenn wir sehen, dass manche Menschen, speziell Jugendliche, versuchen, auszubrechen, über den Zaun zu springen, um frei zu sein, dann müssen wir uns fragen, was jenseits des Zaunes ist: Ist da Freiheit? Die meisten Ausbrecher sind vom ersten Moment an gefangen innerhalb des nächsten Zauns, z.B. wollen sie glücklich werden. Sie brechen daher das Gesetz, um reich zu werden. Folgen sie ihrem Herzen? Nein. Wieder folgen sie einfach nur einem Standard der Gesellschaft: Werde reich! Oder weil sie glücklich werden wollen, nehmen sie Drogen. Bekommen sie auf diese Weise, was sie erstreben? Vielleicht erhaschen sie einen kurzen Blick auf das Glück, nämlich davon, eins zu sein mit dem Herzen. Vielleicht erhaschen sie einen kurzen Blick auf ihre wahre Natur. Sie könnten auch einen kurzen Blick auf ihr Potential gewährt bekommen. Und dieser kurze Blick ist bereits so machtvoll, dass sie dieses Gefühl ständig wieder haben wollen, es wieder haben wollen, wieder haben wollen. Anstatt die ganze Strecke des Weges zum Glück zu gehen, wollen sie es augenblicklich. Das ist aber nicht möglich. Die Drogen sind nur da für den kurzen Blick darauf. Der Weg zum Glück ist eine andere Angelegenheit.
Für wahres Glück ist es nötig, allen Aberglauben loszulassen. Genau das ist es, was den Weg, wie es oft scheint, so schwer macht.
Das Bild, das wir uns von der Welt gemacht haben und von uns selbst, stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein. In unserem Bild von uns selbst sehen wir unser tatsächliches Potential nicht und wir sehen auch die anderen nicht in ihrer wahren Identität. Tatsächlich gehen wir durchs Leben, als ob wir durch ein Phantasiedorf gehen würden, in dem die Menschen nur Puppen sind.
Unglücklicherweise, wie wir manchmal denken, sind es intelligente Puppen, die uns an Intelligenz oft übertreffen und uns als Puppen benützen für ihre eigene Szenerie.
So bleib jetzt stehen und bleib immer wieder stehen und immer wieder schau, wo du gerade bist und was du gerade tust. Dann bist du – in Wahrheit – auf deinem Weg zum Glück – oder, wie sie es früher nannten: auf dem Weg in den Himmel.
Aber warum in aller Welt haben die Menschen diese unglaublichen geistigen Gebäude der „Religion“ erbaut? Weil sich so viele Menschen verloren fühlen in den Weiten der Freiheit. Sie verlangen nach Zäunen. Und so bekommen sie Zäune.
Aber die Zäune sind dazu da, vor realen Gefahren zu schützen. Deshalb spring nicht einfach über irgendeinen Zaun, ohne zu wissen, was geschieht, wenn du es tust. Und verrechne dich nicht. Du könntest in einem Zwang landen, der dich wünschen lässt, du hättest es nie getan. Deshalb, außer du brauchst die Erfahrung des Gefängnisses, halte dich draußen. Wenn du Besinnung brauchst, benütze besser ein Kloster. Ich kann dir aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Immer wieder habe ich mich in Dingen oder Ideen verfangen. Immer wieder habe ich mich selbst in eine Traumwelt eingetaucht vorgefunden. Immer wieder musste ich aufwachen. Du wirst diese Erfahrung auch machen. Deshalb, was immer du tust, pass auf: Träumst du gerade oder bist du wach? Egal in welcher Subkultur du leben magst, jede hat ihren Aberglauben und ihre abergläubischen Ziele. Deshalb wach auf: Es gibt nur ein wahres Ziel und nur dein Herz kann dich hinführen.
Deshalb, bleib immer wieder stehen und schau, wo du gerade bist und was du gerade tust. Übung eins, immer wieder Übung eins. Was immer du sonst noch machst, Übung eins wird dich immer wieder zurückbringen auf deine ureigenste Spur.
Das katholische Manifest
1. "kat-holisch" ist griechisch, zusammengesetzt aus
„kat“ = „herunter
(vom Elfenbeinernen Turm) auf“ und
„holisch“ (= heute
„holistisch“) = „das Ganze betreffend“, „ganzheitlich“, "allgemein", d.h.
alle Menschen in allen Lebenssituationen - und damit auch alle Religionen –
einschließend.
2. „christlich“ =
abgeleitet von „Christus“, dem Ehrentitel Jesu.
„Christus“ ist
ebenfalls griechisch und eine Übersetzung des hebräischen „Messias“, zu deutsch
„der Gesalbte“; gesalbt wurden die israelischen Könige; mit „Messias“ ist aber
insbesondere ein Mensch gemeint, der das Volk Israel aus der (Gefahr der)
Sklaverei befreit. Mose war ein Messias, David galt als „Messias“. Die
Israeliten glaubten, dass Gott immer dann einen „Messias“, einen Retter,
schicken würde, wenn die Israeliten in Sklaverei gerieten.
Da Jesus Gott als seinen und unseren „Vater“ bezeichnete, ist in seinen Augen ein jeder Mensch ein "Sohn“, eine „Tochter" Gottes. So werden sie befreit aus der Sklaverei, vom Diktat „der Anderen“. Diese Sicht ist eine besondere Sicht des Christentums, also wesentlich „christlich“.
Die christlichen Theologen sprechen daher von der menschlichen Seele
als "anima naturaliter christiana", d.h. sie meinen, dass die Seele
den Menschen von Natur aus dahin drängt, so zu sein, wie er als „christlich“
sein soll, nämlich messianisch, rettend.
3. Sohn/Tochter Gottes bedeutet daher „unmittelbar aus dem Einen
hervorgegangen“ (im Schöpfungsbericht: "Kopie von Gott"; im Credo: "gezeugt, nicht
geschaffen") und „immer in unmittelbarer Verbindung mit ‚ihm’".
4. Gott ist das Eine, das All, die Lebenskraft, die Kraft, die alles bewegt.
Der Mensch ist daher Teil der Erscheinung Gottes. Er hebt sich zeitlich und lokal ab von anderen göttlichen Formen und ist beeinflusst von der zeitlichen und lokalen Nachbarschaft, die ihm auch den Eindruck gibt, etwas Separates zu sein und die ihn zum Egoismus, d.h. zur Angst, zu kurz zu kommen, veranlasst. Einmal in dieser Sicht der Welt gefangen, gibt es nur eine Möglichkeit des Entrinnens: Kapitulation, Hingabe, Übergabe des eigenen Lebens an diese Kraft, also Rückkehr in das Eine.
5. Egoismus ist die
behauptete und geglaubte Separiertheit von der Kraft des Ursprungs. Aus ihr
folgen alle menschlichen Ängste und Gräuel.
6. Die behauptete Separiertheit muss vergehen, entweder im Prozess der Lebenserfahrung (Reifung durch Leiden, resultierend in der erlösenden „Kapitulation“, also in der freiwilligen Hingabe der eigenen Existenz an das Eine) oder im Prozess des physischen Todes (im "Feuersee" der Apokalypse).
Das Bild vom "Feuersee" bedeutet, dass das Ego im Tod die endgültige Vergeblichkeit allen separaten Strebens erlebt – und zwar eben so (als alles auslöschendes und daher „ewiges“ "Feuer").
Von der Kirche der Affen
zur Kirche der Menschen
[eine Skizze]
Teilhard de Chardin wird der Ausspruch zugeschrieben:
"Die Kirche der Zukunft
wird sich von der Kirche der Gegenwart so sehr unterscheiden
wie sich die Menschen von den Affen unterscheiden."
Die Revolutionen des
"Glaubens" in der Vorgeschichte des Christentums
1. Die Revolution Abrahams:
Aus der Not seiner Bedingungen heraus kehrt er zurück zu seinem eigenen Wesen, zu seiner Natur: Er lernte, allein seiner inneren Stimme zu folgen – und nicht mehr den Befehlen seiner Kultur/Sozialisation. So ist er zum Stammvater des „Volkes Gottes“ geworden.
2. Die
Revolution des Mose:
Nachdem er selbst sich durch die Not seiner persönlichen Umstände von seiner Sozialisation befreit hatte und zu seiner inneren Stimme zurückgekehrt war, drängte ihn seine innere Natur, auch seinem Volk eine neue Zukunft zu ermöglichen, ihm zu ermöglichen, sich zu befreien von den Zwängen ihrer Sozialisation und eigene Wege zu finden.
Dass das nicht so leicht war, zeigen die 40 Jahre Wüstenwanderung, die jeden einzelnen dazu zwangen, angesichts äußerster Kargheit, auf seine eigene innere Stimme zu hören, die allen sagte: Zusammenhalten! Damit dieser äußere Zusammenhalt möglich wurde, kam aus Mose die Lösung für seine Zeit: das Gesetz.
3. Die Revolution Jesu:
Die Umstände seiner Geschichte (möglicherweise seine uneheliche Geburt u.a.) zwangen ihn, sich mit dem Wert der Tradition auseinanderzusetzen und zu unterscheiden zwischen echt und unecht. So lernte er die Frommen zu durchschauen und selbst echt zu sein. Aus seiner Natur kam das alles verändernde: "Im Geist und in der Wahrheit".
4. Die heute notwendige Revolution:
Es ist offensichtlich, dass die Bräuche der Kirche weitgehend wirkungslos sind: Das Sakrament der Buße befreit nicht von Schuld, die Firmung ist weit davon entfernt, auch nur den Schimmer des Heiligen Geists zu vermitteln, die Kommunion verleiht keine Flügel – "Red Bull" tut das – und heutige Exorzismen sind lächerliche – weil unwirksame – Relikte dunkel-mittelalterlicher magischer Praxis etc..
Nach jeder (doch vom Geist erzwungenen) Revolution wird versucht, den Geist festzuhalten, institutionell zu fassen. In jeder Religion, die nicht darauf besteht, dass es neben den Priestern (bei denen es genügt, dass sie ihren Beruf erlernen und den Oberen genehm sind) authentische Lehrer gibt, die nicht durch historische Linien, sondern durch gegenwärtige Taten beglaubigt werden – also in jeder Priesterreligion – entstehen daher:
1. Historisch wachsende Lehrgebäude
2. Historisch wachsende Bräuche
3. Historisch wachsende soziale Strukturen
die allesamt irgendwann unwirksam – nur noch Müll sind.
Wie wird man den historischen Müll wieder los?
* Es braucht immer neue Revolutionen
* oder eben die unbedingte Kernaussage, dass eine verlässliche Weitergabe nur durch authentische Lehrer erfolgen kann.
Im Christentum ist das trotz "apostolischer Sukzession" offensichtlich nicht der Fall. Die Institution hat sich des Geists bemächtigt. So war das auch zur Zeit Jesu. Damit diese Tatsache damals nicht ans Licht kam und damit die religiösen Machthaber weiterhin ungestört ihre Macht ausüben konnten, musste der Störenfried, Jesus, sterben.
Was ist geblieben von Jesus?
Von dem, was die Kirche hat, ist kaum etwas von ihm.
Geblieben sind Spuren, die die Kirche zwar treu bewahrt, aber überwuchert von historisch gewachsenen, heute aber eben unwirksamen Formen, unter denen der Ursprung kaum noch auszumachen ist. (Fast alle kirchlichen Bräuche und Lehren sind synkretistischen Ursprungs.)
Jener Geist, der Jesus so sehr zum Gegner des religiösen Establishments seiner Zeit gemacht hat, dass man ihn umgebracht hat, ist verschwunden.
Hat Jesus damals etwas Neues gebracht?
Nein – er hat nur den Geist der menschlichen Natur [in der Ausdrucksweise Jesu den "Menschensohn", in der Ausdrucksweise der ersten Christen den "Christus"] auf seine Situation angewandt, wie alle "Propheten" vor ihm auch.
Dass behauptet wird, es gebe durch Jesus etwas Neues, etwa, dass Gott der Vater sei oder die Nächstenliebe, ist unrichtig, denn all das ist natürlich im Alten Testament schon genauso da.
Es gibt allerdings eine Akzentverschiebung, denn neu war die historische Chance, die Kunde vom Geist der menschlichen Natur über die jüdischen Stammesgrenzen hinauszutragen in die damalige Welt, in das römische Reich.
Die Konsequenz für die
Theologie:
Ein neues Paradigma
Die Basis der Religion ist nicht mehr eine äußere religiöse Autorität sondern die menschliche Natur [der "Menschensohn", der "Christus"].
1. Das neue Paradigma zur Zeit Jesu:
Warum hat Jesus gesagt, Mose wäre glücklich gewesen, hätte er die Tage Jesu erleben können? Weil, wie gesagt, jetzt eine neue Ebene der sozialen Evolution erreicht war, weil durch die Möglichkeit, die Stammesgrenzen zu überschreiten, die Religion jetzt auf eine neue Grundlage gestellt werden konnte, nämlich auf die Basis einer weltweiten Gemeinschaft derer, die sich als Kinder Gottes wussten.
2. Das neue Paradigma zu Anfang des 3. Jahrtausends:
Jesus seinerseits wäre ebenso glücklich gewesen, hätte er diese, unsere Tage erleben können:
Zum ersten Mal steht uns alles menschliches Wissen gleichzeitig zur Verfügung – und das beinhaltet das Wissen aller religiösen Traditionen. Die Konsequenz ist ein erneut neues Paradigma – obwohl genau dieses Paradigma natürlich bereits die Grundlage sämtlicher vorangegangenen religiösen Paradigmen und Revolutionen gewesen ist: Das ganze Leben muss wieder neu betrachtet werden, frisch aus der menschlichen Natur heraus. Die lineare historische Entwicklung, die zur Erstarrung geführt hat, muss erneut durchbrochen und abgelöst werden durch einen evolutionären Sprung.
3. Was folgt aus der (erstmalig wirklichen) Einheit der
Welt?
3.1 Die Erkenntnis, dass "Gott" seit je her zu allen Menschen "spricht".
3.2 Von da her ergibt sich die Gleichrangigkeit der Religionen.
Was folgt aus der Verschiedenheit der Religionen?
Eine größere Bandbreite an Möglichkeiten, jeweils situationsangepasst, statt zufällig historisch gewachsen.
3.3 Die Erkenntnis der einen emergierenden menschlichen Natur:
Von allen Seiten (auch Psychologie, auch Technik etc.) wird an der Frage gearbeitet (ihre Natur drängt die Menschen dazu): "Was führt zum Glück?"
Die Antwort, so weit sie bis jetzt sichtbar geworden ist, zeigt auf verschiedene Stufen des Glücks – vergleichbar mit den vier hierarchisch aufgebauten Lebenszielen der Hindus: Lust – Erfolg – Pflicht – Erlösung.
Es geht jedenfalls nicht darum, irgendetwas zu verteufeln.
3.4 Die Verfrachtung der in Europa historisch gewachsenen "christlichen" Religion in die dritte Welt beruhte auf einem Wahn. Dass die Mission trotzdem Erfolge hatte, beruhte vorwiegend auf der überlegenen (Waffen-) Technologie, die für einfache Menschen ja immer heißt: "Da wirkt ein überlegener Geist".
3.5 Genau dieser Überlegenheits-Wahn führt heute bei uns zu der großen Abwendung von den Kirchen und bei einigen Menschen zu größten psychischen Problemen.
bzw. ein universales Christentum
neben dem es den universalen Hinduismus und Buddhismus längst gibt und neben dem es den universalen Islam und alle anderen Religionen in universaler Ausprägung geben kann
1. Politische Konsequenzen international:
1.1 Eine Bewegung für die Menschen [ähnlich "Greenpeace", doch nicht nur für den Umgang mit der Natur, sondern auch mit den Menschen] muss entstehen und beispielsweise angemessene Rohstoffpreise erkämpfen, etwa in der Art, wie die Gewerkschaften in der ersten und zweiten Welt höhere Löhne erkämpft haben, was dann dort bekanntermaßen zu allgemeinem Wohlstand geführt hat. Diese Bewegung muss auch durch geeignete Institutionen den wirklich freien Wettbewerb garantieren [was logischerweise den sogenannten "Entwicklungsländern" wieder höhere Chancen einräumt], denn das Raubtierdasein ist eine der Grundlagen der menschlichen Natur, die sich wohl oder übel Geltung verschaffen wird, entweder freiwillig oder durch einen Kampf, der von den vormals Überlegenen [der "ersten Welt"] möglicherweise nichts übrig lassen wird.
1.2 Die Ebene der Religion ist die zweite Grundlage. Es ist die Ebene des Mitgefühls, die zwar gleichzeitig mit dem Raubtier da ist, aber doch tiefer liegt und von den Menschen in einem persönlichen Evolutionsprozess erst entdeckt werden muss. Damit das geschehen kann:
2. Pädagogische Konsequenzen:
2.1 Mehrstufige Initiationen, Variationen aus dem Fundus der Völker, sollen den Blick für die tiefere Realität öffnen
Die Konsequenz: Kooperation statt Kompetition – etwa nach dem Vorbild der ursprünglichen Lebensweise der Australischen Ureinwohner.
2.1.1 Voraussetzung ist, dass die jetzigen "kirchlichen" Übergangsriten (aller Religionen) und ihre Wirkung ohne Scheuklappen betrachtet werden – dadurch nämlich wird man bereit werden, das Unwirksame loszulassen.
2.2 Ein neuer Jahresfestkreis, bzw. mehrjähriger Festkreis – lokal angepasst (natürlich nicht die Frühjahrsriten im Herbst etc., wie das heute bei den Christen der Südhalbkugel der Erde absurderweise der Fall ist)
2.3 Formen zum Nachdenken, Nachfühlen, Auseinandersetzen, bewusst Leben.
Es geht in jedem Moment um die ehrliche Betrachtung dessen, was ist: eigene Gefühle, wirkliche Erfordernisse etc., im Geist eines immerwährenden Gebets.
2.4 Das alles ist jetzt bereits im Entstehen. So wie das Christentum im zweiten und dritten Jahrhundert langsam Form angenommen hat, so entstehen auch jetzt bereits wieder diese neuen Formen.
Die Formen entstehen durch authentische Lehrer, die heute bereits aus allen Religionen hervorgehen und sich lösen von den historischen Verfestigungen.
Diese Lehrer unterscheiden sich in nichts von den anderen Menschen, außer dadurch, dass sie aufmerksam geworden sind, dass sie sensibel nach innen und nach außen hören – so wie Jesus es schon gelehrt hat und alle Lehrer aller anderen Religionen auch.
1. Jetzt sind sie Asyl für die Ängstlichen (die künstlich ängstlich Gehaltenen),
die sich nicht zu leben trauen, weil sie durch nichts darauf vorbereitet worden sind – weil die Übergangsrituale wirkungslos sind – man wollte sich ja schließlich keine selbständigen Menschen heranziehen, die könnten sich doch unabhängig machen.
In einer Kirche der Zukunft müssen die Rituale in den Menschen Raum schaffen für das reale Leben und für ein liebevolles Leben.
2. Weil das noch nicht so ist, sind die Kirchen jetzt vorwiegend Erlaubnisvereinigungen, d.h. Vereinigungen von Menschen, die von Haus aus keine Erlaubnis zu leben haben, die sich eine solche von dem Verein (der Religionsgemeinschaft) besorgen, der sie ihnen gibt unter der Bedingung, dass sie seine Gesetze beachten.
Die Einschränkungen, die sie den Mitgliedern auferlegen, bringen aber oft nicht die Erfahrung, die sie versprechen (das sich als Kind Gottes Fühlen) – im Gegenteil, sie machen schwache Menschen manchmal sogar verrückt vor Schuldgefühlen und die Starken führen sie statt zum Mitgefühl nicht selten zur Selbstgerechtigkeit, sofern der religiöse Wahn, der hinter diesem Verhalten steckt, einen Menschen nicht sogar in die Psychiatrie treibt.
In einer Kirche der Zukunft muss die Moral, die jetzt Verbots-/Erlaubnis-Funktion hat wieder zu einer Art Geist-such-Gerät werden zum Aufspüren des richtigen Kurses im Leben. Und sie muss ihre Zwanghaftigkeit verlieren.
3. Jetzt sind die Kirchen festgefahrene Fahrzeuge (der Begriff „Fahrzeug“ stammt aus dem Buddhismus, wo man von kleinem und großen Fahrzeug, d.h. Weg, spricht), die kaum jemand ans andere Ufer zu bringen vermögen.
Sie müssen wieder flott werden oder andere werden ihre Aufgabe übernehmen. Der Geist sorgt nämlich dafür, dass immer irgendjemand diese Aufgabe erfüllt.
Damals musste Jesus zu seinen Schülern sagen: "Ihr könnt die Wahrheit noch nicht ertragen."
Jetzt gibt es einige, die sie ertragen können. Für sie sieht die alte Lehre dann so aus:
Alle Dogmen (aller Religionen) sind wahr, aber ihre Wahrheit ist noch nicht vollständig enthüllt.
Aus diesem Grund scheinen sie jetzt absolut zu gelten und sich in manchen Punkten zu widersprechen. Sie sind aber nur noch nicht eingeordnet in den Gesamtzusammenhang, eben in ihren Rahmen, bzw. der Rahmen, in dem sie sich befinden, wird noch nicht als solcher gesehen. Man glaubt – noch – das drinnen wäre alles, doch es ist nur das All eines bestimmten Rahmens – so wie früher die Erde als das All galt. Es gibt aber eben noch andere Rahmen (die anderen Religionen).
Sobald das anerkannt ist, entsteht
die
Religion der Menschen.
Und eines Tages wird sich zeigen, dass auch dieser neue Rahmen wieder nur Inhalt eines noch größeren Rahmens ist...
Spaß, Tugend oder was?
Die Würde des Menschen und moderne Formen der Sklaverei
"Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es – und doch wird sie nichts als angetastet – und gelegentlich sieht es so aus, als ob sie dort, wo sie ganz massiv angetastet wird (z.B. in den Ländern der dritten Welt), mehr vorhanden ist als dort, wo ihre Unantastbarkeit offiziell geachtet wird (z.B. in unserer technisierten Zivilisation), wo der Mensch in Wirklichkeit nämlich oft nicht wie ein fühlendes Wesen, sondern wie ein bloßes Werkzeug behandelt wird (entweder er funktioniert oder er ist störender Müll) – nicht offiziell natürlich, aber praktisch. Praktisch lebt jeder Mensch in unserer Gesellschaft trotz der deklarierten "Freiheit" unserer Welt ständig in der Gefahr, geistig versklavt zu werden, insbesondere an die Illusion, dass der Sinn des Lebens das gute Leben ist, der Genuss, der Spaß. [Genau von dieser Gefahr sprach Lao-tse, als er sagte: „Es ist besser, nicht zu haben, was das Leben lebenswert macht, als das Leben wertzuschätzen“.]
Da der Genuss nun aber schon das offizielle Lebensziel der westlichen Industriekultur ist [gut belegt mit US-Regierungsdokumenten von R. Wagnleitner: “The Empire of the Fun, or Talkin’ Soviet Union Blues” in: Diplomatic History, Vol. 23, No. 3, Summer 1999, SHAFR, Malden and Oxford], wird er von den Menschen logischerweise weltweit eingefordert, aber die Mittel fehlen, sind immer zu wenig, und wenn sie da sind, braucht es immer mehr davon, damit die Leere nicht ins Bewusstsein dringt, die folgt auf den isolierten Genuss.
Natürlich möchte ich nichts gegen den Genuss sagen, denn es ist ja ein Glück, wenn wir etwas genießen können, und es ist schön, wenn wir viel genießen können – wenn der Genuss aber zum Sinn des Lebens wird, dann wird gleichsam über den Glanz des Daseins Asche gestreut; ein fahles Grau breitet sich unter den Spitzen des Genusses aus, überall, besonders aber dort, wo er fehlt, da, wo ge-molocht werden muss, um ihn zu ermöglichen und da, wo die anderen Menschen nur noch als seine Objekte zählen.
In dieser Art von Welt fühlen die Menschen keine Beziehungen mehr. An ihrer Stelle knüpfen sie Zweckgemeinschaften für die Dauer des Zwecks. Und der Zweck ist der Genuss. Beziehungen dagegen bringen immer eine Art "commitment", eine gefühlte Verpflichtung mit sich. Sie rühren von unserer fühlenden Seele her, der unter der Bedingung des Zwecks letztlich nicht mehr erlaubt wird, zu sein. Im Dienste des Genusses schneiden wir uns daher von unserer Seele ab. [Ähnliches würde natürlich auch von einem Dienst an jeglichem anderen "Guten" gelten. Jeder Dienst an irgendeiner Art oberstem Wert, einem Idol, trennt uns von unserem innersten Wesen. Wenn wir ein Detail für das Ganze nehmen, vergewaltigen wir uns notwendigerweise. Hier ist der Ort des Bilderverbots im ersten der Zehn Gebote und natürlich auch im Islam]. Und nur indem wir unsere Aufmerksamkeit auf die Suche nach immer größerem Genuss [immer größerem "Guten" etc.] lenken, ist es uns dann möglich, den inneren Schmerz, den Hilferuf unseres Wesens [wegen dieser Einengung der Sicht] von unserem Bewusstsein fernzuhalten.
Wenn wir den versprochenen größeren Genuss nicht bekommen, dann spüren wir diesen Schmerz, aber anstatt ihn dort einzuordnen, von wo er kommt [von der Einengung der Sicht], führen wir ihn auf den fehlenden Genuss zurück und unterwerfen uns der Mühle von Anstrengung und Erfolg im Dienste des Genusses nur noch mehr. Und anstatt dort die Lösung zu sehen, wo sie ist, nämlich in den realen Beziehungen, deren Gewebe unsere Seele von Anfang an sieht und sucht, sehen wir in den Bindungen, die sie mit sich bringen, nur Hindernisse für unseren Genuss. Und so bringen wir uns um die echte Lebensfreude, die nämlich ausschließlich ein Ergebnis unserer Beziehungen ist, in denen allein wir Raum haben für freie, absichtslose Kommunikation. In diesem Raum erst wird auch der Genuss zu dem, was wir uns stets davon erhoffen und es bleibt kein schaler Nachgeschmack.
Im Raum der reinen Zweckgemeinschaften gibt es überhaupt keinen wirklichen Genuss, im Gegenteil, wir befinden uns in einem Teufelskreis, aus dem wir irgendwann, "wenn es der Teufel so will", wie man sagt, ins Bodenlose fallen und dort zerschellen – es sei denn, einer der Lichtstrahlen, die aus dem Reich der Beziehungen unserer Seele kommen, regt unser Herz, so dass wir rechtzeitig Halt machen und schauen, was wir da eigentlich tun.
Nun sind wir unversehens auf den Begriff "Teufel" gestoßen und damit auf die mythologische Sprache religiöser Dogmatik. Wie zu sehen ist, geht es dabei einfach um die Kräfte, die uns bewegen. Die mythischen Namen, die die Menschen diesen Kräften in der Vergangenheit gegeben haben („Teufel“, „Engel“, „Gott“), verführen uns aber zu meinen, sie wären etwas, das sie nicht sind [nämlich selbständige, von uns unabhängige und mit eigenem Willen ausgestattete Wesen], und dann (weil wir ja so aufgeklärt sind) – ihre Existenz zu leugnen. Aber wer könnte leugnen, dass es Kräfte gibt, die uns einengen und auslaugen und solche, die unsere Kraft wecken, weil sie uns Raum geben? Da sind wir beim Ursprung der mythischen Welt und von mehr wollen wir hier nicht reden.
Die theologische Frage nach Gott (in diesem Sinn eine mythische Frage) birgt die Gefahr fundamentalster und verhängnisvollster Missverständnisse; die psychologische Frage nach der Seele kommt unserer heutigen Erfahrung zwar schon näher – die eigentliche Frage aber heißt zu jeder Zeit: "Von meinem innersten Wesen aus betrachtet, was will ich [wohin drängt, zieht "es" {= natürlich das Ganze, in dem ich mich bewege} mich] jetzt wirklich?" In diesem Bewusstsein brauche ich weder Mythologie noch irgendwelche obersten Werte, denn mein innerstes Wesen [in der Sprache Jesu ist das „der Menschensohn"] führt mich von Natur aus so, dass sich meine Sehnsucht erfüllt und zudem noch so, dass ich für andere den Eindruck erwecke, als hätte ich die moralischsten Werte und all die anderen, später abstrahierten Standards der Religion. Diese Standards wurden ja von Menschen, die ihre Beziehung zu ihrem Inneren [und natürlich gleichzeitig zum Ganzen der Welt] verloren hatten, aus dem Verhalten jener, die aus dieser Beziehung heraus gelebt haben, herausdestilliert, denn sie glaubten, damit hätten sie deren Geheimnis ergründet. Daher wollten sie diese Standards sich selbst oder anderen [in Form von Moral] vorschreiben. Leider wird die Verwirrung durch diese Vorschriften nicht geringer, sondern größer (weil diese Vorschriften notwendigerweise eben wieder jener verhängnisvollen dualistischen Welt des „gut/schlecht“ angehören) – so groß schließlich, dass die von der Moral Verwirrten, irgendwann den ganzen moralischen Schrott auf ihre geistige Müllhalde werfen und sich voll und ganz dem Genuss verschreiben und alles in ihrem Leben diesem Ziel zu unterwerfen, d.h. sich selbst und die anderen instrumentalisieren usw..
Und damit ist die Würde des Menschen beim Teufel und wir sind wieder dort, von wo wir entkommen wollten. Es wird eine Weile dauern, bis wir die Realität hinter unserem Ärger entdecken, nämlich unsere sogenannte "Seele", also das, was wir unserem innersten Wesen nach eigentlich sind, nämlich eine sehr persönliche und individuelle Kraft, die darauf drängt, sich einsetzen zu können, zuerst, um die Welt zu entdecken und dann, um sich in ihr zu verströmen zur Freude aller.
Von der Apokalypse zur
Auferstehung
Tod oder Leben, das ist die Alternative, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.
Wenn wir das Schicksal der Menschen betrachten, sehen wir, dass alle irgendwann an diesen Scheideweg kommen. Und dann gibt es entweder Krankheit und Tod oder ein neues Leben, natürlich dann nicht erst nach dem Tod, sondern vorher.
Was mit den Verstorbenen geschieht, ist eine andere Frage. Die Bibel hat sich nie besonders für diese Frage interessiert, doch die Masse der Nachfahren Jesu, so scheint es, interessiert sich nur noch dafür. Ihr Leben lang macht sie ihren einzelnen Mitgliedern Schuldgefühle – natürlich um sie sich besser einverleiben zu können, schließlich ist ja klar, dass keiner halten kann, was angeblich geboten ist – und dann vertröstet man sie auch noch auf eine Belohnung nach dem Tod! Sämtliche Messiasse hätten sich darauf niemals vertrösten lassen. Sie setzten ihr Leben ein, damit sie zu Lebzeiten so leben konnten, wie ihr innerstes Wesen es wollte. Und von der Bibel her ist das, was angeblich moralisch geboten ist, gar nicht geboten, im Gegenteil: Wir sollen uns vor keinen fremden Göttern niederwerfen und nur einen Gott anerkennen – und der Name dieses einen Gottes ist ausgerechnet "JAHWE", was so viel heißt wie "Ich bin der ich bin"! Und damit ist natürlich niemand anderer gemeint als – denken Sie schon wieder an einen anderen? – als Ihr eigenes inneres Wesen!
Deshalb müssen Sie auch zu niemand sprechen, wenn Sie beten. Nicht umsonst hat ja Jesus gesagt: "Wenn ihr betet, plappert nicht wie die Heiden". Genau genommen (philosophisch-logisch betrachtet) ist jedes gesprochene oder gedachte Gebet schon Götzendienst, weil es eine Dualität von Kräften voraussetzt, die es in Wirklichkeit nicht gibt. – Praktisch (von unserem Bewusstsein aus betrachtet) ist die Situation natürlich anders. Da befinden wir uns nämlich in der Dualität und in dieser führen wir schon mal (auch long-distance-)Selbstgespräche, denn wir müssen auch in uns abklären, in welcher Lage wir uns eigentlich befinden. Doch wenn jemand die Intention hat, die im Vaterunser ausgesprochen ist, dann braucht er nach niemand mehr rufen, denn er weiß ja, dass der "Vater" nicht irgendwo in der Ferne ist, weil er doch unsere Lebensgrundlage ist, unsere biologische und geistige Basis, die natürlich und unbedingt zu uns hält, schließlich hat sie uns doch hervorgebracht, damit wir sind und zwar genau so, wie wir sind. Aber logischerweise kann diese Basis nur dann eine Unterstützung für uns sein, wenn wir uns auf sie stützen, wenn wir sie nicht in unserem Bewusstsein verleugnen und sie nach irgendwo draußen projizieren und dann glauben, von irgendwo aus der Ferne Hilfe bekommen zu sollen.
Das "Dein Wille geschehe" des Vaterunsers bezieht sich auf die Überwindung des die Dualität erst erzeugenden fremden Willens, der aus unserem Denken kommt, mit dem wir uns aber identifizieren – daher kommt das scheinbare Gegenüber, weil es aber nur scheinbar ist, ist jeder Gottesdienst, in dem dieses Bewusstsein nicht mitschwingt, (immer noch) Götzendienst, weil der unbewusste Teilnehmer etwas irgendwo außerhalb seiner selbst annimmt und anspricht, das doch dort nicht ist, jedenfalls auch nicht mehr als in ihm selbst. Natürlich können wir mit anderen zusammen eine Intention formulieren. Es ist ein Glück, wenn wir das können, aber alles darüber hinaus ist Götzendienst. Die Theologen und Priester haben davon oft keine Ahnung. Nur zu oft sind sie abergläubisch und ihr Klientel natürlich nicht weniger. Blinde Führer von Blinden. Trotzdem macht alles einen sehr geordneten Eindruck, der sich allerdings sofort verliert, wenn man etwas genauer hinschaut.
Im Ursprung ist Religion immer befreiend und sonst nichts. Irgendjemand entdeckt irgendwann in seinem Leben – gewöhnlich nach intensiver Knechtschaft (also nach einer Erfahrung der Nichtexistenz) irgendeiner Art, und sei es als Diener einer Kirche – dass die Kraft, die ihn/sie ins Leben gerufen hat, etwas anderes von ihm/ihr will, nämlich dass er/sie aufsteht und zeigt, dass die Kunde von dieser Kraft nicht bloß ein bereits bekanntes Märchen ist, sondern, dass diese Kraft jetzt da ist und wirkt – und wo, wenn nicht gerade auch in dem Menschen, der sich schon zu lange vor irgendwelchen Götzen zu Boden geworfen hat.
Und die Götzen, das sind alle, die behaupten, sie hätten recht und wir hätten ihnen zu dienen.
Das klingt nach Anarchie, ist es aber überhaupt nicht. Denn nach der Befreiung herrscht nicht die despotische Willkür Einzelner, sondern die Kraft, die uns hervorgebracht hat, denn die ist ganz natürlich unser "Herr". Und sie zeigt uns: Wenn wir ihr folgen, geht es nicht nur uns selbst, sondern unserer ganzen Umgebung so gut, wie es nur gehen kann – auch wenn dieses "gut gehen" nicht unbedingt den landläufigen Vorstellungen vom "guten Leben" entspricht. Die Kraft, die uns hervorgebracht hat, will ja nicht nur, dass wir gut leben, sie will auch dass alle anderen gut leben, schließlich hat sie auch alles Andere hervorgebracht, das wir doch so sehr bewundern in seiner Schönheit zwischen Ordnung und Chaos.
Diese Kraft ordnet auch ein, sie wirft das Aussichtslose raus und schafft damit Raum für Neues [in dieser Gestalt wird die Kraft in unserer mythologischen Sprache „Teufel“ genannt – in der Erfahrung der Australischen Aborignes gibt es jedoch eine ganz andere Sicht: Da werden nämlich gelegentlich Menschen, denen das Leben hier zu schwer ist, mit Ahnengesängen wieder aus diesem Leben hinausbegleitet, nicht a la Hackethal, sondern in vollkommener Harmonie, d.h. ohne tödliche Drogen.], sie treibt die Entwicklung voran im einzig wirklichen schöpferischen Sinn, nämlich in Richtung immer größerer Bewusstheit.
Diese Kraft aber möchten wir oft lieber nicht wirken lassen, weil wir unser Leben eben gern so haben, wie wir es uns vorstellen – auch wenn das noch so grauenhaft ist. So ist die menschliche Realität. Deshalb braucht es oft die Apokalypse. Freiwillig lassen wir eher nicht los. Der Abgrund muss uns schon vor Augen stehen – und Geschichten von Apokalypse reichen da oft nicht aus, oft genug braucht es den direkten Blick auf den unmittelbar bevorstehenden persönlichen Untergang. Dann erst sind uns unsere Vorstellungen manchmal nicht mehr ganz so wichtig – die meisten allerdings, so scheint es, sterben lieber, als dass sie loslassen – besser sie selbst sind tot, als dass ihre ganze Welt zusammenbricht. Und so geschieht es dann auch.
Damit möchte ich keinerlei Urteil fällen über die menschlichen Todesarten oder über die, die sie wählen, denn es ist allzu schwer, der Versuchung zu widerstehen, ja schon zu bemerken, dass es sich um eine Versuchung handelt. Als Phänomen ähnelt das der eben beschriebenen Australischen Option – aber es bleibt gewöhnlich unbewusst. Die Oberflächen-Religion sagt deshalb dann "abberufen aus unerforschlichem göttlichen Ratschluss" und diese Bezeichnung ist in der Tat sehr barmherzig und angesichts der Unbewusstheit eben auch zutreffend. Die Grundintention der Tiefen-Religion besteht allerdings darin, lieber die liebsten Vorstellungen fallen zu lassen (etwa so wie Abraham seinen Sohn Isaak losgelassen hat) als den Glauben daran, dass die Kraft, die uns ins Leben gerufen hat, nicht unseren Tod will, sondern unser Leben und dass absolut niemand das Recht hat, es uns streitig zu machen.
Bei Heroinsüchtigen hat man schon öfter gehört, dass sie eines Tages vor der Wahl standen: entweder den goldenen Schuss oder ein von Grund auf neues Leben. Die Leute, die sich für das Leben entschieden haben, haben dann meistens anderen Süchtigen geholfen, sich auch zu dieser Entscheidung durchzuringen. Auch von anderen, die ihrem Tod so nahe waren, hat man Ähnliches gehört. Sie haben die Auferstehung gewählt. Die Kraft hat gesiegt. Am Ende siegt sie immer. Es ist nur die Frage, ob wir auf sie gesetzt haben oder auf unsere eigenen Vorstellungen, z.B. auf unsere Moral, die uns doch so weitgehend verbietet, auch nur aufzumucken – obwohl es doch gerade unsere Lebenskraft ist, die uns zum Aufmucken bringt, weil wir von Natur aus aufmucken müssen gegen alles, was uns klein hält. Diese klein machende Moral hat mit Religion nicht das Geringste zu tun. Sie ist purer Götzendienst. Wenn Moral in irgendeinem Sinn etwas Positives sein soll, dann nur im Sinn eines Anstoßes zur Überwindung unserer Trägheit und zum Vertrauen auf unsere innere Kraft. Und dann sagt sie uns beispielsweise bestimmt nicht "du sollst nicht Unkeuschheit treiben", sondern höchstens: "Such dir einen Partner, mit dem du dich wirklich auseinandersetzen kannst."
Der Hauptgrund, warum in unserer Zeit die Therapie über die Religion gesiegt hat, ist der, dass die Therapie Ihrer Grundintention nach befreiend ist, während in der Religion, zumindest im Christentum, das Motiv der Befreiung ins Jenseits verlagert wurde. Statt Freiheit herrschen daher im Diesseits moralische Rücksichten.
Bekanntermaßen entstehen Krankheiten oft durch einen Energiestau, d.h. durch nicht gelebtes Leben, und der Energiestau entsteht vorwiegend durch moralische Rücksichten. Oft wäre es beispielsweise besser, sich scheiden zu lassen, so schlimm das immer auch ist [besonders für die Kinder], als sich zurückzunehmen – und damit die Lebenskraft selbst zurückzudrängen. Diese Art des sich zurück Nehmens geschieht nämlich ohne Bewusstsein der Zusammenhänge und ist daher gänzlich verschieden von der Art von Zurückhaltung, die die Lebenskraft selbst verordnet und der ein Mensch folgt, weil er weiß, dass sie ihn immer richtig führt.
Einer der offiziell anerkannten Messiasse unserer Religionsrichtung war David. Und genau der hat sich nicht gescheut, ein absolutes Tabu zu leben, nämlich den Mann einer Frau, in die er sich verliebt hatte, umbringen zu lassen, um sie zu bekommen. „An den Galgen mit ihm“ können die Moralapostel da nur schreien. [Leider konnten sie David nichts anhaben, denn er war ja der König. Es blieb daher bei einer Schelte durch den Propheten.] Aber genau aus dieser Linie, also aus den Nachfahren dieser neuen Beziehung ist dann Jesus hervorgegangen, wie die Gründer unserer Religion mit Stolz vermerken (ohne zu bemerken, was sie damit eigentlich sagen).
Wie viele Menschen dagegen siechen körperlich dahin, weil sie gefangen sind hinter den unsichtbaren Mauern menschlicher Ächtung – voll integriert in den Arbeitsprozess, beste Steuerzahler, fromme und nicht so fromme. Sie werden in Sklaverei gehalten durch ein geistiges Implantat der Gesellschaft, das nämlich ist die (unwillkürliche Kehrseite der) Moral. Fast alle körperlichen und seelischen Erkrankungen sind von dieser Art. Wenn wir einmal angefangen haben, uns selbst nicht zu trauen, ist unser Ende in Sicht. "Gewollt hätte ich schon, aber dürfen habe ich mich nicht getraut" [nach Karl Valentin], müsste auf den meisten Grabsteinen stehen. Wenn die Krankenkassen einmal davon Wind bekommen, werden sie entdecken, dass echte Religion wichtiger ist als Fitness. Die falsche Religion aber (biblisch: der Götzendienst) ist die Hauptursache der Krankheit. Die zweite Hauptursache ist der Egoismus derer, die die Moral ablehnen und ganz offen nur ihren Vorteil suchen. Beide aber leben in der Welt der Dualität, religiös ausgedrückt: „des Götzendiensts“. Beide kennen die Kraft nicht. In heutiger Sprache sind es einfach die beiden Pole Abhängige und Koabhängige.
Zwar zeigt die Tatsache, dass die Religiösen insgesamt statistisch gesehen gesünder und länger leben, dass etwas von der richtigen auch in einer falschen Religion da ist – und warum sollte die falsche Religion nicht eine natürliche Etappe auf dem Weg zur richtigen sein – nur müssen wir eben irgendwann lernen, die Warnung des ersten Gebots vor jeder Unterwerfung zu verstehen, sonst kommen wir mit der Religion nicht zur Auferstehung.
Befreit durch die Krankheit
Die Sache ist im Prinzip so einfach wie die Bibel sie darstellt:
Da gibt es die Kraft, die das ganze Weltall auf intelligente und mächtige Weise aus sich hervortreibt. Ihrer Natur entsprechend ist diese Kraft nicht an Selbsterhaltung interessiert, sondern es drängt sie, sich zu verströmen – allerdings nicht dumm-chaotisch, sondern auf eine derart intelligente Weise, dass nach Milliarden von Jahren ein Wesen erscheint, das diesen Prozess als solchen erkennen kann.
Wieder typisch für die "Vorgehensweise" dieser Kraft ist die Tatsache, dass eine der Voraussetzungen für diese Erkenntnis eine Fähigkeit ist, die jenes Wesen zunächst aber gerade dazu veranlasst, seinen Ursprung zu vergessen und entgegen den Intentionen seines "Schöpfers" seine neugewonnene Fähigkeit nur für sich einzusetzen gegen alle anderen. Diese neue Fähigkeit ist das Denken mit seiner Unterscheidungsmöglichkeit zwischen "gut" und "schlecht" (Gen 2,17). Noch befangen im Raubtierbewusstsein seiner Vorfahren setzt der Mensch seine neue Fähigkeit des Denkens nämlich zur Profitmaximierung ein (Gen 3,6).
Eine typische Grundlage des Selbstbilds dieses Menschen wären Sätze wie: "Ich bin besser." "Ich habe alles Recht, ihr anderen habt keines." Das ganze natürlich heruntergeschraubt auf ein im Alltag realistisches Maß ("realistisch" ist, was tatsächlich glaubhaft wirkt). Die zweite Denkvoraussetzung ist die Orientierung an der Vergangenheit mit der Intention, sich aufgrund vergangener Erfahrungen Vorteile in der Zukunft zu verschaffen. Gerade durch diese Art der Denkfähigkeit, also durch die erfahrungsbedingte Unterscheidung von "gut" und "schlecht" wurde dieses Wesen fähig, sich von der Instinktsteuerung abzukoppeln mit allen Folgen für die Gemeinschaft und für die eigene seelische Gesundheit (Gen 3, 23f.).
Unter Aufopferung beider Werte (Gemeinschaft und Gesundheit) erreichten manche dieser Wesen dann ungeahnte Macht, die jene anderen Menschen, die darunter zu leiden hatten (z.B. die Autoren der Bibel) zu Überlegungen führte über die Gründe für diese Entwicklung und über die Folgen. Die Autoren der Bibel fanden heraus, dass die Ursache der Unterdrückung von Menschen durch andere die Gier ist, die durch die Idee der Machbarkeit angestachelt wird. Und sie sahen: Die Idee der Machbarkeit entstammt der Zukunftsprojektion der Ergebnisse der Analyse der vergangen Erfahrungen mit Hilfe der Unterscheidung von "gut" und "schlecht“. Sie fanden außerdem, dass die gierigen Wesen einer Art "Geist" folgten [ein „Geist“ ist so etwas wie ein treibendes komplexes Bild mit Ankern im eigenen Wesen]. Und sie gaben diesem Geist den Namen "Baal", Gott der tierischen Kraft.
Da sie sahen, dass dieser Geist ein mörderischer Geist ist (Ri 2,13f.), suchten sie nach einem anderen Geist, der ihnen gegen die Bedrohung durch den "Baal" helfen konnte. Und sie fanden als diesen anderen Geist erstaunlicherweise die stärkste Kraft, die überhaupt existiert, nämlich die Kraft, die das ganze Universum und auch sie hervorgebracht hat. Die Bibel nennt diese Kraft "JAHWE" (Ex 3,14ff., zu deutsch „ich bin der ich bin“). Sie entdeckten JAHWE als Geist der Hingabe und als Geist der Wahrheit. Sie sahen, dass die tiefste Sehnsucht der Menschen eben nicht das Raffen, sondern die Hingabe ist. Und sie erkannten: Sie können sich mit dieser Kraft verbünden und im Bündnis mit dieser Kraft eine ungeahnte Resonanz erfahren, dass ihnen nämlich die ganze Natur zu Hilfe kommt (Gen 22,13 der rettende Widder; Ex 6,1; 7,1-11,10 die ägyptischen Plagen etc.). Und außerdem gibt ihnen diese Kraft (für den denkenden Verstand) geradezu unglaublich kreative Ideen (Ri 7,7 dreihundert besiegen dreißigtausend etc.). Die Ideen, die aus dem Bündnis mit dieser Kraft kommen, sind nämlich keine Berechnungen aus vergangenen Erfahrungen, sondern sie beziehen alle Fakten der Gegenwart augenblicklich ein auf eine Weise, gegen die es letztlich keine Abwehr gibt, denn die schöpferische Intelligenz selbst steuert das Geschehen unmittelbar.
Im Bewusstsein dieser Kraft zu leben, so entdeckten die Autoren der Bibel, ist von Anfang an die tiefste Sehnsucht aller Menschen. In Übereinstimmung mit ihr erleben sie das höchste Glück. Getrennt von ihr fühlen sich die Menschen entfremdet – trotz all der Vorteile, die sie sich mit ihren Berechnungen vielleicht verschaffen konnten. Außerdem sind die ergatterten Vorteile naturgemäß beschränkt und nur eine Minderheit kann sie erreichen, die Mehrheit muss für die Vorteile bezahlen, die sich die Wenigen verschaffen konnten.
Jene leidende Mehrheit ist gewöhnlich aber mit der über sie herrschenden Minderheit der Meinung, sie müssten auch wie diese dem Geist der tierischen Kraft folgen. Diese Meinung äußert sich beispielsweise in der Faszination der Macht (Offb 13,4 .13-17 die Menschen unterwerfen sich den beiden Tieren etc.) mit all den bekannten Folgen nicht nur des Fasz-ismus. Und natürlich liegt das daran, dass auch die leidende Mehrheit die Erfahrung macht, dass der Geist der tierischen Kraft tatsächlich Erfolg hat: Die Mehrheit unter ihnen ist immerhin noch imstande, den selbst erfahrenen Druck einfach nach unten weiter zu geben. Und den letzten beißen dann bekanntlich die Hunde. "Da kann man nichts machen, die sind sowieso minderwertig", denkt das Raubtier Mensch.
Nun ist es aber so, dass eine überwiegende Erfolglosigkeit irgendwann ihre Wirkung hat. Das Selbstbild vom "gut" Sein lässt sich nicht aufrechterhalten. Die Welt bricht zusammen (z.B. Mk 13,2 „kein Stein wird auf dem anderen bleiben“). In solchen Situationen kann es vorkommen, dass eine tiefe Sehnsucht nach einer anderen Art zu leben ins Bewusstsein dringt, die Sehnsucht nach einer anderen Art von Geist, nämlich nach jenem, der Leben gibt.
Es kann aber auch sein, dass das Bewusstsein in dieser Situation noch mit "Baal" identifiziert ist, während der Organismus (der von der "Seele", also von einer in diesem Fall unbewussten, individuellen geistigen Oberinstanz, gesteuert ist) bereits nicht mehr mitmacht. Denn wenn die Aussicht schwindet, Glück erfahren zu können, dann reagiert "der Organismus" mit einer Art "Störung" – so zumindest sieht es für den berechnenden Verstand (der aufgrund seiner selbstgewählten Abkopplung von den organischen Prozessen nichts von deren Impulsen registriert hat) aus. In Wirklichkeit ist die Reaktion des Organismus aber der Versuch des Ganzen, die tatsächliche Störung, nämlich das geistige Gefängnis, die geistigen Mauern, die den Menschen daran hindern, dem Ruf seines Innersten zu folgen, abzuschütteln – und wenn alle Versuche der Selbstkorrektur nicht helfen, aus der Welt zu scheiden – möglicherweise um anderswo einen neuen Versuch zu starten.
Durch die Reaktion des Organismus erscheint Unbeabsichtigtes, etwas, das als "schlecht" kategorisiert wird, ein "Fehler" – so sieht es für den "Baal" (= für den Verstand) aus. Für den Geist des Alls ist die Reaktion des Organismus natürlich kein "Fehler", denn es ist ja seine Kraft, die das Symptom verursacht (z.B. Offb 16 von Gott geschickte Engel richten Schaden an), denn sie strebt – für das mit seinen gewohnten Urteilen identifizierte Ich unbewusst – nach einer Lösung des Krampfs, der durch das Leben in der „gut/schlecht“-Welt aufgetreten ist. Die Krankheit ist also nicht ein Fehler der Natur, sondern ein Warnzeichen, eine Erscheinung, die auf eine bestehende Behinderung des Geists aufmerksam macht. Verschwinden kann die Krankheit daher erst, wenn die Behinderung des Geists aufgehoben wird.
Ein Beispiel für eine derartige Behinderung durch gedankliche Barrieren ist u.a. die Moral (deshalb kritisiert Jesus z.B. in Mt 23,4 die Pharisäer, die den Menschen schwere Lasten aufbürden), die den befallenen Menschen in eine Art Gefängnis sperrt, aus dem er möglicherweise nur anfallsartig, z.B. in Form einer Manie, ausbrechen kann – oder in Form einer Depression. Es kann natürlich auch ein "Verbrechen" sein oder eine körperliche Krankheit oder auch eine Schizophrenie, aber bleiben wir beim Beispiel der Manie:
In der Manie bekommt ein Mensch Zugang zu sonst verborgenen Kräften (z.B. Mk 5,2 ff., der Mann mit dem unreinen Geist). Die persönliche Bewusstseinsentwicklung entspricht allerdings noch nicht der Kraft, die der Maniker demonstriert. Dadurch erscheint er als wahnsinnig. Doch sein Organismus treibt ihn zu der Flucht nach vorne, weil das eigentliche Hindernis, das geistige Gefängnis, im normalen Bewusstseinszustand nicht als solches erkannt ist und daher auch nicht überwunden werden kann.
Ähnliches gilt für die Depression, nur dass bei den Depressiven die Lösung, die der Organismus anpeilt, der Rückzug ist.
Da in der Welt des "Baal" Manie und Depression als „Fehler“ der Natur gelten, die korrigiert werden müssen, wurden in unserer Zeit Chemikalien erfunden, die diesen Tendenzen der Natur entgegenwirken. Als Ausweg gibt es heute daher zwei Möglichkeiten, entweder (1) Medikamente, die den Maniker von seinem Höhenflug herunterholen bzw. Antidepressiva, um die Stimmung des Depressiven anzuheben – oder (2) die Entlassung aus dem geistigen Gefängnis im Alltagsbewusstsein, d.h. Genesung durch Bewusstwerdung.
Solange sich die äußeren Bedingungen (d.h. die Grundprogrammierung des Bewusstseins) nicht ändern, wird der Organismus seine Strategie der (natürlich störenden) Warnsignale beibehalten. Daher wird der erste Weg, sofern er glaubt, ohne Bewusstseinsarbeit auszukommen, eine dauernde Abhängigkeit von Medikamenten schaffen und die "Störung" perpetuieren. In die Freiheit führt nur eine Veränderung des Bewusstseins.
Der erste Schritt zu einer derartigen Veränderung des Bewusstseins ist es, das Gefängnis als solches zu erkennen.
Außer der Moral bzw. der Angst vor dem, was andere denken könnten, kann es auch jede andere Art von Abhängigkeit sein. Letzten Endes wird die Abhängigkeit immer zu tun haben mit dem, was die Autoren der Bibel als Ursache des Problems diagnostiziert haben (Gen 2,17, Verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen), nämlich damit, dass Menschen ihr Bewusstsein auf (aus vergangenen Erfahrungen abgespeicherte) Bewertungen über "gut" und "schlecht" programmiert haben und diese Bewertungen als einzige Lebensorientierung benützen.
Basis der Befreiung dagegen ist die Erinnerung an die Kraft (deshalb in Num 10,9f. die Trompetensignale als Erinnerung an die Hilfe durch Gott), die uns hervorgebracht hat und die nichts mehr will, als dass wir in ihrem evolutionären Sinn leben. Das können wir aber nur, wenn wir frei sind (frei von Abhängigkeiten, von Vor-Urteilen etc., und deshalb Ex 20,3ff., das Verbot anderer Götter). Da wir uns am Anfang unseres Weges in die Freiheit aber selbst nicht trauen, bekommen wir als Ermutigung einige Erzählungen von den Erfahrungen anderer mit dieser Kraft. Diese Erzählungen stehen in den heiligen Schriften aller Völker. Und sie sagen uns übereinstimmend, dass die Kraft mit dem ist, der sich traut (Ri 6,14, „befrei mit der Kraft, die du hast...“), sich auf den Weg zu ihr zu machen. Auf dem Weg zu ihr nämlich wird sie mit uns sein und letztlich wird uns kein Hindernis aufhalten können. Solange wir uns allerdings nicht an diese Kraft erinnern, sondern glauben, uns allein aus "eigener" Kraft befreien zu müssen, bleiben wir innerhalb der Kategorien unseres Gefängnisses (d.h. abhängig von fremden Göttern) und wir können nicht frei werden. (So erklärt sich z.B. 1 Sam 15,9, Sauls Ungehorsam.)
Die Kategorien unseres Gefängnisses sind, wie gesagt, unsere vergangenen Erfahrungen. Sie halten uns in der Vergangenheit fest. Die Kategorie der schöpferischen Kraft dagegen ist die totale Präsenz. Auf dem Weg zu ihr müssen wir alle Vor-Stellungen loslassen (z.B. Ri 7,5, nur die, die trinken wie die Tiere, werden ausgewählt). Weil wir uns aber mit unseren Vorstellungen identifizieren, müssen wir vor allem unser Bild von uns selbst loslassen – aber eben nicht wie die Maniker es tun, indem sie glauben bereits zu sein, was sie bis jetzt doch nur dem Keim nach sind, sondern indem wir unseren Spielraum Zentimeter um Zentimeter erweitern, indem wir nämlich auf ähnlich mühsame und gefährliche Weise unsere geistige Freiheit erobern, wie wir es beim Ausbruch aus einem physischen Gefängnis tun müssten. Der Ausbruch wird uns gelingen. Weil die Tendenz, sich gewohnheitsmäßig zu verhalten aber einen ständigen, starken Zug auf uns ausübt, müssen wir dieser Trägheits-Kraft zunächst mit einer ständig zu wiederholenden Übung begegnen: Wir müssen uns nämlich immer wieder daran erinnern, dass die Kraft des Alls unsere Freiheit will und dass sie, gewissermaßen persönlich, die Gelegenheiten schaffen und uns die nötigen Ideen geben wird, sobald wir mit konkreten Schritten tatsächlich anfangen, selbst zu leben – und zwar bevor wir zusätzliche Kraft durch unseren Bund mit der Kraft erfahren haben; wir müssen anfangen mit dem, was wir haben – und sei das noch so dürftig! Dann erst erleben wir die Unterstützung durch unseren Bund. Die Wunder können nicht beginnen, bevor wir einen Schritt im Vertrauen darauf, dass sie beginnen werden, gemacht haben.
Glaube und Erfahrung
Es gibt sicherlich verschiedene Arten von "Glauben", deshalb müssen wir zuerst klären, wovon die Rede ist:
Was wir gewöhnlich unter "Glauben" in seinem besten Sinn verstehen, ist eine intellektuelle Errungenschaft, eine Art geistige Disziplin, die vorwiegend auf eingeprägten Bildern beruht, letztlich auf einer Art hypnotischem System, das eine Erlösung vom Leiden zu bewirken versucht, indem es sie behauptet.
"Glauben" in diesem Sinn ist also das Für-Wahr-Halten behaupteter Zusammenhänge. Der Preis für das Funktionieren eines hypnotischen Systems dieser Art ist gewöhnlich die Einhaltung eines strengen Ordeals, das eben jene geistige Disziplin durch schwieriges praktisches Handeln untermauert. In unserem Fall ist das Ordeal die Moral. Da diese aber praktisch nicht einzuhalten ist, kann jedes Versagen der Glaubenskraft (die ja Berge versetzen soll) auf die eigene mangelnde Disziplin zurückgeführt werden.
Der Nachteil dieses Systems ist nicht nur, dass es nicht besonders gut funktioniert, sondern vor allem, dass es massive Störungen verursachen kann, insbesondere, dass es (naive) Menschen, die die Moral nicht bewältigen können, innerlich zerreißt oder in ein geistiges Gefängnis sperrt, aus dem ein Entkommen fast unmöglich ist, insbesondere da die Vertreter des magisch–hypnotischen Systems selbst keine Einsicht in die Wirkzusammenhänge dieses Systems haben und den Mythos, auf dem die Wirkung beruht, einfach für so etwas wie eine physische Realität halten in einem ähnlichen Sinn wie zu Zeiten des Polytheismus die verschiedenen Götter ebenso für selbständige quasi anthropomorphe Realitäten gehalten wurden. Im Wirk-Prinzip gibt es daher tatsächlich keinen Unterschied zwischen dem gewohnt christlichen und den polytheistischen Glaubensformen.
Die Störungen, die vom "Glauben" in diesem Sinn verursacht werden können, reichen von Neurosen über psychiatrische Störungen bis hin zu allen Arten von lebensbedrohlichen Krankheiten, denn für die Menschen, die nicht bereit sind, die geforderte rigorose Moral entweder zu erfüllen oder bewusst abzulehnen, stellt sie eine Einengung ihres Lebensraumes dar, die ihnen letztlich nur die Möglichkeit lässt, entweder radikal auszubrechen (auch im Sinn des Verbrechens) oder zu resignieren, d.h. sich überwältigen zu lassen von dem inneren Druck mit Konsequenzen wie Krebs, Herzinfarkt, Depression und Ähnlichem.
Ein weiteres schwerwiegendes Problem, das auf das Moralsystem zurückgeht, ist die Bigotterie und mit ihr der ganze Komplex von Diskriminierung, der zu Verfolgungen bis hin zu Kriegen führt.
Natürlich wäre es verkehrt, dem religiösen Glaubens-System "Schuld" an diesen Folgen zu geben, denn dieses System ist nur eine der Gegebenheiten und Gefahren des Lebens in dieser Welt und ohne es wären die Gefahren nicht weniger, sondern nur anders.
Und doch sind es auch diese Folgen, gegen die Menschen wie Jesus oder Buddha sich mit ganzer Kraft eingesetzt haben, indem sie den Glauben ihrer Zeit entmythologisiert haben – im Fall von Jesus mit tödlichen Folgen, weil die Repräsentanten des Systems dessen Entmythologisierung nicht zulassen wollten.
In Zusammenhang mit seinen Bemühungen hat Jesus die Religion auf eine andere Basis gestellt. "Glauben" bedeutet bei ihm daher etwas völlig anderes als zu den immer noch gegenwärtigen Zeiten der Inquisition, die ihm damals bekannterweise das Leben genommen hat.
"Glauben" bedeutet bei ihm nicht das Für-Wahr-Halten eines geistigen Systems, sondern ein abgrundtiefes Vertrauen, das weder erlernt noch fingiert ist. Es beruht auf einer Erfahrung, einem Erleben, einer Anschauung der "Wirk-lichkeit", auf einer Erfahrung des Wunders des Lebens, auf einem Erleben der schöpferischen Kraft. Der "Vater", von dem Jesus spricht, ist kein magischer Mythos, zu dem er später für die Christen wird, sondern eine persönlich erfahrbare Realität. Aus diesem Grund ist der "Glaube" bei ihm auch nicht verknüpft mit einem moralischen System. Und zum Erstaunen und auch Ärgernis für seine Gegner schafft er es daher, diesen "Glauben" auch in Menschen zu wecken, die aus der Sicht moralischer Disziplin als verloren gelten mussten. Viele von ihnen waren dem moralischen System schon allein aus Protest gegen dessen Unmenschlichkeit entfremdet. Indem sie von der Anschauung Jesu angesteckt wurden, konnten sie ihren Protest aufgeben und wurden von da an Menschen, die für andere den Eindruck großer Moralität erweckten.
Jesus hat den alten Grund der alten Religion wiederbelebt: Die Anschauung, das Ergriffensein von der grenzenlosen Kraft, die das Universum hervorgebracht hat und die – erstaunlicherweise – in jedem winzigsten Detail des Lebens gegenwärtig ist und – mehr noch – jedes dieser Details im Grunde lenkt und zwar so, dass das Bewusstsein von dieser Realität insgesamt zunimmt.
Die Art des Wirkens dieser Kraft kann als eine Art natürliche Verhaltenstherapie betrachtet werden, weil es das Vertrauen belohnt und das Misstrauen bestraft – wie beispielsweise das Auf und Ab der Geschichte Israels zeigt. Diese Tatsache wird von den Vertretern des Glaubens-Systems als Rechtfertigung ihres Vorgehens betrachtet, aber irrtümlich, denn wirkliches Vertrauen entsteht nicht durch permanente Selbsthypnose, sondern durch unmittelbare Wahrnehmung der Realität des Wirkens der Kraft.
Nur auf dieser Basis konnte Abraham zum Stammvater eines großen Volkes werden, nur auf dieser Basis konnte Mose sein Volk herausführen aus der Sklaverei in Ägypten, nur auf dieser Basis konnte Gideon eine Armee von 30.000 Mann mit nur dreihundert besiegen. Und nur auf dieser Basis erlitt Jesus seinen Tod, um tausendfach in vielen Generationen von Multiplikatoren seiner Art aufzuerstehen.
Das ist das Glauben anderer Art, das nichts mit Selbsthypnose oder mit Internalisierung äußerer Bilder zu tun hat – im Gegensatz zum üblichen Verständnis des "Glaubens".
Und doch kann die übliche Art des "Glaubens" zum Anlass für die Erfahrung werden.
Insgesamt gibt es also drei Arten von "Glauben":
Der erste ist die rein intellektuelle Darstellung einer Fiktion, die für wahr gehalten wird.
Der zweite die darauf beruhende (diese utilisierende) Suggestion und Autosuggestion – eine Art von Magie.
Die dritte ist die persönliche Erfahrung, die unmittelbare Anschauung, die von der Art der Wahrnehmung her nichts gemein hat mit der Fiktion, obwohl Details aus den Beschreibungen der Erfahrung praktisch identisch sein können mit Details aus den Beschreibungen des fiktiven Glaubens-Systems der ersten und zweiten Art.
In der Terminologie von Carlos Castaneda könnte man sagen, die erste Art des "Glaubens" beruht auf der "ersten Aufmerksamkeit", die zweite auf der zweiten und die dritte auf der dritten. Die erste Aufmerksamkeit ist das gewöhnliche kausale Denken, die zweite ist die der magischen Weltbewältigung (beide abstrakt und dem verhaftet, was die Bibel als den Sündenfall beschreibt, nämlich der Unterscheidung von "gut" und "schlecht"), die dritte die des Fühlens, des Wahrnehmens der ganzen Tiefe der Wirklichkeit samt der Kraft, die sie treibt.
In dieser dritten Art der Aufmerksamkeit braucht es keinen Mythos, denn die Wirklichkeit ist genug. In dieser Aufmerksamkeit lebte Jesus; das meinte er, wenn er sagte, Gott müsse "im Geist und in der Wahrheit" angebetet werden. Denn hier ist der Geist gegenwärtig und spürbar und die Ehrfurcht vor ihm ist kein Gebot, sondern eine Realität. Solange sie ein Gebot ist, befindet sich der Mensch im Bereich der ersten oder der zweiten Aufmerksamkeit, also bestenfalls im Bereich des Mythos und der Magie, also in einer Fiktion – die außerdem heute hier bei uns kaum noch positive Wirkungen hat, sondern vorwiegend psychische, psychosomatische, somatische und Verhaltens-Störungen auslöst.
Die Koppelung von Moral (insbesondere natürlich in Form der von niemand erfüllbaren Sexualmoral) und "Glauben" bewirkt nämlich ein undurchdringliches Gefängnis der Schuld, das offenbar die Herrschaft derer garantieren soll, die behaupten, den Schlüssel zur Vergebung zu haben, und das gleichzeitig garantiert, dass niemand den Schritt vom "Glauben" im Sinn der Fiktion zur persönlichen Erfahrung oder Anschauung (also von der Abhängigkeit in die Freiheit) gehen kann. Was Jesus schon von den Schriftgelehrten und Pharisäern sagte, nämlich dass sie den Schlüssel zum Himmelreich nicht dazu benutzten selbst einzutreten und dass sie auch alle anderen davon ausschlössen (Mt 23,13), das trifft auch auf die heutigen Schriftgelehrten und Pharisäer und auf ihr System des "Glaubens" zu. Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Warum sonst sollte Jesus die Kinder als Beispiel für die richtige Art des Glaubens herangezogen haben, wenn nicht, um zu sagen, dass es um die unmittelbare Anschauung geht, um das Fühlen der Wirklichkeit und nicht um intellektuelles Einordnen oder um magisches Bewältigen. Es ist klar, dass ein in diesem Sinn neues Verständnis der kirchlichen Gebräuche entwickelt werden muss, wenn der Weg von den mittelalterlich schwarz-magischen Praktiken zum Fühlen der Gegenwart des Geists gegangen werden soll.
Instinkt - Hypnose -
Religion
Zu den Grundlagen der Hypnose im Rahmen der Psychotherapie
Der Einsatz der Hypnose im therapeutischen Kontext beruht auf der Erfahrungstatsache, dass der Organismus über die Fähigkeit verfügt, sich selbst zu regenerieren, wenn eine Störung oder eine Beschädigung eingetreten ist. Alles, was dazu nötig ist, ist es, den Einfluss des (störenden) zweiten menschlichen Steuerungssystems, das auf dem Denken beruht, vorübergehend auszuschalten.
Diese Tatsache ist bekannt, seit es Menschen gibt; insbesondere die Religionen beruhen darauf in ihrem Ursprung - natürlich nicht in dem, was später daraus (natürlich wieder mit dem Denken) gemacht worden ist.
Der Klassiker der Literatur über Yoga, Patanjali, beschreibt als Ziel des Yoga die Ausschaltung des Denkens - eben weil er das Denken als die Fehlerquelle im menschlichen Steuerungssystem erkannt hat.
Auch die Bibel führt gleich zu Anfang alle menschlichen Probleme auf das Denken zurück: Der Bibel nach sind die Menschen als Ebenbilder Gottes (wörtlich als "Kopien" von Gott) geschaffen und demgemäss leben sie natürlich im Paradies. Sie werden gewarnt vor den tödlichen Folgen, aber es reizt sie einfach zu sehr: Sie essen vom "Baum" der Erkenntnis von "gut" und "schlecht". Und von dem Moment an richten sie sich in allem, was sie tun, nach den Kategorien von "gut" und "schlecht". Von dem Moment an denken sie beispielsweise, dass Nacktsein schlecht ist und sie schämen sich. Und Kain ärgert sich so sehr darüber, dass er seinen Bruder für "besser" hält, dass er ihn erschlägt.
Vorher waren die Menschen einfach bereit, das Leben zu nehmen, wie es kommt, und das war die Grundlage des Paradieses. Es gab immer das, was notwendig war. Gelegentlich gab es Luxus und gelegentlich gab es Not, das war normal, so wie eine Welle beim Hereinkommen etwas bringt und beim Hinausrollen etwas nimmt.
Da sie das alles einfach akzeptierten, wie es war, hatten sie alle Zeit und alle Muße, aufmerksam zu sein für die Dinge, die sie gerne hatten (instinktiv, nicht kategorial „gut“ oder „schlecht“). Und weil sie keine Zeit verschwenden mussten mit Nachdenken, konnten sie blitzschnell reagieren und ihre Chancen optimal nutzen.
Auch ihre anderen Sinne waren in voller Funktion und so konnten sie Dinge auf einem so feinen Niveau spüren, dass sie schon den Eindruck erwecken konnten, sie hätten telepathische Fähigkeiten (ganz abgesehen von der Frage, ob es so etwas gibt oder nicht).
Von dem Zeitpunkt an aber, an dem sie mit der Einordnung von allem und jedem in ihre "gut"-"schlecht"-Listen begonnen hatten, waren sie ständig damit beschäftigt. In ihrem Wahrnehmungssystem entstand dadurch eine Art Grundrauschen, das ihre Wahrnehmungsfähigkeit seither eben bis zu jenem Grad behindert.
Die Hauptschwierigkeit aber entsteht vor allem dadurch, dass die Entscheidungsprozesse von da an nicht mehr auf der Wahrnehmung der in der Gegenwart wirkenden Kräfte beruhen, sondern auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Das verzögert nicht nur die Entscheidung wegen des zeitaufwendigen Prüfungsvorgangs, sondern vor allem überlagern die Vor-Stellungen die tatsächliche Situation; die Entscheidungen beruhen also auf fiktiven (weil nichtaktuellen) Daten und daher auf Daten, die der tatsächlichen Situation unangemessenen sind.
Das Problem, dessentwegen ein Patient in die Therapie kommt, beruht auf genau dieser Fehlerhaftigkeit des zweiten menschlichen Steuerungssystems, des Denkens. Es entsteht ja, weil er/sie sich an Erfahrungen orientiert, die zwar irgendwann aktuell waren, es aber längst nicht mehr sind. Eine Korrektur über eine Reparatur der alten Programmierung wäre denkbar, ist logischerweise aber extrem zeit- und arbeitsintensiv (z.B. Psychoanalyse), eine Umschaltung auf Automatikbetrieb (z.B. durch Hypnose oder durch Drogen) ist möglich, aber nur vorübergehend und in beschränktem Umfang. Auf Dauer und in zunehmendem Umfang kann diese Umstellung nur durch eine bewusste Lebens-Neuorientierung geschehen, z.B. durch das, was Religion ihrem Wesen nach ist, nämlich die Erfahrung, dass für den fühlenden (nicht für den denkenden!) Menschen alle nötige Information rechtzeitig verfügbar ist.
Letzten Endes geht es natürlich nicht darum, den Evolutionsprozess rückgängig zu machen und die Großhirnrinde auszuschalten, sondern darum, ihre Fähigkeit dort einzuordnen, wo sie hingehört, sie also von ihrer gegenwärtigen Position der obersten Priorität in der Handlungssteuerung zu entfernen und sie statt dessen einfach als eines der verfügbaren Werkzeuge einzusetzen. Die oberste Priorität in der Steuerung hat dann das Fühlen (nicht zu verwechseln mit den Gefühlen!), das dann, wo immer es notwendig ist, vom Denken unterstützt wird.
NS: Diese permanente Umstellung setzt natürlich Vertrauen in die Fähigkeiten der menschliche Natur voraus, das aber ohnehin (außer vielleicht bei Medizinern und Theologen) bei allen Menschen von Natur aus bereits vorhanden ist, wenn es beispielsweise um die Regelung des Herzschlags, der Verdauung oder der Wundheilung geht, also um Fragen, die für die Aufrechterhaltung des Lebens wesentlich wichtiger sind als die Entscheidungen des Alltags, die wir der uranfänglichen Steuerung bisher lieber entzogen haben, weil uns in diesem Bereich jenes "Ur-Vertrauen" eben gewohnheitsmäßig gefehlt hat.
Nun aber müssen wir es wiederfinden, denn wir müssen uns entscheiden - nachdem wir die Fehlerhaftigkeit der Denksteuerung und die Unmöglichkeit der Rückkehr zur unbewussten Instinktsteuerung (die in der Hypnose wieder auflebt) erkannt haben - die Führung an das bewusste Fühlen zu übergeben.
Viele der biblischen Geschichten, in denen es ja immer genau darum geht, können uns dabei helfen.
Vergebung - und wie man sie
erlangt
3 Schritte
Normalerweise wird gesagt: Nach der bösen Tat braucht es Reue, ein Bekenntnis (z.B. Beichte) und dann gibt es die Vergebung.
Tatsächlich aber stimmt das fast nur in den Fällen, in denen ein Mensch aktives Mitglied einer Gemeinde, einer Sekte oder einer (Selbsthilfe-) Gruppe ist.
Gewöhnlich ist die Einsicht in die Schuld zunächst nämlich gar nicht möglich. Gewöhnlich ist die "böse" Tat nämlich bereits das Ergebnis eines erheblichen Ärgers, oft durch Verstrickung in einen Gewirr von Schuldgefühlen, Unfähigkeit zum Handeln, anfallsartigen Durchbrüchen unbewusster Aktionen, Verdrängung etc..
In so einem Fall braucht der Täter (vielleicht ein Mörder) zunächst jemanden, der sein Handeln verstehen und aus seinem Verstehen heraus vollkommen entschuldigen kann. Dann erst, wenn der Täter sicher sein kann, nicht für seine Tat verurteilt zu werden (und hier meine ich nicht das Urteil der Justiz, sondern die persönliche Einstufung dieses Menschen als „schlecht“), wird Einsicht möglich. Die Einsicht kommt dann aus dem menschlichen Wesen selbst. Es ist ein Fühlen der Verletzung, die der Täter dem Opfer zugefügt hat. Dieses Fühlen wird den Täter zutiefst erschüttern. Erst jetzt, wo er sich nicht mehr gegen Vorwürfe verteidigen muss, wird er fähig sein zu sagen: Um Gottes willen - was habe ich nur getan? Reue ist in dieser Situation kein Gebot, sondern eine Tatsache. Und gleichzeitig entsteht der Wunsch nach einem Ausgleich, danach, sich selbst einzusetzen entweder für eine Entschädigung des Opfers selbst, wenn das möglich ist, oder für andere Menschen, die sich in einem ähnlichen Gefühls-Gefängnis befinden, um sie davor zu bewahren, ähnliche Schuld auf sich zu laden, oder, wenn sie das schon getan haben, sie zur Einsicht zu führen.
Gleichzeitig findet auf dieser Erlebnisebene die Vergebung statt, ja man könnte sagen, die Wiedergutmachung ist eine Reaktion der Dankbarkeit auf die Vergebung (und nicht, dass die Vergebung eine Folge der Wiedergutmachung sei), denn die Vergebung erfolgt durch den Richter "Mensch"; der Richter begegnet dem Täter auf der Ebene seiner Menschlichkeit, sobald der Täter dort eintrifft. Und dann wird für den Täter alles gut.
Das Dialogische Prinzip des Universums
Grundlage aller ("religiöser Erfahrung" = "Religion")
200 Jahre nach Schleiermacher
[Dieses Kapitel sollte
von allen übersprungen werden, die an Philosophiegeschichte weniger
interessiert sind. Fortsetzung Seite 55.]
Ein Theologe und Philosoph namens Schleiermacher schrieb vor fast genau 200 Jahren sein Buch "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern" - gemeint waren Leute wie Goethe, den diese Reden tatsächlich sehr beeindruckt haben.
Zum ersten Mal gibt es damit im christlichen Raum eine Art der Betrachtung der Religion, die wir sonst nur von spirituellen Meistern östlicher Religionen kennen, und die in der christlichen Theologie bis jetzt einzigartig geblieben ist. Für mich geht es im Folgenden vor allem darum, zu zeigen, welch gewaltige Folgen diese Art der Betrachtung für unser Religionsverständnis haben könnte und dass dieses Verständnis helfen könnte, völlig neue Formen christlicher Religiosität zu entwickeln – soweit sich solche nicht ohnehin ("incognito") bereits entwickelt haben.
Für Schleiermacher gibt es Religion nur in Form einer "Anschauung des Universums", wobei "Anschauung" eine Art unmittelbarer persönlicher Erfahrung des Ganzen ist, die reale menschliche Erfahrung der Ganzheit der Welt und des Lebens. Es ist für ihn immer eine Anschauung der ganzen Wirklichkeit - und sie schließt das Wissen um die grundsätzliche Erlöstheit ein. Ein Leben nach ausgewählten Überzeugungen dagegen ist nur eine Vorstufe dazu, eine Etappe auf dem Weg der Suche nach der Anschauung. Der subjektiven Empfindung nach bleibt es in der Dualität, in der Entfremdung, außerhalb der (in Wirklichkeit illusionären) Grenzen des Paradieses. Die Überzeugung ist gut für das, was man im heutigen Sprachgebrauch eine "Konfession", ein "Bekenntnis" nennt. Sie bildet immerhin schon eine Gemeinschaft solidarischer Menschen, aber die Wirklichkeit ist größer. Genau auf dieses Bewusstsein hat ursprünglich der Beiname "katholisch" (deutsch: "aufs Ganze hin", "allgemeingültig") gezielt, der zwar schon seit Ende des 2. Jahrhunderts zum unbestrittenen christlichen Glaubensgut gehört, heute aber praktisch von keinem christlichen "Bekenntnis" mehr verstanden wird. Eine Konfession kann auch niemals Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben - nur die "Anschauung" kann das. Der Konfession fehlt die Erfahrung des Ganzen. Außerdem kann jeder verständige Mensch leicht einsehen, dass die Konfession eines Menschen nur ein geografischer Zufall ist und nichts zu tun hat mit einer mehr oder weniger göttlichen (und das würde bedeuten "allgemeingültigen") Herkunft jener Konfession. Sonst müsste man sich ja wirklich fragen, wie die bisher nicht Missionierten den Zustand ihrer Unerlöstheit so lange aushalten konnten, bzw. woran sich denn die Erlösung bei den Missionierten zeigen würde. Sicherlich haben die zivilisatorischen Umstellungen viele Menschen entwurzelt und die sind dann froh, in einer neuen Konfession eine neue Heimat zu finden, aber Anzeichen der Erlöstheit finden sich bei Christen nicht mehr und nicht weniger als bei Anhängern anderer Religionen, bzw. die Erlöstheit hat weniger mit dem Bekenntnis zu tun als eben mit dem Ergriffensein durch das Universum, also mit der Teilhabe an dessen Dialog und den gibt es wohl in jeder Religion.
Ich selbst habe Hindus, Buddhisten, Shintoisten, Moslems, Christen verschiedener "Konfessionen", Juden, Indianer und andere Menschen kennen gelernt, die mit Sicherheit an dem Dialog teilhatten und ich habe Anhänger dieser Völker und Gruppen kennen gelernt, die nicht daran teilhatten, weil sie erst auf der Suche waren. Und ich habe auch die Ignoranz kennen gelernt (besonders natürlich unter denen, die erst auf der Suche waren), die geringschätzig über andere Anschauungen denkt und die die Anhänger anderer Anschauungen am liebsten ausrotten würde - wie es in Wirklichkeit ja oft genug geschieht.
Beleidigungen haben immer mit Ignoranz zu tun - auch die Beleidigung der Juden durch Schleiermacher.
Das „Dialogische Prinzip der Gottheit“, von dem Schleiermacher spricht, ist ein Gespräch, in das im Prinzip alle Menschen eingebunden sind - jeder für sich und manche Gemeinschaften auch noch als solche (z.B. die Juden als Volk Gottes, andere spirituelle Gemeinschaften, aber auch Paare, Familien, Stämme ...) - das aber nicht alle Menschen als solches wahrnehmen können. Die Voraussetzung für die Wahrnehmung dieses Dialogs ist eine Art "Gnade", andere würden sagen der "Zufall" der Geschichte, der erstaunlicherweise und ohne erkennbaren Grund gewisse Personen in den Zustand einer derartigen Wahrnehmung versetzt, während andere, die anscheinend viel mehr "Recht" auf eine "Anschauung" hätten (etwa Fachtheologen oder geistliche Würdenträger), von ihr doch oft ausgeschlossen sind. Nun, Jesus hat sehr scharf formulierte Aussagen in diesem Sinn gemacht - aber es finden sich natürlich immer Gründe für Personen, die eben nicht mit einer Anschauung bedacht worden sind, diese Aussagen nicht auf sich beziehen zu müssen und sich weiterhin dazuzuzählen, ohne sich je wirklich ehrlich zu prüfen - und dann vielleicht gerade beim Feststellen des Nicht-Bestehens der Prüfung mit einer Anschauung beschenkt zu werden.
Der Dialog ist nämlich im Prinzip jederzeit allen Menschen zugänglich, er ist biologisch verankert - obwohl "Michael" den Baum des Lebens bewacht und vor jedem unbefugten Zugriff sichert. Der unbefugte Zugriff besteht ja nur darin, dass jemand aufgrund seiner Urteile über "gut" und "schlecht" das Paradies (als etwas "Gutes") erreichen möchte [um hier etwas vorwegzunehmen: Hier wird schon klar, dass die bildhafte (also mythische) Darstellung der philosophischen Frage nach dem Ursprung des Übels etwas anderes ist als das für-Fakt-Halten legendärer (nachträglich aufgrund eines Mythos erfundener) Ereignisse - und ich will damit keinesfalls etwas gegen die Berechtigung des Mythos selbst einwenden oder gegen das Erdichten inspirierender Geschichten!]. So jemand kann nicht eingelassen werden, denn er/sie erhebt sich ja über die Natur, in der es das eine nicht ohne das andere gibt. Es fehlt die Demut, d.h. die Anerkennung der Realität der vollkommenen Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer. Erst jemand, der Gott nicht als ein Wissender, sondern als ein Unwissender gegenübertritt, kann in den Dialog eintreten, denn ein Wissender kann natürlich nur seine eigene Stimme hören, und er wird der Stimme Gottes nicht glauben.
Daher kommt es, dass oft Menschen, die am Boden ihrer Existenz angelangt waren, plötzlich zu Mittlern wurden, und dass kaum je einer zu einem Mittler wurde, dem diese Erfahrung (des am Ende Seins) fehlt. Naturwissenschaftler untersuchen dieses Phänomen mittlerweile und halten es für ein biologisches Notprogramm, das einsetzt, wenn alle auf Gedanken basierenden Ideen versagen, also für eine Art Rückgriff auf eine instinktive Basis, doch das Erstaunliche für sie würde sein – wenn sie es wagen würden dieses Phänomen wirklich eingehend zu betrachten –, dass die Ideen, die solchen Situationen entspringen, geradezu unglaublich situationsbezogen informiert sind, akkurat und letzten Endes höchst rational, rationaler als jede Überlegung es je sein könnte (vgl. Gideon, Ri 6-8). Und außerdem, dass dem, der sich "auf diesen Dialog hörend" verhält, (auch nach erfolgter Entscheidung) die ganze (unbewusste) Natur zu Hilfe kommt (vgl. die ägyptischen Plagen, Ex 7-11, so legendär diese auch sein mögen). Und das sind Erfahrungen (andere würden hier vielleicht von "Wunder" sprechen), die von allen, die in der Anschauung leben, als ihre eigenen persönlichen Erfahrungen bestätigt werden. Sie wissen dadurch, wie Schleiermacher [aaO. 118], dass alles (der ganze Verlauf des Lebens und der Evolution) ein Wunder ist.
Eine weitere Frage, die für Schleiermacher wichtig ist, ist die nach der Moral:
Schleiermachers Anschauung zeigt ihm die Moral als nur ein Bestandteil der Konfession und [u.a. aaO. 43] nicht der Religion. So sehe ich das auch.
Das Problem mit der Moral ist aber nicht das durch den Kodex geforderte Verhalten, das kann ja durchaus dem Dialogischen entsprechen, es ist auch nicht der Kodex selbst, sondern es ist die absolut formulierte Forderung nach Orientierung [solange keine Anschauung besteht, besteht diese Forderung zurecht, indem die Forderung aber absolut formuliert ist und der Hinweis auf eine höhere Ordnung (als die der Moral) fehlt, behindert sie nicht nur den Vollzug der anfänglichen Anschauung, sondern die gesamte persönliche spirituelle Entwicklung auf die Anschauung hin] an etwas, das zur Dimension des Denkens gehört und nicht (und hier gehe ich über Schleiermacher hinaus) zu der des Fühlens. Erlösung kann ja nur vom Ewigen her kommen, also nur von der Wahrnehmung des ewigen Dialogs im Fühlen. Wenn die Steuerung des Handelns vom Denken ausgeht, geht sie von der Dimension aus, die das Paradies verspielt hat. In dieser Dimension ist der Dialog nicht möglich. In dieser Dimension herrschen gedankliche Ideale, also fremde Götter (im Sinn des ersten Gebots handelt es sich bei der Moral daher um eine Art "Polytheismus"). Von hier aus ist Erlösung nicht möglich.
Die Moral folgt zwei Göttern, der eine heißt "Ordnung" und bezieht sich auf die Gesellschaft (extrem verkörpert in Dostojewskis "Großinquisitor" oder im Hohen Rat, der Jesus verurteilt etc.), der andere heißt "Freiheit" (als Ansporn natürlich in Ordnung, als "ich schaffe es aus eigener Kraft" aber ein Idol). Beides sind gedankliche Ideale, die von den Zwängen, in denen die realen Individuen stehen, nichts wissen. Aus diesem Grund ist die Moral, wie Schleiermacher auch zu sehen scheint [aaO 51f.], eine Überforderung (und daher nicht dem Dialog gemäß) in mehrfacher Hinsicht. Es ist daher nicht überraschend, bei genauerem Hinsehen zu sehen, dass ein großer Teil der (körperlich und auch der psychisch) Kranken an ihrer Moral erkranken, die ihnen die Lebensenergie nimmt (das sage ich aus meiner Erfahrung als Psychotherapeut und als Seelsorger für psychisch Kranke.) Sie sind nicht stark genug, den Absolutheitsanspruch der Moral über Bord zu werfen und noch weniger, ihn einzuhalten. Sie geraten dadurch in einen schweren Zwiespalt mit sich selbst. Sie sind nicht imstande, klar zu fühlen, was das Richtige ist für sie. Aber ihr Organismus zeigt durch seine Krankheit, dass die Moral ein falscher Gott ist für sie, weil sie das Lebendige in ihnen zu ersticken droht. Und selbst das Kriminelle ist oft nicht mehr als ein verzweifelter Ausbruch aus dieser tödlichen Enge.
Aus diesem Grund (weil sich - auch der Einsicht Schleiermachers nach [aaO. 103] - die Wirklichkeit bzw. das Universum immer zur Wehr setzt gegen künstliche Eingriffe) ist es (beispielsweise) durch dominante Subkulturen zu der heute für jeden beobachtbaren Umwertung aller Werte gekommen, durch die es eben als "cool" gilt, sich über alle Autoritäten und Codices hinwegzusetzen. Aus diesem Grund konnte man in den Siebzigerjahren, als diese Subkulturen sich durchzusetzen begannen, an unzähligen Häuserwänden amerikanischer Ghettos in riesigen Buchstaben das Wort "BAD" lesen, hingeschrieben von Leuten, die damit zu erkennen geben wollten, dass das, was bisher für gut gehalten worden ist, jetzt schlecht ist und das bisher Schlechte jetzt gut.
Diese Entwicklung ist eine Folge des Dualismus, weil eben Moral und andere einschränkende Formulierungen der Welt der Dualität, der Entfremdung, entstammen und entsprechenden Widerstand des Lebendigen auslösen. Das Dialogische kennt keine Dualität (es kennt natürlich auch keine gedanklichen Ideale als solche, obwohl es solche vielleicht gelegentlich benützt), vielmehr ist es gerade die Ganzheit, innerhalb derer der Dialog stattfindet. Es ist die Einheit, die sich an jedem Punkt ihrer Existenz so äußert, dass das Ganze eben aus der Perspektive dieses Punkts erscheint und unter den Aussichten, die das Einzelne (die individuelle Form) dieses Punkts charakterisieren, und in dem daher auch spontan sämtliche konkreten und optimalen Handlungsweisen für das betreffende Individuum erscheinen. (Hier liegt der Ursprung und das ursprünglich intendierte {in verbeamteten Priesterreligionen aber leicht vergessene} Ziel jeder Moral.) Und genau das ist sogar die Quelle der gesamten Evolution von Anfang an. Das "Sehen" des richtigen Weges ist nämlich charakteristisch für alle Wesen, die aus dem ewigen Dialog heraus leben. Könnte es nicht sein, dass sich schon vor Photonen und Elektronen alles Existierende auf diese Weise resonant verhält - mit seinem je eigenen Spielraum an Freiheit?
Menschen, die noch nicht aus diesem dialogischen "Sehen" heraus leben, sondern aus den Kategorien ihres Verstandes, kennen die Ganzheit noch nicht, sondern nur die Millionen von Kategorien und sie kennen auch die Gegenwart noch nicht, sondern nur die Summe ihrer Erfahrungen und die Projektion der Daten ihrer Vergangenheit auf die Zukunft. Sie leben - noch - in der Dualität. Für sie ist Gott noch keine erfahrbare Realität, sondern ein von ihnen selbst erschaffenes Gedankending (oder eins, das ihnen in den Kopf gesetzt worden ist), das sie sich als Gegenüber vorstellen und mit dem sie auf diese Weise in einen fiktiven Dialog treten. Sie nennen das dann "Gebet" [- ganz anders verhält es sich natürlich mit dem vertrauensvollen unschuldigen Gespräch einfacher Menschen zu ihrem himmlischen Vater oder auch zu den Heiligen, denn das wirkt auf seine eigene Weise durch das Vertrauen, den Glauben. Für Menschen in der "Anschauung" ist "Gebet" aber vor allem jene Stille, in der sie das jeweils Gegenwärtige berühren kann, in der sie den Dialog "hören" können, und diese Sicht gilt für alle Religionen -] und sie wundern sich, wieso es nach jahrzehntelangem "Gebet" keine Erhörung gibt. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich sind, werden sie früher oder später erkennen, dass ihr Gegenüber nur eine Idee ist. In dem Moment werden sie aufhören, sich etwas auf ihr Ideengebäude einzubilden. Sie werden ankommen auf dem Boden des Nicht-Wissens, auf dem das Eine dann endlich die Chance hat, gehört zu werden. Dann ist der Dialog plötzlich Wirklichkeit. Und es ist keine Dualität mehr, sondern eine Einheit zwischen Individuum und dem Ganzen (also dem Universum).
Nun wird auch klar, dass es für den gefallenen Menschen (abgesehen von der reinen Gnade) nur zwei Wege zur "Anschauung" gibt, nämlich die rückhaltlose Ehrlichkeit (Schleiermacher erwähnt diesen Weg nicht eigens, aber er benützt ihn, indem er den gebildeten Religionsverächtern ihre Denkfehler aufzeigt) oder die "Einweihung" durch einen Menschen, der das Ganze und die treibende Kraft des Ganzen aus eigener Anschauung, also aus eigener Erfahrung kennt.
Schleiermacher selbst scheint einen Weg der Einweihung gegangen zu sein. Daher wusste er: In jedem Fall wird Religion erst als Erfahrung Realität. Was vorher war (z.B. jahrelange Frömmigkeit oder ein Doktorat in Theologie), so stellt sich dann heraus, ist nur so etwas wie der Kaffeesatz aus einer Espressomaschine. Im Geruch gibt es Ähnlichkeiten und auch im Geschmack, aber ein frisch gemachter Espresso ist doch etwas anderes.
Der Zustand der Einheit oder der "Anschauung" (the real thing) ist etwas, das bei seinem ersten Erscheinen unbeabsichtigt irgendwann plötzlich da ist und meist nach wenigen Augenblicken ebenso unerklärlich verschwindet, wie es gekommen ist. Da dieser Zustand aber das beglückende Gefühl des zu-Hause-angekommen-Seins enthält, bleibt ein Mensch, der ihn erfahren hat, diesem Erlebnis auf der Spur - doch es kommt nicht so einfach wieder. Vielleicht vergehen Jahre bis zum nächsten Erlebnis. Gewöhnlich jedoch werden die Abstände im Lauf der Jahre geringer, denn ein Mensch mit dieser Erfahrung richtet sein Leben mehr und mehr auf diesen Einklang aus. Er stellt sich darauf ein, wie man ein Radio auf den Sender einstellt. Für mich waren in diesem Einstell-Prozeß der moralische und der dogmatische Kodex eine Hilfe (eine Art "Koan" - für andere dagegen könnten sie ein Hindernis sein!) und darin sehe ich auch ihre Berechtigung. Die Formulierungen waren immer ein Prüfstein für mich, an dem ich feststellen konnte, ob meine Sicht des Lebens und der Welt eventuell eine manische Note hatten, ob ich also in Gefahr war, den Boden zu verlieren, oder ob ich mich in dem abgesteckten Rahmen bewegen konnte. Ich habe daher jeden meiner Gedanken am Gerüst der Kodizes geprüft. (So sehr mir die "Anschauung" das Denken auch als die Fehlerquelle zeigte, sah ich doch, dass es nicht darum geht, das Denken auszuschalten, sondern ihm den Platz zuzuweisen, der ihm zukommt, nämlich den eines Hilfsinstruments.) In diesem Prozess der Überprüfung der Validität aller Gedanken und Verhaltensweisen, der auf dem Weg zum Bewusstwerden niemand erspart bleibt, wird schließlich klar, dass die ganze Welt ein Ergebnis des inneren Dialogs des Universums ist. Und Genesis 1,27 (Gott erschafft die Menschen "wie eine Kopie" von sich selbst) bestätigt nur, was durch die Anschauung schon bekannt ist, nämlich dass die menschliche wie auch die göttliche Natur des Menschen aus diesem Dialog hervorgehen ("gezeugt, nicht geschaffen", wie es im Credo heißt), bzw. dass sie die zwei Pole dieses Dialogs sind, die wir beide in uns haben. Aus diesem Grund können alle, die bewusst an diesem Dialog teilhaben, von sich sagen (wie Jesus - sofern er selbst das je wirklich von sich gesagt hat), "wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat" (Joh 12,44), aber sie werden auch wissen, dass sie, wie er, ein "Stein" sind, "den die Bauleute verworfen haben" (Mt 21,42).
In dem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit noch auf eine bedenkenswerte (heilsgeschichtliche) Entwicklung lenken, die, von Propheten angekündigt, heute bereits vielerorts (zumindest in einer anfänglichen Phase) Wirklichkeit ist und die Schleiermacher vorhergeahnt zu haben scheint:
Für Schleiermacher haben die Propheten als die Verkünder der jüdischen Anschauung der Vergeltung den Menschen gewissermaßen ständig zugerufen: "Bedenkt die Folgen eures Tuns, betrachtet das Diagramm (die historische Kurve von Identität und Entfremdung und ihrer Folgen), das sich aus der Geschichte des Volkes Gottes ergibt: Wenn ihr den Bund mit Gott haltet, werdet ihr siegreich sein, wenn ihr ihn vergesst, werdet ihr vernichtet werden." Das ist es ja, was die Propheten des Alten Testaments (auftragsgemäß) als die Wirklichkeit verkünden. Angefangen mit Abraham haben sie daher immer wieder eine nüchterne Bilanz gezogen (besonders deutlich und explizit wird dieses Bilanz Ziehen dann nochmals in Zusammenhang mit dem Babylonischen Exil). Sie haben sich einfach gefragt - jenseits aller Mythologie und Superstition: Was wirkt und was wirkt nicht? Durch ihre ehrliche Betrachtung der Wirk-lichkeit haben sie entdeckt, dass zwar das ganze theologische Lehrgebäude nur eine Illusion ist, um die zu motivieren, denen die eigenen Erfahrung fehlt [das steckt hinter Jesu Aussage: "der Sabbat ist für die Menschen da ..."], dass es aber keine Alternative gibt zum Glauben, d.h. zum Vertrauen, also dazu, sich der schöpferischen Kraft vollkommen auszuliefern. Das Vertrauen auf die eigene Klugheit und Stärke dagegen, genauso wie der Kult der Kraft (im Alten Testament: des "Baal" bzw. "der fremden Götter"), so sahen sie, ist ebenso nur eine Illusion, letztlich purer Aberglaube. Die eigene Kraft (= ohne die "Kommunikationsverbindung" {den Dialog} mit dem All) hätte es von Anfang an nicht geschafft und die Zauber-Kraft der Götter stand den Menschen nicht zur Verfügung [so sehr die Mythenbildung auch den Eindruck des Gegenteils zu erwecken suchte - so sehr dass beispielsweise heute als Quintessenz des Besonderen an Jesus von gewöhnlichen Pficht-Schülern dem Sinn nach fast ausnahmslos gesagt wird, er wäre ein großer Zauberer gewesen]! Im Gegensatz zu den anderen Leuten waren die Propheten einfach nur so ehrlich, es einzugestehen. Vielleicht hat ihnen das Leben aber auch einfach keine Wahl gelassen. Sie mussten jeglichen anerzogenen Aberglauben daher ablegen. Und so kommt es, dass der "Glaube" der "Väter" von Anfang an entmythologisierend ist.
Spätere Generationen haben daraus aber jeweils wieder einen Mythos (biblisch auch: "ein goldenes Bild"[vgl. Ri 8,27]) gemacht (der ebenso natürlich bald wieder nicht mehr funktioniert hat) und es hat weitere Propheten gebraucht, um auch diese neuen Mythen wieder aufzulösen und erneut eine nüchterne Bilanz zu ziehen.
Jesus hat diese Entmythologisierung so sehr forciert, dass die religiöse Obrigkeit sich durch ihn in ihrer Existenz bedroht fühlte. Er hatte dadurch aber eine derart starke persönliche Wirkung (die letzten Endes sogar die von Mose übertraf), dass er selbst zum Gegenstand des Mythos wurde. So konnte es geschehen, dass man nach ihm glaubte, mit ihm wäre die Offenbarung abgeschlossen, alles Sagbare wäre im Prinzip gesagt, man müsse es nur noch weiter ausformulieren und systematisieren - und man könne daher auf die prophetischen Bilanzen verzichten! Tatsächlich hat man aber gerade dadurch eben eine neue Ideologie (neue fremde Götter) geschaffen (die natürlich später wieder abgeschafft werden müssen). Im Eifer der Systematisierung des Wirkenden hatte man den Prozess der Wirk-lichkeit und in ihm die wirk-liche Rolle der Propheten aus den Augen verloren. Und so konnte es geschehen (was in solchen Fällen immer geschieht, weil dieses Geschehen eben einem der Gesetze des Universums entspricht): Das nun so schön geordnete "System des Wirkenden" wirkt nicht mehr! (Es hat gewirkt und gelegentlich wirkt es noch - ähnlich dem Gesetz des Mose - aber vom "kairos" der Welt, also von der Heilsgeschichte aus betrachtet, gehört die Wirk-lichkeit dieses Mythenkomplexes heute, jedenfalls für unsere Breiten, der Vergangenheit an - in Gegenden der Welt, in denen heute noch eine Art "Voodoo"-Glaube herrscht, mag das anders sein.)
Immer wieder gab es dazwischen (seit dem Abschluss der Niederschrift der letzten als "Offenbarung" anerkannten Schrift) natürlich Menschen, denen "vom Universum" (schließlich hat das Universum ja tatsächlich jene von Schleiermacher festgestellte - und durch keine Theologie zu verniedlichende - dialogisches Basis) die Aufgabe zugedacht wurde, auf diese Tatsache aufmerksam zu machen. Sie wurden, solange dies möglich war, wie Jesus, als Störenfriede mit administrativen, polizeilichen oder militärischen Mitteln beseitigt. Als dies nicht mehr möglich war, entstanden neben den alten "Orthodoxien" die immer neuen Reformationen. Schleiermacher nahm das dann als Äußerung eines reformatorischen Prinzips, das er im Kern der höchsten Anschauung des Universums (die das Christentum für ihn verkörpert) von Anfang an verankert sieht [aaO. S 293f.]. Für andere - etwa für die alte "Orthodoxie" - ist dieser Vorgang dagegen das enttäuschende Auseinanderbrechen und die schuldhafte Zerstörung der Einheit. Tatsächlich aber ist es genau das Fehlen des prophetischen Elements, das Fehlen der nüchternen, entmythologisierenden Bilanz, das eine Abspaltung derer provoziert und notwendig macht, die diese Bilanz gezogen haben und die die Unwirksamkeit der alten Bilder festgestellt haben.
Wenn Sie erlauben, werde ich das an einem Beispiel verdeutlichen: An einem afrikanischen Stand der internationalen Handwerksmesse in München wurde mir eine Halskette aus schwarzen Tierhörnern gezeigt mit der Bemerkung, diese Kette habe "Kraft". Als ich mich in meiner Phantasie in eine entsprechende Umgebung hineinversetzte, konnte ich diese Kraft auch spüren. Um diese Kraft aber in unserer Kultur einzusetzen, wäre es notwendig, jene ursprüngliche Umgebung ebenfalls zumindest in der Phantasie der Beteiligten zu erschaffen. In der Umgebung der Handwerksmesse, inmitten von Verkaufsständen anderer Aussteller nämlich hatte die Kette absolut keine Kraft. - Solange die gesamte Welterfahrung der Menschen unserer Gegend christlich geprägt war, hatten die theologischen Bilder Kraft. Heute fehlt dieser Hintergrund. Um eine Wirkung zu erzielen, muss das ganze alte Mythengebäude neu erschaffen werden. Doch das ist ein größerer Aufwand, als das Erlösende gleich in neuen, aus unserem heutigen alltäglichen Erleben stammenden Bildern zu entdecken, denn zu jedem alten Bild muss man gleichzeitig auch den ursprünglichen "Sitz im Leben", also die Lebenssituation miterklären, aus der das Bild stammt. Das ist zwar grundsätzlich möglich und mit dieser Methode kann man heute auch Elemente anderer antiker Religionen verstehen und sogar effektiv benützen und doch denkt wohl kaum jemand ernsthaft daran, eine der antiken Religionen als solche wiederzubeleben. Ähnliches gilt natürlich für die Adaption anderer Religionen in unserer Kultur (etwa des Islam oder anderer hierzulande fremder Religionen). Oder - man stelle sich vor - Jesus hätte sich nur auf Ereignisse berufen können, die Jahrtausende zuvor stattgefunden haben, wer hätte sich dann für ihn interessiert? Dann wäre seine Lehre so kraftlos gewesen wie die der anderen Lehrer seiner Zeit. Er war doch nur deshalb so attraktiv, weil er authentisch (also aufgrund persönlicher Erfahrung) aus der Fülle der Gegenwart schöpfen konnte.
Deshalb - umso schwieriger und unökonomischer der Übersetzungsprozess für alte Überlieferungen wird, umso spannender sind die Entwicklungen, die sich hier bei uns heute vollziehen, wie das Folgende:
Weil man sich (außerhalb der alten Kirchen) seit der Reformation erklärtermaßen auf keine Mutter Kirche mehr verlassen konnte, hat sich eine immer größere Selbständigkeit, Mündigkeit und Reife entwickelt. Immer kleinere Gruppen haben sich losgelöst und auch viele Einzelne haben nach Wegen gesucht (ohne eine leitende Institution), ihr Leben im Rahmen jener begeisternden Anschauung, die die Autoren der Bibel vermitteln, zu leben.
Ein angestrebtes Ideal war dabei notwendigerweise die Prophezeiung des Propheten Jeremia vom Neuen Bund: "... Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, klein und groß, werden mich erkennen - Spruch des Herrn". [Jer 31,31-34]
In diesem Sinn haben sich im Besonderen im Verlauf des letzten Menschenalters ganz heimlich, still und leise überall auf der Welt Menschen zusammengefunden, die eine Art "Evangelium" alleine umsetzen: Ein Volk von Priestern, aber ohne Tempel, von Gott gerettet, aber ohne die Hilfe einer Kirche, voll Vertrauen, aber ohne Mythos: Statt andere zu missionieren und zu ihnen zu sagen "erkenne Gott!", sagen sie ganz bescheiden: "Wir haben erkannt ...":
Schleiermacher scheint eine Entwicklung dieser Art geahnt zu haben. Wie ein Prophet weissagt er - obwohl er selbst das Zeitalter der Weissagung für längst beendet erklärt hat: "neue Bildungen der Religion müssen hervorgehen, und bald, sollten sie auch lange nur in einzelnen und flüchtigen Erscheinungen wahrgenommen werden. Aus dem Nichts geht immer eine neue Schöpfung hervor, und Nichts ist die Religion fast in Allen der jetzigen Zeit, wenn ihr geistiges Leben ihnen in Kraft und Fülle aufgeht. In vielen wird | sie sich entwickeln aus einer von unzähligen Veranlassungen, und in neuem Boden zu neuer Gestalt sich bilden." [Ebd. S 311f.].
Diese Weissagung hat sich erfüllt - unbemerkt von den großen Bewegungen der Welt - in Form kleiner, unscheinbarer Gruppen, die aber bereits heute wie ein Netz die ganze Welt umspannen: Es sind die Treffen der sogenannten "Anonymen Alkoholiker" und verwandter Gruppen, die ähnlich arbeiten.
Entwickelt, wie Schleiermacher sagt, "aus einer von unzähligen Veranlassungen" - sind sie eine (inzwischen auch nicht mehr ganz) neue Form der Religiosität, die doch ganz klar und in genau der Weise, die Schleiermacher sieht, der alten entspringt. Die Basis der "Anonymen" ist, auch wenn sie das so nicht sagen, ein barmherziger Gott, der sie, die Verlorenen, die aus sich keine Chance mehr haben, rettet. Die AA's beziehen sich nicht auf die Bibel, denn sie wollen für alle Religionen offen sein, und doch ist der überaus starke Anklang der "Schritte" eins bis drei von ihren berühmten zwölf Schritten [: "1. Wir haben zugegeben, dass wir Alkohol gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr meistern konnten. 2. Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht - größer als wir selbst - uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. 3. Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes - wie wir Ihn verstanden - anzuvertrauen."] an Paulus (2 Kor 1,8f.) nicht zu überhören: "Wir wollen euch die Not nicht verschweigen, Brüder, die ... uns über alles Maß bedrückte; unsere Kraft war erschöpft, so sehr, dass wir am Leben verzweifelten. Aber wir haben unser Todesurteil hingenommen, weil wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzen wollten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt."
Genau auf diesen Gott, der die Toten erweckt, vertrauen auch die Anonymen, weil sie wissen, dass es sonst nichts mehr gibt, auf das sie vertrauen könnten. Inzwischen gibt es die verschiedensten Varianten der ursprünglichen AA's, z.B. "Messies Anonymus", also Menschen, die ihren "Saustall" nicht in Ordnung halten können, weiters solche, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle haben, einschließlich der jeweiligen Angehörigengruppen, und viele, viele andere Selbsthilfegruppen.
Letzten Endes zeigt die Bewegung, dass es gar nicht um "Alkohol" oder um irgendein anderes der Übel geht, nach denen sie sich benennen, sondern um die Überwindung genau des "Widersachers", mit dem sich seit je her alle Religionen auseinandersetzen - "Alkohol" ist nur einer der vielen Namen dessen, womit Menschen nicht fertig werden.
Die Anonymen haben einen Weg zur "Anschauung" und zur Erlösung gefunden und auch neue Formen der Gemeinschaft. Ihr ganzes Evangelium hat auf einer halben DIN A4-Seite Platz und doch wirkt es mehr als die tausend Therapien, die seine Anhänger vorher probiert haben und sogar mehr als die Tausenden Seiten Heiliger Schriften, die, weil sie zu einem Mythos gemacht worden sind, den nüchternen Menschen unserer Zeit oft nicht mehr helfen können.
Damit möchte ich auf keinen Fall sagen, dass das Christentum keine Bedeutung mehr hätte, aber doch, dass seine Bedeutung auch heute erst wieder neu entdeckt werden muss und dass es dabei sehr hilfreich sein kann, zu sehen, welche Schritte der Heilige Geist in unserer Welt sonst noch gemacht hat, die wir bisher, in überheblicher Ignoranz aus unserer Betrachtung der Heilsgeschichte ausgeschlossen haben.
Noch etwas zu Politik und Religion. Schleiermacher führt ja die Perversionen der Religion mit Recht auf den Einfluss der Politik zurück [aaO. 210ff.].
Das Zeitalter menschlicher Majestäten hat die Mythen auch als Distanzhalter geschaffen. Schließlich sollten die Untertanen ja in Ehrfurcht erstarren, wenn sie auch nur einem subalternen Beamten seiner Majestät begegneten. Das ist nur durch einen Mythos möglich. Zeitweise sah man es in diesen Zeiten sogar als notwendig an, dass auch die Kinder mit ihren leiblichen Eltern nur über Hausangestellte kommunizieren durften. Und genau so wurden auch die Kinder Gottes behandelt - und sie werden es immer noch, denn mag der Monarchismus auch überall in der Welt der Vergangenheit angehören, in der Kirche lebt er weiter. [Zur Illustration ein typisches persönliches Beispiel für diese Art von Distanz: Erstaunlicherweise war es nämlich mir (abgesehen von rein liturgischen Anlässen) trotz Theologiestudium und fast fünf Jahren Priesterseminar nur zwei mal in meinem Leben kurz vergönnt, einem Bischof zu begegnen, und auch das waren mehr Demonstrationen des Machtgefälles als Gelegenheiten des sich Kennenlernens - was bei meinen späteren Begegnungen mit Meistern anderer Religionen durchaus anders war, was mir wiederum zeigt, dass diese Art des Distanzhaltens nichts mit dem Amt des "episcopus" an sich zu tun hat, sondern nur mit europäisch-aristokratischen Konventionen.] - Dabei wäre das Demokratische der Kirche im Prinzip nicht fremd, ja das Monarchische ist ihr im Grund viel fremder, aber 2000 Jahre Monarchie und 1800 Jahre davon selbst in einer Position der Macht gehen an keiner Institution spurlos vorüber. Und natürlich haben die, die oben sitzen, wie üblich wenig Interesse, Macht abzugeben und Revolutionen wie im Staat kann es in der Kirche ja nicht geben. Was den Menschen bleibt, ist ein stillschweigender Rückzug; wenn die da oben nicht gehen, dann gehen halt die unten. Das ist die Bewegung, die wir im Moment erleben. Aber plausible andere Erklärungen (etwa der mit den Konsummöglichkeiten zunehmende Materialismus etc.) sind leicht bei der Hand und so kann alles (noch eine kleine Weile) bleiben, wie es jetzt schon (nur unterbrochen von prophetischen Störungen) seit sehr sehr langen Zeiten ist.
In allen Kulturen jedoch arbeitet der Geist stets an immer neuen Möglichkeiten, zu den Menschen durchzudringen, sie zur unmittelbaren "Anschauung" zu führen, in der sie die wahren Relationen erleben und sich besinnen auf das, was ihnen von Anfang an ins Herz geschrieben ist.
Interessante Lektüre, 200 Jahre nach Schleiermacher:
Hoffmann, Paul: Die befreiende Erinnerung an Jesus von Nazaret.
Ein Interview mit dem Neutestamentler Paul Hoffmann. In: Orientierung 63 (1999) 165-171.
http://www.uni-bamberg.de/ktheo/nt/interview.htm
Hoffmanns Resümee:
"Ist es wirklich als großer Fortschritt zu verbuchen, wenn mittlerweile der Schöpfungsbericht kirchlicherseits nicht mehr als empirischer Bericht verstanden [werden] muss? Aber was 400 Jahre nach Galilei gelungen ist, gilt auch für die vielen anderen mythischen Elemente des Neuen Testaments, die wir angesprochen haben. Wir können sie nicht mehr als "Fakten" ansehen. Den Lernprozeß, den die Exegese durchmachte, müsste auch das Lehramt auf sich nehmen." [ebd. 171]
Der Geist spricht zu den Gemeinden! Ein neues Zeitalter ist angebrochen, die alten Dinge müssen neu gesagt werden - erinnern wir uns also an die Ursprünge und unterscheiden wir sie von den Verkleidungen.
„Niemand kennt die Stunde“
Warum ein immerwährendes
Gebet notwendig ist
"Jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater" (Mt 24, 36)
Entgegen den üblichen Interpretationen ist damit weder die Stunde des Weltuntergangs gemeint noch die Stunde der Wiedergeburt aus dem Geist, sondern jede Stunde des Lebens, denn auch in der neuen Welt bzw. nach seiner „Wiedergeburt“ ist es für einen Menschen notwendig, sich von Moment zu Moment bewusst zu machen, was jetzt das Beste wäre. Das ist in keinem Buch nachzulesen, niemand kann es einem sagen - nicht einmal ein Engel, jeder kann es nur für sich selbst herausfinden (= im Vertrauen wagen), indem er/sie sich auf seine/ihre Wahrheit in diesem Augenblicks konzentriert (= vertraut). Es gibt kein Vorausblicken, es gibt nur das Jetzt.
Eine Voraussetzung dafür, diese Wahrheit wahrzunehmen, ist es aber, dass dieser Mensch den gegenwärtigen Augenblick nicht benutzt, um sich selbst in den Vordergrund zu schieben, sondern dazu, bestmöglich zu dienen.
Um die Wahrheit des Augenblicks erkennen zu können, braucht es außerdem ein ständig erneuertes (=immerwährendes) „Gebet“ - und damit sind nicht irgendwelche Worte gemeint, sondern die ständig zu erneuernde Intention (die natürlich schon in Worte gekleidet sein kann) zu ehrlichem und selbstlosem Bemühen.
Sobald dieses „Gebet“ aufhört, beginnt das „Ego“, sich einzuschleichen und wenn das jemand erlaubt, herrscht in diesem Menschen in Kürze nicht mehr JAHWE (das wahre Wesen), sondern Baal (die tierische Kraft).
Und selbst ein Mensch wie Jesus braucht dieses immerwährende Gebet, um nicht abzugleiten.
Meditation
ihr Sinn - der Umfang ihrer
Notwendigkeit
[Der Inhalt der folgenden Zeilen wird klarer durch den Artikel "Kapitulation", hier auf Seite 59.]
Du musst auf irgendeine Art und Weise lernen, in jenen anderen Wahrnehmungszustand einzutreten, in dem Unschuld herrscht, und lernen, von da her deine Lebenssituation unvoreingenommen zu betrachten.
Deine Entscheidungen im Alltag werden dann zwar zunächst weiterhin von deinen Vorerfahrungen gesteuert werden, aber zunehmend weniger - und vor jeder größeren Entscheidung hast du dann durch deine neugewonnene Fähigkeit die Möglichkeit, deine Entscheidung angesichts des Nichts (= unvoreingenommen) zu treffen. Und bald wirst du auf diese Weise auch deine kleineren Entscheidungen treffen.
Es ist klar, dass dein Leben dadurch stetig an Kraft gewinnt.
Der Zustand der unvoreingenommenen Wahrnehmung heißt "Meditation".
Die Technik der Meditation soll einen Zustand der Leere erzeugen, ein Vakuum, ein Nichtwissen, das die Lösung anzieht, und zwar nur dadurch dass keine Voreinstellung den Blick auf den schöpferischen Ideenfluss behindert. Der Ausgangspunkt der buddhistischen Meditation ist daher - wie bei den "Anonymen Alkoholikern" - die Kapitulation, das Selbst-Nicht-Mehr-Weiter-Wissen, das Zuflucht-Suchen beim Buddha.
Nicht die Technik des Sitzens erzeugt also die kreative Leere, sondern die Kapitulation.
Der "Erfolg" der Meditation ist daher auch nicht eine Frage der Dauer der Übung, sondern nur eine Frage der Einstellung. Eine Minute Kapitulation ist wirkungsvoller als zehn Jahre Meditationstraining, in dem die Meditation als eine Leistung gesehen wird.
Wie der Tod kommt
(Mai 2000)
Jeder Mensch steht im ständigen Kontakt mit seiner Umwelt: in Form seiner Familie, in Form der Arbeit, in Form aller anderen sozialen Kontakte, aber auch in Form der äußeren Umgebung, der Luft, des Essens, der äußeren Eindrücke aller Art. Und diese Eindrücke formen ihn, so weit er/sie sich formen lässt. An manchen Stellen bilden sich auch (aufgrund oftmaliger allzu großer Reibungen) Verhärtungen, die unter Umständen irgendwann einbrechen können, wodurch noch tiefere Verletzungen entstehen können. Auf jeden Fall wird jeder Mensch ständig von seiner Umwelt gescannt, auf Stärken und auf Schwächen und auf seine spezielle Form - immer in dem Bestreben, Besitz von etwas von diesem Menschen oder Besitz vom ganzen Menschen zu ergreifen.
Wenn es an einer Stelle etwas zu holen gibt, dann kommen die Abnehmer. Teils sind diese wie die Bienen, die etwas vom Überfluss nehmen und dafür auch befruchtend etwas von sich selbst oder von anderen zurücklassen im Austausch. Und dann gibt es solche, die überwiegend nehmen und solche, die überwiegend geben. Es ist klar, dass der Austausch im Fall eines Ungleichgewichts nicht auf Dauer gut gehen kann. Wenn sich herumgesprochen hat, dass irgendwo bei irgendwem etwas zu holen ist, dann kommen alle, die es wollen und die zu diesem Menschen Zugang haben, um es sich zu holen und, wenn das möglich ist, immer mehr, bis die Quelle erschöpft ist, weil der Mensch entweder seinen Zugang freiwillig verschließt oder weil er tot ist, oder bis er einen genuinen Weg des unerschöpflichen Gebens gefunden hat.
Dass ein Mensch seine Zugänge öffnet und schließt, ist normal. Es kann aber sein, dass ein Mensch zu gewissen Zeiten keine Kontrolle über einige seiner Zugänge hat oder dass andere Menschen oder Wesen Kontrolle über gewisse Zugänge erlangen. Dann lebt dieser Mensch sehr gefährlich. Tatsächlich haben die meisten Menschen nur beschränkt Kontrolle über ihre Zugänge. Deshalb kommt notwendigerweise für sie der Tod eines Tages auf diesem Weg.
Gewöhnlich übergeben die Menschen anderen Menschen freiwillig Zugang zu sich. Das geschieht normalerweise, wenn ein Austausch geplant ist, z.B. in der Liebe oder in der Arbeit oder im Spiel. Zugang zum Bank-Konto ist auch ein Zugang zum Menschen. Oft geraten Menschen, die vorher freiwillig die Kontrolle über gewisse Zugänge anderen Menschen eingeräumt haben, in Situationen, in denen sie diese Zugänge gern schließen würden, aber nicht dazu imstande sind. Manchmal gibt es dafür juristische Gründe (polizeilich erwirkbarer körperlicher Zwang), manchmal sind es innere Programme, die ein Verschließen der Zugänge unmöglich machen (z.B. Angst vor Schande, Sucht). Mit diesen Gründen hat es die Psychotherapie zu tun.
Wenn es jemand nicht schafft, Kontrolle über seine Zugänge zu bekommen, wird er dadurch seinen eigenen Tod herbeiführen, denn irgendwann wird sich etwas, dem er den Zugang erlaubt hat, so tief in ihn/sie hineinbohren, dass er diesem Wesen sein Leben lassen muss. Auch im Fall eines Todes durch Mikroorganismen hat irgendetwas zuvor das körpereigene Abwehrsystem so sehr geschwächt [meist ist es eine Art von Resignation, von angenommener Unfähigkeit, die Sehnsucht zu verwirklichen], dass sich dieser Feind ausbreiten konnte und darin liegt dann die eigentliche Todesursache [Die Ursache sind also nicht jene Bakterien oder anderen biologischen Prozesse, die ihm am Ende den Garaus gemacht haben, sondern jene davor liegenden psychischen Prozesse, die die Abwehr ausgeschaltet haben.].
Normalerweise hat jeder Mensch die Chance, durch eine bewusste geistig-seelische Entwicklung, seine Anfälligkeiten kennen zu lernen und Kontrolle zu erlangen über seine Zugänge. Viele Menschen wollen allerdings lieber glauben, dass das unmöglich ist. Sie geben dann anderen die Schuld, wenn sie sie in sich eindringen lassen und sie tun das nicht selten, bis sie tot sind. Das ist auch eine Lösung.
Kapitulation
Von jetzt an (sobald wir erkannt haben, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie uns vorstellen, sobald wir wie Sokrates unser Nicht-Wissen erkannt haben) sind wir stets in einer völlig neuen Welt, deren Gesetze wir nicht kennen, in der wir dem Schicksal völlig ausgeliefert sind.
Was können wir da tun?
Wie können wir da überleben?
Wir können da nur beten - aber wirklich beten - das heißt nämlich kapitulieren und sagen, was wirklich der Fall ist:
"Lieber Gott, du kannst mich jederzeit zermalmen. Zeig mir den Weg. Ich kenne ihn nicht!"
Und da - erstaunlicherweise und obwohl wir es kaum glauben können, dass es so etwas wie einen Gott wirklich geben soll und ohne dass wir je herausfinden werden, von wo sie kommt - bekommen wir Antwort:
Wir sehen den nächsten Schritt, die richtigen Gedanken tauchen auf, die richtigen Worte kommen aus unserem Mund, völlig unerwartet kommt Hilfe aus dem Nirgendwo - zu unserem eigenen Erstaunen!
Der Spalt der Wahrheit
Viele Menschen glauben, Weisheit habe mit Erfahrung zu tun - und in gewisser Weise haben sie recht, aber nicht in der Weise, wie sie glauben. Es ist nämlich so:
Durch Erfahrung kann ein Mensch die Schattierungen seiner Wahrnehmung unterscheiden lernen. Das geschieht durch eine Art Meditation, also durch eine Betrachtung der gegebenen Eindrücke. Alles, was irgendwie mit Vorurteilen zusammenhängt, ist (subjektiv) eingefärbt. Außerdem gibt es in der Wahrnehmung aber einen Bereich der Durchsicht auf die Wirklichkeit, der nicht eingefärbt ist, sondern der genau das erkennen lässt, was not-wendig ist. Diese Wahrnehmung ist nicht "objektiv" im wissenschaftlichen Sinn, also nicht allgemeingültig, sondern sie ist nur für diesen Fall in diesem Moment gültig. Für diesen Fall in diesem Moment aber ist sie zu 100% gültig. Es ist kein statistisches Mittel, wie alle wissenschaftliche Aussage, sondern perfekt auf die Situation zugeschnitten. Diese Wahrnehmung hat mit Erfahrung unmittelbar nichts zu tun. Die Erfahrung zeigt nur den Unterschied zwischen Erfahrungswerten und dieser Wahrnehmung, die eben kein Erfahrungswert mehr ist, sondern eben unmittelbare Wahrnehmung dessen, was ist, aus der Perspektive dessen, der etwas will.
In jedem Wesen gibt es einen Punkt, in dem die Eindrücke koordiniert werden mit den Bedürfnissen, wo also die inneren Eindrücke koordiniert werden mit den äußeren. Castaneda hat diesen Punkt "Montagepunkt" (assemblage point) genannt. Er meinte, es gäbe verschiedene mögliche Lagen für diesen Punkt und die Welt, die jeweils an diesen Lagen zusammengesetzt würde, sei sehr unterschiedlich von der Welt, die an einem anderen Punkt zusammengesetzt wird. Letzten Endes aber unterliegt dieser Punkt keiner Willkür, denn es gibt für das gegebene Wesen in einem gegebenen Augenblick einfach nur einen optimalen Punkt oder eine optimale Perspektive, je nach den Möglichkeiten in Bezug auf das Ganze. Und hier gründet der "Spalt der Wahrheit".
Böse?
Als Begriff hat sich das so genannte "Böse" abgelöst von seinem Ursprung und ist zu einem moralischen Begriff geworden, der mit dem ursprünglichen, unschuldigen Böse–Sein so gut wie nichts mehr zu tun hat. Statt dessen hat sich im Laufe unserer Kulturgeschichte aus dem Begriff des "Bösen" eine ganze Gegenwelt zum so genannten und vorgestellten "Guten" gebildet, die für real gehalten wird, wodurch sie natürlich eine eigenständige Wirk–lichkeit gewinnt.
Das ursprüngliche Böse–Sein ist, wie schon gesagt, davon weit entfernt und vollkommen unschuldig, es ist einfach eine biologische Reaktion auf eine Benachteiligung, es ist einfach die natürliche Aggression, die dem Überleben dient. Dennoch kann das Böse–Sein schon lange bevor es das spätere begriffliche Eigenleben entwickelt, durch eine Art hypnotischer Fixierung der Aufmerksamkeit eine gefährliche Eigendynamik bekommen, wie andere menschliche Energiephänomene (Sexualität, Rivalität etc.) auch. So etwa sieht es auch die Bibel gleich im Anschluss an ihre Erklärung des "Sündenfalls" in der genauso aufschlussreichen wie morallosen Geschichte von der Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain (Gen 4, 1–16).
Die Geschichte geht ja so: Kain, der Ackerbauer war wütend, weil das Opfer, das er dargebracht hatte, von Gott anscheinend nicht angenommen wurde: Im Gegensatz zum Opfer des Viehhirten Abel stieg bei Kain der Rauch nicht zum Himmel auf und Kain fühlte sich betrogen:
Eine Handlung hat ein unerwartetes Ergebnis, eine Art Schatten fällt auf mich, ich ärgere mich, ich bin böse – ein biologisches Element der Selbsterhaltung, denn ich wehre mich. Bis da hin sieht auch der Verfasser des entsprechenden Abschnitts der Bibel kein Problem. Wie schon in der Erzählung vom Sündenfall beginnt das Problem auch hier erst, als Kain sein inneres Wissen ignoriert:
"Der Herr sprach zu Kain: Warum überläuft es dich heiß und
warum senkt sich dein Blick?
Nicht wahr, wenn du recht tust, darfst du [dein
Gesicht] hoch tragen; wenn du aber nicht recht tust, lauert am Eingang der Fehltritt [wie ein
Dämon].
Auf dich hat er es abgesehen, doch du werde Herr
über ihn." (Gen 4, 6f.)
Die emotionale Energiewelle ist durch die unkontrollierte [unbewusste] Rückkopplung der Aufmerksamkeit schon über das Maß des Normalen hinaus hochgeschwappt. Am Anfang wäre es leicht gewesen, aber auch zu diesem Zeitpunkt gibt es noch die Möglichkeit, das Böse–Sein unschuldig und in einer harmlosen Form zu äußern. Doch Kain äußert seine Gefühle nicht – weder Gott noch Abel gegenüber. Er entscheidet sich gegen das Bewusst–Werden. Er macht auch nicht den Schritt zurück in die aktive Beobachterposition, die ihm "sein Herr" empfiehlt. Er lässt sich übermannen von seiner Wut.
Auch dieses Sich–nicht–lösen–Können, das Kain und Abel zum Verhängnis wird, hat ursprünglich einen biologischen Sinn nämlich als wichtiger Parameter der Brutpflege und der Solidarität der Gruppe (der Stammesgemeinschaft). Starke Gefühle sorgen für seine Durchsetzung. Im Bereich des menschlichen Instinkts ist da auch kein Problem, denn da gibt es andere Parameter, die eine Eskalation verhindern. Sobald jedoch die Bewusstheit einsetzt und die unbedingte Geltung jener Parameter aufhebt, also sobald aus menschlichen Tieren bewusste Menschen werden, gibt es eine neue Priorität, nämlich die Bewusstheit – als Aufgabe und als Chance. Genau dafür steht in der Bibel "der Herr"!
Dass Kain böse wurde, war, wie gesagt, noch nicht das Problem. Das war noch eine unschuldige, instinktive Reaktion auf eine Frustration. Doch Kain äußert seine Frustration nicht. Er spielt mit verdeckten Karten, weil er schon zuvor ein neues Paradigma eingeführt hat – er der Ackerbauer im Verhältnis zum Viehhirten – nämlich das Paradigma des Berechnens statt des Wahrnehmens. Deshalb schaut er nicht mehr, was ist. Durch seine Berechnung weiß er es ja schon. Deshalb fühlt er sich auch von Gott verschmäht. Seine Rechnung ging nicht auf. Im beschriebenen Fall des nicht aufsteigenden Opferrauches wäre er, so lange er unschuldig war, wohl einfach auf ungünstige Wetterbedingungen gestoßen, aber Kain ist ganz offensichtlich schon weit jenseits der Unschuld und so symbolisiert der am Boden kriechende Rauch auch für ihn selbst seine unlautere Motivation – Nachahmung, Berechnung statt Originalität. Das Opfer des Kain ist im Gegensatz zu dem des Abel nicht mehr ein spontaner Ausdruck der Dankbarkeit, sondern ein berechnetes „Opfer“. [Hier stehen wir am Ursprung jenes heute kaum noch nachvollziehbaren „Opfer-Kults“, einer Art Kuhhandel mit Gott.]
In dieser Welt der Berechnung gibt es nun aber auch berechnete Ursachen, und damit jemand der schuld ist [hier liegt der Ursprung des Konzepts der moralischen "Schuld"]. Der rationale Kain errechnet Abel als den Verursacher seines Misserfolgs [durch eine Art Rückkopplung seiner eigenen Projektion]. Auf ihn projiziert er daher seine Wut – die zudem aus einem seinem berechnenden Verstand unbekannten Bereich der Wirklichkeit kommt. Dieser Bereich ist für den Verstand uneinsehbar und muss daher – soll der Verstand in dem Glauben bleiben können, er hätte die Kontrolle – aus dem Bewusstsein ausgeklammert werden und bleiben. Weil seine Wut aber durch die Welt der Berechnung transformiert ist [es ist keine unmittelbare Wut mehr, sondern eine Art Meta–Wut], gewinnt sie in seiner nun rational geglaubten Welt eine irrationale Eigenmächtigkeit, sie wird zum [vom eigenen Bewusstsein abgespaltenen] "Dämon", der den folgenden Fehltritt provoziert. Klarerweise ist die Opferidee des Kain von Anfang an ein psychiatrisch-krankhaftes Phänomen [– im Gegensatz zum Opfer des Abel, das ein naiv-kindlich symbolischer Ausdruck der Freude ist].
Aber immer noch ist Zeit zur Besinnung. Eine warnende Stimme erhebt sich. Die biologisch gegebene sensorische Ausstattung funktioniert noch, doch Kain will den klaren inneren Hinweis nicht wahr nehmen. Das würde ja seine so praktische neue Welt zum Einsturz bringen. Und so erliegt er den Fesseln der von ihm selbst eingeführten [„rationalen“] Parameter.
An die Stelle der unmittelbaren Wahrnehmung ist nun das vorausberechnete Bild getreten. Die Wirklichkeit erscheint nun als "gut" (falls die berechneten Maßnahmen für ein erwünschtes Ergebnis ausreichend waren) oder als "schlecht" (falls sie nicht ausreichend waren). Die Ziele selbst entstammen nicht mehr der Wahrnehmung einer inneren Führung, also dem Spüren, sondern der errechneten Profitmaximierung, also einem von anderen übernommenen bzw. mit anderen bewusst oder unbewusst vereinbarten Wert.
Die Verantwortung hat nun auch nicht mehr das Individuum oder ein im Fühlen gegenwärtiges Kollektiv (z.B. Familie oder Stamm), sondern sie ist abgespalten, übertragen auf die ungreifbaren Produzenten der neuen berechneten Werte, auf die anonyme Gesellschaft. Der Brudermord zeigt damit auch, wie schwer es den Menschen fällt, selbst die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Sie orientieren sich eben lieber an den (von wem immer gegebenen) äußeren Werten als an ihrer eigenen Wahrnehmung. Weil sie sich dem Berechnen verschrieben haben, trauen sie sich selbst nicht mehr und damit können sie auch ihrem "Herrn" (Gott) nicht trauen, denn wie könnten sie „ihn“ wahr nehmen, wenn nicht aus sich selbst? Und so hört Kain nicht mehr auf die Stimme seines Herrn. (Auf sie zu hören wäre Wahrnehmung und Selbstverantwortung.)
Weil diese aber ohnehin nicht mehr gegeben war, wurde von den religiösen Führern jenes Stadiums der Entwicklung der Menschheit das Prinzip der Selbstverantwortung aufgegeben und mit magisch–hypnotischer Begründung (als vom allmächtigen Gott übernatürlich übermitteltes Gebot) eine allgemeinverbindliche Moral eingeführt [ein gutes aktuelles Beispiel dafür ist das Gebot der Ganzkörperverschleierung für Frauen in Afghanistan] – die aber natürlich in der Summe mehr Wahn und in Wirklichkeit brutale Scheinheiligkeit als bewusste Verantwortung erzeugt, weil sie die individuell situationsangepasste natürliche Reaktion nun ganz "offiziell" ersetzt durch ein allgemeines Schema, Bewusstheit durch Begründung und das innere Wahr–Nehmen durch Berechnung – alles Ablenkungen von der (und gleichzeitig Ersatz für die) Wahrnehmung, ganz im Gefolge des Sündenfalls. Das "Offizium" (die religiöse Behörde, seien das die Taliban oder der Vatikan) wird so Garant fortgesetzter Unbewusstheit. Das Ergebnis kann logischerweise nur dann nicht katastrophal sein, wenn dem Benutzer der Moral so viel Bewusstheit bleibt, dass er die Moral nicht als unbedingtes Gesetz, sondern als eine Art Richtschnur für seine (wiederzugewinnende) Wahrnehmung betrachtet. [Die Katastrophen in der Geschichte des Christentums und in der Geschichte des Islam sind bekannt – wo in diesem Vorgang "Erlösung" liegen soll, ist noch nicht oder nicht mehr bekannt.]
Genau das war der Punkt Jesu in seiner Argumentation mit den Schriftgelehrten. Mit Jesus hätte die Menschheit in ein neues Zeitalter ihrer Entwicklung eintreten können, in das Zeitalter der Bewusstheit. Aber er wusste bereits, dass es nur ein kleiner Kreis sein würde, der das versteht. – Es war nicht deshalb ein kleiner Kreis, weil er so hohe moralische Anforderungen gestellt hätte, wie eine große Menge derer, die sich heute "Christen" nennen, glaubt, sondern es war deshalb ein kleiner Kreis, weil nur wenige es wagen, zur Wahrnehmung zurückzukehren und auf die Stimme des Geists zu hören – also auf jene eben dargestellte biologische Wahrnehmungsfähigkeit. Die meisten trauen sich das nicht [aus Angst vor den Urteilen der anderen]. Sie wollen "sicher" sein, daher verlassen sie sich nicht auf sich selbst, sondern auf das, was die Anderen ihnen sagen. Eine religiöse Behörde zu haben, die einem sagt, wo's lang geht, könnte man natürlich auch als eine Art Erlösung betrachten, nämlich als die Erlösung von der Selbstverantwortung, die Erlösung von der Pflicht zur Bewusstheit.
Das unbedingte Paradigma der Moral ist damit eine Art Rückfall in die Zeit vor der Bewusstheit. Jesus wollte das ganz klar nicht. Deshalb sind in seinen Geschichten heroischer Selbstaufopferung die beruflichen Moralapostel immer die, die am Schlechtesten abschneiden, wie im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. "Im Geist und in der Wahrheit" ist seine Quintessenz und weder in dem Einen noch in dem Anderen ist auch nur eine Spur von Moral. Das hatte vor zweihundert Jahren der Evangelische Theologe Schleiermacher ganz deutlich gesehen – sieht es im Moment im christlichen Bereich irgendwer? Alle scheinen ganz glücklich mit dem Glauben, dass der Geist in der Kirchenorganisation eingefangen wurde, obwohl es bekanntermaßen zur Definition von "Geist" gehört, dass er nicht festgehalten werden kann. Es ist wie eh und je. Schließlich wurde Jesus ja auch von den Vertretern der damaligen Kirche zum Tod verurteilt, weil er genau auf diesem Punkt beharrt hat. Wie schön, dass man sagen kann, es wäre nicht die Kirche gewesen, die ihn töten hat lassen, sondern die religiöse Behörde der Juden. Dass Jesus selbst prophezeit hat, es werde nach ihm so weitergehen, wie es schon vor ihm war, verunsichert die Vertreter der heutigen religiösen Behörden ebenfalls nicht– logischerweise, sie wissen sich ja als die Guten. [Im Moment sind es allerdings nicht die Vertreter der kirchlichen Behörden, die in dieser Hinsicht die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich lenken, sondern es sind viel mehr Vertreter des Islam: Taliban, Wahabis in Saudi-Arabien, etc., die glauben, ihren lokalen Wahn der Welt mit Gewalt aufzwingen zu müssen. Ich bleibe aber in Folgenden bei der Kirche, auch weil es auf diese Weise auch für Moslems leichter wird, den Wahn in den eigenen Reihen zu erkennen. Außerdem sind die Christen in der Selbstreflexion doch schon etwas fortgeschrittener und können daher diese Auseinandersetzung eher ertragen.]
Das Paradigma der Moral ist eine der wichtigsten Säulen des geistigen Gebäudes der Kirche [des Islam]. Es gibt ihr einen bedeutenden Teil ihrer Lebensberechtigung. Sie gibt es als das geistige Vermächtnis Jesu [Mohammeds] aus. Es ist aber nichts weniger als das. In Wahrheit war es die Basis für das Todesurteil über Jesus sowie für die Todesurteile über alle die Propheten, deren Schicksal schon Jesus beklagt hat. Aus diesen Gründen sind die Kirchen auch heute wieder (wie zur Zeit Jesu) zu Erlaubnisvereinigungen geworden, die aber keine Erlaubnis zu leben erteilen, sondern in denen sich die Gläubigen die Verbote abholen für all das, was sie ohnehin nicht zu tun wagen. Nur insofern also eine Erlösung. Logischerweise untergräbt diese Tatsache aber ihre Attraktivität. Attraktiv ist immer das Ursprüngliche. Irgendwann wird diese Tatsache sich [auch finanziell] auswirken und deshalb wird irgendjemand irgendwann umdenken müssen. "Umdenken, umkehren!" ist doch schon die Botschaft Jesu. [Was die Attraktivität der terroristischen islamischen Vereinigungen angeht, ist diese am ehesten vergleichbar mit der Attraktivität des Nationalsozialismus für die damals notleidende deutsche Bevölkerung. Man braucht deren Predigern auch nur zuzuhören, um die Ähnlichkeiten auch im Tonfall wahrzunehmen.]
Was bringt die Moral? Hätte sich Kain durch Moral davon abhalten lassen, seinen Bruder umzubringen? Im Gegenteil, die Moral hat ihn zum Brudermord getrieben. Und wie wirksam die Moral in der Welt ist, zeigt der Zustand der Welt. Woran halten sich die Menschen? Sie wollen ihr Gesicht nicht verlieren, das ist alles. Und sie wollen ihren Willen mit Gewalt durchsetzen. Zu beidem ist die Moral hervorragend geeignet.
Und wer kann die Menschen dazu bringen, dass sie es dennoch wagen, der Wahrheit zu folgen? Die Moral? Wohl kaum. Nur der Geist kann das.
Es waren zwar wohl die zweitausend Jahre Christentum und die dreitausend Jahre Bibel, die die Menschenrechte hervorgebracht haben, aber sie haben die Nazis nicht verhindert. Wir können nur hoffen, dass die alte Vision wieder auflebt, der Geist der Einheit und dass Bewusstheit die Kategorien in ihre angestammten Plätze verweist. Darauf wollte Lao–tse hinaus, als er sagte: "Wer den Weg verliert, ist nachher tugendhaft". Und: "Höchste Tugend weiß von der Tugend nicht"!
Wie geht also der Weg zurück ins Paradies? Oder sind wir fast schon dort? Ein bisschen mehr Moral noch und wir haben es geschafft? Wir hören diesen Anspruch doch überall. Aus ihm spricht der Geist der Moral! – In Wirklichkeit schaffen wir es nicht! Wir können es nicht schaffen, denn es ist nicht zu schaffen. Nur eine andere Kraft kann schaffen und es gibt nur einen Weg ins Paradies, nämlich auf diese andere Kraft zu hören.
Kain schon hatte die Chance. Die Stimme dieser Kraft war da, aber er war so verblendet von seinem Schaffen Wollen, dass er sie nicht hören konnte. Er wollte so gut sein, wie sein Bruder. Er wollte auch von Gott anerkannt werden. Dafür tat er alles. Er verstand nicht, dass Abel ein anderes Motiv hatte für sein Opfer. Für Abel war es ein Ausdruck purer Freude. Die kannte Kain gar nicht. Kain war der erste Vertreter der Moral (weil er gut sein wollte, hat er doch sein Opfer dargebracht). Und dieser erste Vertreter der Moral hat den ersten Vertreter der Propheten [und den letzten der Natürlichkeit] umgebracht – weil er enttäuscht war darüber, dass er es nicht schaffen konnte! Die alte Geschichte also, die in Jesus wiederholt wird. Muss das so weitergehen?
Innerhalb dieses Paradigmas gibt es keinen Ausweg, denn es ist einfach wirklich nicht zu schaffen. Niemand kann dem Moralgesetz entsprechen. Es ist nicht menschlich (und natürlich noch weniger göttlich), es ist ein (paranoider) geistiger Zwang, ein Ergebnis des Schaffen Wollens, also des Sündenfalls. Weil es darin keinen Ausweg gibt, wird Kain (von niemand) damit "bestraft", dass er "auf ewig" in diesem Zwang lebt. – Und da sollte jemand nicht wirklich böse werden!
Natürlich braucht es keine "Strafe": Die Unbewusstheit selbst ist die Strafe. Sie bleibt, bis das daraus resultierende Leiden unerträglich wird. Kains Dialog mit Gott nach seiner Tat zeigt, dass er gerne bestraft werden würde, wie ein Kind, das etwas angestellt hat, bestraft werden möchte, "damit alles wieder gut wird". Bei Erwachsenen geht das nicht mehr so. Niemand bestraft ihn; er muss mit seinen Taten leben – er lebt mit dem "Kains–Mal": "Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend Böses muss gebären." Und: Er wird von niemand geliebt, weil ihm die natürliche Herzlichkeit fehlt.
Wir brauchen wieder mehr Selbstvertrauen, wenn wir da herauswollen. Amokläufer wie Kain sind gescheiterte Schaffer. Sie sind so böse geworden, weil sie es den anderen nicht länger recht machen konnten. Und weil sie glaubten, sie hätten, aufgrund ihrer Anstrengungen einen Anspruch, der aber nicht erfüllt wurde, nicht erfüllt werden konnte, wurden sie logischer weise noch mehr böse und durch die Moral dazu noch gefangen in einer verhängnisvollen Denkschlaufe, die auch die Einsicht unmöglich machte.
Natürlich gibt es auch äußerst moralische Menschen, die durch die Frustrationen eines lebenslangen Trainings ihrer Moral zur Ehrlichkeit veranlasst wurden. Sie können bezeugen, dass es so ist und auch, dass es letzten Endes nicht die Moral war, die sie rettete, sondern eine andere Kraft – und es war auch nicht ihr „Glaube“ (auch das "sola fides" ist ein Irrglaube) – es war reine Gnade!
Da wir unter den Bedingungen des Sündenfalls geboren wurden, also die Welt des Berechnens mit der Muttermilch eingeflößt bekommen haben, gehört auch die Moral von Anfang an zu unseren Daseinsbedingungen. Daher möchte ich die Moral nicht verurteilen. So weit sie zu einer vernünftigen Disziplin veranlasst, ist sie innerhalb der Welt des Sündenfalls sehr hilfreich, heraus aus ihr führt sie jedoch als Moral nicht – entgegen dem Glauben der Vielen, die sich von ihr die Rettung versprechen – helfen kann sie nur, wenn sie nicht als eine Forderung erscheint, sondern als ein einladendes Bild von einem idealen, ja paradiesischen Zustand. Dann nämlich kann das Bild als Verknüpfung in eine andere Dimension wirken, nämlich auf die in jedem Menschen vorhandene paradiesische Wahrnehmungsebene [die Sehnsucht] - dann kann diese Wahrnehmungsebene zur aktuellen Wahrnehmungsebene, d.h. zur Realität werden. Dann erscheint der Himmel auf Erden.
Unter den Bedingungen der Unbewusstheit allerdings, die ja in Kraft sind, so lange die Moral als solche eine Bedeutung hat, ist leider ihre äußerst dunkle Schattenseite dominant: das Verurteilen. Und gerade die Verurteilung Jesu, die ja nicht von irgendwelchen unbewussten Idioten ausgesprochen wurde, sollte eine Warnung sein, weil sie zeigt, dass das Verurteilen der Erlösung direkt entgegengesetzt ist – zumindest für den, der verurteilt. Tatsächlich aber ist die Geschichte des Christentums auch und in großem Maße eine Geschichte von Verurteilungen, Verdammungen, "Bestrafungen", Hinrichtungen, Kriegen gegen Andersdenkende etc. und auch in diesem Sinn die Fortsetzung der Geschichte des Sündenfalls als eine besondere (nämlich die christlich–)kulturelle Ausformung jenes paranoiden Wahns, den wir schon bei Kain beobachten können.
Da das fehlende Vertrauen der gefallenen Menschheit aber eine Tatsache ist, wird die Abkehr von der Moral und die Rückkehr zur Wahrnehmung nicht für alle unmittelbar möglich sein. Eines aber könnte heute (wo die Menschen der verschiedenen Religionen und Kulturen der Erde einander kennen gelernt haben) erreicht werden, um den jahrtausendealten Wahnsinn zu stoppen, nämlich dass die Moral von den religiösen Führern offiziell als relativ definiert wird. Damit wäre die Bedeutung der Moral keineswegs aufgehoben, sondern nur ins rechte Lot gebracht. Denn danach erst kann (für eine ganze Kultur, ja für die ganze Welt) der Weg der erneuten Suche nach der ursprünglichen Wahr–Nehmung beginnen, in der das Böse–Sein wieder wird, was es ursprünglich war: eine Art biologischer Wecker – für den, der böse wird genauso wie für den, auf den einer böse ist, ein soziales Instrument, vom Schöpfer installiert, um die aus dem Gleichgewicht geratenen Dinge wieder ins Lot zu bringen – also genau das zu leisten, was die Moral unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu leisten vorgibt und nicht erreicht.
(Und dann kann beipielsweise auch der wegen der paranoiden Züge der Moral besonders in der Heavy Metal Musik ausgesprochene Ruf nach dem Antichrist wieder verstummen.)
Was ist Wahrheit?
Es gibt keine wahren
Sätze. Wahrheit lässt sich sprachlich nicht ausdrücken. Sprachlicher Ausdruck
kann aber eine Resonanz auslösen, durch die Wahrheit erfahren werden kann.
Gewöhnlich gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass es so etwas wie eine "objektive Wahrheit" gibt, die in Sätzen formuliert werden kann. Das glauben wir.
Aufgrund dieses Glaubens wurden Definitionen ausgearbeitet; dieser Glaube drückt sich in "Glaubensbekenntnissen" aus und in Dogmen; Philosophen sprechen von philosophischen "Wahrheiten", Wissenschaftler von wissenschaftlichen "Wahrheiten" etc.. Tatsächlich aber beruht diese unsere Glaubens– und Sprech–Gewohnheit auf einer verhängnisvoll ungenauen Ausdrucksweise – verhängnisvoll deshalb, weil aufgrund dieses Glaubens immer wieder Glaubenskriege verschiedenster Art geführt werden, wo jeweils beide Seiten glauben, sie hätten die Wahrheit und die anderen hätten die Unwahrheit, und ungenau deshalb, weil das, was beide für die "Wahrheit" halten, in Wirklichkeit nicht Wahrheit ist, sondern entweder eine Ideologie bzw. ein Bekenntnis oder (im Fall der Wissenschaftler und der Philosophen) eine hohe statistische Wahrscheinlichkeit. Im letzten Fall ist klar, dass die Rede über eine wissenschaftliche oder eine philosophische "Wahrheit" nur eine schlampige Ausdrucksweise ist: Als Tatsachenfeststellung (a posteriori) ist "Wahrheit" eine Banalität – wenn auch schon allein die Feststellung von Tatsachen nicht ganz einfach ist – doch "Wahrheit" in dem Sinn, in dem die Religionen sie meinen, ist keine banale Tatsachenfeststellung, sondern eine Wesenseinsicht. Sie setzt voraus, dass wir hinter die Oberfläche der Dinge zu blicken imstande sind. Das aber setzt einen bestimmten Geisteszustand, d.h. eine bestimmte innere Einstellung voraus. In unserem Alltagsbewusstsein haben wir diese Einstellung nicht. Da begnügen wir uns mit Schlussfolgerungen, die aus den Beobachtungen gezogen wurden, um darauf Theorien zu begründen und darauf wieder wissenschaftliches Handeln samt den daraus resultierenden Techniken und Technologien. Weil wir gerne davon profitieren, sind wir auch gerne geneigt, solche wissenschaftlichen Theorien für "Wahrheiten" zu halten und die andere Wahrheit, die der Alltagsverstand nicht fassen kann, zu vergessen.
Auch die sogenannten religiösen "Wahrheiten" aber sind, streng genommen, keine Wahrheiten, sondern – letzten Endes sogar nur zeitbedingte – Schlussfolgerungen aus Berichten von wirklichen, also wahren Erfahrungen. Auch wenn diese Schlussfolgerungen verbunden sind mit den in den verschiedenen Traditionsströmen ständig weitergeführten Sammlungen erlesener Daten der Jahrtausende alten Menschheitserfahrung, sind sie eben nicht Wahrheiten sondern nur Weisheiten – statistische Regeln abgeleitet aus einem Schatz von Erfahrungen, die andere gemacht haben. Sie verweisen aber auf jene eine, allem Sein zugrundeliegende und nur existentiell erfahrbare Wahrheit, die aber eben so lange nur Theorie und keine Wahrheit ist, solange sie nicht selbst erfahren wurde.
Die Unterschiede der verschiedenen Religionen beruhen auf den unterschiedlichen Erfahrungen, die unter den unterschiedlichen Bedingungen, unter denen die Menschen (in den verschiedenen Erdteilen und zu den verschiedenen Zeiten) gelebt haben, gemacht wurden und auf den daraus gezogenen, natürlich wieder unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Dass sich dennoch überall auf der Welt Ähnlichkeiten zeigen, beruht darauf, dass es eine Art Konstante dabei gibt, nämlich dass es immer und überall Menschen waren, die diese Erfahrungen gemacht haben. Diese Konstante ist also so etwas wie die menschliche "Natur", jene wieder nur statistisch zu benennende Übereinstimmung bei den Mitgliedern der menschlichen Gattung.
Genau genommen ist es also "die menschliche Natur", die uns – solange wir uns die ganze Komplexität des Vorgangs bewusst halten – dazu berechtigt, ein aus der Erfahrung Anderer übernommenes Wissen "Wahrheit" zu nennen, allerdings nur in gewisser Weise, denn die Erfahrung eines Menschen kann zwar wohl durch die eines anderen bestätigt werden – ein anderer aber kann unter ganz ähnlichen Bedingungen zu einer ganz anderen Erfahrung kommen.
Im Gegensatz zu jeder Art "Wissen" gibt es jedoch etwas, das mit uneingeschränktem Recht "Wahrheit" genannt werden kann, nämlich jede Erfahrung, die wir im Augenblick machen – nicht das, was wir davon mitteilen, sondern das, was wir wahr–nehmen. Unsere Interpretation dieser Wahrnehmung ist schon wieder etwas Anderes und noch mehr natürlich das, was wir davon sagen können. Dass wir von unserem Erleben überhaupt etwas mitteilen können, ist angesichts der Tatsache der extremen Verdünnung [Computerleute würde eher von "Komprimierung" sprechen] im sprachlichen Ausdruck ein Wunder, das wir, wie eben gesagt, nur der Tatsache verdanken, dass wir als Menschen von Natur aus ähnliche Erfahrungen machen und daher schon aus Andeutungen entsprechende eigene Erinnerungen abrufen können. Trotzdem ist klar, dass kein Satz jemals im eigentlichen Sinn "wahr" sein kann.
Wahrheit im eigentlichen Sinn ist nur unser Erleben des Augenblicks und unsere unmittelbare Reaktion darauf. Wahrheit gibt es also nur als subjektive Wahrheit. Die subjektive Wahrheit ist also die einzige objektive Wahrheit, die es gibt. Wissenschaftliche Messungen dagegen und auch Erfahrungswerte, die so "objektiv" erscheinen, sind nur banale Tatsachenfeststellungen und im Fall gefundener Gesetzmäßigkeiten nur Feststellungen eines gewissen, für den konkreten Fall dann doch wieder unverbindlichen Mittel– oder Rahmenwerts, so sehr dieser auch technisch verwertbar ist.
Worauf die Suche nach der Wahrheit eigentlich hinaus will, ist ein Weg zur Lösung existentieller Probleme, zur Befreiung aus der Not.
Nun gibt es, den Erfahrungen einer großen Zahl von Menschen zufolge (also gemäß einer großen statistischen Wahrscheinlichkeit), einen Zustand des menschlichen Empfindens, in dem es keine Probleme gibt.
Von Wissenschaftlern hören wir dazu, der menschliche Körper würde in Extremsituationen opiatähnliche Substanzen ausschütten und damit eine Glücksillusion erzeugen, um das Erleben des tatsächlich gegenwärtigen Unglücks zu vermeiden und diese biologische Funktion hätte ihren Grund im Trieb zur Lebenserhaltung.
Tatsächlich ist es aber so (und davon wollen diese "wissenschaftlichen" Untersuchungen nichts wissen), dass in solchen Zuständen außer der Glücksempfindung eine tiefe Einsicht in die sonst undurchschaubaren Zusammenhänge des Lebens empfunden wird und dass in dieser Einsicht vorher ungeahnte aber sehr reale und tatsächlich realisierbare Lösungen sichtbar werden. Ein Extrembeispiel solcher Lösungen liefert die Bibel in der Geschichte von Gideon (Ri 6–9), in der ein Heerführer mit 300 Mann eine Armee von 30.000 vernichtend schlägt.
Ein wenig von dieser Fähigkeit macht sich eine Richtung der Psychotherapie zunutze: die Hypno–Therapie. Durch eine Tranceinduktion stellt sie eine Verknüpfung zu solchen Zuständen in der Vergangenheit her und lässt die Patienten aus diesem Zustand (also aus dieser inneren Einstellung) heraus ihre gegenwärtige Situation betrachten und neu erleben. Je nach der Tiefe der bereits erlebten Zustände und der Tiefe der Trance ist die Hypnose dann auch unterschiedlich effektiv. Obwohl die Maßnahmen der Hypno–Therapie gewöhnlich nur an der Oberfläche bleiben, sind sie oft schon geradezu spektakulär wirksam, weil sie tatsächlich eine neue Wahrheit, also eine neue Lebenswirklichkeit, erzeugen können.
Die spontanen Zustände dieser Einsicht aber gehen oft weit über das hinaus, was die Methode erreicht. Sie sind immer verbunden mit einer Erfahrung von Sinn und von einer alles steuernden Kraft, von der alles ausgeht und zu der alles hinführt. Diese Kraft ist von Menschen, die das erfahren haben, "Gott" genannt worden. Sie beschrieben ihre Erfahrung als "Wahrheit". Und diese Bezeichnung ist korrekt. Es war tatsächlich ihre Erfahrung. Etwas ganz anderes aber ist es, wenn ich von dieser Erfahrung höre oder von ihr lese. Im günstigsten Fall kann die Mitteilung mich in einen Zustand ähnlicher Art versetzen, in dem ich ebenfalls das Ganze des Lebens als etwas Sinnvolles erlebe und indem mir die Bedeutung meines eigenen Lebens klar wird. Das ist ja auch die ursprüngliche Intention, aber diese Mitteilungen wirken (statistisch betrachtet) nur ganz selten so – sonst müssten ja alle Leser Heiliger Schriften erleuchtete Meister sein, was sie ganz offensichtlich nicht sind, ja nicht wenige von denen, die sich selbst sogar als Meister des Verstehens der Schriften verstehen, haben nichts von ihrer Wahrheit persönlich erfahren, sie sind nur meisterhafte Begriffsakrobaten. Es kann aber geschehen, dass das Erleben eines oder mehrerer Menschen, die sich gerade in dem Zustand befinden, so stark ist, dass sogar eine ganz große Zahl von anderen Menschen gleichzeitig, gewissermaßen durch "Ansteckung" ebenfalls in diesen Zustand versetzt werden, weil eine Ebene in ihnen zu schwingen beginnt, zu der sie vorher keinen Zugang hatten. So ein Ereignis muss wohl zur Taufe der dreitausend Zuhörer der Rede der Apostel nach deren Pfingsterlebnis geführt haben. Ähnliches spielt sich heute möglicherweise bei den Massenveranstaltungen von Wunderheilern ab.
Für alle diejenigen aber, bei denen der Bericht nicht diese ansteckende Wirkung hat, enthält er keine Wahrheit, sondern er ist nur ein Bericht über menschliche Gefühls– und Verhaltenskuriositäten. Ein Teil der Zeugen des Pfingsterlebnisses der Apostel hielten die Apostel deshalb einfach nur für betrunken. Und wie viele unbewegte Leser der Bibel es gibt, ist ja bekannt – ja mehr noch, die angebliche Wahrheit der Bibel macht das Buch zu einem idealen Instrument, sich und übelste Motive dahinter zu verschanzen:
Manche von denen, die etwas von der ansteckenden Wirkung der Wahrheit erfahren haben, sind davon so überwältigt, dass sie gewissermaßen sogar davon besessen sind, in der Weise, dass sie das Erlebte als eine "Wahrheit" festhalten in eine Zeit hinein, in der sie diese Wahrheit nicht mehr empfinden. Jeder Sucher, der die Wahrheit erlebt hat, steht ja vor dem Dilemma, dass das Erlebnis vorübergeht und die gewohnte Sicht der Welt wiederkehrt. Er müsste diese Erfahrung hier nun integrieren und zwar auf eine Weise, die künftige Erfahrungen ähnlicher Art wahrscheinlicher macht. Eine Gefahr dabei besteht aber darin, dass es möglich ist, sich diese Erfahrung als persönliches Verdienst zuzuschreiben und zu leugnen, dass sie vergangen ist. Aus dem Kreis dieser Leute stammen die "Glaubensfanatiker". Weil sie sich mit ihren Aussagen identifizieren, sind sie bereit, ihr Leben einzusetzen und andere umzubringen, wenn diese ihnen nicht glauben wollen. Der Fanatismus kommt von dem an sich unvermeidlichen Verlust der Wahrheit, den sich ein Mensch, der einmal von ihrem Erleben überwältigt war, nicht eingestehen will und an der er daher zwanghaft intellektuell und gefühlsmäßig festhält.
Andere, die entweder die ansteckende Wirkung eines Berichts oder durch ein eigenes Erlebnis die Wahrheit dieser Seinsebene erfahren haben, akzeptieren den Verlust dieser Wahrheit in der Weise, dass sie hinterher leugnen, diese Wahrheit erfahren zu haben, weil sie zu sehr abweicht von ihrer gewöhnlichen Sicht der Welt und des Lebens. Aus diesen Kreisen rekrutieren sich die fanatischen Glaubensleugner. Gewöhnlich stellen sie dann rational erscheinende Konzepte (beispielsweise eine wissenschaftliche Theorie, eine politische Ideologie oder eine Therapieform) an die Stelle des Ergriffenseins.
Es ist schon ein seltener Idealfall, wenn ein Mensch seine Erfahrung ohne Fanatismus und ohne Leugnung als solche akzeptieren und sich von da an auf die Suche machen kann nach einem Weg, ständig Zugang zu dieser Erfahrung zu haben.
Ein solcher Weg kann in den Wegen der verschiedenen Religionen gefunden werden. Möglicherweise kann es auf dem Weg (eine Weile) helfen, die "Wahrheiten" der betreffenden Religion für absolut zu halten, das ist aber nicht Bedingung. Am Ende jedoch, wenn die Erfahrung da ist, ist klar, dass keine der in den Quellen der Religionen aufgezeichneten Erfahrungen zu absolut gültigen Schlussfolgerungen berechtigen, sondern dass sie nur konkrete Beispiele sind, die einzig und allein dazu dienen, sich (den Leser oder Hörer "des Wortes") auf diese Erfahrungsebene einzuschwingen.
Natürlich gibt es aber auch andere Wege, sich auf diese Erfahrungsebene einzustimmen: Musik beispielsweise oder optische Darstellungen, die aus dem Erleben dieser Ebene stammen, oder Meditation oder das sich Einstimmen auf einen anderen Menschen – beispielsweise auch im Sex. Dass im Sex sehr oft (wenn nicht bei den meisten Menschen meistens) andere Motive als das sich Einstimmen dominieren, haben dazu geführt, dass in unserer Kultur Sex gewöhnlich nicht zu den genannten Wegen gezählt wird.
Dass dagegen die Bibel oder die Religion als alleinig gültige Wege betrachtet werden, ist eine kolossale Verarmung und eine Lüge. Sie hat mit der Angst vor dem Loslassen zu tun, die mit dem anderen (dem "transzendenten) Bereich des Erlebens der Wirklichkeit verbunden ist, weil die Transzendenz unsere Alltagswelt notwendigerweise zum Einsturz bringt. Darauf beziehen sich die apokalyptischen Bilder der Religionen. Was Angst macht, ist die in jenen Erfahrungen realisierte Übergabe des eigenen Schicksal "in die Hände" der Kraft, aus der wir hervorgegangen sind und die uns am Leben hält. Um diese Hingabe zu vermeiden, bietet es sich (neben Fanatismus und Glaubensleugnung) auch an, die Glaubensinhalte der jeweiligen Religion im Sinn der Orthodoxie als "objektive" Wahrheit betrachten oder als alleinige "Wahrheit". Dann könnten wir glauben, unsere Alltagswelt wäre gesichert. Die Identifikation mit dem Besitz der "Wahrheit" (genau wie mit anderen Besitztümern) verleiht dem betreffenden Menschen außerdem einen gewissen zusätzlichen imaginären Wert. Und so liegt es an der Angst vor dem Zusammenbruch des selbstkonstruierten oder zumindest gewohnten Selbst– und Weltgebildes heraus, dass viele Menschen die Relativität all der in den Heiligen Schriften aller Völker beschriebenen Erfahrungen vergessen und diese mystifizieren, um fortan zwanghafte Diener des Buchstabens zu werden – sonst müssten sie das Risiko des Lebens ja in achtsamer Eigenverantwortung selbst auf sich nehmen.
Fazit: Es gibt keine in Sätzen formulierbare Wahrheit, es gibt nur Sätze, die einen Menschen unter gewissen Umständen zur Erfahrung des immer gegenwärtigen Heils (des eigenen und des Heils des Ganzen der Schöpfung) führen können. Diese Sätze sind aber keinesfalls bedeutender als andere Mittel, die zum gleichen Ziel führen. Es gibt auch keine einzigen historischen Mittler, sondern zu jeder Zeit gibt es überall Menschen, die diese Erfahrung aus irgendwelchen Gründen gemacht haben und die daher andere damit anstecken können.
Der Grund, der einen Menschen dazu führt, eine solche Erfahrung zu machen, die als eine Erfahrung der Wahrheit empfunden wird und die nachträglich von anderen möglicherweise als "die" Wahrheit hingestellt wird, ist letzten Endes immer der gleiche: Durch irgendetwas, beispielsweise durch eine Erfahrung der Hilflosigkeit oder durch Meditation oder durch Ansteckung etc. etc., wird das gewöhnlich in kraft befindliche rational–planende Steuerungsmodul ausgeschaltet und eine andere Steuerung übernimmt. Dabei zeigt sich ein gewöhnlich hinter der alltäglichen Selbststeuerung verborgener tragender Grund, eine Kraft, die das ganze Leben trägt – und die es von Anfang an hervorbringt. Und in diesem Grund ist alle Weisheit des Lebens und eine Wahrnehmung (und darin die einzig mögliche Wahrheit) von einer bisher ungeahnten Sensitivität und einem bisher nicht gekannter Einfallsreichtum, der eine Lösung hat für jedes Problem. Für die Zeit dieses Erlebens ist die Wahrheit gegenwärtig, eine Beschreibung dieses Erlebens aber (und aus solchen Beschreibungen setzt sich der Inhalt sämtlicher Heiliger Schriften zusammen) für Wahrheit zu halten, trifft nur zu im Fall der Ansteckung, aber keinesfalls im Fall einer intellektuellen Betrachtung oder Analyse oder gar für eine begriffliche Fixierung. Jede begriffliche Definition ist eo ipso Unwahrheit, trotzdem natürlich brauchbar für die Verständigung. Wie jeder weiß, weist die Landkarte mit der Landschaft nur sehr geringe, nämlich gewisse strukturelle Ähnlichkeiten auf, aber dadurch kann sie sehr hilfreich sein. Wahrheit jedoch ist nur in der Wirklichkeit zu finden – und für mich nur in meiner eigenen Wirklichkeit.
Wenn Jesus (nach Johannes) sagt "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", dann macht er damit eine Aussage über seine Wirklichkeit, nicht über unsere. Wir können den Satz in einem exklusiven Sinn verstehen, doch dann sind wir in Gefahr, die Totalität seiner Bedeutung zu verlieren. Erst wenn wir diesen Satz von uns selbst sagen können, können wir wirklich verstehen, was Jesus meint. Für gläubige Christen füge ich daher hinzu: Dafür, dass wir eines Tages fähig werden können, diesen seinen Satz mit Recht von uns selbst sagen zu können, gibt Jesus selbst Zeugnis mit seiner anderen Aussage: "Ihr seid das Licht der Welt". Also Mut! Du, Leser, bist das Licht der Welt! Also traue Dich auch, es wirklich zu sein! Sei der Weg, die Wahrheit und das Leben! Nur dann bist du ein echter Nachfolger Christi. Und er macht dir Mut. Er sagt, du bist das Licht der Welt. Was könnte er Höheres über Dich aussagen?
Falls Sie jetzt dazu tendieren, diese Aussage zu relativieren, empfehle ich Ihnen, sich zu überlegen, warum Sie ähnliche Worte Jesu über sich selbst nicht relativieren und ob Sie diese nicht auch relativieren müssten, etwa im Gedanken an die sehr bestimmte Aussage Jesu einem Schüler gegenüber, der ihn "gut" nannte. Jesus protestierte vehement gegen dieses Attribut mit dem Hinweis darauf, dass man nur den Schöpfer "gut" nennen könne, aber niemals ein Geschöpf. "Der Weg und die Wahrheit", die Jesus also ist, ist einfach seine immer noch wirkende Fähigkeit, Menschen anzustecken und sie dadurch den Himmel auf Erden erleben zu lassen einschließlich des Bewusstseins seiner Bedingungen. Jesus ist aber ganz klar nicht der Einzige, der diese Fähigkeit hat. Mindestens genauso stark ist logischerweise die Fähigkeit mancher unserer Zeitgenossen – und damit meine ich nicht nur die überall zu findenden, von vielen anerkannten "Gurus", sondern ganz viele unbekannte Menschen, die einfach durch ihr Schicksal zur Erfahrung der anderen Wirklichkeit geführt worden sind – die für alle, die dort sind, als die eigentliche erfahren wird. Und diese Erfahrung möchten sie weitergeben, weil sie auch andere mit ihrer Begeisterung anstecken möchten.
Ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen den Menschen, die diese Wirklichkeit aus eigener Erfahrung kennen und denen, die sie, meist weil sie "gut" sein woll(t)en, nur in Form der Lehren ihrer Religion studiert haben. Da ihnen die Erfahrung fehlt, fehlt ihnen auch der Zugang zur Relativität dieser Lehren. Das war schon der Streitpunkt zwischen Jesus und den religiösen Lehrern seines Volkes. Weil er die Erfahrung hatte, hieß es von ihm: "Er spricht wie einer, der Macht hat – und nicht wie die Schriftgelehrten". Die Macht, die hier gemeint ist, ist keine andere als die Macht diese Erfahrung mitzuteilen und andere damit anzustecken. Die Schriftgelehrten haben nur die Worte – die allerdings selbst anstecken können, wenn jemand bereit dafür ist – die Wahrheit haben sie nicht, sie kennen die Wahrheit nicht einmal, weil diese eben nur im wahrnehmenden Erleben liegt. Sie mögen begeistert sein – so wie man eben von einer Idee begeistert sein kann, von einer Utopie – und dadurch sehr stark "motiviert" (d.h. sie haben immer noch einen rationalen Grund, aus dem sie handeln), aber sie sind nicht eingestimmt auf den göttlichen Urgrund des Lebens, auch wenn sie das glauben, weil sie dergleichen Worte im Mund führen. Eingestimmt sein auf den göttlichen Urgrund heißt nämlich keine Wahl mehr haben, sondern unbedingt folgen – aber nicht irgendwelchen Regeln, sondern dem "Anspruch" der Wirklichkeit, dem, was ihre menschliche Natur ihnen für ihre gegebene Situation zu tun aufträgt. Da ist "die Wahrheit", "der Weg" und "das Leben".
Die Wahrheit zeigt, was ist und sie zeigt in jedem Moment die Lösung in Form des nächsten Schritts. Wahrheit ist also niemals ein Satz, sondern sie ist das Licht der Wahrnehmung. Sätze führen zu Ideologien. Wahrnehmung führt zur Lösung. Wahrnehmung heißt, sich bewegen lassen – nicht im Sinn einer Gefühlsduselei, sondern im Sinn der Sensitivität, des Mitgefühls. Wahrheit führt zum Mitgefühl. Und da liegt die Quintessenz aller Religionen – und (nur!) für den Fall, dass sie bei einem Menschen diesen Sinn erfüllen, ihre Wahrheit.
Warum ist Religion nicht
totzukriegen?
Woher kommt die spirituelle
Suche?
Wo führt sie hin?
Religion ist ein Folgephänomen des Sündenfalls. Sie kommt daher, dass sich die Menschen in der Welt, in der sie leben müssen, ausgeliefert fühlen, ständig bedroht und allein von sich aus nur unzureichend fähig, zu einem zufriedenstellenden Leben zu finden.
Gleichzeitig aber machen viele von ihnen gelegentlich die Erfahrung, dass es Ausnahmen zu dieser Situation gibt. Manchmal sind das zufällige Glücksmomente, die eintreten, wenn sich die Dinge gerade so fügen, dass für eine Weile alle Wünsche erfüllt sind oder dass etwas bestens gelingt. Manchmal kommt das in ganz besonderen Situationen anderer Art, manchmal kann das aber gerade zu Zeiten geschehen, wo gar nichts gelingt, in Zeiten tiefster Verzweiflung: Plötzlich ist alles anders, plötzlich gibt es von innen her eine vorher kaum gekannte Sicherheit, verbunden mit höchster Sensitivität, Losgelöstheit und Einfallsreichtum.
Die besonderen Situationen können beispielsweise sehr eindrucksvolle Erlebnisse sein, Erlebnisse in der Natur oder Erlebnisse mit anderen Menschen.
In der Bibel gibt es dem entsprechend zwei Namen für "Gott", nämlich "Jahwe" und "El". "Jahwe" wäre der zweiten oben genannten Art zuzuordnen, nämlich der Erfahrung der inneren Kraft, die am Tiefpunkt der Verzweiflung erscheint. "Jahwe", zu deutsch "ich bin der ich bin", ist für jeden, der das Erlebnis kennt, unschwer als spontaner Name dieser Kraft zu erkennen. Von ihr aus ist gewiss: Alles ist möglich, Träume können wahr werden, denn diese Kraft will gesehen werden, sie will in Erscheinung treten, so wie sie schon in ihrer Schöpfung in Erscheinung getreten ist. Das ist das Erlebnis des Mose am brennenden Dornbusch, aber auch das Erlebnis des Abraham mit seinem Traum (der "Verheißung" an ihn), dass er Stammvater werden würde eines großen neuen Volkes, das auf Dauer mit dieser Kraft verbündet ist.
Der Name "El" dagegen bezeichnet das Gotteserlebnis an besonderen Kraftorten in der Natur, die dann nach diesem Erlebnis benannt wurden mit einem Namen, der das "El" dieses Erlebnisses enthält. Das englische Wort "awe", das lautmalerisch den Ausdruck eines solchen Erlebnisses darstellt, kommt sowohl dem Laut als auch der Bedeutung nach dem biblischen "El" am nächsten. Wir alle kennen das maßlose Erstaunen, wenn wir um eine Ecke biegen, und eine ehrfurchtsgebietende Sicht vor uns erscheint [das kann natürlich auch eine geistige Sicht sein]. An solchen Stellen haben die biblischen Väter einen Altar aufgebaut, um das Erlebnis auch für spätere Reisende und für künftige Generationen zu verankern. In unseren Breiten stehen an solchen Stellen Tafeln mit der Aufschrift "Aussichtspunkt" oder "scenic view" oder "buena vista". Im Zuge des Tourismus haben diese Stellen allerdings viel von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüßt.
Ein weiteres Erlebnis ähnlicher Art kommt oft in Beziehungen zustande, wenn ein Partner unbedingt etwas vom anderen will, der in diesem Moment aber nur gleichgültig ist: Wie diese Gleichgültigkeit unter dem emotionalen und körperlichen Ansturm des Anderen plötzlich in schrankenlose Hingabe umschlagen kann. Ähnliches erleben auch Menschen, die jemand in Todesgefahr finden und ohne zu zögern ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um den anderen zu retten.
Ähnliche Erlebnisse gibt es weiters unter Einfluss gewisser Drogen. Diese Erlebnisse sind natürlich der Grund für so manche Drogensucht, weil die Menschen das Erlebnis festhalten möchten und zu wenig bedenken, dass das nicht geht, weil die chemische Wirkung vorübergeht. Natürlich müssten sie, statt bei der Droge zu bleiben, nach Wegen suchen, ihren Organismus ohne Chemie so einzustellen, dass diese Art, die Welt zu sehen, möglich wird. Dafür gibt es die Religionen.
Religionen sind also, genau betrachtet, Trainingsprogramme zum Erlernen der Einstellung der Wahrnehmung auf eine bestimmte Ebene. Carlos Castaneda würde sagen zum Erlernen des Verschiebens des Punkts im Wahrnehmungsapparat, in dem die gewünschte Wirklichkeit aus einer Reihe von möglichen Wirklichkeiten 'montiert' wird. Das mag absurd klingen, aber der einfache Gedanke an die Unterschiede in der Wirklichkeitswahrnehmung eines Depressiven, eines "Schizophrenen", eines "Penners", eines Spitzenmanagers oder eines spirituellen Meisters zeigen, dass es sich dabei um etwas ganz Reales handelt. Und hier liegt daher der Punkt der ewigen Attraktion der Religionen: Durch sie wird es möglich, den Himmel überallhin zu holen, selbst in die Hölle.
Sämtliche Religionen haben in Erlebnissen der oben genannten Art ihren Ursprung. Die Begründer der Religionen haben erfahren, dass sie ihr Leben nicht in einer von unbezwingbaren, grausamen Monstern (Tyrannen jeder Art) beherrschten Hölle verbringen müssen, sondern dass sie diese Monster entweder umstimmen, besiegen oder ihnen ausweichen können und dass sie anschließend ihr Leben selbst bestimmen und für sich und ihre Umgebung den Himmel auf die Erde holen können. Darum geht es in jeder Religion.
Die religiöse Grunderfahrung ist die Erfahrung der schöpferischen Kraft, die in jedem Menschen anwesend ist. Diejenigen, die diese Erfahrung selbst gemacht haben, können andere zu dieser Erfahrung führen, so lange ihnen die Erfahrung selbst zugänglich ist.
Durch das erste Erscheinen dieser Erfahrung wird ein Mensch zu einem Sucher, und er wird keinen Frieden finden, bis er gelernt hat, diese Erfahrung bei Bedarf wiederherzustellen, d.h. sich selbst (wie ein Radio) auf diese ja immer und überall gegenwärtige Wahrnehmungsebene einzustellen.
Da Drogen eine Abkürzung darstellen, bleibt ein Teil der Sucher in dieser Phase hängen und gibt die weitere Suche auf. Andere bleiben dann etwa in einer Sekte hängen, die ihnen aber immerhin schon ein echtes Gemeinschaftserlebnis bietet. Manche bleiben dann als Mönche oder Priester irgendeiner Religion im Getriebe ihres Tuns mitten auf dem Weg hängen. Sie arrangieren sich (d.h sie revanchieren sich auf irgendeine Weise für jeden ihnen auferlegten Verzicht) und geben ihre weitere Suche auf.
Manche aber geben nicht auf. Sie sind bereit, durch die Hölle zu gehen und sie lassen sich durch nichts ablenken, auch nicht durch die unter Umständen endlos erscheinenden Durststrecken auf dem Weg. Sie gelangen natürlich zum Ziel, d.h. sie lernen, sich so einzustellen, dass ihnen der Himmel unter keinen Umständen verloren geht. Eine Aussage in den Reden des Buddha verdeutlicht, worum es geht: "Und wenn sie euch mit Ketten zersägen, bleibt freundlich zu ihnen!" Die christliche Variante kennen wir.
Das ist der Sinn der Religion und das ist der Grund, warum Religion niemals aussterben wird. Das menschliche Leben wird immer gefährdet bleiben und gekennzeichnet von Unzulänglichkeit. Deshalb wird es auch immer die Suche nach einem Ausweg aus dem Verhängnis geben und deshalb gibt es die Antworten von denen, die den Ausweg gefunden haben und deshalb gibt es die Wege und die, die sie gehen.
Der Weg ist in jeder Religion ein Weg des Loslassens und des Annehmens, ein Weg des Vertrauens und der Hingabe. Und auch die Schamanen und Medizinmänner haben nichts anderes zu bieten.
Der Weg hat immer drei Phasen:
Die erste Phase ist die Zeit des Umschaltens auf jene andere Wahrnehmungsebene, die zweite die des Wahrnehmens der eigenen Situation auf dieser Wahrnehmungsebene und die dritte die des Verknüpfens der beiden Wahrnehmungsebenen, der horizontalen rational–gesitteten und der vertikalen spirituell–ruchlosen Ebene. Aus dieser Verbindung ist ja bekanntermaßen die zweite Bedeutung des christlichen Kreuzsymbols abgeleitet.
Nun noch einige Worte zu den beiden Wahrnehmungsebenen:
Gemäß der Bibel besteht der Sündenfall im "Essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Schlechten", d.h. in der Einführung von Bewertungen zum Zweck der Maximierung des Guten und zur Minimierung des Schlechten. Buddha sagt inhaltlich genau dasselbe wie die Bibel, wenn er feststellt: "Die Ursache des Leidens ist die Gier". Der Zustand der Gier ist der der Berechnung, daher der Zustand des Sündenfalls bzw. der Problem–Zustand.
Die andere Wahrnehmungsebene kennt keine Bewertungen. Die Dinge sind ganz einfach so, wie sie sind. Aus ihnen ergibt sich die Lösung. Vertrauen ist da. Die Lösung wird angepeilt, der Weg wird gegangen, die Lösung wird realisiert. Folgen oder Kosten spielen keine Rolle.
Ein Beispiel ist der Auszug der Israeliten aus Ägypten: Viele hatten zu viel zu verlieren. Sie sind geblieben. Viele haben ihre Bewertungen nicht zurückgelassen. Sie sind in der Wüste umgekommen. Die anderen kamen durch.
So in etwa funktioniert Religion. Weil sie beginnt, wenn alle Hoffnung auf die eigene Kraft zunichte geworden ist, ist sie nicht totzukriegen.
Paradigmenwechsel in der Theologie?
Inzwischen ist zwar von Paradigmenwechsel nicht mehr so viel die Rede wie vor zehn Jahren, aber für die Theologie wird es jetzt endlich Zeit, dies zu überlegen.
Das "alte" Paradigma
der Theologie ist das der Magie:
Man glaubt an einen von Geistern und Gespenstern belebten Kosmos, in dem man jederzeit vom Teufel geholt werden kann, und in dem man nur durch die stärkere Magie überlebt. Die stärkste Magie liefert natürlich der Gottessohn. Seine Magie war so stark, dass er sogar stärker war als der Tod ...
So lange derartige Gedanken die gewünschte Wirkung hatten (also die Botschaft unverfälscht transportieren halfen), gibt es nichts dagegen einzuwenden, wenn sie aber nicht mehr wirken oder verfälschend wirken, muss man sich doch fragen, welche Art Wirk–lichkeit ihnen zukommt.
Zur Zeit scheinen sie keine Wirkung mehr zu haben, jedenfalls nicht in unserer Kultur. Die Magie des Gottessohnes lässt die Leute heute kalt. Die Geschichten interessieren sie nicht mehr. Das ist das Ergebnis der Erfahrungen der Menschen mit diesem Paradigma. Es hat eben in der Vergangenheit auch nicht richtig funktioniert: Die Leute haben zwar mitgemacht und jeden Sonntag die Magie des Gottesssohnes beschworen aber trotzdem hat sie der Teufel geholt.
Aber, werden die Theologen sagen, das stimmt doch gar nicht: Es geht doch im Christentum gar nicht um Magie, sondern um die Liebe!
Tatsächlich sind immer wieder Menschen von der Liebe des Menschensohnes inspiriert worden, aber die Massen wurden mit der Magie geködert. Weil sie Macht wollten, sind die Leute Anhänger des Wundertäters geworden. Weil sie Brot wollten, sind sie schon Jesus nachgelaufen, aber als es ernst wurde, d.h. als sie an der Reihe waren, etwas zu geben, waren sie weg. Und jetzt, wo die Technik die gewünschten Wunder liefert, ist niemand mehr an der alten Magie interessiert und damit geht auch die Botschaft von der Liebe flöten.
Das Haus war auf Sand gebaut. Die Architekten haben es allerdings noch nicht mitgekriegt. Sie kleiden die Botschaft der Liebe immer noch in die Sprache der Macht (also in die Sprache der Magie), obwohl – für alle offensichtlich – keine Macht (Magie) mehr da ist. – Auch zur Zeit Jesu haben ja die damaligen Prediger in den magischen Wundern des alten Elia geschwelgt (weil sie selber keine Macht hatten) und den lebenden Elia haben sie umbringen lassen (so viel Macht hatten sie), denn der hat ja ihre Macht bestritten. So ist es immer gewesen und so wird es immer sein. Die (in ihrer persönlichen Wahrheit ohnmächtigen, also magielosen) Herrscher werden sich immer aufplustern mit magischen Formeln und mit Waffengewalt und die echte Magie origineller Menschen bekämpfen. Und nachdem sie das echt Magische beseitigt haben, werden sie das Kopierbare davon kopieren und für sich benützen. Das Ergebnis ist jeweils ein neues Paradigma der Magie. Wenn sich die Kopien dann abgenützt haben (wenn das Salz schal geworden ist), braucht es eine neue Magie, die natürlich von denen, die die Kopien verwendet haben (die verschiedenen Arten von Priestern der jeweiligen Religion), nicht kommen kann, denn die haben ja keine Beziehung zur Quelle der Magie. Sie werden so lange versuchen, mit den alten, verschlissenen Kopien durchzukommen, bis ein neuer Magier auftaucht und von ihnen beseitigt ist, damit sie die Kopien seiner neuen Magie wieder verwerten können.
Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn nicht die Magie (also die Faszination – letzten Endes das, was das Alte Testamen den "Baal" nennt) das Transportmittel einer Botschaft ist, sondern die Empathie.
Die Empathie ist das, worauf es den Propheten ankam. "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer" (Hos 6,6). Das war ihre Botschaft. Aber was die Propheten sonst noch hatten, war eben Magie. Das ist es, was die anderen Menschen an ihnen faszinierte. Ihre Botschaft erreichte diese kaum. Sie spürten nur, dass sie es mit einer Macht von der Art von Rudelführern zu tun hatten. Und das machte sie bereit, sich ihnen zu unterwerfen – so lange, bis eine andere Macht stärker war, dann waren sie bereit, über ihre vormals Verehrten herzufallen und sie gewissermaßen aufzufressen.
Die Magie der Propheten stammte von ihrer persönlichen Übereinstimmung mit dem Fluss der Schöpfung. Diese Übereinstimmung ließ sie strahlen, durch diese Übereinstimmung erhielt auch ihre Botschaft Kraft und alles, was sie taten. Das war ihre Magie. Ihre Magie war nichts Gemachtes und nicht Ererbtes. Es entstammte ihrer Wahrheit, ihrer tatsächlichen und bewussten Übereinstimmung mit dem Willen Gottes.
Da die Propheten außerordentliche Rudelführer waren, gerieten sie in eine Konkurrenzsituation mit den traditionellen Rudelführern und wurden von diesen angefeindet und feindeten auch diese an, weil sie deren fehlende Authentizität erkannten und zur Sprache brachten. Dadurch wurde deren Diskrepanz zur Wahrheit auch diesen selbst peinlich bewusst. Das war eine Schmach, die sie nicht auf sich sitzen lassen konnten. Und da sie die reale Macht hatten, also die Waffengewalt, übten sie diese aus, um ihre unerwünschten Konkurrenten loszuwerden. Einer von denen, die beseitigt werden sollten, war David, der spätere König. Er hat jedoch durch seine Übereinstimmung mit der Kraft immer wieder Auswege gefunden und überlebt. Auch der Prophet Elia war immer wieder in extremer Gefahr, und auch ihn schützte die Kraft, ebenso Jeremia und viele andere.
Umgebracht wurde schließlich Jesus – aber gerade durch seine Übereinstimmung mit der Kraft konnte sogar sein Tod seine Botschaft der unbedingten Empathie nicht auslöschen. Dieses Wunder, genannt "Auferstehung", blieb faszinierend. Aus ihm entstand die neue Magie und der Mythos von Gottes eigenem und einzigen Sohn – trotz der klaren Aussage der bisherigen Bibel und auch Jesu selbst, dass alle Menschen Kinder Gottes sind.
Die ersten, die sich dieser Magie bemächtigten, sahen in ihr die Chance, die Botschaft, in deren Zusammenhang sie entstanden war, zu unterstützen, doch bald ging es nicht mehr so sehr um diese Botschaft, als um die (Führungs–) Rolle der Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, diese Botschaft zu verbreiten. Sie erkannten die Möglichkeit, durch diese Magie das Fehlen ihrer persönlichen Magie (= ihrer eigenen Übereinstimmung mit der Kraft) zu substituieren.
Während nämlich in anderen Religionen Wert darauf gelegt wurde, dass die Lehrer ihre eigene Magie entwickelten, war die Gefahr unentwickelter Lehrer im jüdisch–christlichen Bereich nicht ausreichend erkannt. Diese Tatsache unterstützte die in Wellen auftretende Verdunkelung der Botschaft und deren Überformung durch magische Praktiken einschließlich der Verfolgung und Vernichtung derer, die ihren Finger auf diesen wunden Punkt legten oder diesen wunden Punkt für ihre eigenen Zwecke ausnutzen wollten (die sogenannten "Ketzer" oder "Hexen").
Und so stehen wir heute am bisherigen Ende einer Geschichte, die mehr von Wahn als von Empathie getragen war. Wir aber haben das einzigartige Privileg, zurückzuschauen und diese Geschichte unvoreingenommen zu betrachten und eben jene Züge zu entdecken – die zwar auch Jesus schon erkannt und auch angesprochen hatte, die sich damals aber nicht so leicht belegen ließen. Daher sollten wir uns heute bewusst fragen, wie wir eventuell derart wahnhafte Entwicklungen, wie sie im Lauf der Geschichte des Christentums "im Namen Gottes" aufgetreten sind, in Hinkunft vermeiden können. Und da sehen wir: Was zu den wahnhaften Zügen geführt hat, war die unbewusste Mystifizierung bzw. das unbewusste magische Element. Deshalb könnte nun die Zeit reif sein für eine neue Gestalt der alten Religion, nämlich für eine Religion der Empathie, in der auch die Quelle der Magie seinen bewussten Platz hat und in der allen Mitgliedern klar ist, wodurch die Magie entsteht und dass es, wie die Bibel schon erklärt, zwei Arten von Magie gibt, die Magie der Übereinstimmung mit dem Kosmos (= mit JAHWE) und die Magie der Übereinstimmung mit der Gier des Raubtiergeists (= mit Baal).
*
Nun kann ich noch etwas klarer sagen, welche Rolle diese beiden Erscheinungsformen göttlicher Energie in der Religion spielen:
Baal wirkt durch Faszination. Es ist die Faszination des Raubtiers, das man nicht gern zum Gegner hat, sondern zum Verbündeten. Der Geist der Nazis ist das mittlerweile archetypische Beispiel. In der Apokalypse ist es das Tier. Aber auch die Propheten haben sich gelegentlich dieses Geists bedient, z.B. Mose, Elia u.a.. Letzten Endes war das Erreichen der Einheit des Volkes Israel wichtiger als das Mittel. In Tierrudeln herrscht nur dieser Geist. Es ist der Geist der physischen Kraft. Der Stärkste setzt sich durch. Er erbt damit aber auch die Verpflichtung, sich für die anderen einzusetzen – diese Verpflichtung ist ihm auch ein natürliches Bedürfnis. Empathie ist ein natürlicher Teil der Lebenskraft. Die Gefahr des Missbrauchs kommt erst bei den Menschen ins Spiel – durch ihre Fähigkeit, "gut" und "schlecht" zu unterscheiden. Dadurch sind Kraft und Empathie nicht mehr automatisch gekoppelt. Aus diesem Grund erst gibt es das Phänomen "Baal" überhaupt.
Aus diesem Grund aber haben die Menschen auch immer wieder nach einem Ausweg gesucht aus dem Zwang der Kraft, besonders die Unterlegenen. Und die, die ehrlich am Ende waren, haben die andere Kraft entdeckt: JAHWE, die ganze Realität des "Ich bin".
Einer von ihnen –Abraham – hat entdeckt, dass er mit JAHWE einen Bund schließen kann und dass er diesen Bund an seine Nachkommen weitergeben kann. So ist das Volk der Israeliten entstanden und die Bibel. Und die Propheten haben dieses Wissen jeweils neu entdeckt und das "Volk Gottes" immer neu an die Realität JAHWE's erinnert.
In der Zwischenzeit ging nämlich die unmittelbare Erfahrung JAHWE's immer wieder verloren und wurde durch eine andere Art von Magie ersetzt [In der Gideonsgeschichte wird gesagt, Gideon habe nach seinen Siegen eine Art goldenes Gottesbild angefertigt und das wäre der Beginn der neuen Entfremdung gewesen.] – in heutiger Terminologie durch eine Art "positives Denken", eine Art Hypnose, bei der es nicht um die Übereinstimmung mit dem Kosmos ging, sondern um die Erreichung bestimmter Ziele, z.B. Machtinteressen. Das ist der Hintergrund aller magischen Praktiken und Kulte in– und außerhalb der Religion.
Alle, die für die Tradition der Religion verantwortlich waren, denen aber die eigene Erfahrung JAHWE's fehlte (also der Großteil der Priester), benutzten die Formen, die von denen gefunden worden waren, die die Erfahrung hatten, einfach weiter, nun aber eben nicht gekoppelt mit unmittelbarem Wissen, sondern gekoppelt mit Vorstellungen. Noch einen Schritt weiter weg von der unmittelbaren Erfahrung wurden diese Formen ganz bewusst berechnend als magische Mittel der Macht eingesetzt, noch einen weiteren Schritt weiter weg von der unmittelbaren Erfahrung (und da stehen wir heute wieder) erwiesen sich die Formen dann als völlig unwirksam.
Also wie kann es von da aus weitergehen? Es braucht eine neue Verbindung zum Ursprung. Im Ursprung herrscht Empathie, die Magie entsteht im Ursprung als Nebenprodukt der Empathie. Das Übel der Magie kommt von der Abspaltung vom Ganzen, also vom Ende der Empathie in der Orientierung an der gedanklichen Unterscheidung von „gut“ und „schlecht“, also von der erneut vollzogenen Ursünde.
Es ist klar, dass es heute eine neue Erfahrung braucht. Die tradierten Formen können nur Wege dahin sein, jeder Selbstzweck muss losgelassen werden.
Ein Christentum ohne magisches Paradigma
1. Jesus Christus
Ohne magischen Hintergrund ist der Stammvater des Christentums kein übernatürliches Wesen. Er ist einfach ein Kind Gottes, wie jeder von uns auch, nur mit dem Unterschied, dass er sich dieser Tatsache auf Schritt und Tritt bewusst ist. Aus diesem Bewusstsein heraus hat er gelebt. Daraus sind all die Wunder zu verstehen, die um ihn herum geschehen sind.
Indem er zu einem übernatürlichen Wesen gemacht worden ist, konnte er verhängnisvollerweise nicht mehr nachgeahmt werden – da dann doch von Natur aus keiner so sein konnte wie er.
Alle seine Warnungen in dieser Hinsicht wurden von den Schülern seiner Schüler in den Wind geschlagen. Die Leute lieben eben Idole mehr als ihresgleichen, deshalb schaffen sie immer wieder neue. Aber Idole sind leider Götzen. Und das Ergebnis des Götzendiensts ist der Wahn. Und diesen Wahn haben wir in Aktion gesehen. Und er herrscht immer noch – bereit (sobald sich die Gelegenheit dazu wieder ergibt) sich mit tödlichen Waffen auf alle zu stürzen, die diesen Wahn bestreiten.
Wenn also die Göttlichkeit nicht der Unterschied zu uns war, weil wir in keiner Weise weniger Kinder Gottes sind, als Jesus es war, was war es dann, was seine unnachahmliche Magie ausmachte – und was hoffentlich irgendwann auch unsere eigene Magie ausmachen wird? Mit "Magie" meine ich die Ausstrahlung, die Wirkung der Persönlichkeit, derentwegen sich Menschen, die diese Ausstrahlung nicht besaßen, bemühten, sich durch magische Praktiken allerlei Art wenigstens mit einer "Aura der Mysteriums" zu umgeben.
Jesus dagegen verhält sich eher profan. Und seine persönliche Ausstrahlung bringt er selbst vor allem in Zusammenhang mit der menschlichen Natur, der er folgt. Er nennt sich selbst ja nie "Sohn Gottes" (der er natürlich ist, wie wir auch), dafür aber umso häufiger "Menschensohn". Und damit sagt er uns natürlich, wir könnten genauso sein – wie er, der von allen Bewunderte. "Ihr könnt noch größere Dinge tun", hat er sogar gesagt.
Welche gewaltige Ressource war es also, aus der er schöpfte? Er nannte es den "Vater". Und es fällt nicht schwer, zu erraten, dass dieser Vater niemand anderer ist als die Kraft, die schon die alten biblischen Patriarchen entdeckt hatten als Quelle des Lebens und der Inspiration.
Für diejenigen, die glauben, diese Energiequelle nicht aus eigener Erfahrung zu kennen: Sie erscheint, wenn wir mit unserer Weisheit am Ende sind. Solange wir unsere Weisheit haben, leben wir ja noch in der Welt des Sündenfalls: Wir kennen den Unterschied von „gut“ und „schlecht“ und wissen daher auch einen Weg. Erst wenn wir am Ende sind, wenn wir keinen Ausweg mehr wissen, kennen wir diesen Unterschied nicht mehr. Wir geben es auf, uns selbst lenken zu wollen. Wir erkennen uns selbst als hilfebedürftig. Und da sind wir dann offen für die viel größere Kraft und die viel größere Weisheit, die Kraft und Weisheit der Schöpfung.
Was geschieht, wenn wir wirklich am Ende sind (also "am letzten Tag", "beim letzten Gericht" – nur das ist gemeint!), ist eine alte Menschheitserfahrung. Niemand musste es "offenbaren". Alle Menschen, die je in diese Situation kamen, haben es erfahren. In der Sprache des alten chinesischen Orakels wird die Situation dargestellt in Hexagramm zwei, die Erde: Wenn wir in dieser Situation sind, folgen wir. Und die Kraft, der wir folgen, ist dargestellt in Hexagramm eins: Wir folgen den Anordnungen des Himmels.
Natürlich kann ein Mensch tatsächlich am Ende sein, sich das aber nicht eingestehen, und immer noch festhalten an seinen Vorstellungen über die Welt. Dann kann es geschehen, dass sich dieser Mensch umbringt aus Enttäuschung darüber, dass die Welt nicht seinen Vorstellungen folgt. Alle, die in dieser Situation nicht alle Vorstellungen aufgeben, können nur die Hölle erfahren – die anderen erfahren den Himmel und die Rettung „von oben“.
Das war es, was alle sogenannten "Propheten" seit je her sagen wollten. Deshalb gibt es "im himmlischen Jerusalem" auch keinen Tempel. Wozu auch? Die Tempel sind doch immer die versteinerten Vorstellungen. Gedankenfossilien. Deshalb sagte doch auch Jesus, kein Stein werde auf dem anderen bleiben. Und da ging es ihm nicht um eine Vorhersage der Geschichte der Juden. Er meinte jede Art von Tempel.
In unserer Zeit haben die Gründer der "Anonymen Alkoholiker" diese Tatsache wiederentdeckt und daraus ihre berühmten "Zwölf Schritte" formuliert, die ja bekanntermaßen mit der "Kapitulation" beginnen – also mit dem Beugen des Haupts zum Zeichen der Bereitschaft, etwas anzunehmen. Ohne Kapitulation kommt der Tod, mit Kapitulation kommt neues Leben. In diesen simplen Tatsachen steckt das ganze Geheimnis des Lebens. Überall auf der Welt ist es bekannt.
Aus diesem Grund gibt es keine über– oder unterlegenen Religionen. Alle derartigen Gedanken sind nur Zeichen des nicht–verstanden–Habens. Im Klartext: Alle Christen, die meinen, das Christentum sei erhaben über den Islam oder den Hinduismus oder den Buddhismus oder das Judentum täuschen sich nicht nur, sie haben das Wesentliche ihrer eigenen Religion, also das, was der Christus ihnen sagen wollte, noch nicht verstanden. "Holzkopf" pflegte einer meiner Lehrer in solchen Situationen zu sagen.
Genau am Punkt der Kapitulation aber beginnt das wirkliche Menschsein. Alle, die dort waren, kennen den "Menschensohn" von Angesicht zu Angesicht. Alle, die ihn nicht kennen, wissen zu viel – nein, sie glauben nur, zu wissen, ihr vermeintliches "Wissen" ist nur Einbildung. Das einzige Gegenmittel gegen den falschen Glauben ist die Ehrlichkeit. Ehrlichkeit führt unfehlbar zur Kapitulation – und damit paradoxerweise zurück ins Paradies. Und damit ist das Ziel der Religion erreicht – ganz ohne jeden magischen Hokus–Pokus, und wenn’s ein so heiliger wär', wie beispielsweise der, der für viele zum Wesen der Eucharistie zu gehören scheint.
2. Was soll mit den
vorhandenen Formen geschehen?
Eine Eucharistie ohne Götzendienst ist eine simple Gedächtnisfeier – genau wie die "Einsetzungsworte" es vorschreiben. Ein "Gedächtnis" ist eine Einstellungsübung, also eine Übung zur Erweiterung der Bewusstheit. Die Übung zielt auf das Annehmen des Endes, also des eigenen Todes. Es ist eine Übung der Hingabe, der "Kapitulation" und des Mitgefühls – denn Mitgefühl war ja das Motiv Jesu, aus Mitgefühl hat er seiner Tötung zugestimmt.
Ähnliches gilt auch für alle anderen "Sakramente". Offensichtlich ist das sogleich bei der Taufe, dem Untertauchen, ebenso aber beim Sündenbekenntnis, in dem nicht selten ein vernichtendes Geheimnis preiszugeben ist und auch bei der sogenannten "Firmung", die ja ebenso darin besteht, sich unter die Hände eines Ältesten zu begeben und sich dabei möglicherweise einem tödlichen Schlag auszusetzen. Auch Ehe und Priesterweihe sind ein völliges sich Ausliefern und im Fall der Krankensalbung ist der Empfänger ohnehin bereits am Ende.
Mit anderen Worten: Die vorhandenen Formen können sehr hilfreich sein, aber eben nur, wenn es sich dabei der Intention nach nicht um abergläubisch vollzogene magische Rituale handelt. Die magische Intention ist aber immer noch die vorherrschende. Und so war das wohl fast von Anfang an. Die Formen selbst aber haben damit nichts zu tun und eignen sich hervorragend als Hinführung zu einer regelmäßigen Übung und Praxis der Hingabe (der Kapitulation) und so waren sie ursprünglich auch intendiert.
Im Alten Testament ist das Bewusstsein der Notwendigkeit der Kapitulation allgegenwärtig. Jeder der Propheten spricht von sich selbst nur als von einem "Sklaven" JAHWE's, also von einem, der kapituliert hat. Auch die im Neuen Testament vorherrschende Intention des "Diensts" ist eine Intention der Kapitulation – es sei denn, ein "Diener" glaubt von vornherein zu wissen, was gut und was schlecht ist für die, denen er dient. Dann natürlich kann der "Dienst" gut eine Vergewaltigung sein. Und von dieser Art "Dienst" ist die Kirchengeschichte voll.
Ohne radikales Umdenken und Kapitulieren der Kirchenführer selbst wird es daher nicht möglich sein, die durch magische Intentionen verunreinigte Fracht der christlichen Glaubenslehre und –praxis zu reinigen.
3. Die dogmatischen
Formulierungen
Die Formulierungen bleiben gleich, doch das Verständnis verlässt die kindliche Ebene und erreicht neue, bisher ungeahnte Tiefen.
Gott wird nicht mehr als ein außenstehender Beobachter gedacht und der Schöpfer nicht mehr wie ein Kind, das im Sandkasten seine Figuren baut und gern hätte, dass sie sich bewegen, sondern Gott wird persönlich erfahren als die Kraft, die alles beseelt und belebt und so vorantreibt, dass Sinn entsteht, sowohl in der Natur als auch im eigenen Leben. Etc.
Das Reich der Paranoia
Das Reich der Paranoia ist das Reich, das alle Menschen beherbergt, die im Konkurrenzkampf irgendeiner Art stehen – also fast aller Menschen.
Die Basis dieses Reichs ist das Vertrauen auf die eigene Kraft, das aber leider oft gar nicht vorhanden ist. Deshalb gibt es hier unermessliche Angst. Das Reich der Paranoia ist geprägt vom ständig drohenden Tod.
In diesem Reich verbrachte ich fast mein ganzes Leben. Durch gewisse "Zu–Fälle" war es mir aber vergönnt, Ausflüge in die normale Welt machen zu dürfen (womit ich sagen will, dass die paranoide Welt, in der ich "normalerweise" lebte und in der wohl neunundneunzig Prozent der Menschen leben, nicht normal sondern verrückt ist).
Ausflüge in die normale Welt sind unverdiente Geschenke. Gelegentlich haben alle Menschen solche Erlebnisse. Da sie aber nicht wissen, wie sie gekommen sind und da sie sie nicht festhalten können, halten sie sie schließlich für vernachlässigbare Ausnahmesituationen, die mit der "Wirklichkeit" nichts zu tun haben. Die Wirklichkeit, wie sie sie kennen, ist eben geprägt von der tagtäglichen Angst, nicht zu genügen, eben von der letzten Endes mörderischen Konkurrenzsituation. Darauf wollen sie sich konzentrieren, daher lehnen sie Erfahrungen, wie die genannte als "illusionär" ab, wie sie, aus Angst unterzugehen, alles als illusionär ablehnen, was eine Alternative zu der Welt dieses Konkurrenzkampfs sein könnte.
Die meisten behaupten trotzdem, sich in dieser schonungslosen, mörderischen Welt wohl zu fühlen (auch wenn der Staat die Krankheitskosten kaum noch verkraften kann), denn immerhin gibt es ja Urlaube und Freizeitvergnügungen und Luxusgüter – und sie erreichen ein stattliches Alter, mehr Lebensjahre als je zuvor. Die meisten merken gar nichts von ihrer Paranoia. Nur einige wenige Individuen geraten unverkennbar unter die Räder. Weltweit allerdings sind es ganze Kontinente mit dem Großteil der auf ihnen lebenden Menschen.
In der systemischen Therapie wurde erkannt, dass ein paranoides System sich seine Opfer kreiert, die dann, vom Kollektiv bestimmt, gewissermaßen damit die anderen sich weiterhin als gesund und als Herr der Lage fühlen können, krank werden. Es sind eben die "Schwachköpfe", der "Abschaum". Man sucht Therapie für sie (oder im Fall der dritten Welt Finanzierungskonzepte), weil sie doch eine Belastung darstellen, aber man kommt unter keinen Umständen auf die Idee, dass sie eventuell nur einen verleugneten Aspekt von sich selbst "darstellen" (im wörtlichen Sinn) könnten – und diese Opfer selbst kommen leider auch nicht auf die Idee, denn ihre Rolle ist von allen als "absolut" festgeschrieben. Wie wenig absolut sie aber tatsächlich ist, zeigen die erstaunlichen, und in der Therapie sogar reproduzierbaren Phänomene der Verschiebung des Symptoms von einem Mitglied des Systems auf ein anderes. Im Prinzip könnte dadurch die Relativität ihrer Rollen sogar von den Paranoiden selbst erkannt werden – nur bleibt diese Erkenntnis aus, weil sie die ganze Welt auch der Opfer zum Einsturz bringen und damit auch für sie den vermeintlich sicheren Tod bedeuten würde. – In Wirklichkeit natürlich sind diese Ängste eine Einbildung, ein Wahn, genauso wie die Idee der angeblich "Gesunden", sie wären "gut" oder wenigstens "besser" als irgendwelche Anderen.
Die ganze Idee von der "eigenen" Kraft, die jeder Paranoia zugrunde liegt, ist ein Wahn. Und hier sind wir an der Wurzel des Wahns, der Paranoia und ihrer anderen Seite, des Größenwahns.
Die Quelle des Wahns ist die Idee von der eigenen Kraft. Es gibt keine eigene Kraft. Sie ist immer nur geliehen. Wer sich dessen nicht bewusst ist, verkennt die Wirklichkeit radikal. Doch die ganze Welt nährt diese Illusion. Fast niemand ist sich der Tatsache bewusst, dass die "eigene" Kraft nur Teil der allgemeinen Schöpferkraft ist. Fast alle bilden sich etwas ein auf "ihre" Kraft, Intelligenz etc.. Aus diesem Grund erkennen sie die Illusion nicht als solche und damit können sie auch nicht erkennen, dass auch alle ihre Abhängigkeiten auf dieser Illusion beruhen genauso wie sämtliche Abhängigkeiten in der Welt und alles Leid, das ja nur daraus resultiert.
Da müssen dann die großen Meister kommen, um die Menschen herauszuholen aus ihrer beschränkten Sicht der Welt und ihnen das Ganze zeigen, indem sie Sätze sprechen wie: "Die Ursache des Leidens ist die Gier" oder "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Doch auch diese Sätze versteht zunächst niemand, wegen der Illusion von der eigenen Kraft, aber diese Meister haben eine Ausstrahlung (sowohl in ihrer historisch–persönlichen Gestalt als auch noch in Form der Spuren, die sie hinterlassen), die ansteckt, und so können sie wenigstens einige Wenige herausholen aus ihrer Paranoia und aus ihrem Größenwahn. Zuerst geht das nur kurzzeitig, aber wenn Menschen diesen Zustand einmal genügend geschmeckt haben, werden sie nicht lockerlassen, bis sie das Geheimnis des normalen Lebens entdecken – samt dem gar nicht geheimen, dem Durchschnittsmenschen (wegen dieser Illusion) aber kaum erstrebenswert erscheinenden Zugangstor zur Normalität. Es ist eben nicht ein faszinierendes "Stargate" zu fernen, fremden Welten, sondern das Tor zur einzig wirklichen Heimat. Vor Jahrtausenden ist dieses Himmels–Tor "Nicht–Gier" oder "Nächstenliebe" genannt worden, doch weil sich darüber so viele Missverständnisse gebildet hatten, wurde vor weniger als hundert Jahren ein weiterer Name dafür wiederentdeckt, nämlich "Kapitulation".
Nach dem Stress der Konkurrenz der vielen "eigenen Kräfte", der viele aus der Bahn wirft, wäre Kapitulation ein wahrhaft naheliegendes Tor aus der Illusion in die Wirklichkeit, wenn die Menschen es nicht doch unter allen Umständen vermeiden möchten, weil sie (statt ihre Schwäche einzugestehen) doch auch so gut sein möchten wie ihre Konkurrenten – sogar die, die absolut keine Chance haben. Die Allerletzten schauen leider gerne noch runter auf vermeintlich noch Letztere.
Inzwischen weiß ich, wonach ich mich Jahrzehnte lang fragte, dass jene oben genannten seltsamen Zustände der Normalität, die mir damals absolut himmlisch erschienen waren, durch unbewusste Kapitulationen meinerseits ausgelöst worden sind.
Gerade diese Tage beispielsweise habe ich wieder einmal durch eine Verkettung besonderer Umstände für viele Stunden den Zustand der Paranoia erlebt. Ich habe es nicht gleich bemerkt, dass es das war. Ich spürte nur eine seltsame Angst, die von allen Seiten auf mich zukroch. Ich fühlte mich in meiner Existenz bedroht – zurecht, wie ich glaubte. Meine berufliche Zukunft schien ernsthaft gefährdet. Von verschiedenen Seiten kamen Bedrohungen auf mich zu – völlig real. Ich probierte zuerst die üblichen Rezepte von Ablenkung bis hin zu (vermeintlich "realen") strategischen Überlegungen, als mir plötzlich klar wurde, in welchem Zustand ich mich befand: im Zustand der Paranoia! Wenn ich da nicht herauskam, würden meine Befürchtungen Realität werden. Da erinnerte ich mich an das, was mich seit langer Zeit aus diesem Zustand herausgehalten hatte – ohne dass mir das so explizit klar geworden wäre: meine fortgesetzte Kapitulation:
Die Kraft, die mich am Leben erhielt, konnte mich, wenn sie wollte, ohnehin jederzeit zerquetschen. Mein Leben hing also gar nicht von meiner Anstrengung ab, also davon, dass ich mich überall anpasste und verrenkte, um nur ja keinen Anstoß zu erregen. Nein, es war o.k., ich durfte so sein, wie ich war. Ich musste mich nicht verrenken, um sein zu dürfen. Mein Leben und mein Glück lagen in Wirklichkeit überhaupt nicht in meiner Hand. Warum also sollte ich Angst haben? Ich hatte ohnehin keine Wahl, ich konnte mich also genausogut vertrauensvoll meinem Schöpfer überantworten! – In diesem Augenblick hatte ich die Welt der Paranoia verlassen und ich war wieder in der normalen Welt, gottseidank! Was für ein Alptraum das wieder gewesen war – genau der Alptraum, den die meisten meiner Mitbürger ihr Leben nennen, so wie ich es früher auch immer tat! Und es ist klar, dass sich bald darauf auch alle Befürchtungen zerstreuten und statt dessen Wünsche in Erfüllung gingen.
Ein Leben in Paranoia ist ein Leben fern von Zufriedenheit und Glück und auch fern von den Mitmenschen, die ja entweder Konkurrenten und Feinde sind oder an die man sich (letzten Ende immer vergeblich) klammert, weil man sich so schwach und verletzlich fühlt. Es ist ein Leben in völliger Unfreiheit, in Abhängigkeit, in Sklaverei.
Es ist gleichzeitig ein Leben ohne Vertrauen, ohne Glauben, ohne Liebe (zumindest ohne die Fähigkeit zu lieben oder Liebe wahrzunehmen) – letztlich ein Leben auch fern von Gott.
Wenn es so etwas wie eine "Todsünde" gibt, dann ist es der Zustand der Paranoia. Sie schließt die irdische Verdammung bereits ein. Sie ist ein auswegloses Gefängnis. Und es ist klar, dass sich in diesem Gefängnis auch hohe und höchste Würdenträger befinden und zwar sowohl weltlicher als "geistlicher" Art – von Geist ist da natürlich keine Spur, dafür umso mehr von "guten" Argumenten.
Das höchste Bestreben paranoider Geistlicher ist es ja, die "normale" Paranoia noch zu verstärken, indem sie bei ihren Schäfchen der Angst vor der physischen Vernichtung noch die Angst vor der ewigen Verdammung hinzufügen. Auf der "Über"–Natur beruht dann ihre Über–Macht. Denn für ihr vermeintliches "Seelenheil" verkaufen die paranoiden Menschen natürlich sogar ihre wirkliche Seele. Genau das meinte Jesus, als er sagte: "Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er gewonnen ist, dann macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr selbst." (Mt 23, 15). – Wie schlimm das werden kann, hat uns die Geschichte des Christentums schon gezeigt.
So lange ein Paranoider noch eine Spur von Macht hat (die Kehrseite der Paranoia ist ja der Größenwahn), gibt es keinen Ausweg für ihn (und für eventuelle Untertanen natürlich auch nicht). Der Ausweg erscheint erst, wenn er am Ende ist. Dazu können ihm die Untertanen (Koabhängige jeder Art) natürlich helfen.
Viele aber gehen, wenn sie "am Ende" sind, nicht durch das Tor der Kapitulation, sondern sie bringen sich um. Sie halten mit aller Macht fest am Letzten, was ihnen noch geblieben ist, an ihrem Bild von der Welt und daran, dass andere "schuld" sind an ihrer Misere.
Kapitulation führt niemals zum Suizid. Wer es aufgibt, gut sein zu müssen und zu wissen, hat keinen Grund, sich umzubringen. Wer es aufgibt, gut sein zu müssen und zu wissen, akzeptiert, was ist, auch den Tod, sollte er ihm/ihr jetzt bestimmt sein.
Und in diesem Moment völliger Hingabe geschieht das Wunder: Ein überwältigender Strom von Energie stellt das Leben auf eine völlig neue und ungeahnte Grundlage. Das ist Kapitulation!
Für Paranoia ist da kein Platz, ebensowenig für irgendeine Art Dünkel. Wer hier war, weiß, dass er/sie nichts Besonderes ist und dass der Strom von Energie völlig unverdient gekommen ist. Wer hier war, weiß aber auch, dass paranoides Machtstreben auch von höchster Ebene absolut keine Chance hat gegen diese Energie, dass es also zu keiner Zeit des Lebens eine reale Gefahr gegeben hat oder je geben wird. – Natürlich endet das Leben eines jeden Menschen irgendwann, aber erst dann, wenn es Zeit ist, wenn das, was sein soll, erfüllt ist.
Wer bestimmt, wann dieser Zeitpunkt da ist? Niemand weiß es (es ist wohl eher eine Frage des großen Kollektivs [die Zeitebene eingeschlossen], also heute des Ganzen der Menschheit, als des Einzelnen). Aber die, die bereit sind, zu kapitulieren, werden darauf vorbereitet sein. Die Eingebildeten werden überrascht sein. Das ist bitter. Nur für sie ist der Tod bitter, denn für sie war alles vergeblich!
Wer kapituliert, weiß sich in Gottes Hand, ob oben oder unten, auch im tiefsten Dunkel noch wagt er/sie, sich fallen zu lassen. Er/sie weiß: Ich habe ohnehin keine Wahl.
Mit "sich aufgeben" im Sinn des Defätismus hat Kapitulation logischerweise nichts zu tun. Kapitulation in unserem Sinn ist immer ein sich letzten Endes vertrauensvoll (was nicht heißt "ohne jede Angst") in Gottes Hand begeben mit der gleichzeitigen Bereitschaft, alles Verfügbare (und natürlich auch das Leben) einzusetzen!
Und da ist kein Platz für Paranoia. Da ist der Himmel, sogar in der Hölle.
In der Bibel heißt das Reich der Paranoia das Reich der „Sünde“ [des sich Ab-sond-erns], das Reich des Hochmuts, das Reich des "Baal". Sein zu wollen wie Gott, "aus eigener Kraft" leben und "gut" sein. Selbst wissen, was gut ist und was schlecht, selbst entscheiden. Das bedeutet, die einzelnen Wesen herauslösen aus dem Gesamtzusammenhang, ihren Ursprung vergessen. Das ist zwar kurzsichtig, aber in dieser Sicht scheint die Wirklichkeit von einem selbst abzuhängen. In dieser Sicht aber fangen natürlich auch andere Geschöpfe an, zu imponieren und gegen uns zu konkurrenzieren. Und so erscheint "Baal" überall als wäre es ein selbstständiger Gott, der höchste Gott sogar, obwohl er bei genauer Betrachtung nur das Idol dieser imponierenden tierischen Kraft ist. Und er hat Macht nur im Reich der Paranoia. Und er wird herrschen durch Faszination und durch Terror. Im Tierreich gilt die Rangordnung dieser Kraft ganz selbstverständlich. Im Tierreich ist mit ihr aber auch eine Verpflichtung verbunden, nämlich täglich sein Leben einzusetzen für diese Rangordnung und gegen die äußeren Feinde der Gruppe. Und diese Rangordnung ist auch entscheidend für die Auslese der Fortpflanzung. Der Druck ist stark in Richtung Evolution. Bei den Menschen gelten diese Gesetze im Grunde zwar auch, durch die Besonderheit der Menschen aber, durch ihre Denkfähigkeit, durch die die Menschen die Selbstverständlichkeit der Annahme des Gegebenen – und damit das "Paradies" – verloren haben, ist diese Rangordnung ständig in Gefahr, missbraucht zu werden, oder sie wird durch die Trägheit der Institutionen ad absurdum geführt. Aus diesem Grund gibt es menschliche Tyrannei, die mit der Rangordnung des Tierreichs nichts mehr zu tun hat, und – falls der Evolutionsschritt zum Menschen nicht ein Fehlschlag sein soll – auch die Notwendigkeit eines Auswegs aus dieser Tyrannei des "Baal".
Den Ausweg zeigt der Gott der Bibel – und das ist natürlich gleichzeitig auch der Gott aller anderen Religionen, weil die Menschen überall auf dieses Problem gestoßen sind – mit biblischem Namen "JAHWE" („ich bin der ich bin“). Während Baal immer über die Gruppe wirkt (bis herauf ins moderne "Mobbing"), stellt JAHWE so etwas wie eine individuelle Verbindung mit der schöpferischen Kraft dar, die aber doch wieder auf die Gruppe zurückwirkt und dieser nach der Tyrannei eine neue – wieder menschliche – Struktur gibt.
In der Welt der Paranoia, also in der Welt der beschränkten Sicht, wirkt Baal. Den Ausweg aus der Paranoia schafft der Blick aufs Ganze: In ihm zeigt sich JAHWE. In der beschränkten Sicht der Paranoia vertraut jeder auf seine eigene Kraft, der aber eben leider andere Kräfte entgegenstehen, die die eigene Existenz auch auslöschen wollen. Diese Situation führt zu allen Arten von Wahnsinn. Die Menschen sind nämlich bereit, praktisch alles zu tun, um ihr Leben zu retten. Sie verbünden sich mit Bestien und werden selbst zu Bestien, wenn sie ihr Leben in Gefahr glauben – und sie produzieren alle Arten von wahnhaften Ideen, in denen entweder sie selbst oder ihre Gegner als Übermenschen erscheinen. Das alles beruht auf dem nicht–sehen–Wollen der tatsächlichen eigenen Ohnmacht – denn alle Maßnahmen auf dieser Ebene führen zu immer noch größerer Bedrohung. Der Ausweg auf dieser Ebene wird immer in der Vernichtung der Gegner gesehen. Tatsächlich ist das aber praktisch nie möglich und der irgendwann logisch folgende Rückschlag ist verheerend.
Einen ganz anderen Ausweg bietet JAHWE, die universelle Schöpferkraft. Sobald jemand vor ihm seine Ratlosigkeit eingesteht und die Hilfe nicht mehr von seiner eigenen Kraft erwartet, kommt unerwartet Hilfe von anderer Seite. Diese Hilfe beruht auf genialen Ideen, sie verlangt ein Minimum an Opfern und sie schafft ein Maximum an Wirkung. Das beste mir bekannte Beispiel für diese Hilfe ist die schon erwähnte Gideonsgeschichte (Richter 6–8). Besser allerdings als die besten literarischen Beispiele sind die selbsterlebten.
Noch einmal das Paradox auf den Punkt gebracht: Wer nicht Sklave JAHWE's (der "anderen" im Gegensatz zur "eigenen" Kraft) ist, ist mit Sicherheit abhängig, d.h. Sklave fremder Mächte. Nur die "andere" Kraft (JAHWE) präsentiert das eigene Inter–esse total. JAHWE ist kein Herrschaftsgott – im Gegenteil, er allein repräsentiert gleichzeitig unsere Freiheit und unsere Effektivität. Nur als sein Sklave sind wir imstande in jedem Augenblick "den Nagel auf den Kopf zu treffen". JAHWE ist die Lebenskraft, sonst nichts – also keine Religion, keine Priesterherrschaft in irgendeiner Form kann ihn repräsentieren, "er" kann sich nur selbst repräsentieren, unmittelbar. Religionen können nur Hinweise auf den Weg in die Freiheit geben, – alles weitere, was von Religionen kommt, ist eine Kompetenzüberschreitung und damit ein Versuch der Versklavung. Diese Tendenz ist den Religionen seit je her mit Recht übel angerechnet worden. Es wäre wieder an der Zeit dieses Größenwahn/Paranoia–Element als eigenen Unglauben und Ungehorsam zu erkennen und als beschränkte Sicht. Es ist Zeit, das Haupt zu beugen vor der anderen Kraft: "Wer sein Leben für sich behalten will, wird es verlieren, wer es aber loslässt, wird ewiges Leben erfahren!" Das gilt natürlich auch für eine uralte Institution.
Es wäre aber fatal, das Gesagte als Rezept zu verstehen, denn so funktioniert es nicht – mit Sprüchen über Vertrauen kannst du dich nicht retten. Du musst dir erlauben, die Angst in ihrer ganzen Gewalt zu fühlen, du musst die Abgründe der Wahrheit aushalten. Explizites "Vertrauen" ist hier nicht nötig, sogar hinderlich: Als ich hier meinen eigenen Prozess der Kapitulation beschrieben hatte, war ich beispielsweise befangen in Argumenten. Ich musste selbst erst wieder an den Punkt kommen, an dem ich real am Ende war und nur noch kapitulieren konnte. Der Punkt kam, als ich einsehen musste, dass auch ich kein Rezept habe. Es gibt kein ein für alle mal. Es gibt für niemand eine Sicherheit. Es gibt nicht die Möglichkeit, sich auf das eben Gesagte zu verlassen, es ist immer neu nötig durch diese ganze Kette von Erfahrungen selbst hindurchzugehen und den eigenen Schmerz auch jetzt wieder real wahrzunehmen. Niemand kann für dich springen und auch ein früher bereits erfolgter Sprung kann den gegenwärtig notwendigen nicht ersetzen. Ich kann also nicht mehr sagen als: Wage es, lass dich erreichen von deiner Angst und deiner Not, sonst kannst du die rettende Kraft nicht erfahren.
Das Ostergeheimnis – und wer es erfährt
oder
Warum Petrus Jesus verleugnet
Alle vier Evangelisten berichten in leicht variierenden Erzählungen, dass Petrus in der Nacht, als Jesus verhaftet wurde, ihn drei mal verleugnet habe – in den knappen Worten des Evangelisten Johannes (Joh 18, 17.25–27):
"Da sagte die Pförtnerin zu Petrus: Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen? Er antwortete: Nein. ...
Simon Petrus aber stand (am Feuer) und wärmte sich. Sie sagten zu ihm: Bist du nicht auch einer von seinen Jüngern? Er leugnete und sagte: Nein.
Einer von den Dienern des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sagte: Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen? Wieder leugnete Petrus und gleich darauf krähte ein Hahn."
Bei Markus und Matthäus flucht Petrus dabei sogar.
Wie ist es möglich, dass genau dieser Mensch dann das Fundament der daraus entstehenden Bewegung werden konnte?
In Petrus ist offenbar zwischen jener Nacht und seinem ersten öffentlichen Auftreten zu Pfingsten eine radikale Wandlung erfolgt. Diese Wandlung erinnert an das legendäre Gespräch zwischen Jesus und einem Pharisäer namens Nikodemus (Joh 3, 1–11):
"Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. ... Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist."
In der Nacht der Verhaftung Jesu war Petrus noch nicht aus dem Geist geboren, zu Pfingsten war es geschehen – wie war das geschehen?
Der Tod Jesu hat Petrus (und die anderen Apostel – was mit Judas ist, muss weiter unten noch extra geklärt werden) so sehr erschüttert, dass er nicht mehr so weiterleben konnte:
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er, wie fast alle Menschen, geglaubt, er müsse das Leben aus seiner eigenen Kraft heraus meistern, und das Leben schien ihn zu bestätigen. Jesus hatte zwar immer schon davon gesprochen, dass er nicht aus seiner eigenen Kraft heraus lebe, sondern aus der Kraft des Vaters, aber seine Schüler waren zu sehr verwurzelt in der "normalen" Sicht des Lebens. Sie konnten das nicht in dem wörtlichen Sinn verstehen, wie Jesus es gemeint hatte und dadurch konnten sie sich nicht vorstellen, dass das auch für sie selbst wahr sein oder werden könnte. Jesus war für sie zu sehr aus ihrer eigenen Alltags–Welterfahrung entrückt. Für sie war er wie ein Wesen aus einer anderen Welt – und das war er auch, aber nicht so wie sie gedacht hatten und wie die meisten Christen heute noch denken, als eine Art übernatürliches Wesen in Menschengestalt. Von Ostern an aber haben sie diese andere Welt, in der Jesus gelebt hatte, selbst kennen gelernt (und viele Christen haben sie nach ihnen ebenso kennen gelernt) – ohne allerdings den mythischen Nimbus, den sie Jesus verliehen hatten, je zu revidieren, zu sehr hatte sich dieser Eindruck des Unglaublichen bei ihnen eingeprägt. Heute allerdings können wir – müssen wir – auch diese Stellung Jesu neu betrachten. Zunächst aber wieder zurück zu Petrus und den Jüngern:
Nach dem Tod Jesu konnte Petrus (und die anderen) nicht mehr so weiterleben wie vorher. Er (wie die anderen auch) war von Jesus völlig eingenommen. Er hatte sich ihm völlig ausgeliefert und überantwortet, weil er täglich neu erfuhr, dass Jesus eine viel tiefere Einsicht in Menschen und Dinge hatte, als er sich auch nur vorstellen konnte.
Nun aber war der, dem er die Verantwortung für sein Leben übertragen hatte, nicht nur räumlich von ihm abgesperrt, sondern ihm für immer entzogen, weil tot!
Nachdem der unmittelbare Schock der Verhaftung und Hinrichtung Jesu abgeklungen war, erkannten er und die anderen Apostel, dass sie nun wieder auf sich gestellt waren. Dieses Ich, auf das sie nun wieder gestellt waren, hatte sich aber in der Zeit, in der sie mit Jesus zusammen gewesen waren, als ungeeignet für diese Aufgabe herausgestellt. Sie hatten daher jetzt nichts mehr, auf das sie sich stellen konnten. Sie waren am Ende. Sie konnten nur noch ihre absolute Hilflosigkeit und Unfähigkeit und ihre Verzweiflung eingestehen.
"Wenn ich nicht gehe, kann der Tröster nicht zu euch kommen" (Joh 16, 7), hatte Jesus zu ihnen gesagt, aber sie hatten es nicht verstanden – wie sie auch nicht verstanden hatten, aus welcher Kraft heraus Jesus lebte. Doch nun – mitten in ihrer Verzweiflung, genau an dem Punkt, an dem sie schon jenseits ihres ersten Jammergetöses einfach nüchtern ihre aussichtslose Lage betrachteten (und Gott ohne Worte baten, ihnen doch Rat zu schicken), geschah das Wunder: Sie spürten eine Welle von Kraft in sich einströmen, die sie in der Vergangenheit zwar in wenigen erlesenen Augenblicken bereits ansatzweise kennen gelernt hatten, von der sie aber nie zu träumen gewagt hätten, dass sie einmal ihre Lebensquelle sein würde, aber jetzt wurden sie zur Gänze von ihr erfüllt und die Welle dieser göttlichen Kraft schwemmte jede Spur der Verzweiflung weg und ließ nur das Bewusstsein, dass ihr Meister nun wieder bei ihnen war – und zwar so real, dass die späteren Berichte es als geradezu "körperliche" Anwesenheit beschrieben, obwohl aus den älteren Berichten ganz klar hervorgeht, dass eine geistige Präsenz gemeint ist, die sie aber körperlich erlebten.
Genau dieser Vorgang wiederholte sich nun über einen gewissen Zeitraum immer wieder, bis sie "am fünfzigsten" Tag (Pentecoste) als neue Menschen selbst an die Öffentlichkeit treten konnten, wie es zuvor nur Jesus gekonnt hatte.
Dieses Geschehen war es, das später als die "Auferstehung Jesu" bekannt geworden ist, obwohl es weniger mit Jesus zu tun hat, als mit seinen Schülern. Für sie war es nämlich ihre "Wiedergeburt aus dem Geist". Auf dem Berg Tabor hatten sie einen Vorgeschmack davon bekommen, zu Ostern hatte sie real begonnen und zu Pfingsten war ihre Transformation abgeschlossen.
In heutigen Worten (deren Wirklichkeit wir aber bereits im Alten Testament beschrieben finden, insbesondere in der vielfach wiederkehrenden Kritik an der Haltung des Königs Saul) können wir den Vorgang so beschreiben:
Als Petrus seinen Meister verleugnete, war er noch in seinem alten Ich. Er lebte noch aus seiner "eigenen" Kraft. Aus dieser Kraft konnte er der Belastung nicht standhalten, die die Frage nach seiner Zugehörigkeit zu Jesus bedeutete, nämlich der damit verbundenen Lebensgefahr. Solange Petrus (und das gilt natürlich genauso für die anderen Apostel) aus dieser "eigenen" Kraft heraus lebte, konnte das, was Jesus tat, nur als "übernatürlich" erscheinen und sie konnten sich nicht vorstellen, was Jesus ihnen des öfteren gesagt hatte, nämlich dass "sie noch größere Dinge tun" würden, als er sie getan hatte (Joh 14, 12).
Als sie ihren Meister aber verloren hatten und sie vor dem absoluten Nichts standen, mussten sie einsehen, dass sie aus ihrer "eigenen" Kraft heraus überhaupt nicht mehr leben konnten. Sie konnten nur noch Gott in ihrer Verzweiflung bitten, ihre nicht mehr vorhandene Kraft doch mit seiner zu substituieren. Und da von ihrer "eigenen" Kraft in diesem Moment wirklich keine Spur mehr vorhanden war, war es, als ob ein absolutes Vakuum [jene berühmte buddhistische „Leere“] die absolute Fülle ansaugt, das absolute Nicht–Sein das absolute Sein.
Der Prozess verlief in Wellen und brauchte einige Zeit, bis nach und nach jede noch versteckte Illusion der eigenen Kraft aus ihnen entwichen war – und vielleicht ist bis zuletzt nicht restlos alle Illusion entwichen – jedenfalls aber genug, um ihre vorher dominierende Todesangst zu überwinden und jeden Zweifel darüber zu beseitigen, dass es nun an ihnen war, die Botschaft, die Jesus ihnen gebracht hatte und die sie in diese Lage versetzt hatte, weiterzugeben. Auf der neuen Grundlage ihres Lebens war das nun möglich. Die Kraft des Schöpfers selbst war es jetzt, die sie trug und die sie leitete auf allen ihren weiteren Wegen. Und sie konnten nun auftreten, wie Jesus aufgetreten war.
Damit ist nichts darüber gesagt, wie der persönliche Weg Jesu weitergegangen ist. Der persönliche Weg interessiert nicht, denn wenn die "eigene" Kraft weg ist und die göttliche Kraft "an ihre Stelle getreten" ist (hier ist bereits klar, dass es nie eine "eigene" Kraft gegeben hat, sondern nur eine Illusion davon), gibt es nur noch ein Interesse, das Göttliche. Die Auferstehung Jesu hat also, genau genommen, nichts mit Jesus persönlich zu tun, sondern nur mit der Intention, die ihn getragen hatte, und die nun, da er nicht mehr auf Erden weilte, in seinen Schülern weiterwirkte.
Ähnliches gilt auch für den Schüler, der ihn "verraten" hat und der sich, den Worten des Evangelisten Matthäus nach, umgebracht hat (Mt 27, 3–11), in der Variante des Lukas in der Apostelgeschichte "stürzte er vornüber zu Boden, sein Leib barst auseinander, und alle Eingeweide fielen heraus" (Apg 1, 18).
Judas steht für die Weigerung, zu kapitulieren. Auch er steht vor dem Nichts, und auch er kann diese Realität nicht aushalten, aber er hält fest an seinen Vorstellungen von der Welt und an der Idee von der "eigenen" Kraft. "Die Eingeweide", also das Symbol des Ursprungs der eigenen Kraft, können nicht in ihm bleiben angesichts der Realität, dass es keine eigene Kraft gibt, sondern nur eine Kraft, nämlich die des Schöpfers. Unter diesen Umständen kann es nicht anders sein. Die Quelle der vermeintlichen eigenen Kraft muss den Menschen verlassen, der sie nicht loslässt. Die Wirklichkeit demonstriert sich selbst.
Was da geschildert wird, ist natürlich eine Art Traum, eine Komposition von Symbolen, ein metasprachlicher Ausdruck der Wirklichkeit von der unbedingten Realität der einen Kraft. Sicherlich liegt es nicht in der Absicht der Autoren, eine Aussage über das persönliche Schicksal des Judas zu machen. Denn das persönliche Schicksal des Judas interessiert genauso wenig wie das persönliche Schicksal Jesu. Auch wenn später von Jesus gesagt wird, Gott habe ihm "einen Namen gegeben, der über alle Namen ist" (Eph 2, 9) etc. – all diese Attribute kommen Jesus ja zu, aber es geht nicht um das weitere persönliche Schicksal Jesu, sondern um die Intention, die ihn bewegte, um seinen Auftrag und um die Treue, in der die göttliche Kraft in ihm wirken konnte. Judas dient nun als das abschreckende Gegenbeispiel. An ihm wird sichtbar, was geschieht, wenn jemand nicht loslassen kann: Er muss zerbrechen. Es gibt nur die zwei Möglichkeiten: Entweder von da an Gott als "Herrn", also als den wirklichen Chef des eigenen Lebens akzeptieren oder zerbrechen.
Genau diese Erfahrung wird heute bestätigt von der inzwischen weltweit vertretenen Bewegung der "Anonymen Alkoholiker" und aller weiteren Gruppen, die auf der Basis ihrer Erfahrung arbeiten:
Der erste Schritt, den sie tun müssen, um gerettet zu werden, ist die "Kapitulation". Eines Tages in ihrer Trinkerkarriere stehen sie am Scheidepunkt: Entweder sie geben zu, dass sie es aus ihrer eigenen Kraft heraus nicht schaffen, mit dem Trinken auszuhören und sie vertrauen darauf, dass es da eine andere Kraft gibt, die ihnen helfen kann – oder sie werden sich zu Tode trinken. Ohne Kapitulation folgt unfehlbar der Tod. Unausweichlich zerbrechen sie an sich selbst. Es gibt keine dritte Möglichkeit. Was aber die erleben, die es wagen, zu kapitulieren und ihr Leben Gott anzuvertrauen, ist genau jene Wiedergeburt aus dem Geist, von der Jesus dem Nikodemus erzählte, die dieser damals nicht verstand und die viele (besonders Würdenträger wie Nikodemus) auch heute noch nicht verstehen – gerade Würdenträger haben ja wenig Anlass zu kapitulieren, sie befinden sich ja gerade nicht in der Situation, in der sich die Schüler Jesu befanden, als ihr Meister getötet wurde, und sie haben auch nicht die Kontrolle über ihr Leben verloren. Aus diesem Grund bleibt vor ihnen (den Klugen) möglicherweise verborgen, was gerade den "Unmündigen" (!) aber geoffenbart wird (Mt 11,25).
Der mündige Petrus hat versagt. Der unmündige hat gesiegt. Aus dem unvermeidlichen Ende ist ein Anfang geworden, der auch unser gegenwärtiges Heute noch überdauern wird, denn es ist die alte Geschichte vom Paradox des Lebens, das erst richtig beginnt, wenn es verloren scheint.
Bleibt also noch die Frage nach uns selbst hier und heute oder nach dem Schicksal der Menschen unserer Zeit. Wer in unserer Gesellschaft glaubt denn nicht, aus seiner "eigenen" Kraft zu leben? Das ist doch das Um und Auf heutigen Lebens! Jeder will besser sein als der Andere. Die "eigene" Kraft wird doch geradezu angebetet. Werden wir also alle das Schicksal des Saul oder des Judas haben?
Für viele wird das tatsächlich so sein. Viele finden erst im Tod ihren Meister. Der Spruch der Weisen lautet daher: "Stirb, bevor du stirbst!"
Zu unserem Glück kündigt der Tod sich an. Es gibt viele kleine Tode, wenn wir aufmerksam sind, jeden Tag, viele Gelegenheiten, die Realität anzuerkennen, dass es nur eine Kraft gibt und dass wir keine Wahl haben, als ihr zu folgen. Deshalb ist das Symbol von Ostern, das Lamm. Das Lamm folgt seinem Herrn, auch wenn das seinen Tod bedeutet. Ohne Tod keine Auferstehung. Nur wer hineingeht in das Wellental kann von der Welle emporgehoben werden. Wer ungeachtet der Wellen seinen eigenen Kurs fährt, muss Schiffbruch erleiden. "Das Balkenstarke stirbt keinen guten Tod", sagt der chinesische Weise Lao–tse. Es bleibt uns also nur, unser Haupt zu beugen vor der Kraft, die alles lenkt. Dann können auch wir sagen: "Und müsst ich auch wandern im Tal der Todesschatten, ich fürchte kein Unheil, denn Du bist bei mir."
Weil heute die Surfer so gerühmt werden: Das ist kosmisches Surfen: Sich tragen lassen von der ewigen Welle in ihren momentanen Ausformungen und wenn eine Welle zu Ende geht, mit ihr den Tod erleiden und mit der nächsten auferstehen und das Ganze vielleicht mehr als zehn mal am Tag. Wer sein Haupt beugt, wer loslässt, ist entspannt genug, in jeder Hinsicht wahrzunehmen, wo es wieder aufwärts geht. Immer ist das in einer anderen Welt und irgendwann in einer ganz anderen Welt.
Eines sollten wir dabei aber nicht vergessen: Wenn es uns nicht gelingt, loszulassen, wenn es uns nicht gelingt, unser Haupt zu beugen und die eine Kraft als unseren Herrn anzuerkennen, dann liegt das daran, dass diese eine Kraft es uns noch nicht erlaubt hat. Vielleicht gelingt es uns aber heute, uns selbst ein wenig mehr zu verstehen. Wir gehen (irrtümlich!) meistens davon aus, dass wir frei wären, aber wir sind es nicht, solange wir nicht kapituliert und uns dieser Kraft freiwillig unterworfen haben, der wir ohnehin unterworfen sind. So lange herrscht Unwahrheit.
Wenn wir die Strömungen betrachten, die familiären Verwicklungen unserer Ahnen und aller psychischen und genetischen Linien, die zu uns führen und die uns zu dem gemacht haben, was wir sind, können wir uns besser verstehen. Dann können wir vielleicht sogar, wie Jesus, als er zu der Ehebrecherin sagte "auch ich verurteile dich nicht", ähnliches zu uns selbst sagen und zu allen, mit denen wir zu tun haben. Und dann werden wir auch nicht mehr automatisch meinen, so einer wie Judas wäre verloren. Er hatte ein schweres Schicksal. Was aus ihm persönlich geworden ist und wie er sich angesichts seines physischen Todes entschieden hat, wissen wir nicht, aber könnte es nicht doch so sein, dass auch er nur dem gefolgt ist, was er als richtig erkennen konnte? Eine Betrachtung dieser Art könnte ein wichtiger Schritt sein auf dem Weg zu unserer eigenen Ostererfahrung.
Ist Jesus Gottes einziger
Sohn?
(8. 4. 2001)
Die Christen scheinen
selbstverständlich davon auszugehen – oder?
Diese Frage ist der hauptsächliche Stein des Anstoßes im Gespräch mit dem Islam („Blasphemisten sind die, die sagen Christus, der Sohn der Maria sei Gott“ Koran V,19 etc.), mit dem Hinduismus und mit dem Buddhismus.
Da ich Kindern Religion unterrichte, bin ich ständig mit dem konfrontiert, was ich als das „gewöhnliche Verständnis der Dogmatik“ bezeichnen möchte. Wenn ich den Schülern meiner (deutschen) Grundschulklassen die Frage nach der Entstehung der Welt stelle, bekomme ich fast in jeder Klasse gleich von mehreren Schülern die Antwort: „Jesus hat die Welt erschaffen.“ Kollegen bestätigen mir diese Erfahrung – während andere Kollegen sie offenbar (mit kirchlicher Lehrerlaubnis) erzeugt haben müssen.
Diese Inhalte sind meines Erachtens das reale Resultat von dem, was Kardinal Ratzinger als „Einfachheit des Glaubens“ erstrebenswert findet, ich meine eher: Der Aberglaube des Arianismus hat sich am Ende doch durchgesetzt. Welche Auswirkungen diese Glaubensinhalte auf das Verhalten der Menschen haben, also ob sie Nächstenliebe und Mitgefühl eher fördern oder behindern, ist natürlich eine andere Frage (aber jeder gedankliche Formalismus schwächt das reale Mitfühlen). Klarer allerdings ist die Hauptkonsequenz, nämlich dass auf ein kindliches „Jesus hat die Welt erschaffen“ sehr leicht ein erwachsenes „so einen Schmarrn kann doch kein Mensch glauben“ folgt. Und das ist meines Erachtens einer zentralen wirklichen Gründe für das rapide Schwinden des öffentlichen Interesses an Religion, speziell an der christlichen und für das immer noch zunehmende Interesse an ostasiatischen und an esoterischen Kulten.
Was meint Jesus zu der Sache?
Jesus folgt zunächst einfach der biblischen Tradition, die ja damit beginnt, dass die Menschen im ersten Schöpfungsbericht, Gen 1, als „Bilder von Gott“ bezeichnet werden. Weiter heißen sie im Deuteronomium 14, 1: „Kinder des Herrn, eures Gottes“ etc.. Jesus nimmt diese Aussagen ernst und er nennt Gott „Vater“ und auch dafür steht er einfach in der langen alttestamentlichen Tradition.
Indem Jesus aber gerade diese Worte ernst nimmt, wie keiner vor ihm, erfährt er auch die Wirklichkeit der Sohnschaft und des „Vaters“ wie keiner vor ihm. Das ist sein Lebensgeheimnis, das er aber gerade nicht für sich behalten, sondern mitteilen, teilen wollte. Niemals hat er behauptet, der einzige zu sein – bedauerlicherweise gab es aber keinen Zeitgenossen, der es ihm gleich getan hätte. Deshalb hat er mit seinen Schülern darauf hin gearbeitet, dass sie ihm nachfolgen könnten in dieser Sicht und Erfahrung des Lebens. Diese aber waren so fasziniert von ihm und konnten so wenig glauben, was sie sahen, dass sie ihn möglicherweise wirklich für eine Art übernatürliches Wesen hielten und ihn auch später, als die gleichen Wunder auch durch sie geschahen, noch weiter verklärten.
Und doch steht im ganzen Neuen Testament in keinem einzigen Satz, dass Jesus der einzige Sohn Gottes sei. (Auf die tausend Sätze, die Ihnen jetzt gleich einfallen, weil Sie’s Ihrer Meinung nach doch sagen, komme ich gleich zurück.) Solche Ideen entstanden erst, als man anfing, emotionale Aussagen mit Logik zu analysieren und zu synthetisieren. Zunächst formulierte die Richtung des Arius, Jesus wäre eben gar kein richtiger Mensch gewesen, sondern ein übernatürliches Wesen. Und diese Idee wurde im Grund nie mehr aufgegeben. Die Korrektur bestand bekanntermaßen ja darin, dass man sagte: Er ist zwar ein übernatürliches Wesen, aber er ist auch ganzer Mensch, die Leidensfähigkeit eingeschlossen. Erst heute, scheint es, sind die Menschen so sehr aus der mythologischen Zeit herausgetreten, dass sie mit solchen Definitionen überhaupt nichts mehr anfangen können. Wenn schon Magie, dann wollen sie spektakuläre Ergebnisse sehen, wie in den Fantasy–Comics im Fernsehen. Von solchen Ergebnissen hat aber leider in unserer Zeit niemand etwas gesehen oder gehört. Damals, vor 2000 Jahren (also "in ille tempore", in der Märchenzeit) da gab’s so was vielleicht, aber heute ...
Nun zu den Aussagen des Neuen
Testaments, beginnend mit den ersten drei Evangelien:
Matthäus und Lukas bringen eine kurze Vorgeschichte des öffentlichen Auftretens Jesu.
Matthäus möchte seinen Leser vor allem zeigen, dass Jesus aus der messianischen Linie des jüdischen Volkes stammt und weiters, dass es sich schon bei der Abstammung um ein mythisches Ereignis handelt, nämlich um die Erfüllung jener uralten, über die Bibel hinausgehenden Weissagung, dass der Erlöser göttlichen Ursprungs ist und – ohne menschlichen Vater – nicht „aus dem Fleisch“ stammt. Die Vorgeschichte des Matthäus ist ganz offensichtlich eine Legendenreihe. Er macht sich nämlich nicht die geringste Mühe, die Widersprüche darin zu glätten – und doch führt ihn seine Idee von der Jungfrauengeburt zu der Geschichte über die Rolle des Josef dabei. Und Matthäus schließt gleich eine ganze Serie weiterer Legenden an, beginnend mit dem Erscheinen der drei Weisen, der Flucht nach Ägypten und dem Kindermord in Bethlehem. Diese Geschichten stehen ganz allein und keiner der anderen Autoren des Neuen Testaments nimmt Bezug darauf. Sie sind diesen also unbekannt. Aber sie passen sehr gut ins Gesamtkonzept des Matthäus, der darstellen will, dass Jesus eben von Anfang an der prophezeihte Messias ist, ähnlich gewaltiger Art wie Mose (der ja bekanntlich dem ägyptischen Kindermord entkommen ist), und dass er am Ende als der Retter der Welt erkannt werden wird, während die Juden ihre Rolle als Volk Gottes mit dem Nichterkennen des Messias ausgespielt haben. Diese Aussage ist ihm wichtiger als innere Widerspruchsfreiheit.
Diese Geschichten des Matthäus daher als historische Fakten zu betrachten, heißt, den Charakter der gesamten inspirierten Literatur zu verkennen. Matthäus setzt nur gute alttestamentliche Tradition fort. Es geht hier immer darum, dem Leser eine Bedeutung zu vermitteln. Etwas Ähnliches geschieht heute, wo Hollywood in einer Unzahl einzelner Werke die Geschichte Amerikas neu schreibt und zeigt, dass „echte Amerikaner“ niemals Rassenhasser oder Indianerkiller gewesen sind, sondern die Afrikaner und die Urbevölkerung des Kontinents immer schon als Menschen hoch geschätzt und mit dem eigenen Leben verteidigt haben. Die Geschichte dient uns Menschen immer der Erklärung der Gegenwart und hat nicht viel mit Fakten zu tun – selbst heute, wie man sieht.
Ähnliches gilt natürlich für die Vorgeschichte des Evangelisten Lukas, die ebenfalls auf den auch von Jesaija (7,14) wieder benützten Mythos der Jungfrauengeburt zurückgreift. Im übrigen ist auch die Vorgeschichte des Lukas (die Geburt Johannes des Täufers, das Erscheinen des Erzengels Gabriel, die Volkszählung des Kaisers Augustus, die Hirten etc.) völlig einzigartig und keinem anderen Autor des Neuen Testaments bekannt. Seine Genealogie unterscheidet sich grundlegend von der des Matthäus. Die Geschichte des Lukas entspricht aber wieder genau dem, was er seinen Lesern mitteilen will, die sich weniger gut im Alten Testament, dafür aber besser in der mediterranen Mythologie und in der Geschichte des römischen Reiches auskannten. Auch Lukas benützt dazu Legenden, die er in tatsächliche historische Ereignisse (wie die Volkszählung des Augustus) einbindet. Und so liefert auch er seinen (heidenchristlichen) Zuhörern Bedeutung und keine historischen Fakten.
Auch die Zuhörer des Markus sind Heidenchristen, sie haben allerdings keinen großen Bedarf an Legenden. Daher fasst sich Markus kurz, verzichtet auf die Erfindung von Kindheitsgeschichten und stellt gleich den Mann vor, der in seiner Sicht das Unheil der Welt überwindet – durch seine sehr persönliche Beziehung zu Gott: Gott ist sein „Vater“ und Gott betrachtet ihn als „seinen geliebten Sohn“ (1,11; so etwas muss für die Anwesenden bei der Taufe Jesu spürbar gewesen sein, sofern sie die Gabe zu solchem Spüren hatten, also wenigstens für Jesus und für Johannes). Als solcher vermag er den Menschen das Reich Gottes zu zeigen, sie der Hand des Satans zu entreißen und mit Gott zu versöhnen, auch wenn die Menschen – zunächst – in dem Sohn den Vater nicht erkennen können, trotz aller Zeichen, die er ihnen gibt.
Für Markus ist Jesus „der“ Sohn Gottes, damit beginnt er sein Evangelium und darauf beruht es. Die unreinen Geister (3,11) bestätigen das und der Hohepriester sagt es noch genauer: Jesus ist „der Messias, der Sohn des Hochgelobten“ (14,61) und der heidnische, römische Hauptmann, der die Kreuzigung befehligt und der ihn sterben gesehen hat, sagt: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (15,39).
Nur an einer einzigen Stelle, als ob es ein Versehen wäre (schließlich bringt Markus nicht einmal das "Vaterunser"), erwähnt Markus, dass Gott nicht nur der Vater Jesu, sondern der Vater aller Menschen ist (11,25) – und doch ist das selbstverständlich für ihn und es gibt für ihn noch kein Dogma vom einzigen Sohn Gottes. Nur – wie sollen die Menschen in Gott ihren Vater sehen, wenn sie sich nicht als Kinder fühlen (10,13–16) und wenn sie Jesus nicht als seinen wahren Sohn erkennen? Darauf hinzuweisen ist das Anliegen des Markus.
Johannes, der ebenso wie
die anderen Evangelisten davon ausgeht, dass Jesus „der“ Sohn Gottes ist,
unternimmt es dagegen von Anfang an, einen Weg aufzuzeigen, wie aus
gewöhnlichen Menschen Kinder Gottes werden können (1,12.13). Jesus ist das
exemplarische, das einzigartige Beispiel des Ergebnisses dieser Verwandlung
(1,14). Dadurch ist er „der eingeborene
Gott, der am Herzen des Vaters ruht“ und der ihn „interpretiert“ (1,18).
Das Kriterium ist der Geist (1,33). Im gesamten Evangelium geht es daher um eine neue Geburt aus dem Geist
(3,1–13, die Nikodemus Geschichte). Jesus kennt den Weg. Es ist der Weg der
Hingabe, den er selbst vorangeht (3,16). Jesus, der einzigartige Sohn erfährt,
dass der Vater alles in seine Hand gelegt hat. Wer ihm vertraut, erfährt selbst
das ewige Leben (3,35).
Johannes sieht Jesus als einzigartigen Sohn Gottes, aber nicht im Sinn
des ausschließlich einzigen, selbständigen Sohns, sondern als Prototyp der Kinder Gottes, die "den Vater anbeten
werden im Geist und in der Wahrheit" (4,23). Er sagt sogar ausdrücklich,
dass "der Sohn nichts aus sich tun kann" (5,19).
Als dieser Prototyp ist er für die Menschen die Speise, die vom Himmel
herabkommt, "das Brot des Lebens" (6,32–35).
Als dieser Prototyp ist er aber nicht der Einzige, sondern das Modell,
nach dem jeder Mensch ein Kind Gottes werden kann, dem dann –
selbstverständlich (ohne dass Johannes es immer wieder erwähnen muss, er tut es
ohnehin, z.B. 14,12: "Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich
vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen", aber
im Allgemeinen begnügt er sich mit der Beschreibung des Modells) – all die
Attribute zukommen, die von Jesus ausgesagt werden. Und das gilt auch von
Aussagen wie: "Ehe Abraham wurde, bin ich" (8,58).
Das Modell wird nicht immer da sein, aber das, was das Modell gezeigt hat, wird immer da sein, der Beistand,
"der Geist der Wahrheit" (14,16.17). Und die "Wahrheit" ist
nicht der Inhalt irgendwelcher Verträge, auf die wir uns vielleicht
verpflichtet haben (etwa ein Glaubensbekenntnis oder eine Moral), sondern
ausschließlich das, was jetzt der Fall ist. Und jetzt glaube ich vielleicht
nicht. Das ist dann die Wahrheit. Alles andere ist Lüge. "Der Geist der Wahrheit" ist unser
Beistand in Abwesenheit des Modells – sagt Johannes. Ein ziemliche Zumutung,
nicht?
Worauf beruht die Aussage des Johannes? Darauf, dass es ein Dogma gibt –
etwa, dass Jesus der einzige Sohn Gottes ist?
Die Wahrheit kann nur dann ein Beistand sein,
wenn wir schon von Natur aus so gebaut sind, dass die Schwierigkeiten, in
die wir geraten, Kräfte in uns mobilisieren, von denen wir vorher keine Ahnung
hatten – dass also in uns die ursprüngliche Kraft wirkt, die die ganze Welt ins
Dasein gerufen hat, dass wir also, gewissermaßen Ausläufer dieser Kraft sind,
wo sie doch in uns wirkt – in der Sprache der Bibel: dass wir echte Kinder
Gottes sind. Und das bedeutet, dass Jesus nicht das einzige ist.
Das Bild des Johannes vom
Weinstock, der Jesus ist (15,1–17),
stimmt mit dem Bild vom Modell überein. Der Vater der Winzer, er kreiert und
pflegt; wir sind die Reben, die Frucht, das Ergebnis der Arbeit des Modells –
und dann werden wir natürlich selber Modell. Die Arbeit soll ja weitergehen.
Jesus sah auch schon vorher, dass die Dogmatiker mit dieser Art, die
Dinge zu regeln, nicht einverstanden sein würden: "Sie werden euch aus der
Synagoge ausstoßen, ja es kommt die Stunde, in der jeder, der euch tötet,
meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten." (16,2) Das bezieht sich mit
Sicherheit nicht nur auf die Zeit, in der die Christen eine jüdische Sekte
waren, von der sich "die Juden" befreien wollten.
Und dann kommt das berühmte:
"Noch eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr, und wieder eine
kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen." (16,16) Die Schüler Jesu haben
Jesus zwar gesehen, aber sie haben ihn nicht wirklich gesehen. Gerade vor jener
Bemerkung hatte ihnen Jesus (nach Johannes) schon gesagt, dass der Beistand
nicht kommen würde, wenn er bei ihnen bleiben würde (16,7). Erst durch seinen Tod, d.h. durch die
Wahrheit, die sein Tod für seine Schüler darstellte – und das ist nicht die
Tatsache seines Todes, sondern ihre Verzweiflung, ihr am Ende sein, ihre
Kapitulation – konnten sie ihn nun endlich wirklich sehen.
Und so war das Grab dann "leer" für sie (20,1–10). Und während sie sich aus Angst selbst eingeschlossen hatten (20,19), zeigte "er" sich ihnen. Das heißt, "der Beistand" zeigte ihn ihnen. Und er zeigte ihnen seine Wunden (20,20). Er zeigte ihnen das Modell, zu dem sie von diesem Augenblick an selber werden sollten. Deshalb sagt Jesus in diesem Bild nun zu ihnen: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" (20,21).
Der ungläubige Thomas erhält eine Extravorstellung. Der gute Hirte geht den Verlorenen nach. Das ist das Modell. Und als Thomas erkennt, wie weit die schöpferische Kraft geht, um ihn zur Einsicht zu bringen, dass sie ohne weiteres ihre wertvollste Erscheinung auf Erden (Jesus) opfert, um ihn (Thomas) zum Mitfühlen zu bringen. Da schmilzt der Panzer, mit dem er seinen Schmerz bis zu diesem Augenblick zugedeckt hatte, und er sieht, wie Geringes ihn dazu gebracht hatte, sich zu verweigern. Nun aber ist aller Widerstand zusammengebrochen und er kann nur eines sagen: "Mein Herr und mein Gott" (20,28). Und das sagt er nicht zu dem Menschen Jesus, er sagt es auch nicht zu der Erscheinung dieses Augenblicks, er sagt es zu der Kraft, durch deren Erscheinung in Form von Jesus diese Verwandlung jetzt in ihm bewirkt worden war.
Auch ist die Aussage von Thomas keine dogmatische Aussage über die eigentliche Natur von Jesus im Unterschied zu unserer eigenen Natur. Das wäre ein Missverständnis. Denn auch wir sind zu einhundert Prozent Erscheinungen jener Kraft. Wir sind uns dieser Tatsache nur nicht in dem Maß bewusst, in dem Jesus sich dieser Tatsache bewusst war. Und das macht den Unterschied. Es geht aber auch nicht um die Frage, ob Jesus deshalb besser war. Wir können seine Nachfolge erst antreten, wenn wir bereit dafür sind – dann aber werden wir sie antreten, ohne Ausnahme. Das haben die Beispiele der Apostel gezeigt. Das gilt auch für uns.
Wer berühren kann
(4. 5. 2001)
Der folgende Text ist sehr persönlich und vollkommen
ungeeignet für alle, die an vorgeprägten Begriffen haften. Aber solche, die
ohne fixe Vorstellungen bereit sind, bis auf den Grund zu folgen, werden in ihm
genau das finden, worum es geht.
Aus tiefsten Tiefen rufe ich
zu Dir:
Liebster Jesus – wo bist Du –
bitte zeig mir Deinen Weg!
Berühren kann ein Mensch nur so weit, so weit er den Schmerz des Berührten fühlen und ertragen kann. Deshalb können so wenige Menschen andere wirklich tief berühren.
Liebster Jesus! Er war bereit, diese Schmerzen wirklich zu tragen, deshalb konnte er so tief berühren. Deshalb konnte er sogar Tote aufwecken, denn er ging ihnen nach in den Tod; er nahm ihnen ihre Last und holte sie zurück. Und denken wir nur – was für ein tiefer Schmerz es sein muss, der einen Menschen in den Tod holt!
Zeig mir deinen Weg! Ich bin immer noch mit meinen eigenen Schmerzen beschäftigt, zunächst sogar noch damit, sie zu leugnen. Wie könnte ich da andere berühren? Ich kann schon einige berühren, aber eben nur die, deren Schmerzen ich bereits jetzt ertragen kann und nur so weit ich sie ertragen kann. Wenn ich sie so weit berühren möchte, dass sie heil werden, muss ich schon noch mehr ertragen können.
Deshalb das, was die Japaner "Katsugen" nennen, das ehrliche Hineintauchen in die eigene Gegenwart und da auch in den eigenen Schmerz. So tief eintauchen, dass wir auf den Tod stoßen, vielleicht in Form des Tods eines Angehörigen, den wir sehr gern hatten. Was war das für ein Schmerz, der ihn/sie getötet hat? Er berührt doch uns auch. Also lassen wir uns berühren! Was war der Schmerz des kleinen Kinds, das sich noch nicht wehren konnte gegen die erwachsene Übermacht! Fühle ihn nach bei Dir selbst. Das kleine Kind ist ja noch da. Du bist es doch. Du bist darauf aufgebaut! Wie willst Du Dich selbst verstehen, wenn Du Deine Grundlage nicht verstehst? Es geht nicht um den Splitter oder den Balken in irgendjemandes Auge, es geht um Deinen eigenen Schmerz, der Dich verhärtet hat. Geh zurück zu ihm und lass Dich erweichen von Deiner eigenen Wirklichkeit. Dann kannst Du die Wirklichkeit eines Anderen fühlen.
Deshalb – liebster Jesus, wo bist Du? Du selbst bist dieser Jesus, das tief fühlende Du. Deshalb berührt er Dich, weil Du selbst es auch bist. Du bist doch auch ein Teil des Ganzen. Warum solltest Du das nicht fühlen, was das Ganze fühlt, das doch jedes Detail von sich kennt, ja ist.
Deshalb, Jesus, Du bist der ewige Sohn, der ich dann auch bin.
Deshalb – liebster Jesus, wo bist Du, bitte zeig mir Deinen Weg!
Ich hab es noch nicht ganz begriffen, deshalb, bitte zeig mir Deinen Weg.
Ist doch klar, was der Unterschied ist zwischen Jesus und mir und ist auch klar, dass Er schon da ist, er ich, ich er, noch nicht ganz zum Bewusstsein gekommen, aber immer schon da, von Anfang an! Liebster Jesus, es gibt nichts Lieberes, als das, das Du warst und bist in mir und in allem, Du, der alles erträgt, der nicht aufhört, sich zu verschenken.
Dein Schmerz führt Dich hin zu ihm! Dein Schmerz führt Dich hin zu Dir! Denn Du bist es jetzt – nicht mehr Jesus. Er ist nur Dein geistiger Führer – zu Dir selbst. Wenn Du angekommen bist, bist Du wie er! Und er ist nicht mehr separat, sondern Du und er sind eins. Du bist es jetzt. Du musst es jetzt tun. Du musst jetzt die Menschen berühren, wie er es damals getan hat. Das ist alles.
Deshalb: Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit. Amen. Du (Leser)! Berühre nun!
Das einzig Unbedingte im
Christentum:
Der Geist
(9. 5. 2001)
Das Unbedingte im Christentum ist nicht ein historisches Datum der Vergangenheit. Wäre es das, so wäre es nicht das Unbedingte (vgl. Lao-tse, 1). Das Unbedingte kann daher nur Gegenwart sein oder es ist nicht.
Entweder ich erfahre es jetzt – oder ich erfahre es nicht.
Was immer ich in der Vergangenheit erfahren haben mag, es ist nichts, wenn es nicht jetzt da ist.
Lebendig ist nur der Geist und der ist nur da im Jetzt. Er lässt sich nicht konservieren, nicht konkretisieren, nicht objektivieren, obwohl er als solcher unmittelbar erkennbar ist für einen Menschen, der in ihm ist.
Ein Mensch im Geist ist inspiriert. Er handelt nicht aus sich, sondern aus dem Geist – oder aus dem "Vater", wie Jesus es für sich sagte (Joh 5,19; 7,16; 8,23d). Es ist unvorhersehbar, wie er handeln wird (Joh 3,8).
Das Unbedingte ist dieses.
Es ist unfassbar.
Es lässt sich in keine Bahnen zwingen. Es lässt sich nicht wiederholen. Es lässt sich auch nicht in Sätze bannen. Und logischerweise auch in keine Institutionen. Es gibt aber Menschen, die ihm folgen, genauer: denen es erlaubt, ihm zu folgen. Es sind Menschen, die erkannt haben, dass sie nichts sind, dass alles, was sie sind, ES ist. Diese Menschen sind "wiedergeboren aus dem Geist".
Wiedergeboren bedeutet "zuvor gestorben". Der [sich als "Ich" vom Ganzen separierende] Mensch, der vor der Wiedergeburt da war, ist nicht mehr da, der Geist [des Ganzen] ist jetzt da.
Bei anderen Menschen ist der Geist manchmal da, manchmal sind sie selbst da und zu diesen Zeiten kann der Geist nicht zum Zug kommen. Aber wenn der Geist am Zug ist, ist der Mensch, den er zieht, nur Zeuge, nicht Täter. Und dieser Zeuge erkennt – da er doch vom Geist in diesem Moment vollkommen bestimmt ist – den Geist überall, wo er wirkt. Und er durchschaut alles Geist–Theater.
So habe auch ich schon einiges Geist–Theater gesehen und ich sehe es immer wieder und ich bin schockiert über die Geistlosigkeit in theologischen Schriften, wo es um Abgrenzungen, Ausgrenzungen, Definitionen geht und wo man den alle Grenzen überschreitenden Fluss des Geists verbietet.
Was ist Geist?
Die Übereinstimmung (des Einen, in dem er gerade sichtbar wird) mit dem All,
mit diesem Rhythmus,
mit diesen Zügen.
Dieser stets schwingende Geist ist immer da. Ich stimme mich ein auf ihn, indem ich zurücktrete und das mit ihm Schwingende in mir schwingen lasse.
Das andere "unabdingbar für das Christentum" Genannte, beispielsweise die Behauptung, dass in Jesus in letztgültiger Weise Gott selbst auf der Erde erschienen sei, dass logischerweise deshalb Mohammed nicht das "Siegel der Propheten" sein könne oder dass der Buddhismus deshalb nicht in vergleichbarer Weise göttlichen Ursprungs sein könne wie das Christentum etc., entspringt nicht der Inspiration. Es mag dem entspringen, was nichtinspirierten Menschen als „pastorale Sorge“ erscheint, in Wirklichkeit aber ist es die Angst des Ich, das eben nicht sterben will, das sich dem Geist eben nicht anvertrauen will, das sich eine Sicherheit schaffen will, die eben nicht die Herrschaft des Geists, sondern die Herrschaft des Misstrauens dem Geist gegenüber besiegelt.
Von Inspiration dagegen zeugt der Satz Jesu: "Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns" (Mk 9,40). In diesem Geist ist ein „Großinquisitor“ nicht möglich. In Zusammenhang mit dem Misstrauen des Großinquisitors und mit der Angst seiner Klienten sprechen andere von "bürgerlicher" oder "kleinbürgerlicher" oder "spießbürgerlicher" Einstellung, von der Herrschaft "der Gesellschaft" etc. - weil sie den Grund für diesen Zustand nicht bei sich selber suchen, weil sie die Schuld an ihrer Angst lieber anderen geben wollen.
Die Festhaltenden suchen immer irgendwelche Schuldigen und ein Kriterium, an dem sie alles messen und beurteilen können. Aus dem Festhalten erstehen Dogma und Moral. Der Geist wird ersetzt durch ein System von genau abgestuften und definierten Kategorien und Unterscheidungen. Ähnliches geschieht beispielsweise natürlich auch in der Kunst, wo nicht wenige sich „Künstler“ nennen, obwohl sie nur Muster nachahmen und Inspiration gar nicht kennen.
Der Geist aber ist unabhängig von allen Mustern, Methoden und Kategorien und auch von aller Religion. Das bezeugen Menschen wie Gandhi, Nelson Mandela, die Zen–Meister und viele, die ohne jede Religion auf die Wirklichkeit des Geists gestoßen sind.
Sie werden sagen: Warum hat nicht schon Jesus diese Dinge so gesagt?
Jesus hat bereits viel ganz ähnlich gesagt, beispielsweise in seinen Aussagen Nikodemus gegenüber oder in seiner Antwort auf die Frage der Samariterin am Jakobsbrunnen nach den richtigen Heiligtümern, die natürlich für die heutigen Kirchen und ihre Alleinvertretungsansprüche höchst aktuell ist: „Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. ... Die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ (Joh 4, 21.23).
Mehr konnte er damals nicht sagen, es lag nicht im Bereich des in seiner Zeit und Kultur Ausdrückbaren. [Wenn Sie so wollen: Es gab noch kein "morphologisches Feld" dafür]. Genau davon aber hat Jesus selbst bereits gesprochen, als er auf die veränderten Bedingungen seit der Zeit der Propheten hinwies: „Amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich damals danach gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“ (Mt 13,17) und in die gleiche Richtung geht sein „Euer Vater Abraham jubelte, weil er meinen Tag sehen sollte.“ (Joh 8,56). Jesus würde jubeln, wenn er unsere Tage sehen könnte und ihre Möglichkeiten für ein religionsunabhängiges, menschheitliches Verständnis der Spiritualität! Erst jetzt, wo unsere gegenwärtigen, globalen "historischen Bedingungen" gegeben sind, kann es so gesagt werden. So haben jede Zeit und jeder Raum ihre "Wahrheit", die sich später und anderswo dann als verzerrt und unvollständig herausstellen mag – zu ihrer Zeit aber hat sie genau gepasst.
Das Unbedingte als solches [und damit "die Wahrheit" an sich] gibt es daher, wenn überhaupt, für uns nicht. Für uns sind Botschaften des Geists immer bedingt durch die Gegebenheiten, in denen er sich ja ausdrücken muss, wenn er nicht nur zu sich selbst sprechen will. Unbedingt und direkt dagegen ist unser unmittelbares Erleben des Geists, das aber als solches nicht mitteilbar ist.
Und somit ist klar, dass es auch keine ewig gleich verstandenen Dogmen geben kann. Die Idee dazu entspringt nur dem Wunsch nach Sicherheit im Ich oder, anders gesagt, der Nichtbereitschaft für das ständig Neue und Unvorhersehbare des Geists („der Wind weht, wo er will“, Joh 3,8). Die Idee des als unveränderlich gesehenen und damit definierbaren Unbedingten entspringt letztlich dem Ungehorsam.
Der Geist, so scheint es nach dem, was wir beobachten können (denn Aussagen über ihn selbst können wir ohnehin nicht machen), erzeugt jene Schwingung, die alles ins Dasein ruft und die es in ständiger Neuschöpfung weiterentwickelt und dann wieder zerstört, um wieder Neues daraus hervorgehen zu lassen. Das betrifft natürlich nicht nur die Evolution bis zu unserem Körper, sondern auch unsere eigene gegenwärtige Existenz, unsere Ideen und unser Verstehen. Auch da ist es ja der Geist, der alles ständig neu macht, alles Neue jeweils aufbauend auf das Alte, das den Prozess aber nicht überlebt.
Im Grund ist der Geist daher in jeder Hinsicht unser ewiger Ahn und damit natürlich unser „Vater“ in jeder Bedeutung des Worts.
„Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ sind daher nie getrennt, sondern das eine ist ständig überhaupt nur in dem anderen da, es gibt sie nicht „an sich“. In uns finden sie sich – und für uns finden sie sich nur in uns. Alles außerhalb sind nur Spuren, die uns am Ende aber (wenn wir den Weg verloren haben) zu dem zurückführen können, was immer schon in uns war [vgl. die Zengeschichte „Der Ochs und sein Hirte“]. Das außerhalb (z.B. Religion oder Bibel, aber auch alles andere) kann das in uns zum Schwingen bringen, was uns unsere Beziehung zu „Vater“, „Sohn“ und „Heiligem Geist“ bewusst macht. Und dann wissen wir uns jenseits aller Vorstellungen wieder eins und je nach dem, was unsere momentane Situation verlangt, können wir unter Umständen tief in den Vater schauen oder in den Geist oder in den Sohn (in allen seinen Erscheinungsformen, besonders aber in uns selbst). [Das ist das Erlebnis, das Schleiermacher (und auch Thomas von Aquin?) „Anschauung“ nennt].
Weil Jesus sich seiner Sohnschaft so sehr bewusst war, kann er die Sohnschaft in uns so gut zum Schwingen bringen, dass wir uns ihrer ebenso bewusst werden. Dann ist der Geist da. Wenn wir uns unserer Sohnschaft nicht bewusst sind, sind wir „auf uns selbst“ gestellt, also auf unsere separate Perspektive, auf unser Ich. Und diese Perspektive schmerzt. Etwas Wesentliches fehlt – so viel kommt uns gelegentlich zum Bewusstsein. Wir sind daher oft wie getrieben, wir machen dies und das und tausend Dinge, und glauben, wenn wir das alles dann erreicht hätten, würde uns nichts mehr fehlen – aber natürlich fehlt es dann immer noch.
Die einzige Möglichkeit, das Fehlende zu finden, ist, stehen zu bleiben und das Fehlen des Fehlenden zu fühlen, uns von dem Schmerz ergreifen zu lassen und in dem Schmerz die Sehnsucht zu fühlen und in der Sehnsucht die Richtung, nämlich die Bitte, und in ihr die Bereitschaft, einem Anderen, einer anderen Instanz in uns zu erlauben, die Kontrolle zu übernehmen und uns zu führen zu der unerschöpflichen Quelle der Kraft, die dann aufsprudelt und uns mitreißt in die Höhen und Tiefen ihrer Wirklichkeit.
Da erfahren wir den Geist, der uns in diesem Augenblick zu ganz neuen Menschen gemacht hat, die nämlich jetzt nicht mehr auf sich gestellt sind, dafür aber auch Diener ihrer einzigen, unvergänglichen und doch nie endgültig formulierbaren Wahrheit.
Von da an wissen wir, was fehlt, wenn es fehlt. Wenn es fehlt, haben wir uns wieder auf uns selbst gestellt. Dann ist es Zeit, innezuhalten, und den Schmerz zu fühlen und uns dann von unserem „Original-Betriebssystem“ durch die „Installation“ führen zu lassen und die beginnt immer mit der Deinstallation des beschränkten Betriebssystems, die vielfach auch „Tod des Ich“ genannt worden ist. Im Original-Betriebssystem sind wir nie allein. Dafür müssen wir uns da dann eben auch um die kümmern, die glauben, sie wären allein. Das ist dann selbstverständlich.
Wir können dann mit-fühlen, wie es ist, wenn ein Mensch den Geist nicht wirken lässt, weil er sein Leben allein bestimmen will, weil er eben selbst sein will wie Gott – und wir fühlen auch die Kehrseite, dass er dann nämlich in Wirklichkeit nur „nackt“ ist (Gen 3,7), also vollkommen ungeschützt.
So lange sie ungebremst rennen, merken sie es nicht, aber dann, wenn sich die Folgen einstellen, die aus der einseitigen Grundeinstellung erwachsen, nämlich Schicksalsschläge jeder Art (biblisch gesagt „die Wehen“, die dem Gericht vorangehen) – womit ich nicht sagen will, Schicksalsschläge seien ein sicheres Zeichen einer falschen Lebenseinstellung, das sind sie nämlich nicht, nur der Betroffene kann es am Ende wissen – wenn der Schmerz also an die Tür klopft und gehört werden will, dann wird der auf sich gestellte Mensch zunächst noch wahnsinniger laufen, um diese vermeintlichen „Fehler“ zu korrigieren, aber irgendwann, wenn er nicht freiwillig stehen bleibt [hier ist der Ort des Sabbatgebots!], wird „das Schicksal“ ihn zwingen, anzuhalten und wenn es den physischen Tod dazu braucht. Dann erlebt der betreffende Mensch den biblischen Weltuntergang. Was vorher kommt, sind die Klopfzeichen oder die warnenden Hinweise des Original-Betriebssystems, nicht einfach weiterzumachen, sondern eben innezuhalten und zu schauen und zu fühlen, was jetzt da ist, sich ergreifen zu lassen von dem Bewusstsein der eigenen Realität, also von der schmerzenden Wahrheit. Wenn wir uns so ergreifen lassen und uns durch den Prozess der Deinstallation und der Neuinstallation führen lassen, zwischen denen für eine Weile „auf dem Bildschirm nichts zu sehen“ ist, wo wir also wirklich unseren Tod erleben, dann kommt „das neue Leben“, von dem wieder die Bibel ohne Ende spricht.
Und in diesem neuen Leben brauchen wir keinen Tempel mehr, denn da sagt uns der Geist direkt, was wir zu tun haben. Wieder sagt beides bereits der Seher der Apokalypse (Offb 21,22; 22,5). Und weil sich die Bibel doch an Menschen richtet, die die Gnade des neuen Lebens noch nicht erfahren haben, heißt es dort am Ende: „Amen, komm Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen!“ (22,20f.)
Jesus ist der Archetyp des Bewegers [natürlich ist er nicht der einzige und sicherlich nicht der letzte]. Wenn er [oder ein anderer wie er] den Geist in uns nicht ins Schwingen bringt, brauchen wir die Apokalypse – die Offenbarung der Wirklichkeit, nämlich einer Wirklichkeit ohne selbständiges Ich und auch ohne Tempel, dafür aber einer Wirklichkeit voller Kraft: Überall nichts wie Bäume des Lebens und der Thron Gottes unter den Menschen! – Und seine Knechte werden ihm selbstverständlich dienen (Off 22,2f.)!
So ist es, wenn der Geist herrscht.
Und das ist das Unbedingte – nicht nur im Christentum.
(28. 5. 2001)
Dass die Kirche ihren Ursprung dem Geist verdankt, ist bekannt. So lange das neue Volk Gottes „ein Herz und eine Seele“ waren, war der Geist für alle offensichtlich da. Und das blieb eine gewisse Zeit lang so und darauf ist die heutige Situation zurückzuführen:
Weil am Anfang der Geist tatsächlich da war, glaubten die Funktionäre der Kirche irgendwann, den Geist gepachtet zu haben, eine Garantie darauf zu haben. Und diesen Glauben haben sie dann dogmatisch vorgeschrieben. Persönlich mögen sie es zwar anders wissen, aber zumindest den Mitgliedern wollen sie es glauben machen. Den Mitgliedern dagegen wird keinerlei Geist zugetraut. Man führt sie zwar zum Sakrament des Heiligen Geists, zur Firmung, aber jeder weiß – obwohl es niemand zugeben würde, dass das Ritual inzwischen nur eine nominelle Leerform ist, von Geist keine Spur, und heute meistens auch der letzte Kontakt der Mitglieder zur Organisation.
Da diese Tradition aber schon viele hundert Jahre lang in dieser Weise gepflegt wird, wundert sich niemand über die offensichtliche Abwesenheit des Geists. Die Organisatoren kennen es nicht anders und sie kennen den Geist meistens wohl überhaupt nicht persönlich, und falls doch, wissen sie die wohl unvermeidliche Enttäuschung darüber gut zu verbergen.
Auch zu den Zeiten der Bibel, also des alten Volkes Gottes, hat es immer wieder geistlose Zeiten gegeben. Die Folge waren immer katastrophale Lebensbedingungen für die Israeliten, Sklaverei, Gefangenschaft etc.. Unter diesen Umständen sind dann Propheten aufgetreten und haben unter Einsatz ihres Lebens versucht, die Mächtigen wieder an den ursprünglichen Bund mit der schöpferischen Kraft zu erinnern. Meistens ist das erst nach vielen Jahren intensivster Leiden für das ganze Volk gelungen.
Eine vergleichbare Situation war auch gegeben, als Mose dem Pharao gegenübertrat, um von ihm zu fordern, die Israeliten freizulassen. Die Pharaonen betrachteten sich zu dieser Zeit selbst als Träger des Geists. Und da trat Mose einem von ihnen gegenüber und behauptete von sich – ohne offizielle Legitimation – auch Träger des Geists zu sein. Logischerweise war der Pharao skeptisch – etwa in der gleichen Art skeptisch wie ein heutiger Kirchenfürst es wäre, wenn ihm ein nicht kirchlich legitimierter „Prophet“ mit diesem Anspruch gegenüberträte. Dieser wäre wohl noch skeptischer, weil er zusätzlich noch eine dogmatische Barriere zu überwinden hätte, nämlich den Glauben, dass die Amtskirche im Besitz der korrekten Interpretation der Offenbarung sei, dass also keinesfalls „von außen“ eine Korrektur erfolgen könne, weil „der Kirche“ – und damit meinen die Amtsträger ausschließlich sich – von ihrem Gründer doch eine unfehlbare Führung zugesichert worden sei.
In dem gleichen Glauben etwa fanden sich auch die offiziellen Vertreter der jüdischen Religion zur Zeit Jesu. Deshalb konnten sie seine, in vielem doch sehr unterschiedliche Sicht der Dinge nicht hinnehmen. Auch die Hinweise Jesu auf mögliche Fehleinschätzungen ihrer Lage (beispielsweise sein „... und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen ...“, Mt 3,9) konnten sie nicht überzeugen. Ähnlich würden wohl auch heutige Kirchenvertreter es nicht zulassen, dass ein Außenseiter ihre Selbstsicherheit in Frage stellt. Im Laufe der Kirchengeschichte wurden derartige Außenseiter ja, wenn die Umstände dies zugelassen haben, genauso behandelt wie Jesus von der jüdischen Obrigkeit behandelt worden ist (so beispielsweise auch Jan Hus am Konzil von Konstanz, um nur einen von Unzähligen zu nennen). Dass genau das geschehen würde, hat Jesus logischerweise schon vorhergesehen: „Der Jünger muss sich damit begnügen, dass es ihm geht wie seinem Meister“ (Mt 10,25) und „wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20).
Das ist die Hürde. Mose konnte sie überwinden, indem der Geist die Plagen schickte. Jesus hat sie überwunden, indem er sich opferte. Wie es heute geschehen kann, ist noch unbekannt. Doch dafür arbeite ich. Es wird geschehen. Wir wenden uns daher jetzt der Situation zu, die gegeben sein wird, wenn wieder eine Vielzahl von Menschen vom Geist erfüllt sein werden:
Welche Organisationsformen wird diese neue Gemeinschaft geisterfüllter Menschen entwickeln? Und wie sehen die Übergänge aus von der gegenwärtigen Geistundurchlässigkeit zur Geistdurchlässigkeit?
Zunächst stellt sich die Frage, wie es sein wird, wenn alle dem Geist folgen. Eines ist klar: Da wird sich natürlich niemand mehr unterbuttern lassen. Jeder wird verlangen, gehört zu werden und jeder wird gehört werden. Aber wie soll das gehen?
An dieser Frage wird sofort deutlich, woran die jetzige Kirche krankt: Gehört werden jetzt nur die Oberen.
Viele Organisationen sind an diesem Leiden erkrankt. Ein Leiden ist es natürlich für die, die nicht gehört werden, aber Auswirkungen hat dieses Leiden auf den ganzen Organismus: Die Leute werden gezwungen, auszuwandern. Bei kommerziellen Unternehmen, die von dieser Krankheit befallen sind, stellen sich bald gravierende ökonomische Folgen ein: Die fehlende Kommunikation führt zu vielfachen Fehleinschätzungen und das treibt das Unternehmen in den Ruin. Die Mitgliederstatistiken der Kirchen in Deutschland etwa spiegeln diesen Trend sehr deutlich. Die Oberen glauben allerdings, die Ursache für die sinkende Nachfrage sei die allgemeine Abwendung von Religion und die Hinwendung zum Materialismus. Das ist jedoch nur ein Teil der Ursache. Andere spirituelle Bewegungen haben nämlich währenddessen eine sehr gute Konjunktur mit kontinuierlichen Zuwächsen.
Daher also noch einmal: Wie kann erreicht werden, dass die Unteren genauso gehört werden wie die Oberen, bzw. wie kann eine echte zwei-Wege-Kommunikation erreicht werden? Eine Möglichkeit ist die, dass die Konsumenten die Produzenten nur freiwillig für ihre Dienste bezahlen, wie auch sonst im Geschäftsleben. Dann würden sie nämlich nur zahlen, wenn sie genau das bekommen, was sie möchten und für Lieferungen, die nur den Interessen der Produzenten entsprechen, würden sie nichts bezahlen.
Das würde natürlich bedeuten, dass der kirchliche Haushalt entweder nach einer Gebührenordnung geregelt wird, etwa in Anlehnung an das alttestamentliche Muster, oder dass er allein aus Spenden bestritten würde – einschließlich der Kosten für Bauten und Renovierungen. So etwa könnte sich die tatsächliche Wertschätzung für die Dienste der Kirche zeigen. Aber das wäre natürlich noch keine Garantie für den Geist, denn die Leute zahlen auch gern für Illusionen. Und heute spielt beispielsweise auch der Gedanke der Denkmalpflege noch eine sehr große Rolle und das würde sicher auch Einiges einbringen völlig ungeachtet des Geists.
Die Entwicklung geht jedenfalls in Richtung größerer auch finanzieller Unmittelbarkeit. Der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen wird rapide voranschreiten und dann vielleicht ein Umdenken in den kirchlichen Chefetagen nach sich ziehen. Deutliche Anzeichen sprechen allerdings dafür, dass sich der kirchliche Apparat auf die Plage der Geldverknappung hin ähnlich verhält wie ehedem der Pharao, der auf das Begehren des Mose hin auch zunächst die Lasten für die Sklaven noch erhöht hat. So werden heute beispielsweise durch die verstärkte Ernennung sehr konservativer Funktionäre etc. den kirchlichen Untertanen eher noch weniger einsehbare Moralvorschriften auferlegt, was natürlich die Kluft zwischen den Amtsträgern und den Laien noch vertieft und die Austrittsbewegung verstärkt. Ein Teufelskreis ist also bereits in Gang gesetzt. Die frustrierten Kirchenmitglieder haben die Hoffnung aufgegeben, dass sie gehört werden. Es gibt keine Instanz, an die sie sich wenden könnten. Ihre ablehnende Reaktion erschreckt die Amtsträger und diese werden in ihrer Angst noch engstirniger.
Wenn es nur darum ginge, die ja immer noch sehr mittelalterliche Organisation zu retten, könnte man sagen, es handelt sich dabei um ein sehr interessantes und deshalb schützenswertes Fossil. Aber dieses wird ohnehin in den entsprechenden archivarischen Einrichtungen dokumentiert bleiben, daher muss dem Monstrum niemand nachweinen. Bedauerlicherweise aber besteht die Gefahr, dass in der allgemeinen Abneigung gegen das Fossil auch der Inhalt verloren geht, den es zu vertreten vorgibt – ein Inhalt, der Menschen immer noch wirklich befreien kann, sowohl innerlich als auch äußerlich.
Deshalb noch einmal die Frage,
gibt es die Möglichkeit, dass sich die Verhärtungen auflösen, dass der alte
Panzer abgestreift wird samt seiner strukturellen Komponenten und dass die alte
Gemeinschaft Jesu wieder zu einer Geist-Gemeinschaft wird? Dann müssten die
Frustrierten aber von jemand repräsentiert werden [es bräuchte vielleicht eine
Art Gegenpapst, jedenfalls eine offiziell anerkannte kirchliche Opposition] und
diese Repräsentation müsste Anerkennung finden [etwa durch allgemeine Wahlen.
Alles Andere ist Stagnation in einer autoritären Phase.
Vieles von dem, was sich dafür ändern müsste, habe ich in den vorangegangenen Abschnitten bereits skizziert. Das Wichtigste ist sicher, dass das historisch Gewachsene in seiner Kontingenz gesehen würde und dass man darauf für die Zukunft nicht besteht, sondern es eher als eine (manchen willkommene, manchen unwillkommene) Art Zugabe betrachtet. Ganz ähnlich wie die Apostel ja auch im Apostelkonzil schließlich entschieden haben, das historisch Gewachsene des Judentums für die Zukunft nicht als verpflichtend zu betrachten. Vielleicht könnte das Ergebnis dann ähnlich der Art sein, wie der Unterschied zwischen Mahayana- und Hinayana-Buddhismus.
Offiziell (von Mayana-Seite aus) wird gesagt, der Unterschied bestehe darin, dass der Mahayana Buddhismus nicht (wie angeblich der [südliche] Hinayana-Buddhismus) nach Selbsterlösung strebe, sondern dass die Übungen nur den Zweck hätten, Menschen bereit zu machen, andere zur Erlösung zu führen. Tatsächlich unterscheiden sich die beiden Richtungen des Buddhismus aber vor allem dadurch, dass im [nördlichen] Mahayana – also im „großen Fahrzeug“ – der ganze Götterhimmel integriert ist und in dieser Hinsicht trotzdem ohne dogmatische Probleme koexistiert mit dem Hinayana [der südlichen Form des Buddhismus] – also dem „kleinen Fahrzeug“ – das ohne Mythos auskommt. Der bei uns sehr bekannte japanische Zen-Buddhismus rechnet sich zwar aus den genannten Gründen dem Mahayna-Buddhismus zu, er gehört aber der mythosfreien Richtung an, der Dalai-Lama dagegen ist auch dem Mythos verpflichtet. Jeder von beiden weiß, was der andere meint, und beide verstehen sich als authentische Fortführungen der Einsichten des Buddha, und es gibt keinen Anlass für Ausschlusstiraden oder Kampf gegeneinander.
Wofür ich also hier plädiere, ist eine Art christliches Hinayana. Und dafür gibt das „im Geist und in der Wahrheit“ Jesu selbst das stärkste Zeugnis ab. Und dass sich die Apostel gelöst haben, von den traditionellen Bindungen, denen Jesus sich noch verpflichtet fühlte, unterstreicht die Legitimität dieses Projekt. Vielleicht wäre es daher an der Zeit, dass sich die verantwortlichen Leiter kirchlichen Tuns den Gedanken an so eine Möglichkeit erlauben – und dass sie vielleicht Studien und Experimente in dieser Richtung aus ihrem immer noch sehr reichen Fundus fördern – es könnte letzten Endes ihr eigenes Überleben begründen.
Gehen wir daher noch einmal zurück zu den Anfängen: Damals wirkte der Geist durch „Glossolalie“ (also durch an sich unverständliches Geplapper) mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass sich alle verstanden. Seit langem aber stört der Geist die Organisation durch andere Ansichten. Man versteht nicht. Man will nicht verstehen, denn – wer hätte dann die Macht? Jetzt glaubt man, nur „man selbst“ hätte recht, alle anderen hätten unrecht. Würde „man“ dem Geist folgen, so würde sich das unverständliche Geplapper des Anderen sofort als völlig verständlich herausstellen – natürlich vorausgesetzt, man ließe sich ein auf die Perspektive des Anderen, aus der „ES“ selbstverständlich so erscheint.
Unter solchen Voraussetzungen hätte der Papst am Ende keine Bedenken mehr, in einer Moschee das islamische Gebet mitzusprechen und dabei das islamische Glaubensbekenntnis von Herzen auch zu seinem eigenen zu machen, nämlich, dass es keinen Gott gibt außer dem Gott und dass Mohammed sein Prophet ist. Und mit den Buddhisten könnte er des „Erwachten“ gedenken und dessen Gedanken zu seinen eigenen machen. Und das Gleiche träfe zu auf jede echte Form von Religiosität. Das Kriterium wäre allein der Geist. Jede Zugangsweise ist gut, wenn sie zu ihm hinführt. Auf diese Weise können alle in gegenseitigem Respekt voneinander lernen.
Was ist das nur für eine seltsame Angst, man könnte „das Eigene“ verlieren? „Wer Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist meiner nicht wert“, sagte Jesus – also wer ist seiner dann Wert? Die Fundamentalisten haben immer Angst um das Eigene. Dadurch dass sie so sehr am Buchstaben festhalten, können sie nicht einmal erkennen, dass das wirklich Eigene von keinem Buchstaben getragen werden kann, dass sie daher in Wirklichkeit sich ständig selbst belügen.
Insofern als Jesus als einziges Kriterium den Geist zugelassen hat, ist er der Überwinder der Buchstabengläubigkeit, jedes Alleinseligmachungsanspruchs und sogar der Überwinder aller Religionen. Das war seine Botschaft an die Welt!
Psychologisch könnten wir jetzt noch fragen, warum die zufällig historisch gewachsenen Formen mit solchem Eifer als das „einzig Wahre“ verteidigt werden. Was ist der „Krankheitsgewinn“? Den Verteidigern der Sklaverei muss ja eine andere Belohnung in Aussicht gestellt werden, wenn sie es lassen sollen. Der Krankheitsgewinn ist die Bedeutung, die sie gewinnen durch die Identifikation mit einem unbezweifelbaren Gebilde. Ohne es wären sie nichts, durch es halten sie sich für unbezwingbar – ganz ähnlich wie die Fans berühmter Fußballmannschaften. Was also kann ihnen in Aussicht gestellt werden, dafür dass sie loslassen? Eigentlich nur, was Jesus den Menschen auch immer gesagt hat: Dass ihnen ihre Schuld (deren Unerträglichkeit sie einmal dazu führt, sie zu leugnen und dann noch dazu, ihr eigenes Herz für alles Andere zu verschließen) augenblicklich erlassen wird, dass sie von da an also frei sind: Geisterfüllte Menschen müssen nichts darstellen, sie müssen nicht gut dastehen vor den anderen, sie dürfen einfach sie selbst sein. So hat der Geist sie doch gemacht. Auch ihre Schwächen dürfen sein. Jeder hat sie doch. Das Verurteilen hat ein Ende.
Das Leben kann beginnen ......
Gemeinschaft im Geist
(5. 6. 2001)
Zunächst ist klar, dass es in einer Gemeinschaft von Menschen, die aus dem Geist heraus leben, keine Unterscheidung geben kann zwischen „Produzenten“ und „Konsumenten“, denn es gibt weder Produzenten noch Konsumenten, es gibt nur Werkzeuge des Geists – und solche, die es nicht sind; und die gehören in dem Sinn natürlich auch nicht dazu. [Das ist es, was Jesus meint, wenn er sagt: „Von zwei Männern, die in jener Nacht auf einem Bett liegen, wird der eine mitgenommen und der andere zurückgelassen. Von zwei Frauen, die mit derselben Mühle Getreide mahlen, wird die eine mitgenommen und die andere zurückgelassen“ (Lk 17,34f.). Zum Verständnis dieser Aussage ist es notwendig, sein wiederholtes „eine Stunde wird kommen – und sie ist schon da – wo ...“ auch hier mitzudenken. Jesus meint nämlich auch hier nicht irgendeine einzelne „Stunde“ irgendwann oder die Stunde des Weltuntergangs oder des Todes, sondern eben „die Stunde des Geists“. Das sind nämlich jene Momente, in denen sich „der Menschensohn“, also die Stimme der menschlichen Natur, meldet – und in denen der betreffende Mensch dafür bereit sein kann oder in denen er diese „Stimme“ eben nicht wahrnehmen kann, weil er zu sehr verwickelt ist in seine Vorstellungen.]
Logischerweise kann es daher in dieser Gemeinschaft auch keine äußerliche Mitgliedschaft geben.
Eine Taufe kann es aber trotzdem geben – als Tor des Eintritts, als Zeichen für die Entschlossenheit, den „Weg“ der Aufmerksamkeit auf jene nichtspektakuläre, leise Stimme zu betreten, die den Unterschied macht zwischen einem Menschen, der seine Ideen (seine Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“, die ja bekanntlich der „Sündenfall“ ist) auslebt und einem, der dem Geist folgt. Die Gemeinschaft derer, die sich in diesem Zeichen verbunden wissen, wäre die momentane Kirche, wenn sich deren Mitglieder wirklich in diesem Zeichen verbunden wüssten, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Kein Wunder also, dass Gemeinschaften von Wiedertäufern entstanden sind. Aber auch die haben natürlich keine Garantie, dass ihre Mitglieder nicht auch die Bedeutung dieses neuerlichen Zeichens vergessen. Wir können es also genauso gut bei der ersten Taufe belassen und beispielsweise die Firmung als jenen bewussten Akt betrachten. Nur ist inzwischen leider auch diese nur in den seltensten Fällen noch ein bewusster Entschluss, auf den Geist zu achten.
Da die Zeichen (die „Sakramente“) also derart entwertet sind, muss zwischen der juridisch gültigen Mitgliedschaft in einer Art Verein (der Kirche) und den Menschen unterschieden werden, die tatsächlich dem Geist folgen. Diese müssen natürlich nicht notwendigerweise aus der Mitgliedschaft einer Kirche stammen, es reicht, dass sie „die Stimme des Menschensohnes“ oder „die Stimme des Geists“ oder „die Stimme der Wahrheit“ (was das Gleiche bedeutet) wahrnehmen und ihr folgen.
Logischerweise sind die Direktiven der obersten Gremien der juridischen Organisation (also der Kirche) nicht bindend für die Menschen, die dem Geist folgen, sondern allenfalls bedenkenswert. Als bindend verstanden, würden diese obersten Gremien zu „fremden Göttern“ im Sinn des ersten der zehn Gebote. Umgekehrt müssten Anregungen „einfacher“ „Mitglieder“ natürlich auch bedenkenswert für die Mitglieder der obersten Gremien der Organisation sein. Andernfalls würden diese sich durch ihre Ignoranz selbst aus der Gemeinschaft mit dem Geist ausschließen.
Im letzten Fall bestünde ein Konflikt zwischen einem Tyrannen und dem Geist – etwa in der Weise wie der bereits beschriebene Fall des Mose vor dem Pharao oder der Fall Jesu vor dem Hohen Rat. Der Geist würde die Hilferufe der Unterdrückten sicherlich nicht ignorieren. Das ist ja die Botschaft der Bibel von Anfang an.
Falls sich der Geist in irgendeiner Angelegenheit innerhalb der Kirche nicht durchsetzen kann, weil das Gehör fehlt (weil der Stolz der Amtsinhaber zu groß ist), wird er sich außerhalb durchsetzen. Damit will ich nicht nur sagen, dass vergangene Kirchenspaltungen auf solche ungehörten Geistansprüche zurückgehen, sondern auch, dass der Geist völlig kirchenunabhängig zu jeder Zeit überall wirkt und überall Wege findet, sich durchzusetzen.
In unserer Zeit der Ausbreitung aller Religionen über den gesamten Erdball bedeutet das, dass eine „Gemeinschaft im Geist“ nicht unbedingt eine lokale oder eine überregionale „Gemeinde“ erzeugt, es gibt auch viele Individuen, die zu keiner Gemeinde gehören und die trotzdem dem Geist folgen. Außerdem unterscheiden sich auch viele der neu entstandenen überregionalen Gemeinden sehr von den „Diaspora-Gemeinden“ früherer Zeiten. Es könnten beispielsweise die individuell und verstreut lebenden Schüler eines bestimmten, weltweit agierenden Meisters sein – und ich meine hier nicht nur die Schulen irgendwelcher religiöser Orden oder Gurus, sondern jeder Art von Schule, die auf den Geist angewiesen ist, also auch Schulen jeder Art von Kunst oder Kampfsport etc.. Sie alle bemühen sich ja, ihr Leben in Einklang mit dem Geist zu bringen. – Darüber hinaus ist es nicht einmal auszuschließen, dass manche jener offensichtlich verrückten Selbstmordattentäter, die zur Zeit nicht nur in Israel für Aufregung sorgen, vom Geist dazu bewegt werden. Im Islam jedenfalls gibt es die Vorstellung, dass es so etwas wie diesseitig-Jenseitige gibt, also „verrückte“ Menschen, die nicht im normalen Sinn gesellschaftlich verantwortlich sind, sondern die unter „jenseitigem“ Kommando stehen und daher Dinge tun, die die „Normalen“ nicht wagen würden oder deren Geist eben nicht frei wäre für derartige Verrücktheiten des Geists. – Wir sehen schon, wie schwer es uns fällt, uns in so einem Fall an das Gebot Jesu zu halten und nicht zu urteilen.
Wenn wir den Geist bemerken wollen, müssen wir uns aller moralischen Urteile enthalten. Der Geist verhält sich nicht moralisch. Schon ein ziemlich oberflächlicher Blick ins Alte Testament macht das offensichtlich. Nur Dogmatiker stehen unter dem Zwang, für alles eine moralische Begründung zu finden. Aber wo ist die Begründung für den Betrug Jakobs an seinem Vater Isaak oder für die Ausrottung der Bewohner Kanaans oder dafür, dass David einen Mann umbringen lässt, um seine Frau zu kriegen? Die Wege des Geists sind, wie oft gesagt wird, ohne die Konsequenzen zu bedenken, unergründlich. Wer stets begründet handelt, kann daher dem Geist nicht folgen.
Die „Moral“ des Geists ist auch nicht die der „Menschlichkeit“, sie ist nicht wie die menschliche Moral. Lao-tse drückt es so aus:
„Höchste Tugend weiß von der
Tugend nicht; daher gibt es die Tugend. Niedere Tugend lässt von der Tugend
nicht; daher mangelt die Tugend ...“
und:
„Wahrlich: Wer den Weg verliert, ist nachher tugendhaft. Wer die Tugend verliert, ist nachher gerecht. Wer die Rechtlichkeit verliert, ist nachher sittsam. Wohl! Die Sittsamkeit ist eine Verkümmerung von Lauterkeit und Treue ...“ (Kap. 38)
Und:
„Himmel und Erde sind nicht
menschenfreundlich. Sie nehmen die zehntausend Wesen für Strohhunde.
Der Heilige Mensch ist nicht
menschenfreundlich. Er nimmt die hundert Geschlechter für Strohhunde.“ (Kap.
5)
Wenn die Aktivität des Geists auch nicht unseren moralischen Vorstellungen folgt, so hat sie doch eine beobachtbare Richtung: Es ist nicht die Richtung größerer Bequemlichkeit für alle und auch nicht die Richtung absoluter Gleichbehandlung aller und auch nicht die Richtung der Vermeidung allen Übels. Es ist die Richtung größerer Bewusstheit. Und da – auf dem Weg der Erfahrung der Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens – zeigt sich das, was die Bibel (und natürlich auch die Heiligen Bücher anderer Kulturen) uns von Anfang an zeigt: Das Eine hat die Welt aus sich hervorgebracht, weil es seine Fülle nicht für sich behalten wollte. Es hat sich geäußert, sich veräußert und damit etwas auf den Weg gebracht, das durch seinen Weg der Erfahrung seinen Ursprung entdeckt und in ihm den Weg zurück in die Einheit. Und dieser Weg zurück ist kein statisches Finden, sondern eben wieder der gleiche Weg, den das Eine genommen hat, der Weg der Äußerung, des sich Verlierens, des sich Verschwendens an das All – unter Benutzung des Alls. Deshalb doch ist Jesus das Zeichen, das über allen Zeichen steht, weil er „wie kein Anderer“ (nicht wörtlich, sondern symbolisch verstanden) sich verschwendete und sich verlor und damit sich auch fand wie kein Anderer. Das bedeutet seine „Auferstehung“, die ja wieder nicht wörtlich, sondern symbolisch zu verstehen ist. Deshalb „wird ihm ein Name gegeben, der über allen Namen steht“ – natürlich wieder nicht wörtlich, sondern symbolisch zu verstehen.
Und allen Menschen, die den Geist erfahren haben, ist das bewusst geworden, unabhängig von jeder Religion. Sogar im Voodoo beispielsweise geht es ja nur darum, nicht für sich zu leben, sondern sich zu hinzugeben. So gesagt, klingt es wie Moral. Es hat mit Moral aber nichts zu tun. Es ist ein Ergebnis der Erfahrung des Geists. Der Geist bewegt die Menschen, die er bewegt, in diese Richtung.
Ob Menschen, die dem Geist folgen, eine Gemeinschaft bilden, bzw. welche Form von Gemeinschaft sie entwickeln, hängt ab von ihrer Rolle im Ganzen – natürlich spreche ich vom Ganzen der Menschheit, in der es natürlich nicht darum geht, dass sich eine einzelne Religion allen anderen Religionen gegenüber durchsetzt, sondern dass überall, mit oder ohne Religion, der Geist erkannt und spürbar wird. Es gibt daher heute, wie schon angedeutet, Geist-Gemeinschaften, die nicht ohne weiteres als solche erkennbar sind. Und welche Form von Gemeinschaft ein vom Geist bewegter Mensch findet, unterliegt nicht seiner Wahl. Nach außen hin kann es auch oft so aussehen, als gebe es einen Widerspruch oder gar eine Konkurrenz zwischen solchen Individuen oder auch deren Gemeinschaften. Dieser Anschein entsteht nur aus den jeweils unterschiedlichen Aufgaben, die ihnen vom Geist zugewiesen werden. Der Geist möchte ja alle ansprechen, zu allen durchdringen, also auch zu allen Arten von „Gegnern“.
Gerade bei „Gegnern“ hat der Geist eine gute Chance, denn diese müssen auf ihrem Weg gegen den „mainstream“ ihr Bewusstsein ungleich mehr schärfen als „die Massen“, die oft nicht mehr wissen, wovon sie reden. Von der daraus entstehenden Unwahrheit rührt ja die Notwendigkeit ständiger Umstürze, die von den „Gegnern“ durchgeführt werden müssen – im Auftrag des Geists. Und je nach Bewusstheit erreichen sie die jeweils korrespondierenden Schichten des „establishments“, um diese zu den jeweils notwendigen Veränderungen zu bringen. So haben beispielsweise auch Kriminelle oder Drogensüchtige etc. ihre geistgemäße Funktion. Und sie haben ihre eigenen Gemeinschaften, in denen es jeweils auch um Hingabe geht. So wirkt der Geist ganz unterschiedlich und erzeugt die unterschiedlichsten Talente und Formen. In Wahrheit geht daher niemand verloren – nur – diejenigen, die festhalten, die alles und auch sich für sich behalten wollen, müssen leiden, weil der Tod (= das Leben) irgendwann allen alles nimmt. Der Geist arbeitet unentwegt daran, den Festhaltenden das Festgehaltene zu nehmen. Und er gibt es denen, die loslassen. Es ist daher allein entscheidend, nicht zu urteilen und einfach der eigenen Wahrheit folgend den eigenen Platz zu finden. Jede Moral ist eine Art Festhalten – es ei denn, sie würde bewusst und bewusst zeitweilig als Hilfe zum Loslassen benützt.
Der „Egoismus“, der überall als dem Geist entgegengesetzt betrachtet wird, ist nicht das etwas für sich erreichen wollen, es ist das sich festhalten an irgendwas, das sich nicht Hergeben. Dieses sich nicht Hergeben kann jedoch sehr gut auch als „Altroismus“ erscheinen. Der Geist will das nicht; er will den Fluss der Dinge, nicht die Stagnation. Der altroistische Koabhängige, der dem Süchtigen nicht die Stirn bietet, ist ein Diener der Stagnation. Er hält sich sogar für selbstlos. Er versteht nicht, dass es nicht darum geht, das Ego loszuwerden, es zu überwinden, sondern es sein zu lassen, es anzunehmen, sich anzunehmen, samt seinen Schwächen, in der ganzen Ekligkeit des eigenen Egoismus. Auch über sich nicht zu urteilen. Auch sich dem Geist zu überlassen, zu vertrauen, dass da eine größere Kraft am Werk ist, als unsere beschränkte Kraft und Sicht der Dinge. Die einzige Vollkommenheit, die es gibt, ist die des Geists, des Wunders seiner Hingabe und seiner Wege der Rückführung des scheinbar Verlorenen.
Wie können sich in dieser großen Weltgemeinschaft des Geists also die Kleinen durchsetzen gegen die Übermacht? Die Wahrheit ist der Leiter [im Sinn elektrischer Leitung] des Geists. Durch sie treibt der Geist alles zurück zu sich selbst. Die Wahrheit der Verzweiflung bleibt nicht unerhört. Deshalb ist der Wendepunkt immer der des Eingeständnisses der eigenen Ohnmacht, der Ausgeliefertheit – wem gegenüber? Immer der Kraft gegenüber, aus der alles hervorgegangen ist. Wer glaubt, er sei irgendwelchen menschlichen Mächten ausgeliefert, bleibt im Reich des Festhaltens am ausschließlichen Glauben an die eigene Kraft – und damit im Reich der Paranoia. Wer sieht, dass es letztlich nichts anderes gibt, als diese größere Kraft, erfährt von ihr die Rettung – und wenn diese in dem Geschenk besteht, dass ein Mensch es sich erlauben kann, sein eigenes Leben hinzugeben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auf meine Kapitulation immer genau die Hilfe kommt, die ich brauche. Und das Gleiche sehe ich überall. Der Geist gibt Kraft und Ideen und unerwartete Hilfe von außen. So können die Kleinen bestehen gegen jede Übermacht.
Und nun ist auch schon klar, wie die Geistgemeinschaft aussieht: Bunt wie das Leben, niemand ausschließend, womit ich nicht sagen will, dass nicht jemand, der mir mein Leben nehmen will, sein eigenes unter Umständen verwirkt hat. Niemand hat das Recht, mir mein Leben streitig zu machen. Logischerweise riskiert er damit sein eigenes.
Die Geistgemeinschaft ist daher kein eia-popeia-Land, sondern eben ein Land, in dem man sein Leben einsetzt, jeder auf seinem Platz.
Die Meinung, eine Geistgemeinschaft könnte eine Gemeinschaft sein, in der es nur Gutes gibt und nichts Schlechtes, ist nicht nur naiv, sondern dem Geist direkt entgegengesetzt.
Dass der Geist in der Kirche verlorengegangen ist, liegt, so weit das der Fall ist, daran, dass man genau das (nur Gutes) wollte.
Bei den Juden war und ist klar: Jeder Jude gehört dazu, egal wie gut oder schlecht. Niemand konnte ausgeschlossen werden. Erst durch die Ablösung (des Christentums) vom jüdischen Volk und durch die Notwendigkeit irgendeiner Art der Identifizierung ergab sich die fatale Möglichkeit, den Erzsündenfall in die neue Religion zu importieren. Der Erzsündenfall ist bekanntlich die Einführung der Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“, also die Einführung von Ausschließung, wodurch schon das erste Paradies verloren ging. Und auch das neu gewonnene christliche Paradies ging genau dadurch, kaum war es gewonnen, wieder verloren. Weil, wo und so weit man das Gute festhalten und das Böse ausschließen wollte, zog sich der Geist zurück und der Terror hielt Einzug – und dieser herrscht noch heute genau in diesem Bereich.
Also wie geht der Weg zurück ins Paradies?
So lange wir wissen, dass wir nichts wissen und dass wir ausgeliefert sind, gehen wir ihn.
Zwanghafte Wut loswerden
So etwas wie „Fehler“ gibt es nicht
Es gibt nur Handlungen, die nicht das erwartete oder erhoffte Ergebnis haben.
So etwas wie „Böse Menschen“ gibt es nicht
Es gibt nur Menschen, die böse sind, weil sie sich über irgendetwas geärgert haben. Und dann kann es passieren, dass so jemand eine erlittene Frustration an irgendwelchen Unbeteiligten auslässt. Und dann kann es geschehen, dass jemand, der begonnen hat, Frustrationen an irgendwelchen Unbeteiligten auszulassen, das immer wieder tut, weil er/sie sich im Innern auf Rache eingestellt hat.
Es geht ganz einfach: Das frustrierende Ereignis wird in der Erinnerung immer da sein. Daher auch die Möglichkeit eines Gedankens an Rache. Von simpler Ekelhaftigkeit bis zum Amoklauf ist dann alles drin.
Wer sich nicht stark genug fühlt für Rache, kann Wut in sich fühlen und sich vielleicht sogar selbst dafür bestrafen, dass er/sie nicht in der Lage ist, die Wut auszuleben und in aktive Rache umzuwandeln. Unfälle, Erkrankungen oder tiefe Depressionen können die Folge sein.
Von hier aus ist alles möglich.
Wer diese Wut oder diese Rachegedanken als Zwang empfindet und sie loswerden möchte, kann dafür einen Weg finden.
Wer diesen Gedanken Raum gibt, bei dem/der haben sie Raum und sie werden nach immer mehr Raum verlangen. Irgendwann sind sie dann so stark, dass sie die Träger dieser Gedanken völlig überwältigen. Das Ergebnis ist dann Krankenhaus oder Gefängnis oder Mord oder Tod.
Dass so viele Menschen ihre Wut wegen der einmal oder vielmals erfahrenen Verletzung auf andere projizieren und an diesen versteckt oder offen ausleben, ist der Grund für den Großteil des Leids in der Welt: „Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend Böses muss gebären.“ Das hat Goethe wohl richtig gesehen, doch er scheint nicht gesehen zu haben, dass am Anfang dieser Kette gar nicht unbedingt etwas „Böses“ gestanden haben muss. Es genügt irgendeine kleine Frustration. Sehen wir uns nur die kleinen Kinder an: Wenn ihnen etwas nicht passt, schreien sie. Anders können sie sich am Anfang nicht ausdrücken. Später schlagen sie dann auch andere. Bei ihnen ist alles aber noch unmittelbar auf das auslösende Ereignis bezogen. Sie reagieren „böse“ auf jede Frustration und damit auch auf Ereignisse, für die niemand etwas kann. An ihren Eltern lernen sie dann jeweils, welche Reaktionen o.k. sind und welche nicht. Von Eltern, die voll sind mit Selbstmitleid, lernen sie dann, immer irgendwo anders eine Schuld für jeden ihrer Schmerzen zu sehen. Von da an wird die Kombination von Selbstmitleid und Beschuldigungen kultiviert und trainiert einschließlich des Gefühl der Berechtigung der Wut und des Selbstmitleids. Die Menschen tun dann irgendwann alles, um weiterhin glauben zu können, dass sie nichts dafür können, dass sie unschuldig sind an ihrem Schmerz, dass an allem Unglück irgendjemand anderer schuld ist.
Diese Situation ist die Basis für spätere psychische Erkrankungen jeder Art.
Es sind aber keine „Fehler“, es sind nur Gewohnheiten, die alles andere als erwünschte Ergebnisse bringen.
Wenn ein Mensch das bemerkt, gibt es einen Ausweg. Für diejenigen, denen es ums Verrecken nicht möglich ist, davon abzusehen, bei anderen die Schuld zu suchen, gibt es höchstens medikamentöse „Hilfe“, nämlich so etwas wie eine chemische Zwangsjacke, die diese Menschen auf ihre elementaren Funktionen beschränkt, so dass sie geistig nicht mehr in der Lage sind, zu projizieren. Die alte Zombie-Strategie der Afrikaner gibt es also jetzt im modernen psychiatrischen Gewand. Sie funktioniert immer noch – natürlich mehr schlecht als recht. Schade.
Für solche, die sehr an ihren eigenen Projektionen leiden aber, gibt es einen Ausweg: Sie können die ganze Verkettung der Ereignisse und ihrer Reaktionen darauf betrachten und erkennen, dass es ausschließlich in ihrer Macht steht, den Teufelskreis zu durchbrechen. Sie müssen auf den Genuss, den ihnen die Beschuldigung anderer gibt, verzichten und anfangen, sich nicht mehr als unschuldige Opfer zu sehen. Sobald sie erkennen, dass sie eben ihren Emotionen wieder erlaubt haben, hoch zu schwappen und ihren Projektionsmechanismus anzuwerfen, können sie zu sich selbst „Stop!“ sagen und im nächsten Augenblick ein neues Leben anfangen, indem sie nämlich den Zusammenhang zwischen dem vorangegangen Moment und dem nächsten durchbrechen. Indem sie in diesem Moment entscheiden, was sie jetzt tun, wechseln sie von der Opfer- in die Täter-Rolle. Und, ob sie wollen oder nicht, müssen sie nun die Verantwortung übernehmen.
Falls sie es nicht schaffen, sich zu lösen von der hochschwappenden Emotion, hilft (nur) „Kapitulation“ (Schritt eins von den „zwölf“ Schritten der „Anonymen“), also zugeben „ich schaffe es nicht“, verbunden mit der Bitte um Hilfe bei gleichzeitiger Überantwortung des eigenen Schicksals in die „Hände“ der Kraft, aus der alles hervorgegangen ist (Schritte zwei und drei).
Damit erübrigt sich jede Beschuldigung. Die innere Einstellung steht auf Anerkennung der Realität. Die Realität ist die der Unterlegenheit unter eine Übermacht. Die Übermacht ist die Welle von Emotionen. Durch das Zugeben dieser Unterlegenheit und das Abwenden der Aufmerksamkeit von der unzureichenden eigenen Kraft und das Hinwenden auf jene andere Kraft, aus der die ganze Welt hervorgeht, ist der Ausweg aus dem alten Teufelskreis für diesen Moment bereits geschafft.
Das ganze muss natürlich Zehntausende Male wiederholt werden, damit ein Mensch der Welt der Phantasie entkommen und für immer in die Welt des Tatsächlichen eintreten kann, denn die Gewohnheit, sich von den emotionalen Wellen überrollen zu lassen und damit den Eindruck von Unschuld zu behalten, ist ebenso Zehntausende Male eingeübt worden. Tatsächlich ist der Ausweg, was die Zeit betrifft, aber nicht so lange. Es kann schon in wenigen Wochen oder Monaten gelingen – je nach dem wie dringend es für einen Menschen ist. Es braucht aber in jedem Fall Geduld, die vielen Rückfälle auszuhalten und nicht aufzugeben. Oder doch lieber wieder hilfloser Spielball zwischen den Wellen sein? Oder lieber Zombie?
Es gibt nichts Böses, es gibt nur Interferenzen und mehr oder weniger angemessene Reaktionen darauf.
Gottes Willen erkennen
(15. 6. 2001)
Gottes Willen erkennen – und dann, wenn er erkannt ist, ihm folgen – ist die menschliche Lebensaufgabe. Darin besteht das einzig mögliche wirkliche Glück. Alles andere Glück sind Teilausschnitte, von dort geborgt. Insofern ist das Glück auch der Indikator der Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen.
Menschen, denen das Glück fehlt, stimmen auch nicht überein mit dem Willen Gottes. Das Glück, das ich meine, ist natürlich nicht die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard, sondern ein ganz anderes Glück, nämlich innere Übereinstimmung – und in ihr wirkliche Geborgenheit. Diese Geborgenheit kann nicht von außen kommen, kein Mensch kann sie uns geben, weil wir uns doch auf keinen Menschen wirklich verlassen können, weil doch alle Menschen unberechenbar sind, nicht nur weil sie ihren eigenen Willen verfolgen, sondern auch weil sie einen eigenen, ihnen vorher selbst unbekannten, und doch bestimmten Lebensweg haben. Aus diesem Grund ist selbst auf als verlässlich bekannte Menschen letzten Endes kein Verlass.
So beschloss beispielsweise Gandhi
plötzlich im mittleren Lebensalter, nicht mehr sexuell mit seiner Frau zu
verkehren. In unseren Breiten gab es vor Jahrhunderten das ganz ähnliche
Beispiel des Nikolaus von Flüe, der sich ebenso plötzlich von Frau und Kindern
trennte, weil er nun eine andere Aufgabe für sich sah. Ihre jeweiligen Frauen
waren von dieser Unzuverlässigkeit natürlich schwer betroffen. So ist das
Leben.
Niemand kennt seinen Lebensweg im Vorhinein, genauso wenig wie jemand seinen Tod kennt. Auf jeden warten Überraschungen; Unfälle geschehen, es gibt Naturkatastrophen, Krankheiten, Verbrechen, wirtschaftliche und politische Veränderungen, auf die ein Einzelner keinen Einfluss hat. Daraus können sich für jeden völlig unverschuldete Schicksalsschläge ergeben. Ihre Abwesenheit meine ich auch nicht mit jenem „Glück“, von dem ich sprach.
Niemand hat sein Leben in der Hand. Vieles gelingt natürlich und ich möchte nichts gegen das Streben sagen, im Gegenteil, es führt ja schon an das Ziel heran, also zu größerem Glück und größerer Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Schließlich will Gott von seinen Geschöpfen doch, dass es ihnen gut geht. Dazu sind sie ja da. Alles in ihnen ist darauf ausgerichtet. Ganz von selber ist es bei den Menschen, wie vor ihnen schon bei den Tieren und vorher bei den Pflanzen, ganz natürlich, nach dem Licht zu streben. Deshalb stimmt der Wille des Schöpfers von vornherein immer mit dem Willen des Menschen überein. Und deshalb möchten die Menschen von Natur aus den Willen Gottes erkennen, denn sie wissen, er ist ihr Wegweiser zum Glück. Und sie können diesen Willen Gottes tatsächlich erkennen, nämlich indem sie aufmerksam sind, auf die Welt, in der sie leben, und auf sich selbst und ihre eigenen Neigungen.
Die Auseinandersetzung zwischen den eigenen Neigungen und der Welt bestimmt nicht nur das Glück, sondern auch den Lebensweg. Wenn jemand sehr natürlich aufwachsen durfte – und damit meine ich natürlich nicht „im Urwald“ und noch weniger diejenigen, die sich für „natürlich“ halten, weil sie sich „biologisch“ ernähren – dann durfte er/sie seine/ihre Neigungen von Anfang an kennen lernen und er/sie kann das Glück schon früh kennen, wenn jemand aber in sehr rigiden Verhältnissen aufgewachsen ist, war eine wirkliche Wahrnehmung gar nicht möglich und dann wird ihn, so ungerecht das auch erscheinen mag, sein Schicksal so lange weiter vor den Kopf stoßen, bis er lernt, auf sich selbst zu achten.
Logischerweise wird das Schicksal gerade durch solche (natürlich völlig unverschuldeten) „Vor-Einstellungen“ bestimmt. Und zwar nicht auf irgendeine mysteriöse (zu Mythen Anlass gebende) Weise, sondern als natürliche Folge des jeweiligen Verhaltens. Das ist das viel berätselte „Karma“. Deshalb führen unter anderem die afrikanischen Schamanen alle Schicksalsschläge auf die intentionale Einwirkung von Familienangehörigen oder von Ahnen zurück – und deshalb kann eine moderne Therapieform diese Einsicht auch in unserer Kultur mit großem Erfolg benützen, nämlich das Familienstellen nach B. Hellinger.
Umso weiter (die von den Ahnen stammenden) Illusion und Nichtwissen gehen, umso weiter muss auch die anschließende [schmerzvolle] Desillusionierung gehen. Und diese Situation (also das Karma) ist, wie gesagt, nicht eine Frage von Verdienst oder von Schuld (auch nicht von Seiten der Ahnen). Es ist zunächst einfach ein Fakt, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, weil es unsere persönliche Realität ist. Erst wenn wir uns der Fakten bewusst sind, können wir eventuell verhängnisvolle Strömungen aus der Vergangenheit von uns abwenden, aber wir können die Verantwortung dafür zu keiner Zeit abgeben. Wir müssen die notwendige Leistung erbringen – egal ob wir sie „Schuld“ (eines Ahnen oder anderen Familienangehörigen oder eines anderen Menschen) oder sonst wie nennen. Diese eventuell störenden Fakten gehört eben zu unseren persönlichen Ausgangsbedingungen, die wir nur anerkennen, niemals aber erfolgreich leugnen können. Jede Leugnung würde sich rächen, weil der Einfluss doch da ist, im Fall einer Leugnung aber eben unbewusst, statt bewusst, und dadurch noch dazu unserem Einfluss entzogen.
Wenn ein Mensch seine ererbten oder erworbenen Illusionen durch eine Gemeinschaft von Anhängern der gleichen Illusion ständig erneuern lässt [einer Sekte, einer Partei, einem Gesinnungskreis], kann es sein, dass die Desillusionierung erst im Prozess des Todes erfolgt. Und doch bleiben natürlich auch in diesem Fall die Herausforderungen des Schicksals, die auf jene (unbewussten) Einstellungen zurückzuführen sind.
Wie viel Selbstbetrug jemand während seines Lebens aufrecht erhält, ist letzten Endes Sache der eigenen Entscheidung, die selbst aber zum Teil wieder bedingt ist durch die gegebenen Voreinstellungen, die gewisse Einsichten unter Umständen eben nicht zulassen. Deshalb heißt es in der Bibel wiederholt, Gott habe die Ohren gewisser Menschen verschlossen und deshalb heißt es, Gott erlege jedem genau so viel auf, wie er/sie tragen könne. Für manche ist es daher eine Gnade, dass es Betäubungsmittel gibt. Auch sie sind gottgewollt. Wer es nicht ertragen kann, sich das Grauen der eigenen Existenz anzuschauen, darf sich so lange betäuben, bis er es ertragen kann, die Wahrheit zu sehen – d.h. möglicherweise bis er tot ist. – Und das obwohl „das Grauen der Existenz“ selbst nur eine Illusion ist, die aber eben nur überwunden werden kann, wenn ein Mensch es wagt, sich diesem Grauen auszusetzen.
Wenn wir uns die Illusionen ansehen, in denen die Menschen leben, so sehen wir, was die Seher aller Zeiten immer schon gesehen haben: die Muster der Verbrämung – aber auch die Wege aus ihr heraus.
Zu den Mustern der Verbrämung gehören auch die dogmatischen Festlegungen der Religionen, die Umkleidungen ihres jeweiligen Mythos – natürlich nicht die Wahrheit dahinter. Die Wahrheit dahinter sind ja konkrete Menschen, die ein konkretes Leben führen oder geführt haben aus der Übereinstimmung, aus der Sensitivität sich selbst und der Welt gegenüber. Zu dieser Sensitivität sind sie gekommen, weil sie entschlossen waren, sich und die Welt ohne Vorurteile zu betrachten. Dadurch konnte sich der Spalt zwischen der Illusion und der Wirklichkeit verringern, bis diese Menschen sich nur noch genau auf der Linie beweg(t)en, auf der sie mit der Welt überein stimm(t)en. Gefragt, wie sie das machten, gaben sie Ratschläge, die eine vorurteilslose Öffnung erleichtern sollten. – Andere haben später aus diesen Vorschlägen unbedingt zu erfüllende Gesetze gemacht und damit die Öffnung wieder verschlossen.
Ursprünglich geht es einfach um Bewusstheit. Jede Technik, jeder Ritus, jede Vorschrift, jeder Glaube, der nicht in diese Richtung führt, entspricht den Intentionen der alten spirituellen Vorbilder nicht, sondern fügt den vorhandenen Verhärtungen nur weitere Schichten hinzu. Jede Technik dieser Art, jedes angebliche „Wissen“ verstärkt die Illusion, Kontrolle über das Leben zu haben, so sehr, dass daraus schließlich Vergewaltigungen und „Glaubenkriege“ aller Arten entstehen – die es natürlich nicht nur in den Religionen gibt, sondern auch in den Wissenschaften und in allen anderen Lebensbereichen.
Die Wahrheit ist: Niemand hat die Kontrolle. Wir Menschen können nicht bestimmen, sondern nur folgen. Im I Ching wird diese Tatsache symbolisiert durch das grundlegende Hexagramm II, die Erde, ihrem Sein nach dem Schöpferischen entgegengesetzt – aber gerade dadurch, wie es scheint, selbst schöpferisch, weil es der Schöpferkraft folgt. Die völlig offene Figur des Hexagramms zeigt, dass ein Mensch nur dann echt schöpferisch sein kann, wenn er sich der Tatsache bewusst ist, dass er/sie nicht der Schöpfer ist, sondern nur der Kanal des Schöpferischen.
Das biblische „Essen vom Baum der Erkenntnis von ‚gut’ und ‚schlecht’“ bezieht sich darauf, dass die Menschen dazu neigen, sich in die Illusion hineinziehen zu lassen, sie wären selbst die Schöpfer ihres Schicksals. Der Buddha sagt das mit seinen „vier edlen Wahrheiten“, durch die er zur Erkenntnis der Gier als Ursache des Leidens führen will. – Aber natürlich ist die Gier gleichzeitig eine der Triebfedern des menschlichen Lebens, eine schöpferische, göttliche Kraft. Sie führt uns zu unserer Auseinandersetzung mit der Welt. Es macht aber allen Unterschied, ob ein Mensch diese Triebfeder als solche einfach sieht samt ihren oft sehr schmerzlichen Folgen oder ob er sie (moralisch) beurteilt. Durch moralischen Druck kann sich diese Triebfeder in ein heimtückisches Monster verwandeln [wie im Fall rigoristischer Unterdrückungen], durch bewusstes sein Lassen dagegen [also nicht Bewerten] kann diese Triebfeder von selbst [unmanipuliert] eine andere Richtung gewinnen, eine heilsame Richtung. Dann kann es beispielsweise geschehen, dass jemand nicht mehr „keinen Ruhm“ möchte oder ohne „Ego“ sein möchte, sondern dass er den Ruhm, ohne ihn anzustreben, gleichsam in Kauf nimmt als Nebeneffekt der Erfüllung seiner Aufgabe. Jemand, der sich auf die Mitte seiner Sehnsucht konzentriert, wird durch das, was er da vorfindet, fähig, sich zur Verfügung zu stellen für die Nöte der Menschen. Bei ihm/ihr ist dann auch das [natürliche] Streben nach einer hervorragenden Stellung an seinem richtigen Platz – aber es kommt nicht an seinen richtigen Platz, wenn ich zu jemand sage: „Du darfst dich nicht in den Vordergrund stellen“ oder „Du musst dich zur Verfügung stellen!“ Die Erfüllung höchster Moral geschieht nicht durch den Willen, sie zu beachten, sondern [als Nebenprodukt] von selbst, sobald ein Mensch sich nicht mehr auf periphere Ziele, sondern auf die Mitte seiner Sehnsucht konzentriert. Da entdeckt ein Mensch das sich zur Verfügung Stellen als eine Quelle viel tieferen Glücks als das für sich haben Wollen.
Woher kommen diese Worte? Daher, dass die schöpferische Kraft sie in mir spricht. Ich soll sie mitteilen, was ich hiermit tue – von jedem Ruhm meilenweit entfernt, einsam in meinem Zimmer sitzend, weitgehend ausgeschlossen von dem, was gewöhnlich als „Glück“ gilt. Von den „Freuden des Lebens“ habe ich wie in Form eines Musterkatalogs einzelne Beispiel serviert bekommen aus allen Bereichen. Als ich nach Wiederholung oder nach der Fülle dieser Beispiele suchte, entzog sich mir das „Glück“. So hatte ich keine Wahl, als mich auseinander zu setzen mit dem, was „Glück“ eigentlich ist. Und dabei kam ich zu ganz ähnlichen Ergebnissen, wie die alten Meister und Propheten. Und daher befinde ich mich auf dem Weg, meinen Willen mit dem göttlichen Willen abzustimmen, den Spalt zwischen den Welten zu finden und mich in ihm zu bewegen. Ich bin noch bei weitem nicht so einfühlsam, wie ich es gerne wäre, aber ich weiß inzwischen, dass es Vollkommenheit auf dieser Welt ohnehin nicht gibt. „Was nennst du mich ‚gut’? Nur einer ist gut, nämlich Gott“, sagte schon Jesus.
Wir haben keine äußere Richtschnur. Wir haben nur unsere Wahrnehmung. Wir können nur ehrlich sein und dadurch auf Schritt und Tritt eben riskieren, in den Augen der anderen oder auch tatsächlich völlig daneben zu liegen. Das tiefste Risiko dieser Art ist Jesus eingegangen mit seiner Entscheidung (die, wie wir wissen, ja nicht seine war) für seinen Tod.
Wenn wir sicher sein wollten, indem wir einer Moral folgten, könnten wir letzten Endes auch nur wahr nehmen, wie weit diese Moral von der Wirklichkeit entfernt oder ihr nah ist. Egal also, welchem Weg wir folgen, ob gleich dem Weg der Aufmerksamkeit auf unsere innere Wahrheit oder dem Weg der Moral, also der Aufmerksamkeit auf eine äußerliche Verpflichtung, wenn wir ehrlich sind, müssen wir am Ende die göttliche Spur auf der Erde entdecken – und dann werden wir uns nicht mehr so viel einbilden auch auf das am besten Ausgedachte. Dann entdecken wir nämlich den Schöpfer in uns selbst. Und am Ende gibt es keine äußerliche Verpflichtung mehr.
Das gilt auch für die äußerlichen Vertreter eines in solchen Verpflichtungen definierten Weges. Es ist nur sehr schwierig, in solchen Positionen bei klarem Bewusstsein, und damit wirklich demütig zu bleiben und nicht berufsmäßig Demut zu spielen und damit zu lügen. Selbst eine gefühlt befolgte Solidarität mit denen in der Illusion (die wohl extrem selten zu finden sein wird, weil sie eine sehr hohe Bewusstheit voraussetzt) würde sie nicht entbinden von der aller Natur als primär auferlegten Verpflichtung zur Bewusstheit. Es gibt daher keine Entschuldigung für Unbewusstheit. In der Bewusstheit aber finden wir immer sowohl die Lösungen unserer Aufgabe, als auch unsere persönliche Wahrheit, und wir sehen, dass wir niemals selbst die Quelle der Weisheit sind, sondern im besten Fall „Kanäle“ (das wäre der heute entsprechende Ausdruck für das biblische „Sklave Jahwes“) für die göttliche Energie.
Von da an ist unser Schicksal in keinem Fall mehr Unglück, sondern von da an kommt aus ihm das wahre Glück für uns, von da an wirkt tatsächlich „die Hand Gottes“ in unserem Leben. Und so ist es dann keine Frage mehr, ob wir unser Schicksal annehmen. Indem wir seine Natur erkennen, wird es zu unserem Glück. Von da an wissen wir, dass wir gerade durch unser Schicksal geführt werden und in diesem Wissen sind wir geborgen – bis sich weitere Tiefen auftun, der Einsicht in den „Willen“ „Gottes“ und dessen, was es mit der schöpferischen Kraft überhaupt auf sich hat. Denn dann kann es mitunter auch notwendig werden, auf die Geborgenheit zu verzichten – im Extremfall so weit wie Jesus in dem Moment, als er sagen musste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Jeder Schritt tiefer geht über eine neue Schwelle dieser Art. Eine Schwelle völliger Unsicherheit, völliger Ungeborgenheit, völligen Risikos. Das ist das, was mit „Glauben“ gemeint ist. Dieses Vertrauen. Dieses Sich Trauen. Dieser Sprung in den möglichen Tod.
Wer diese Risikobereitschaft nicht aufbringen kann, kommt auch nicht voran auf seinem Weg. Er bleibt Opfer, also etwas, das am Ende ausgeschieden wird. So ein Leben ist kein Glück. Und auch die Bewusstheit kommt nur durch diesen Sprung. Wer nichts wagt, kann nichts gewinnen. Das ist das Gesetz des göttlichen Willens, da Gott selbst diesen Sprung gemacht hat in die materielle Existenz, in das Nichtwissen, in die Unbewusstheit des Daseins in der Welt – und damit meine ich nicht nur jenen Menschen vor zweitausend Jahren, in dem sich dieser Mythos konkretisiert hat, weil er in einzigartiger Weise den Weg Gottes symbolisierte – ich meine Gottes uranfängliches sich Verschwenden und seinen Abstieg in die völlige Dunkelheit der materiellen Existenz, „in die Hölle“, wie es im christlichen Credo heißt. (Schon klar, dass hier jede Religion mit jeglicher „Gnosis“ versöhnt ist).
Der Weg des „Geschaffenen“ geht von der Unbewusstheit in die Bewusstheit und schließlich durch ein völliges sich Entäußern von jeder eigenen Individualität zurück in jene eine Bewusstheit, aus der alles in jeder Gestalt hervorgegangen ist.
Ein erster Schritt auf dem Weg in die Bewusstheit und gleichzeitig auch dessen Folge ist das Akzeptieren des eigenen Schicksals. Von da an nimmt die göttliche Führung eine andere Gestalt an. Jeder Fluch verwandelt sich in diesem Augenblick in einen Segen. Wer sein Schicksal dagegen nicht akzeptiert, wird fortwährend geschlagen – von den Kräften des Lebens (und seien es mobbende Arbeitskollegen). Wer sein Schicksal akzeptiert, kann es sich ansehen wie von außen und er kann sich darauf einstellen, so dass er den Platz findet, an dem er in Frieden sein kann – und mit diesem Platz meine ich nicht unbedingt einen festen Ort oder eine feste Stelle, sondern so etwas wie die eigene Rolle, die eigene Aufgabe im Gefüge der Welt, die, wie gesagt, insgesamt in Richtung Bewusstheit strebt.
Bewusstheit bedeutet logischerweise immer tiefere Abwesenheit von Eigensinn und immer größere Anwesenheit von „Sinn“ im Sinn von Wahrnehmung des Ganzen – nach innen und nach außen. Von innen kommt das Streben nach immer tieferer Zufriedenheit, nach Übereinstimmung, und außen ist das Übereinzustimmende, die Aufgabe. Durch die bewusste Konfrontation der beiden Pole entsteht ein Wunsch-Bild, ein Ideal, das den Ist-Zustand [teleologisch] transzendiert und in Richtung Bewusstheit befördert.
Dass die Bewusstheit sowohl Motiv als auch Ziel ist, ist Erfahrungstatsache all derer, die evolutionäre Schritte aller Art vollzogen haben, Künstler der verschiedensten Art, aller Bereiche des Lebens. Sie, durch die uns alle schönen geschaffenen Gestalten mitgeteilt wurden, wissen, dass nicht sie es sind, die irgendetwas schaffen, sondern dass es eine göttliche Kraft ist, von der sie sich benutzen lassen können – immer im Bewusstsein des Risikos des Todes und daher immer aufmerksam, trotzdem aber ohne Angst und voll Vertrauen.
Bevor ein Mensch sein Schicksal akzeptiert, lebt er in ständiger Angst – auch wenn ihm diese Angst nicht ständig bewusst ist. Diese Angst macht ihn schwach und anfällig für viele Arten von Angriffen. Das ist das „Fegefeuer“ des Lebens. Im günstigen Fall ist es das treibende Feuer, das berühmte „Feuer unterm Arsch“, das uns hoffentlich bald genug Antrieb gibt zu unserem eigenen Glück. Unter ungünstigen Ausgangsbedingungen treibt uns diese Angst aber in die Depression, aus der es nur einen Ausweg gibt, nämlich dass wir unsere hoffnungslose Lage wieder als solche wahrnehmen und dass wir den Schmerz wieder fühlen, der damit verbunden ist.
Im sogenannten „heilsgeschichtlichen“ Sinn verläuft die Entwicklung der Menschheit ähnlich wie im persönlichen Bereich, nämlich nicht als eine gerade aufwärtsstrebende Linie, sondern mit Einbrüchen, Rückschlägen, Rückfällen in die Unbewusstheit – etwa von der Art wie der Rückschlag für die Indianer durch die vergleichsweise unsensiblen europäischen Siedler in Nord- und Südamerika oder der Rückschlag für die ursprüngliche Bevölkerung Europas durch den Einbruch der Germanen ins römische Reich. Eine neue Synthese wurde jeweils notwendig. Der Evolutionssprung in Europa wurde [nach dem zunächst erfolgten Niedergang der Kultur] insbesondere durch die Auseinandersetzung mit dem Islam gefördert, der Europa als einzige andere Kultur ja zunächst [insbesondere als Träger der Kulturtradition der Antike, aber auch durch seine spirituelle Frische] geistig befruchtete und dann militärisch bedrohte und damit herausforderte. Heute erzeugt eine ähnliche Gefahr der Kulturverdunkelung durch die gegenwärtigen Völkerwanderungen einen neuen Evolutionsdruck, gleichzeitig aber bietet die universelle Erreichbarkeit aller Kulturen in der Welt, also die globale Kommunikation gute Voraussetzungen für einen neuen Sprung in die Synthese. Zum Glück müssen wir über diese Dinge heute außerdem nicht mehr in einer mythologischen Sprache reden, wie noch im Mittelalter. Wir können direkt darüber sprechen. Und so wird auch die Sprache der neuen Synthese keine mythologische mehr sein, sondern eine für alle direkt verständliche, also genau das, wonach sich Jesus und die Propheten, also die ursprünglichen Wegbereiter unserer Kultur, so sehr gesehnt haben.
Die Sehnsucht und ihr Ziel
(23. 6. 2001)
Ich stelle fest, ich bin unzufrieden. Mir fehlt etwas. Wie kann ich es erreichen?
Zunächst einmal muss ich natürlich herausfinden, was ich möchte und mich darauf gefasst machen, dass dieses Möchten wie eine Zwiebel mit vielen Schichten ist und dass die Schicht, die ich zunächst sehe, nicht unbedingt die ist, die ich auch wirklich essen möchte.
Also wie ist es zu bewerkstelligen, durch jene verwirrenden Schichten hindurch das wirklich Fehlende zu finden?
Wenn ich es nicht schaffe, den oberflächlichen Wunsch zu erfüllen, ist das, was ich so wünsche vielleicht jetzt nicht für mich und ich muss warten, bis mein Wunsch stark genug ist, sodass ich ihn einfach erfülle, indem ich alles tue, was dazu nötig ist.
Dennoch bin ich jetzt unzufrieden und glaube, das Leben zu versäumen. Und so taucht auch die Frage auf, was unter der diffusen Oberfläche meines Wunsches liegt – ob ich etwa neidisch bin und etwas aus dem Leben eines Anderen möchte oder etwas anderes. Ich kann es nur erfahren, indem ich den Weg da hin (also eventuell zu Lebensumständen, die andere, die ich bewundere oder beneide, bereits erreicht haben) selbst beschreite. Dazu muss ich natürlich meine Grenzen überschreiten, über mich hinauswachsen. So nähere ich mich dem Ziel meiner Sehnsucht, und das ist meine Lebensaufgabe. Sonst gibt es keine. Das [die Erfüllung meiner Sehnsucht] hat das Leben für mich vorgesehen und für alle anderen natürlich auch.
Die einzige Frage, auf die es im
Leben ankommt, ist die, ob ich diese Aufgabe erfülle oder nicht. Erfülle ich
sie, so komme ich näher zum Licht, wenn nicht, nähere ich mich der Finsternis.
Und in ihr natürlich der Hölle, die nämlich nichts anderes ist als das Feuer
der Unzufriedenheit, das an uns nagt, bis wir uns auf den Weg machen und etwas
tun für uns selbst. Insofern ist natürlich klar, dass einer, der tot ist,
nichts mehr tun kann für sich selbst, weshalb das Feuer ein ewiges ist. Ein für
immer Ausgeschiedener.
Um Missverständnisse dieser Aussage
zu vermeiden möchte ich hinzufügen, dass ich damit nicht sagen will, dass es so
etwas wie eine „ewige Verdammnis“ gibt. Tatsächlich gibt es in allen Menschen
eine Ebene der Wahrnehmung, auf der das Ziel der Sehnsucht – nämlich die
Erfahrung des Einsseins mit der liebenden Schöpferkraft – unmittelbar da ist.
Daher ist es höchst wahrscheinlich, dass ein Sterbender diese Wahrnehmungsebene
erreicht. Aber es bleibt in diesem Fall schon sehr sehr schade, dass das ganze
Leben vorübergegangen ist ohne diese Erfahrung, denn es hätte ein Leben in
dieser Erfahrung sein können.
Dennoch, sobald die Erfahrung da
ist, ist alles gut und alle früheren Schmerzen sind vergessen – so wie es in
der Apokalypse heißt: „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen : Der Tod
wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher
war, ist vergangen.“ (21,4).
Das Kriterium dabei sind logischerweise keine äußeren Maßstäbe, sondern allein das eigene Empfinden. Jeder spürt ja genau, wie nah oder fern er/sie seinem/ihrem Idealbefinden ist. Wenn die Entfernung groß ist, gilt es natürlich, was zu tun.
Zunächst natürlich wieder einfach wahrzunehmen, was da ist und sich von dem bewegen zu lassen.
Wenn etwas in uns brodelt und wir nicht wissen, was es ist, dann liegt eine Art Deckel darüber, sodass es nicht zutage treten kann. Dann brodelt es in uns. Es wird gut sein, den Topf zu entdecken, in dem es brodelt, damit er nicht explodiert. Und dann, hineinzusehen, sich dem Schmerz, der darin brodelt, auszusetzen. Und dann, Mitgefühl für sich selbst zu empfinden (nicht Selbstmitleid!) und vielleicht um Hilfe zu bitten, wenn es allein nicht zu schaffen ist. Und wenn sonst niemand da ist, der uns helfen könnte, dann müssen wir die Kraft, die uns ins Leben gerufen hat, fragen um Hilfe, um Ideen, um Kraft, um Einsicht. Das ist die Auseinandersetzung mit uns selbst und mit der Welt. Das ist der Weg, der zu Bewusstheit und Erfüllung führt.
Wenn der Topf schon explodiert ist [z.B. in einer psychischen Erkrankung], wird es gut sein, sich zu sammeln. Irgendwo anfangen, bei einem Zipfel des Eigenen und von da aus schauen, wo alles geblieben ist – und es dann zurückholen, Stück für Stück sich wieder anschließen.
Einfach schauen, ohne Urteile, lässt uns die Teile wieder finden. Es darf alles sein. Wir müssen nichts ausschließen. Und das Schlimme in uns, das wir eben auch zulassen und annehmen müssen, das brauchen wir nicht unbedingt so viel ansehen. Wir können doch auch, wenn wir seine Existenz angenommen haben, auf das Andere schauen. In jedem gibt es viel Schrott, in dem man sich verlieren kann. Das muss nicht sein. Wir können den Schrott ruhig ruhen lassen und uns auf das Lebendige konzentrieren. Das ist nämlich auch da, sogar in denen, in denen der Topf bereits explodiert ist. Dieser Zipfel, von dem ich sprach, ist der Lebensfunke in uns, unsere Lebensmitte, das, von dem aus wir sehnen und fühlen. Ein bisschen was davon ist in jedem auch noch so Zersplitterten immer noch übrig, solange er lebt. Also rein da und schauen!
Irgendwann wird vielleicht die gewohnte Panik wieder die Oberhand gewinnen und alles zerfällt wieder. Aber dann geht es eben weiter beim nächsten Mal. Und beim übernächsten Mal und so weiter. Wer sich einmal an diesen Weg erinnert hat, kann sich immer wieder daran erinnern. Und irgendwann ist die Sammlung abgeschlossen. Dann sind wir wieder ganz und können der Welt getrost gegenübertreten – was wir zwischendurch ohnehin auch immer wieder müssen (und was wir auch irgendwie immer wieder können).
Also sammle dich und schau, was du alles bist. Wie gesagt, alles ist o.k.. Alles darf sein (auch das Verbotenste und Geheimste). Aber mit dem, was sich gut anfühlt, geht es weiter. Immer weiter damit. Zu dem hin, was sich gut anfühlt. Das ist die Richtung, die jeder möchte.
Also schau: Was wäre jetzt gut? Und wenn das nicht geht, was wäre das Nächste und so weiter, bis wir an unserem momentanen Level angekommen sind. Da müssen alle anfangen – nicht nur die, deren Topf schon explodiert ist. Und von da an, wie auch eben schon gesagt, immer weiter, über unser gegenwärtiges Selbst hinaus zu einem neuen Selbst, das wir noch nicht kennen, das dann aber selbst wieder Ausgangsbasis sein wird für den nächsten Schritt.
In den Topf hineinschauen können wir, indem wir das Brodeln körperlich fühlen und dieses Gefühl sich ausbreiten lassen über unseren ganzen Körper und diesen bewegen lassen von diesem Gefühl. Höchstwahrscheinlich werden da Zuckungen kommen und Wellen durch den Körper laufen. Das alles muss raus. Vorher kann man in den Topf nicht hineinschauen.
Und wenn die Wellen nicht aufhören, muss man sie natürlich von Zeit zu Zeit stoppen, um sich mit den Notwendigkeiten des Überlebens zu beschäftigen. Wenn dann aber wieder Zeit ist, ist es auch Zeit, das Brodeln zu befreien und die Wellen weiter laufen zu lassen. Ohne, und das ist ganz wesentlich, ohne sich von düsteren Wellen verschlingen zu lassen. Wir müssen da nicht hineingehen. Wir können rein im Körper bleiben und die Wellen rein muskulär ablaufen lassen. Irgendwann hören sie auf. Dann ist der Druck raus und wir können hineinschauen. Und wir werden den Inhalt aushalten. Und wenn wir den Inhalt kennen, können wir auch schauen, wie wir was verbessern können, damit in Zukunft nicht so viel brodelt.
Es ist klar, dass wir schauen müssen, was für unerledigte Geschäfte wir noch am Laufen haben und die abschließen, entweder indem wir sie in die Ablage legen, als nicht mehr aktuell oder indem wir sie der Reihe nach angehen und bearbeiten.
Diese „Geschäfte“ sind möglicherweise auch irgendwelche Programme, die uns mitgegeben worden sind auf dem Weg. Programme möchten immer irgendwelche Ergebnisse sehen. Aber vielleicht brauchen wir das Programm gar nicht. Vielleicht war es eigentlich für andere bestimmt oder vielleicht sollte es nur für eine bereits abgeschlossene Lebensphase dienen. Wir müssen es herausfinden. Das betrifft sogar die biologischen Programme, wie Fortpflanzung, Brutpflege, Nestbau, Terrainabgrenzung, Jagdmethoden etc.. Hinter all dem aber steckt ein noch tieferes universelles Programm, nämlich das Erkennen des Seins. Wer alle Geschäfte abgeschlossen, alle Aufgaben schon gelöst hat, kann sich damit beschäftigen. Die anderen haben nicht die nötige Konzentration. Bei ihnen geht es eben um die Lösung der Aufgaben und darum, sie alle abzuschließen, so dass die Kraft frei wird für das Letzte, das Höchste, das Eintauchen in die universale Kraft, das diese Kraft Verstehen und darin letzten Endes Aufgehen – nicht als Verlust, sondern als Gewinn. Logischerweise kann da hin keiner kommen, der noch an etwas festhält, dem noch etwas wichtig ist, der noch ein Geschäft laufen hat.
Mit all dem will ich keine Bewertung dieses Moment geben. Dieses Eintauchen ist nicht „gut“ oder „schlecht“. Auch wenn es wieder aufhört, ist es gut. Der Weg in die Bewusstheit ist eben ein lebensbegleitendes Eintauchen und Wiederauftauchen und dabei sich selbst und die Welt kennen lernen. Jeder Mensch, dem es vergönnt ist, diesen Weg zu gehen ist zu beglückwünschen. Und am Lebensende, wenn es zu Lebzeiten da war, wird dieses Eintauchen kein Ende mehr haben – was nicht heißt, dass ES nicht an einer anderen Stelle wieder austritt und erneut eintritt in die Welt – denn es wird ein sich vollkommen Verlieren, ein vollkommenes darin Aufgehen sein, ein sich Vereinen mit dem einen Bewusstsein, wissend, dass es kein Zurück (in die Individualität) mehr gibt. Denn was ist schon das Einzelne im Vergleich zum Ganzen. Vielleicht aber langweilt sich das Ganze wieder bei sich selbst und stößt etwas von sich aus, was dann wieder in der Welt erscheint und meint, es wäre wer und hätte dies und das zu tun und an dem und dem zu leiden. Und es kann wieder nichts tun, als sich von seinem Leiden beflügeln lassen, entdecken. Experimente sind angesagt.
So geht der Weg bis ganz ins Licht. Immer wieder sich durch Leiden beflügeln lassen, immer wieder wagen, immer wieder den Spalt überspringen, der uns von unserem Ziel trennt, der uns zunächst sogar von dem Weg zu unserem Ziel trennt. Wir müssen uns einfach aufmachen, aufraffen, zunächst vor allem zur Klarheit über unser Möchten.
Dankbarkeit
(24. 6. 2001)
Mein ganzes Leben lang bin ich immer dem gefolgt, was ich fühlte, wenn auch sicher nicht total genug. Aber ich habe es gemacht, so schlecht vielleicht auch immer. Ich bin ein schwacher, mit vielen Fehlern behafteter Mensch, ich bin nicht perfekt. Ich bin kein Heiliger. Aber ich sehe auch, dass es gar keine Heiligen gibt – außer vielleicht jenen, die diesen Weg gehen, die durch das Leiden hindurchgehen, durch den Tod in die Auferstehung, denn ohne Tod gibt es keine Auferstehung.
Alles, was mich aufhält, schmerzt mich zwar, aber gerade durch Schmerz und Kapitulation, also durch Tod erlebe ich ständig neue Auferstehungen, die mich auf immer neue Ebenen bringen, so dass ich nach und nach meine Schulden an das Leben begleichen kann.
Ich brauche keine Angst haben. Ich brauche von jetzt an keine Angst mehr haben. Die Kraft ist mit mir – die Kraft des Todes, die Kraft des Eingestehens der Not. Das ist das neue Evangelium, die neue Sutra, so kurz: „Die Kraft des Eingestehens der Not. Das ist die Lösung“. „Die innerste Wahrheit bewegt sogar Schweine und Fische“, sagt das chinesische Orakel „I Ching“.
Und die Bibel bestätigt: Der liebe Gott hat die Welt so eingerichtet, dass auf das Eingeständnis der Not die Erlösung folgt.
Sobald ich schwach bin, bekomme ich Hilfe. Natürlich kann ich die Schwäche einsetzen, wie es viele unbewusste Menschen tun, um andere zu tyrannisieren, aber nach dem Eingeständnis der Schwäche kann ich meine Schwäche positiv einsetzen, ohne Hintergedanken, einfach als das, was ist, und das bringt die Erlösung ohne irgendjemand zu belasten. Alle profitieren. Alle freuen sich. Keiner fühlt sich ausgeschlossen. Alle gehören dazu, jeder auf seine Weise. Und wenn einer akzeptiert wird, wofür sollte er noch rebellieren? Oder verrückt werden? Das alles wird überflüssig, einfach durch jene kleine Regel.
Gestehe deine Not ein und bitte um Hilfe und die Hilfe kommt. Du bist nicht allein. Die Welt ist so gebaut. Das ist kein psychologischer Trick, sondern ein Naturgesetz. Und dieses kleine Wissen bringt jene stets von allen überall gesuchte Erlösung. Natürlich muss ein Mensch dazu runter von seinem hohen Ross – der Einbildung, er wäre besser. Keiner ist besser. Alle sind bedürftig und wenn sie nicht bekommen, was sie brauchen, werden sie sauer und böse und das hat seine Konsequenzen, Morde, Kriege etc. Aber das muss nicht sein. Es gibt einen anderen Weg. Es gibt auch eine mögliche Kulturform, in der das praktiziert wird, in der das als die heilige Botschaft tradiert wird, weil die Menschen erkannt haben, dass es so ist. Es ist einfach die Erlösung aus lebenslanger Angst.
Wer möchte davon nicht erlöst werden? Und dieser Weg verlangt keinen gesonderten „Gottes-Dienst“, einfach nur die Wahrheit, das, was ist. Die Angst ist da. Zeige sie doch, gestehe sie dir ein und bitte um Hilfe und sie wird verschwinden. Das ist ein möglicher Weg für alle – ohne schwere Bürden. Einfach nur das. Keine andere Disziplin. Nur die Wahrheit. Und die ist doch ohnehin der Fall, also was wollen wir sie länger leugnen. Es ist, was ist. Alle sehen es ohnehin, aber es macht die Welt eines Unterschieds, ob wir es zugeben oder ob wir vorgeben drüberzustehen.
Die drüberstehen, bekommen die Hilfe natürlich nicht. Die müssen sie sich erkämpfen und wissen immer, dass das eigentlich nicht das ist, was sie wollen. Sie wollen doch auch zuerst einmal geliebt werden. Doch wer liebt einen, der drübersteht? Das törnt doch alle nur ab.
Außer „die Diener des Tiers“ (Apokalypse) natürlich, die wollen imponieren und dadurch die Menschen gewinnen, durch Druck, durch Zwang. Das bedeutet ja „imponieren“, jemand eindrücken. Wir brauchen niemand eindrücken, um Hilfe zu bekommen, wir brauchen nur unsere Bedrücktheit zugeben und schon wird es besser.
Die Diener des Tiers werden dagegen letzten Endes keine Chance haben, weil sie es doch selber spüren, dass da was nicht stimmt. Sie werden am Ende umfallen und zugeben, dass auch sie Bedürfnisse haben. Und dann werden auch sie erlöst sein.
Das ist unsere Arbeit [A. Mindell nennt das „Weltarbeit“], diese Welt zu errichten, hier und jetzt, nicht in einem abgegrenzten Zirkel religiöser Freaks, sondern im ganz normalen Leben.
Ich kann nur staunen über die Worte, die hier aus mir herauskommen. Es ist eine absolute Gnade, die mir gewährt wird, dass ich ein sehr beteiligter Zeuge dieses Vorgangs sein darf. Es ist ein Wunder. Ich kann nichts dafür.
So einfach ist das, was [jede] Religion eigentlich ist. Alles andere sind Formen, die nur verdecken, worum es geht. Allzu viele halten sich mit den Formen auf und spintisieren alles Mögliche hinein. Es braucht keine Formen dieser Art mehr. Diese Zeit ist gottseidank vorbei. Mit all ihrer mörderischen Bigotterie. Es gibt sie ohnehin noch genug, noch viel zu viel. Nur weil sie alle immer so gut sein wollen, dafür müssen die anderen schlecht sein. Ich will nicht gut sein, denn ich weiß, ich kann es gar nicht. Und so sind mir die anderen auch nicht schlecht, die es, wie ich, auch nicht können.
Mein Mitgefühl ist im Moment mit den Starrsinnigen. Es ist schade, dass sie so viel Leid erzeugen für sich selbst und für so viele andere. Es ist schade. Sie können nämlich aufhören damit, sobald sie den ersten Hoffnungsstrahl gesehen haben, dass es eine andere Möglichkeit wirklich gibt, dass es keine Illusion ist und auch kein Märchen, dass es diese Möglichkeit, Frieden zu finden, wirklich gibt. Aber was berührt diese Starrsinnigen? Einfach auch ihr Schmerz, der doch da ist, denn diese ständige Verkrampfung tut weh. Der Schmerz ist der Auslöser, dann nicht mehr neuen Kampfes, sondern der Erlösung, die auch für sie im Zugeben ihrer Bedürftigkeit besteht.
Es ist eine enorme Schwelle des Stolzes, die da zu überwinden ist. Aber wenigstens für den Verstand ist das Argument klar: Die Heilung kommt von der Wahrheit. So einfach ist das. Und sich daran zu erinnern, wird helfen.
Was ist „der Teufel“?
(30. 6. 2001)
Gewöhnlich denken die Leute, wenn sie an den „Teufel“ denken, an eine mysteriöse Wesenheit, die ihnen übel will. Sie haben daher oft Angst und sie verbünden sich mit der ebenso mythisch-magisch gedachten positiven Kraft, um geschützt zu sein. Manche aber meinen deshalb, sie müssten sich mit dieser Wesenheit selbst verbünden, um keinen Schaden zu erleiden. Das sind dann die „Teufelsanbeter“. Sie alle täuschen sich. Beide leiden am gleichen Missverständnis. Denn der Teufel ist keine Wesenheit an sich. Das ist er nur innerhalb einer [symbolisch]magischen Weltsicht. Nüchtern betrachtet ist „er“ einfach etwas, das aus uns herkommt, wenn wir böse werden. Und wer wird nicht wenigstens gelegentlich böse? Jeder kennt das doch!
Die Theologen anerkennen das zwar irgendwie und sie sprechen daher auch von einer Art gutem Bösen, das beispielsweise gegenwärtig sein soll in dem, was sie „heiligen Zorn“ nennen. Aber gerade indem sie diesen Unterschied machen zwischen einem heiligen und einem unheiligen Zorn, was natürlich irgendwo seine Berechtigung hat und ein bestimmtes Verständnis vertiefen kann, in unserer nüchternen Zeit vertieft sich durch diese Unterscheidung nur das Missverständnis. Deshalb will ich nun ein anderes Verständnis präsentieren, das heute das Verstehen vertiefen kann:
Jeder Mensch wird, wie gesagt, gelegentlich böse. Irgendwie kann man [fast] alle so sehr reizen, dass sie ausrasten. Dann kommt das Böse zum Vorschein – und mit Recht! Der Teufel ist unser Notprogramm. Wenn sich ein Mensch überhaupt nicht mehr zu helfen weiß, wird er entweder alles hängen lassen und aufgeben (er verfällt in eine Depression), nämlich wenn jede Gegenwehr aussichtslos erscheint, oder er wird, wenn er auch nur die geringste Chance sieht, sich aufbäumen und seine Hörner zeigen, die er für diesen Zweck doch hat! Und so kann man ermessen, was für ein Grauen es darstellen musste, wenn jemand beschuldigt wurde, „vom Teufel besessen“ zu sein und man versuchte, den Teufel auszutreiben – vielleicht das letzte Stück Selbstbehauptung, das diesem Menschen noch geblieben war in all der Unterdrückung, derer er sich nicht mehr anders zu erwehren wusste, als dadurch, eben böse zu werden. Kein Wunder, dass Jesus im Gegensatz dazu wirklich Teufel austreiben konnte, nämlich durch sein Verstehen. Und so mussten sie nicht mehr böse sein. So einfach war sein Exorzismus. Alles andere ist Missbrauch.
Das Problem ist nicht das zum Vorschein Kommen des Bösen, sondern die Unbewusstheit, die oft damit verbunden ist. Dadurch nämlich vergessen solche Menschen sich oft ganz und gar und sie verwandeln sich in echte Teufel und ziehen eine Spur der Vernichtung durch die Welt. Das ist natürlich übel. Aber auch diese unbewusste Vernichtung ist nur die andere Seite des Schöpferischen. Es ist notwendig. Die Zerstörung richtet sich zunächst zwar immer gegen all das, was niemand mehr unterstützt, was nur noch behindert. Allerdings wirkt es eben auch blind in seinem eigenen Umfeld. Dabei kommen viele Unschuldige zu Schaden. Es wirkt eben auch als eine blinde Kraft, die den ersten Schaden streut und verbreitet.
Die wirkende Kraft selbst ist natürlich keine Person mit Absichten wie ein Mensch, nur die Ausführenden sind Menschen mit oft unbewussten Absichten. Die zerstörerische Kraft selbst ist nur die andere Kraft, die der vorantreibend positiv schöpferischen Kraft entgegengesetzt ist als deren notwendige andere Seite. Irgendwoher muss das Material ja kommen für die Schöpfung. Es beruht doch alles darauf, dass aus dem Verfall neues Leben sprießt. Angefangen vom reinen Licht des Anfangs, dessen Verfall die Dunkelheit und aus ihr das Neue, das Materielle, in dem aus dem Dunkel wieder Licht wird, eine andere Art Licht, die Bewusstheit, die möglicherweise eines Tages alles erfassen und als reine Bewusstheit wieder jenes Licht erzeugt, in dem schon unsere Welt ihren Ursprung fand. Eine ewige Welle von Verwandlung durch Vergehen und Werden.
Der „Teufel“ ist der notwendige Förderer dieses Prozesses, aber „er“ ist keine eigenständige Kraft, denn es gibt eine übergeordnete Intention, nämlich Bewusstheit. Diese Kraft ist eine Dienerin der Bewusstheit.
Auch in unserer persönlichen Welt bedeutet der Teufel genau das. Wenn wir böse werden, ist ein zerstörerischer Prozess am Werk. Etwas davon hat uns betroffen. Sonst würden wir nicht böse werden oder geworden sein. An uns liegt das nicht, für uns gibt es nur die Frage, wie wir damit umgehen. Wir sind ja Menschen, wir sind den Einflüssen, denen wir ausgesetzt sind, nicht einfach unterworfen. Wir können sie erkennen und fühlen, was dahintersteht. Dann sind wir nicht mehr Sklaven dieser Kräfte. Wir können uns auch an der anderen Kraft orientieren. Dann werden wir unseren Schmerz nicht mehr leugnen mit Hilfe irgendeiner Art „positiven Denkens“, dann werden wir ihn voll zur Kenntnis nehmen. Und das bedeutet, dass wir auch sehen, was ihn veranlasst hat. Dann können wir uns auch auf ihn einstellen. Dadurch werden wir eine Lösung erkennen, entweder indem wir auf den Quell des Schmerzes einwirken oder indem wir ihm aus dem Weg gehen. Und wenn wir keine Lösung erkennen, dann ist das unser nächster Schmerz, den wir nur der anderen Kraft gegenüber äußern können, nämlich der Kraft, die alles zur Entwicklung vorantreibt. Ihr gegenüber können wir unsere Verzweiflung zugeben, ihr können wir unser Leid klagen, indem wir fühlen und eben nicht verleugnen. Indem wir unseren Tod jetzt zulassen, die absolute Hilflosigkeit, die Auflösung der Existenz. Das ist Kapitulation. Sich völlig dieser Kraft ausliefern und in ihr ruhen. Dann ist da die Kraft des Kosmos.
Es ist aber ein starker Zug, der diesem Weg der Wahrheit entgegensteht, der Zug in die unbewusste Selbstaufgabe, in das sich fortreißen Lassen von irgendwelchen gerade daherkommenden Strömungen. Die Geschichte des Kain ist so eine Geschichte des sich unbewusst fortreißen Lassens von der Strömung einer Frustration. Es ist einfach die falsche Richtung, die Richtung, die der Entfaltung entgegengesetzt ist, die weiteren Schmerz erzeugt und weiteren Tod, der natürlich dann seinerseits wieder Anlass gibt zu größerer Bewusstheit. Es ist keine Frage der Moral, sondern nur der Folgen, die ein Verhalten hat für den, der es hat. Also in etwa die Idee von „Karma“, die ganz einfachen Folgen von Handlungen und Gewohnheiten. Kain fühlte sich nicht sehr wohl nach seinem Brudermord. Er fügt sich also auch selbst mehr Tod zu, eine Art unbewusster Selbstbestrafung. Aber der erhöhte Schmerz wieder kann ihn herausführen aus dem Dunkel seiner Unbewusstheit. So wirkt der Teufel in einer durchaus positiven Weise. Er macht uns die Hölle heiß, wenn wir uns abwenden von der positiv schöpferischen Kraft.
Und all das heißt nicht, dass einer, der auf diesem Weg durch Tod und Auferstehung hindurchgegangen ist, nicht auch zerstörerisch wirken kann. Kann er nämlich. Er wird sich wehren gegen die unbewussten zerstörerischen Kräfte. Er wird sie zur Bewusstheit zwingen, so weit er kann und so weit es für ihn notwendig ist. Für Mose war sehr viel nötig und daher konnte er sehr viel, auch böse werden, auch zerstören, wenn nötig. Für jeden ist das anders. Letzten Endes richtet sich die Destruktion ihrer Intention nach nur gegen die Unbewusstheit. Nichts drängt mehr nach Bewusstheit als Schmerz. Und so kann „das Böse“, „der Teufel“ nicht anders, als den schöpferischen Prozess in Richtung Bewusstheit voranzutreiben. So wandelt sich das Dunkel in Licht. Nicht dass Licht besser wäre als das Dunkel, es fühlt sich aber besser an. Und das ist es ja, was wir zutiefst wollen.
Woher also dieser Widerstand des und der „Bösen“? Es ist der Zug [der Trägheit] ins Nichts, in die Auslöschung der Existenz, der hält sie gefangen, der lässt sie nicht überprüfen, ob nicht eine andere Einstellung dem Leben gegenüber vorteilhafter wäre. Es gibt eben diesen Zug der Existenz nach unten. Er will nur den Drang nach oben verstärken, indem er Schmerz erzeugt. Es hilft wenig, diesen Zug zu verteufeln. Das ist genauso sinnlos, wie sich über die Schwerkraft beschweren. Es ist aber eben so, dass sich diejenigen, die sich diesem Zug ausgesetzt sehen und nicht wissen, wie ihnen geschieht, sich nicht besonders wohl fühlen und dass es vielleicht eine Möglichkeit gäbe, diesen Gefühlszustand in einen angenehmeren zu verwandeln. Das ist alles, was wir sagen können. Mehr kommt dann, wenn sich ein Mensch auf diesen Gedanken eingelassen hat, wenn er bereit ist, zu einem Experiment. Da kommen dann nämlich konkrete Lösungen für konkrete Probleme. Da beginnen die Schmerzen, sich konkret zu lösen. Aus schwarzen Löchern werden Lichtquellen. Wir werden Zeugen der Schöpfung. Sie geschieht an uns. Wir werden neu geschaffen, neu geschaffene Menschen, nicht unbedingt in einem einzigen Moment, aber nach und nach in immer neuen Momenten immer weiter, bis die Verwandlung abgeschlossen ist, bis wir also wirklich ganz neue Menschen sind, die nicht mehr aus sich leben, sondern aus jener Kraft, der sie sich verschrieben haben und die die Kraft der Bewusstheit ist. Deshalb „im Geist und in der Wahrheit“. Es ist die Wahrheit, dass uns unsere tiefste Sehnsucht da hin zieht, womit die Sehnsucht als der andere (der Trägheit {Trägheit ist der eigentliche Name für Tod} entgegengesetzte) Zug erkennbar wird, der in der Existenz wirkt. Das sind die beiden Pole zwischen denen das Leben oszilliert: Sehnsucht und Trägheit. Wir sind diesen Polen ausgesetzt, als Menschen können wir aber auch wählen, wovon wir uns mehr inspirieren lassen.
Insofern ist es natürlich richtig, von einer dunklen und einer lichten Kraft zu sprechen und sogar von Agenten dieser Kraft und dass es auch geistige Strömungen unter den Menschen sind, Gefühlsströme, die als solche Agenten wirken. Manche gehen aufwärts, manche aber eben abwärts. Wir müssen wissen, dass es diese Strömungen gibt, in der „Gesellschaft“ genauso wie in uns selbst. Von den gesellschaftlichen lassen wir uns leicht mitreißen, wenn diese unseren eigenen schmeicheln. Es ist daher gut, diese Agenten zu erkennen.
Eine Verteufelung von irgendwelchen dieser Strömungen aber kann genau das Gegenteil der angeblichen Absicht bewirken, nämlich selbst jene teuflische Kraft zu verstärken und das Leid in der Welt zu vermehren. Sobald ein Urteil einsetzt über „gut“ und „schlecht“ ist der Umkehrprozess zum Dunkel nämlich erneut gestartet. Dann wird der angebliche Gott selbst zum Teufel, z.B. in Religionskriegen und dergleichen.
Und dann holen wieder andere Menschen den Teufel hervor, um die festgefahrenen Urteile zu zerbrechen. Das ist der notwendige Regenerationsprozess, den wir auch gegenwärtig erleben mit jener kolossalen Umwertung aller Werte, mit jenem Niedergang der traditionellen Religionen. Es war zu Vieles festgeschrieben. Es muss gelöst werden, damit ein neuer Anfang gemacht werden kann. Nicht eine festgeschriebene Wahrheit ist es jetzt, sondern eben eine erfahrene, eine Wahrheit des Geists nicht des Buchstaben. Nicht mehr über das gelernte Wissen, über das Fühlen geht der Weg. Im Fühlen allein liegt die Wahrheit. Das, was wir fühlen, ist die Wahrheit. Und in unserem Fühlen ist es letztlich unsere Sehnsucht. Und das ist eine Wahrheit, die bewegt, nicht eine, die in Büchern ruht.
Auf ihrem Weg gibt es nichts „Gutes“ und auch nichts „Böses“ an sich, da gibt es nur etwas, das uns hilft und etwas, das uns hindert. Und wir möchten natürlich das, was uns fördert. Das unterstützen wir. Und da sehen wir auch das Förderliche des Zerstörerischen, den Hinweischarakter des Schmerzes. Und dadurch wird auch das, was andere für den „Teufel“ halten, für uns zu einer Quelle des Lichts, heute eben auch in dem Maß, in dem wir sehen müssen, wie die Idee von dem, was so viele für den Schöpfer halten, für viele zur Quelle der Dunkelheit geworden ist.
Diese Art Dunkelheit hat Jesus bei den religiösen Führern seiner Zeit angesprochen. Und heute ist sie wieder da und zwar völlig versteckt hinter einer Maske perfekter Moral. Absolut nichts kann man ihnen vorwerfen, außer das. Das ist sehr subtil. Zur Zeit nur punktuell krass materialisiert und doch da. Der Geist der Verurteilung hinter allem Anschein von Allverstehen und von Toleranz. Ein Schleier von Abwertung – aber nicht im Sinn des Lao-tse, der sagt, dass es besser sei nicht zu haben, was das Leben lebenswert mache, als das Leben wertzuschätzen, denn er plädiert doch nur für die Bewusstheit, sondern im Sinn eines nicht Erlaubens, letzten Endes in dem Sinn, dass einer dem Anderen im Grund das Recht auf Existenz abspricht oder eben nur eingeschränkt zugesteht. Das ist natürlich dann der Ursprung des Teufels, eine neue Quelle der zerstörerischen Kraft, die jenen Geist verbreitet. Einer wird böse. Und schon wirkt er wieder als Agent Gottes, weil er seinen Finger an die wunde Stelle legt und sich an die wendet, von denen seine Verletzung kommt. Er bringt eine neue Wahrheit ins Spiel. Seine Realität. Er startet einen Prozess der Auseinandersetzung. In dieser Auseinandersetzung klärt sich das Böse sein und die Adressaten haben sich verändert und zur Kenntnis genommen, was ihr Tun bewirkt hat. So ist eine Heilung geschehen.
Die Wahrheit kommt muss ans Licht kommen. Der Schmerz sorgt dafür. Auch die Wahrheit der Unwahrheit, wie die Unwahrheit jeglicher „Wahrheit“.
Das macht der Geist der Wahrheit. Er macht Unbewusstes bewusst. Er bringt Licht ins Dunkel. Er verwandelt das Dunkel selbst in Licht. „Felix Culpa!“ Auch unser eigenes Dunkel ist da gemeint. Wenn wir das erkennen, kommt die Erlösung von dem Dunkel, die Verwandlung des Dunkels in Licht. In dem Maß, in dem wir uns selbst als Quelle des Leidens erkennen können, können wir selbst zu Quellen der Heilung werden. Dann natürlich ist „Christus“ auferstanden. Vorher nicht. „Christus“ geht freiwillig mit dem Teufel, er geht nicht gegen ihn [„widersteht nicht dem Bösen“], weil doch gegen ihn in Wirklichkeit mit ihm wäre, aber eben unfreiwillig, unbewusst.
Und wer am Teufel leidet in dem Sinn, dass er ihm ausgeliefert zu sein glaubt, wird, indem er das Recht dieses Teufels sieht, ihm nicht mehr ausgeliefert sein. Vielleicht wird er sich gar zum Fürsprecher des armen Teufels machen. So einer war Jesus. Während andere immer schlimmere Teufel erzeugten, nahm er den Grund weg dafür, sich so zu fühlen. Und so wird er natürlich zu Recht der „Erlöser“ genannt, was nichts an dem Recht schmälert, mit dem andere genauso „Erlöser“ genannt werden dürfen. Jesus war nicht der Erste und er war nicht der Einzige, der das verstanden und praktiziert hat. Ihn zum Ersten und zum Einzigen zu machen ist eher der Kraft zuzuschreiben, die der Erlösung entgegengesetzt ist, weil sie alles verfestigt. Lösen wir uns daher von ihr und seien wir dadurch erlöst.
Heilung
(7. 7. 2001)
Ich brauche keine Angst haben. Die Kraft des Ganzen [Gott] tut es zwar, aber sie überfordert mich nicht, sie tut es in ihrer Geschwindigkeit, die keine andere ist, als die Geschwindigkeit, in der ich sie akzeptiere – oder eben noch nicht so ganz. Genau in dem Maß. Dieses Maß ist das Maß unserer Heilung und es bestimmt auch den Weg über unsere Heilung hinaus in ein ganz neues Leben, in ein Leben aus der totalen Einheit.
Ein Leben aus der totalen Einheit bedeutet, dass wir nicht mehr für uns da sind, sondern für das Ganze. Dafür steht uns die Kraft des Ganzen zur Verfügung. Da sein für das Ganze bedeutet unseren totalen Einsatz, der aber keine Anstrengung in dem Sinn mehr ist, wie wir Anstrengung kennen, weil es so sehr von selber geht, wie die Kinder von selber das Laufen lernen.
Vorher suchen wir nach Erfolg. Wir strengen uns an, um etwas zu erreichen, um wer zu sein. Dann brauchen wir uns dafür nicht mehr anstrengen, denn wir sind schon wer. Wir sind Kinder Gottes. Gibt es etwas Größeres? Wir brauchen uns daher für nichts anstrengen, außer für unseren Lebensunterhalt – und, wenn wir mit der Erfüllung unserer Aufgabe begonnen haben, brauchen wir uns darum auch nicht mehr zu kümmern. Dann sorgt Gott für uns. Das sind die Stufen, die aber niemand „erreichen“ kann, sondern die in jedem Fall ein Geschenk sind, das denen aber zuteil wird, die sich lösen wollen aus ihren eigenen kleinlichen Vorstellungen. Denen, die sich darum bemühen, wird es geschenkt [es ist eben kein „Verdienst“, sondern reine Gnade] – immer im Einklang mit der eigenen Realität. Nichts lässt sich überspringen. Bei manchen dauert es ein ganzes Leben, um dort hin zu kommen. Und das ist schon gut, wenn es ein Mensch überhaupt erlebt, ganz viele erleben es nicht, denn sie bleiben zeitlebens befangen in ihrer am Anfang einprogrammierten Vorstellung von der Welt und ihrer Rolle darin. Sobald es ein Mensch aber erlebt, ist sein ganzes Dasein ein völlig anderes. Es ist nicht mehr das kleinkarierte eigene Minireich, es ist die Welt, das Universum. Nicht dass wir die Welt dann beherrschen würden, aber sie steht uns zur Verfügung, was etwas Anderes ist. Sie stellt sich freiwillig zur Verfügung, weil sie uns liebt, weil wir nicht mehr wir selber sind, sondern weil in uns Gott auf der Erde erscheint. So wie es bei Jesus war. Das Problem mit Jesus war nur, dass man ihn (anstatt ihn wirklich zu verstehen) allein in den Himmel gehoben hat. In Wirklichkeit war er natürlich niemals der Einzige und er hat es von sich auch nicht behauptet. Im Gegenteil, was hätte er uns sonst das „Vaterunser“ gelehrt. Wir alle sind doch bestimmt dafür, als echte, legitime Kinder Gottes zu leben. Ist etwas Schöneres vorstellbar? Das ist der Himmel. Wir sollen ihn sehen – im „Fleisch“, wie in der Bibel heißt! Wir sollen „wiedergeboren“ werden, in ein neues Leben hinein – aber, wenn irgendwie möglich, doch nicht erst nach dem Tod unseres Körpers, sondern schon jetzt. Dafür sind wir bestimmt. Bedauerlich nur, dass es so wenige kapieren.
Die einen meinen, man müsste fromm sein und würde dann nach dem Tod „in den Himmel kommen“ – und die anderen lehnen diese echte Zumutung ab und wollen es gar nicht erst versuchen, in den Himmel zu kommen. Dummerweise glauben beide den gleichen Aberglauben. Sie könnten davon erlöst werden, wenn sie nicht so sehr ineinander verbissen wären. Die einen müssen sich erlauben, mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie selbst werden könnten, wie Jesus war – natürlich nicht, was seine historische Gestalt und seinen speziellen Charakter betrifft, aber sie können sich von der gleichen Kraft leiten lassen und werden dann rein zu deren Werkzeug, sodass nichts Menschliches (= kein Eigensinn) mehr an ihnen ist. Dann ist nur noch die schöpferische Kraft selber da. „Da ist nichts als Allah unter meiner Kutte“, sagte der alte Sufi-Meister Al Halaj. Er hat diesen Sprung offenbar gemacht, diesen Sprung ins Nichts, in die Nichtexistenz, in das sich nur noch zur Verfügung Stellen, in das einfache da Sein – und sich ergreifen lassen von der Not seiner Zeit. Den Menschen Gott zeigen an sich selbst.
Keiner kann das machen. Es kann aber nur kommen durch unser Verschwinden, durch das Verschwinden unserer Vorstellungen darüber, wie es sein soll. Wir können uns dem Ganzen öffnen, uns leeren. Es beginnt damit, dass wir uns selbst annehmen, so wie wir sind, mit allen Schwächen, mit allen Stärken. Zuerst müssen wir es lassen, uns selbst in irgendeiner Weise zu verurteilen. Das ist nicht leicht, weil unsere Vorstellungen über richtig und falsch (biblisch ist das natürlich der Sündenfall) zu sehr eingeprägt sind. Gleichzeitig müssen wir es lassen, in irgendeiner Weise über andere zu urteilen. Wir wissen nicht, warum sie sind, wie sie sind. Nicht urteilen heißt gleichzeitig verstehen. Ohne Verstehen, d.h. ohne zu fühlen, was sie fühlen, ist es nicht möglich das Urteilen aufzuhören. Es ist also doch eine Art Rundumanstrengung erforderlich, aber nicht der Art wie die Anstrengungen im Konkurrenzkampf, sondern eben ähnlich der Anstrengungen des Laufen Lernens. Es geht von selbst – sobald, bzw. in dem Maß, in dem wir Gott erlauben, uns zu benützen.
Wir können nichts für Gott tun, wir können ihm nur erlauben, von uns Besitz zu ergreifen – und das stimmt eigentlich auch nicht, denn natürlich besitzt er uns doch ohnehin schon von Anfang an. Es fällt doch kein Haar von unserem Kopf ohne „seinen“ Willen. Indem wir uns ihm gegenüber verweigern aber, erzeugen wir unnötige Reibung, die unsere Kraft enorm schmälert, die doch wieder nicht unsere ist, sondern von Anfang an die des Schöpfers.
Diese ist die einzige Kraft, die überhaupt existiert in der Welt. Sie treibt alles überall – sogar die Nazis, sogar die Folterer, sogar die schlimmsten aller Verbrecher. Auch die Lustsüchtigen und auch die Depressiven, die Täter und die Opfer aller Arten. Alles hat seinen Sinn (seine unverzichtbare Rolle) im Ganzen. Das nicht zu glauben, sondern zu glauben man selbst gehöre zu den Guten und die Anderen gehörten zu den Bösen, die bekämpft werden müssten, entspringt nur der Überheblichkeit des Ich, das sich immer gern gut vorkommt, das eben nicht zurücktreten will, um seine Kleinheit, seine Schwäche, seine Schlechtigkeit zu sehen, die, richtig verstanden, von der gleichen Art ist wie jede Schlechtigkeit der schlimmsten Verbrecher. Es ist schon eine Gnade, nicht zu diesen gehören zu dürfen, aber keinesfalls ein Grund für Überheblichkeit. Es ist auch kein Grund für Dankbarkeit (Dankbarkeit in diesem Punkt wäre Überheblichkeit), denn wo immer wir stehen, da müssen wir uns einsetzen. Und ein Verbrecher hat die gleiche Chance, zur Besinnung zu kommen wie irgendein braver Bürger, vielleicht mehr, weil er durch seine Außenseiterrolle ohnehin möglicherweise einen weniger beschränkten Horizont hat. Es ist egal, wo jemand gerade steht, überall kann uns der Ruf ereilen. Die Frage ist nur, ob wir bereit sind. „Wachsam sein“, war der Rat Jesu. Es ist der einzig mögliche Rat.
Wenn wir uns zu den Guten rechnen und die Bösen bekämpfen, bleiben wir bei uns selbst. Ohne Befruchtung können wir keine Frucht bringen. Das ist das Gesetz. „Wer sein Leben liebt, wird es verlieren“, sagt Jesus daher. Die Guten lieben ihr Leben immer. Sie können die Wiedergeburt aus dem Geist nicht erleben, solange sie auf diesem Trip sind. Die Guten schmücken sich gern mit Gottes Federn, das heften sie sich an ihre Fahnen. Die, die offen sind für Gott, brauchen keine Fahnen, und wenn sie doch welche haben, dann nicht, weil sie es wollen, sondern weil die Kraft es will. Es gibt alle Varianten. Wir kennen die Gründe der anderen nicht. Und sobald wir sie kennen, können wir ihnen nur zustimmen, und zwar allen ohne Ausnahme. Wir Menschen sind schwach und werden leicht Opfer mächtiger Geister, auch von so etwas wie Dämonen – obwohl es solche als solche natürlich nicht gibt. Aber es gibt doch geistige Strömungen, die Besitz von Menschen ergreifen. Nur durch Aufmerksamkeit können wir ihnen entrinnen. Und nicht alle haben die Kraft zu dieser Aufmerksamkeit. Die Versuchung, der Zug der anderen Kräfte [die Trägheit] ist zu stark. Sie können nicht widerstehen. Sie sind süchtig in irgendeiner Form, abhängig, nicht selbständig. Und wer ist schon wirklich selbständig? Doch nur die, die aufgehört haben, selbst zu sein. Die sich trauen, zu folgen.
Das ist die Hingabe, von der in allen Religionen die Rede ist, und die doch immer wieder als Moral interpretiert wird – ohne Moral als einen Wegweiser zur Bewusstheit zu verstehen. Einem Wegweiser zur Bewusstheit geht es nicht um dies oder das, um die Erfüllung bestimmter Normen, sondern nur noch um das sich erfüllen Lassen von der Kraft und das sich voll dahinter Stellen im absoluten Risiko. Das ist doch der Sinn jener wahnsinnigen Beispiele der Bibel vom Bootbau des Noah mitten am Land, von der Opferung des Sohnes durch Abraham, vom Jakobs Betrug um das Erstgeburtsrecht, von dem Mord Davids am Mann seiner Geliebten etc.. Das alles sind Beispiele von Hingabe jenseits aller Vernunft und Moral. Immer lieb und nett sein ist keine Hingabe.
Geheilt werden wir nicht, indem wir brav alle Vorschriften erfüllen, sondern indem wir unsere Wahrheit leben und uns durch sie auch unbeliebt machen oder sogar „schuldig“ werden. Wir müssen stehen lernen gegen den Wind, gegen den Sturm, auch gegen den Sturm der Moral – wir selbst bleiben in unserer eigenen Bestimmung.
Mit dem nicht Urteilen meine ich natürlich nicht „gut heißen“. Das wäre ganz etwas Anderes. Ich muss nichts „gut“ heißen, was nicht gut ist. Ich muss es nur verstehen. Dann wird mir auch etwas einfallen, um es zu verändern, wenn nötig.
Heilung heißt Übereinstimmung, Verstehen, Mitgefühl, auch mit sich selbst und sich dem Willen des Ganzen anvertrauen, weil das Ganze doch will, dass es allen gut geht, so auch uns.
Zu dieser Übereinstimmung kommen wir durch Kapitulation, indem wir zugeben, dass wir es nicht schaffen, dass wir eben unzulänglich sind, dass es aber eine Kraft gibt, die es vermag. Diese Kraft hat uns ins Leben gerufen. Wir sind ihr völlig ausgeliefert, und brauchen dennoch keine Angst davor haben, weil diese Kraft uns doch wollte und zwar genau so wie wir sind. Und diese Kraft wird, wenn wir uns ihr anvertrauen, uns den Weg zeigen und uns auch die Kraft geben, ihn zu gehen.
Der Weg, den wir dann gehen, ist nicht ein Weg der Askese und es ist auch kein Weg der Ekstase, sondern einfach der Weg der Ehrlichkeit und infolgedessen des Akzeptierens unserer Realität.
Von da aus eröffnen sich völlig neue Perspektive auf das Leben. Nun dürfen alle unsere Wünsche sein und auch alle unsere Mängel. Keiner ist falsch. Und nun, wo alles sein darf, kann ich mir zum ersten Mal im Leben wirklich alles an mir in Ruhe ansehen und ich kann schauen, was ich in meinem Leben wirklich will. Ich habe alle Wünsche vor mir, auch die wahnsinnigsten. Sie alle dürfen sein. Ich lehne sie nicht ab, ich sehe sie mir an. Ich spüre den Zug, den sie auf mich ausüben, ich höre ihre Versprechen und ich kann auch sehen, welche Konsequenzen ihre Erfüllung haben würde. Ich rede mit ihnen. Ich vereinbare mit ihnen allen das, was ich jetzt tun werde, weil das im Moment das Wichtigste ist, nämlich das, was mich einen Schritt weiterbringt auf dem Weg meiner Entfaltung.
Und hier muss ich denjenigen, die vor „Selbstverwirklichung“ warnen, in ihren Bedenken recht geben, dass es natürlich nicht um eine rücksichtslose „Selbstverwirklichung“ geht, sondern um eine, die auch uns selbst nicht beeinträchtigt, und das ist nur eine, die in Übereinstimmung mit dem Ganzen ist. Wenn ich meinerseits jemanden vom Leben ausschließe, hat das Konsequenzen, die wieder auf mich zurückfallen. Das zeigt das biblische Beispiel des ägyptischen Pharao, dessen Versklavungspolitik einfach gegen die Natur war, sodass die Natur den Sklaven zu Hilfe gekommen ist und den Ägyptern viele Plagen gebracht hat. Mit jedem Ausschluss schließen wir auch einen Teil von uns selbst aus, weil in uns potentiell das Ganze enthalten ist.
Ein eventueller Ausschlussbeschluss kann nur uns selbst betreffen. Wir müssen nämlich ohnehin alle jene Wünsche ausschließen, die mit dem Ganzen nicht übereinstimmen, die uns über das Ganze erheben. Denn natürlich sind auch diese Wünsche in uns da. Wenn wir alle unsere Wünsche aber vorurteilslos betrachten, sehen wir die Wünsche, für die es Zeit ist, jetzt realisiert zu werden und wir sehen auch dass es uns nicht gut tut, solchen zur Verwirklichung zu verhelfen, die jetzt nicht angesagt sind. Das können wir fühlen, wenn wir sie anhören. Insofern ist dieser notwendige freiwillige Selbstausschluss keine Askese. Wir verzichten auf nichts, wir sehen nur, was wir besser lassen, damit wir das bekommen, was wir möchten. Wir sehen und anerkennen damit nur die Wahrheit.
Sobald wir uns darauf eingelassen haben, werden wir erkennen, dass unsere Wünsche immer klarer werden und dass wir sie immer klarer ausdrücken können. Und dadurch wird auch die Resonanz klarer. Und die wieder klärt unsere Wünsche weiter. Und dadurch erhöht sich die Chance, dass sie erfüllt werden, beträchtlich.
Und auf diese Weise können wir auf unsere Bewusstheit aufbauen. Die Bewusstheit hat Konsequenzen. Trotzdem ist das, was wir durch sie bekommen, kein Verdienst, wir sehen: Es ist nur ein Geschenk. Verdienst bedeutet immer Absicht, Zweck und Methode. Die Bewusstheit aber ist keine Methode, sie ist selber ein Wunsch, eine Sehnsucht.
Selbsterlösung ist aus diesem Grund logisch nicht möglich, denn wir können nichts tun. Höchstens in einem übertragenen Sinn könnte man davon sprechen. Sobald wir etwas tun (mit Absicht, zu einem Zweck), werden wir scheitern, irgendwann. Und dann kommt das böse Erwachen, das darauf zurückzuführen ist, dass wir einer Illusion aufgesessen sind, nämlich zu glauben, schon vorher zu wissen, was für uns gut ist. Dieser Glaube ist ein Irrglaube. Es stimmt ganz einfach nicht. Wir können es nur von Augenblick zu Augenblick erfühlen. Nicht dass wir nicht auch dann immer wieder scheitern, aber das ist dann eine andere Art des Scheiterns, eine, die uns nicht in unserer Existenz bedroht, weil uns schon vorher bewusst ist, dass das Scheitern möglich ist und dass wir keinen Anspruch irgendeiner Art haben auf Erfüllung, und zwar von niemand. Alles, was wir bekommen, ohne jede Ausnahme, ist ein Geschenk. Wir freuen uns daher darüber. Über das, was uns verweigert wird aber, ärgern wir uns nicht, denn wir haben nicht mit der Erfüllung gerechnet, wir haben mit dem Scheitern gerechnet, waren aber gleichzeitig so voll Vertrauen auf die Kraft, die uns unsere Wünsche gegeben hat, dass wir es wagten, unseren Wunsch zu äußern. Und wir werden uns durch einen Fehlschlag und auch durch tausend Fehlschläge nicht entmutigen lassen, denn auch unser Mut ist ja nicht unserer, sondern auch er ist bereits ein Geschenk, das wir als solches ehren. Und das erhöht natürlich unsere Attraktivität und die Bereitschaft der Anderen, unsere Wünsche zu erfüllen, wodurch wir am Ende sicherlich mehr befriedigt werden, als durch unsere alte Methode, den Kampf. Auch die Tendenz verletzt zu werden, sinkt logischerweise, wenn wir unsererseits nicht verletzen, sondern einfach nur unsere Bedürftigkeit äußern, unsere Unfähigkeit, es aus uns selbst heraus zu schaffen. Das bringt uns ganz viel Sympathie von allen Seiten.
Und das alles heilt, zuerst uns selbst und mit der Zeit auch unsere Umgebung.
Und wenn, wie gesagt, viele Menschen sich auf diesen Weg der Ehrlichkeit einlassen, kann eine ganze Kultur daraus werden mit ihren eigenen Formen und auch Ritualen, also auch mit festen Einrichtungen, etwa Übergangsriten, in denen jeweils eine Einführung in die Grundtatsachen des nächsten Lebensabschnitts erfolgt, ganz ähnlich den Riten in alten Stammeskulturen, natürlich aber (immer) den gegenwärtigen Bedingungen angepasst, d.h. diese Riten müssen stets mit den aktuell gegenwärtigen kulturellen und sozialen Bildern und auch Mythen arbeiten [Mindell würde hier von „time-spirits“ sprechen], aber eben immer im Bewusstsein, dass es sich um Bilder handelt, die den Gegebenheiten der jeweiligen Wirklichkeit entsprechen müssen, und nicht um theoretische, zeitlose, absolute Wahrheiten. Dogmen müssen ihren Sinn immer irgendwann verfehlen. Dann wird das, was zum Heil gedacht war, zum Unheil. Und dann müssen neue Formulierungen und Wege gefunden werden. Wozu also eine absurde Hürde dieser Art einbauen? In den letzten beiden Jahrtausenden war in unserer Kultur die Bewusstheit für diese Frage noch nicht weit genug fortgeschritten. Jesus hatte das schon erkannt, doch die Zeit war noch nicht reif für die Tiefe seiner Einsicht („Vieles hätte ich euch noch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht ertragen“, Joh 16,12). Jetzt ist „die Zeit“ reif dafür. Das Rad der Heil-Geschichte hat sich um eine Sprosse weitergedreht.
Vorgefertigte Gebete
(20.7.2001)
Menschen, die ihre Distanz zu Gott lieber nicht verlieren möchten – weil das allzu schmerzhafte Einsichten mit sich bringen würde – verwenden vorgefertigte Gebete.
Ein Mensch, der die Realität erkannt hat, d.h. der erkannt hat, dass er selber nichts ist, dass die Kraft, aus der er besteht und die ihn treibt, aber alles ist, ein solcher Mensch braucht keine vorgefertigten Gebete. Er spricht jene Kraft unmittelbar an, von der er weiß, dass es die gleiche Kraft ist, die das Universum treibt, denn er weiß, dass sie möchte, dass der Typ, den er darstellt (den jeder von uns auf seine Weise darstellt) sich zeigt und ohne jede Angst sich darstellt und genau damit automatisch das große Lob des Schöpfers singt, der ja sein eigenes innerstes Wesen ist. Ein solcher Mensch kommuniziert mit seinem Schöpfer unmittelbar, aus seinem Sein heraus, das ja selbst gerade – in jedem Fall, also sogar im Fall einer Behinderung oder einer tödlichen Krankheit oder des Sterbens selbst – automatisch, ohne dass er was dafür tun müsste, ein Lob des Schöpfers singt. – Sogar „der Teufel“ „tut“ das durch „sein“ Sein und durch „sein“ So-Sein. Es könnte nicht auf ihn verzichtet werden.
Eine Schöpfung ohne das sogenannte „Böse“ ist undenkbar. Es braucht die Kraft, die abbaut – was für die, die aufbauen oder aufbauen wollen natürlich nicht bedeutet, sie sollten sie dulden, was sie selbst betrifft. Sie dürfen sich nur nicht wünschen, es gäbe sie nicht. Sie müssen wissen, dass sie immer da sein wird, dass sie nicht wegzudenken ist, weil sie doch in die andere Richtung treibt, weg von dem Schmerz, den sie schafft.
Das Sein selbst ist das Gebet, wenn es ein bewusstes Sein ist. Wenn es ein unbewusstes Sein ist, ist es ein unbewusstes Gebet. Für diesen Zustand sind die Formeln notwendig, die Gebete nachzubeten, die andere vor ihnen gebetet haben. Gut, wenn einer sie als Anleitung zum eigenen Gebet versteht und sich führen lässt zum sich Einfühlen. Das aber bedeutet Loslassen aller Dogmatik – in Wirklichkeit nur des alten Verständnisses der Dogmen, denn damit eröffnet sich ein neues Verständnis.
In diesem neuen Verständnis geht es nicht mehr um irgendeine Religion, sondern nur noch um die unmittelbare Kommunikation eines Geschöpfes mit seinem Schöpfer. Das ist das eine, gemeinsame Ziel, zu dem alle Religionen hinführen wollen. Die Anhänger einer Religion sind daher niemals an ihrem Ziel, wenn sie das nicht anerkennen. Von dem Moment an aber, an dem sie das anerkennen, gibt es keinen Konflikt mehr zwischen den Religionen. Denn dann ist klar, dass nicht nur eine einzige „wahr“ ist, sondern dass allesamt nur Wege zu dieser existentiellen Wahrheit sind, mehr oder weniger erfolgreiche Wege. Letzten Endes kann es daher nicht darum gehen, eine „Lehre“ festzuhalten, wenn sie keine Wirkung mehr hat. Das nämlich wird gegenwärtig in der katholischen Kirche versucht. Diejenigen, die sich als ihre Repräsentanten betrachten und diese Exklusivität hüten, wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Wirkung verlorengegangen ist. Und wenn sie die Anzeichen dafür doch nicht mehr leugnen können, rationalisieren sie dieses Phänomen mithilfe von Erklärungsmaßstäben, die sie in ihrem Weltbild schon verankert finden, etwa indem sie die zunehmende Wirkungslosigkeit einer allgemeinen „Verweltlichung“ zuschreiben und indem sie den Menschen dafür böse sind, anstatt diese in ihren Schmerzen zu sehen und ihnen Linderung zu verschaffen. Sie tun das zwar auch, aber nur für die allgemein als „hilfsbedürftig“ eingeschätzten Menschen. Natürlich ist es sehr gut, dass sie wenigstens das tun! Aber sie verweigern sich den Menschen, die einfach die Schnauze voll haben von den moralischen Lügen der Religionsvertreter und weil diese nur einen rein äußerlichen Maßstab für das Leben anerkennen und nicht verstehen. Die Verweigerer arbeiten an der Umwertung der Werte, indem sie an der Auflösung der alten Werte arbeiten. Aber nicht sie, sondern diejenigen mit den rein äußerlich gewordenen Maßstäben sind der Grund dafür. Sie schaffen jene Atmosphäre der Enge, in der alle anderen nicht aufblühen können.
So werden die Würfel neu gemischt. Durch eine Phase des Nichtwissens hindurch, während der es wegen dieses Widerstreits keine klare Orientierung mehr gibt, wird sich jene andere Möglichkeit zeigen, nämlich einfach ehrlich zu sein. Dann braucht es keine Maßstäbe mehr. Nur noch das Fühlen dessen, was jetzt da ist – in seiner ganzen Fülle.
Die Phase des Nichtwissens kann natürlich lange dauern, nämlich bis alle in Frage kommenden Möglichkeiten durchprobiert sind. Viele Irrwege liegen auf dem Weg. Sie müssen erkundet werden und daher sind einige davon unvermeidlich für jeden, der die Wahrheit kennen lernen möchte.
Die Zeit der Moral, also der festen Richtlinien, ist heute vorbei. Es lässt sich niemand mehr darauf verpflichten. Aber das macht nichts, denn gerade dadurch werden die neuen Wege gefunden, die den Umständen unserer heutigen Welt angepasst sind. Die ganze soziale Struktur ist ja im Umbruch. Die alten Regeln passen nicht mehr, wir haben daher, ganz objektiv betrachtet, keinen äußeren Maßstab mehr – und doch haben wir alles, was wir brauchen: Die Kraft, die sich dazu getrieben hat ich zu werden, hat jeden von uns mit einem Instrumentarium ausgerüstet, das fühlen kann, was not-wendig ist. Und das genügt, ja das ist logischerweise besser als alle festen Regeln, die einer konkreten Situation ja nie gerecht werden können, weil sie notwendigerweise verallgemeinern müssen und das Besondere nie in seiner Besonderheit enthalten können.
Genau das war schon der Vorwurf Jesu an die Führer seiner Zeit und seiner Kultur. Ihre Maßstäbe, wurden den konkreten Situationen nicht gerecht. Sie waren böse auf ihn, weil er sie darauf aufmerksam gemacht hat. Er hat sich davon aber nicht abhalten lassen, es ihnen weiter zu sagen. Und sie haben die Konsequenz gezogen und ihn vernichtet. Sie haben allerdings nicht mit einkalkuliert, dass der Same schon ausgestreut war und dass er aufging, weil einfach zu viele der damaligen Menschen sich mit den damals üblichen Regeln nicht mehr gut fühlten.
Heute aber sind es wieder die religiösen Führer, zumindest die christlichen, die einer Erneuerung widerstehen (Buddhisten, Hindus haben dieses Problem nicht in diesem Ausmaß). Es ist daher außerhalb der Religion eine Art Prophetentum entstanden, etwa in den Künsten, natürlich nur sofern diese nicht auch in einem Formalismus steckengeblieben sind.
Ganz ausdrücklich wird die Botschaft vom Fühlen und von der Ehrlichkeit von den meisten Soul-Musikern verbreitet, aber auch von schwarzafrikanischen Musikern. Sie sind gezwungen, ihre Formen stets zu erneuern, sie müssen „dem Herrn stets ein neues Lied singen“ – sonst würde ihnen ja niemand mehr zuhören – während die Priester immer das gleiche alte Gebet herunterbeten und es immer noch nicht verstehen. Wenn die alten Kanäle der Inspiration verstopft sind, öffnen sich eben neue. Von der Musik der Schwarzen kommt die ganze musikalische Erneuerung der industrialisierten Kultur. Das liegt daran, dass sie, die Unterdrücktesten, den Weg des Fühlens gehen mussten. Sie sind Meister dieses Weges geworden und können es daher andere nun lehren, aber nicht auf die grausame Weise, auf die sie selbst es lernen mussten, sondern durch Ansteckung, einfach indem sie ehrlich sich und ihre Art zeigen. Deshalb heißt Kunst auf Englisch ja „art“. Das ist die Art, die gemeint ist. Durch sie entsteht unbemerkt eine neue Weltordnung, die Ordnung des Fühlens (nicht zu verwechseln mit „Gefühlen“!, die ja ein unbewusst zwanghaftes Geschehen sind, das aus zufälligen Erfahrungen der Vergangenheit resultiert. Fühlen dagegen ist ein Akt der Bewusstheit. Die biblische Geschichte von Kain und Abel drückt ja deutlich aus, dass Gefühlen zu folgen nicht, wie heute vielfach angenommen „spontan“ ist, sondern einfach nur wahnhaft.) statt des Gesetzes. Und doch wird daneben die Ordnung des Gesetzes bestehen bleiben, aber eben in der ihm entsprechenden untergeordneten Bedeutung, eben als eine Orientierungshilfe zu einem bestimmten Geist. Sobald diese Orientierungshilfe sich aber absolut setzt oder als absolut verstanden wird, verfehlt sie diesen Geist und erzeugt einen anderen Geist, einen Geist, der böse macht, weil er behindert.
Die Wende wird erreicht, indem die Frage „wie lange soll ich noch gequält werden?“ sich umformt in die Frage „Wie soll ich mich ausdrücken?“. Wenn der Leidende beginnt, sich seiner Situation total bewusst zu sein, in diesem Moment, hat er nur die Wahl zwischen weiter leiden oder sein Leben selbst gestalten, sich gestalten, seine Gestalt zum Ausdruck bringen. Was dadurch erscheint, ist die Gestalt des Fühlens und des Seins des eigenen Selbsts, einfach die jeweilige Gestalt der Wahrheit. Die Kultur der Welteinheit kann nur darauf beruhen. Jeder darf sein. Keiner muss so sein, wie ein anderer es will. Jeder darf die Wahrheit in seinem Inneren zeigen.
Manche werden da natürlich wieder als Verführer auftreten und die Menschen, die ihnen erliegen, wieder in bestimmte Formen zwingen. Das geht aber nur, so weit die Menschen das zulassen, so weit sie die Botschaft noch nicht vernommen haben, dass sie wirklich sie selbst sein dürfen – dass sie dann Gott eben nicht missfallen, wie sie befürchten, weil es ihnen eingeredet worden ist, sondern dass sie ganz im Gegenteil dann endlich so sind, wie ihr Schöpfer sie immer schon haben wollte.
Alles andere ist Sklaverei, ist Götzendienst. Letztlich deshalb auch jede Religion oder (um Missverständnisse zu vermeiden) besser, jeder religiöse Formalismus, also jener Glaube, der im Nachbeten vorgebeteter Gebete die Erfüllung sieht – so sehr das vielleicht der Anfang des wirklichen Glaubens sein kann, der, wie gesagt, der Glaube daran ist, dass die schöpferische Kraft mit all ihrer Kraft das Beste für uns will – und tut!
Was ist „Bewusstheitsentwicklung“?
(15. / 24. 7. 2001)
Ich nehme mir vor, auf etwas zu achten – ich vergesse es – nehme es mir erneut vor – vergesse es – nehme es mir wieder vor – ich erinnere mich, vergesse es dann wieder, nehme es mir erneut vor – etc.. So entwickelt sich die Bewusstheit. Wir müssen es wollen. Wir müssen Energie dafür einsetzen, immer wieder, ob Erfolg oder Misserfolg, also ohne dass wir nach einem Erfolg abheben oder uns durch einen Misserfolg niedergedrückt sein lassen.
Die Grundlage der Bewusstheitsentwicklung, ihre Triebfeder, sind die Wünsche. Sie liefern die Energie. Wenn der Antrieb stark genug ist, ist der Wunsch erfolgreich und es geht von selbst. Was nicht von selbst geht, ist im Moment nicht wichtig genug.
Wenn du etwas willst, machst du’s. Wenn du es nicht machst, bleibt die Phantasie. Auch die Phantasie liefert Befriedigung, aber diese entspricht nie der Befriedigung in der Realität. Etwas bleibt dabei immer unbefriedigt. Und das treibt dich an, weiter nach dem Realen zu suchen.
Dieser Prozess ist der natürliche Suchprozess, also das, was auch „spirituelle Suche“ genannt wird, der Weg der Bewusstheitsentwicklung.
Manche verweigern sich diesem Prozess an irgendeinem Punkt. Sie bleiben stehen und begnügen sich mit der Phantasie – und bleiben real natürlich unbefriedigt.
Wenn jemand bei diesem unbefriedigt Sein stehen bleibt, kommt es in der Folge zu Krankheiten oder Unfällen. Natürlich auch zu Reaktionen der anderen Menschen, die den Schwachpunkt bewusst oder unbewusst aufspüren und ausnutzen. Dadurch werden Menschen, die sich mit phantastischen Befriedigungen begnügen, abhängig – oder „co-abhängig“, wie man das nennt.
Stehen zu bleiben auf dem Weg hat viele „negative“ Auswirkungen auf den Betreffenden. Es bewirkt Schmerzen. Zuerst den Schmerz des unbefriedigt Seins, dann die Schmerzen der Folgen, also von der Krankheit, von dem Unfall, von dem Missgeschick oder von den Verletzungen durch andere Menschen.
Das wiederum intensiviert die Unzufriedenheit und löst damit einen neuen Suchprozess aus nach einer Lösung für die nun erfahrenen Probleme.
Wenn sich dieser Mensch dem neuen Suchprozess wieder verweigert, werden die Schmerzen erhöht. Niemand „tut“ das, es geschieht „von selbst“, es ist ein natürlicher Prozess, einem Naturgesetz folgend.
Ausgehend von der Erfahrung dieser Phänomene, ist von Meistern der Vergangenheit von „Sünde“ und der darauf folgenden „Strafe“ durch „Gott“ gesprochen worden. Diese Begriffe sind inzwischen aber in verhängnisvollster Weise missverstanden worden. Ursprünglich sind es einfach nur Bilder dieses Prozesses. Darüber hinausgehend haben sie keine Bedeutung. Die ihnen darüber hinausgehend oft zugeschriebene Bedeutung, nämlich dass da „ein persönlicher Gott“ etwas „tun“ würde, um einen Menschen zu „strafen“ und dadurch wieder auf die rechte Bahn zu schicken, ist nur ein Bild, ein Mythos. Die dem Mythos aber verfallen sind, die seine Bedeutung, d.h. seinen (irrealen) Bildcharakter, nicht erkennen, glauben dann an irgendwelche mysteriösen Kräfte. Sie verstoßen gegen das Bilderverbot im ersten Gebot. Und da beginnt das Verhängnis. Der Glaube an solche Kräfte kann einem Menschen zwar auch helfen, eine Angst vor Strafe kann ja reales Unglück verhindern, oft aber wird sie zum einem psychischen Terror und erzeugt damit eine neue Abhängigkeit und auch neue Angst – und schwächt damit diesen Menschen, und macht ihn noch stärker anfällig für Anfeindungen aller Art, seien es Mikroben oder andere „Gefahren“ des täglichen Lebens.
Was die Abwehr schwächt ist nicht eine „Strafe“, sondern einfach die Folge eines inneren Widerspruchs, der die Kräfte dieses Menschen aufzehrt. Weil ein solcher Mensch ja gegen sich selbst kämpft, hat er nur beschränkt Kraft frei für die Abwehr äußerer „Feinde“. Seine Schwäche [auch seine Immunschwäche] ist einfach eine logische Folge seines Managements seiner Vorstellungen. Es ist nichts Mysteriöses, kein Geheimnis, nichts Besonderes, die Schwäche ist einfach nur logisch.
Doch an jeder Stelle auf diesem Weg ist Umkehr möglich!
Die Umkehr besteht immer darin, dass ein Mensch die Herausforderung (zur Bewusstseinsentwicklung) annimmt und seine Suche fortsetzt, ohne sich mit phantasierten Befriedigungen zufrieden zu geben.
Auf diesem Weg lernt ein Mensch sich selbst kennen - das bedeutet „Bewusstheit“. Und dadurch wird er mehr und mehr ganz. Ganz ist gleichbedeutend mit „heil“, geheilt und heil-ig zugleich.
Ein Mensch, der auf diese Weise „ganz“ geworden ist, kann andere auf diesen und diesem Weg führen. Er ist ein Meister geworden.
Das Wort Jesu „und auch ‚Meister’ sollt ihr euch nicht nennen lassen“, meint nicht, dass es keine Meister gibt, sondern er meint, dass ein Meister seine Schwächen kennt, dass ein Meister daher weiß, dass er keine Spur „besser“ ist als seine Schüler. Er ist nur an einer anderen Stelle auf seinem Weg. Einer, der das nicht weiß, ist auf keinen Fall ein Meister, gerade aber weil er es nicht weiß, möchte er sich gern Meister nennen, weil er sich gern gut vorkommen möchte. Das möchte Jesus vermeiden. Jesus will einfach nur Ehrlichkeit.
Diesen Weg einzuschlagen, setzt keine „Ausbildung“ irgendeiner Art voraus. Es setzt nur voraus, dass jemand umkehrt – egal aus welchen „Motiven“. So bedeutet der Einstieg eines Alkoholikers in das 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker, dass dieser Mensch zugibt, dass er es nicht schafft. Seine Kraft reicht nicht aus, sich aus der Sucht zu befreien. Die eigene Kraft kann letzten Endes niemals ausreichen. So lange ein Mensch an seine eigene Kraft glaubt, trägt er nämlich einen inneren Widerspruch in sich, eine Unwahrheit, die Unzufriedenheit und eine gewisse innere Spaltung bedeutet. Die Wahrheit ist nämlich, dass es nur eine Kraft gibt. Wer das nicht anerkennt, lebt in einem Wahn, in einem inneren Widerspruch. So etwas wie „Stolz“ hält ihn gefangen darin. Es erschiene ihm wie eine „Blamage“, wenn er zugeben würde, dass seine Kraft nicht ausreicht. Weil er es aber nicht zugibt, kann er keine Hilfe bekommen. Hilfe gibt es erst, wenn die Hilflosigkeit eingestanden ist. Die Hilfe kommt, weil die eingestandene Hilflosigkeit eine Wirkung auf die anderen Geschöpfe hat. Sie werden davon bewegt.
Im Moment des Eingeständnisses herrscht eine völlige innere Einheit, denn dieses Eingeständnis ist die Wahrheit dieses Augenblicks. „Kung Fu bewegt sogar Schweine und Fische“, heißt es daher im I Ching. Das Alte Testament erzählt, dass auch Heuschrecken und Bakterien davon bewegt worden sind. Kein Gott musste ihnen befehlen, über die Ägypter herzufallen, sie folgten einfach ihrer Wahrnehmung. Im Shiatsu würde man sagen, Ägypten war „kyo“, also die (Schwach)Stelle, die behandelt werden muss. „Kyo“ ist eine Art Kraft-Vakuum, das logischerweise einen vorhandenen Überdruck ansaugt. Das ist eine Logik, die den Orientalen selbstverständlich ist. Auch die Akupunktur beruht darauf. Die ägyptischen Plagen sind daher kein „Wunder“, sie sind nur eine logische Folge der realen Verhältnisse. So ist die Natur gebaut. Die Wahrheit (der reale – im Gegensatz zum eingebildeten Zustand) bewegt (bewusst oder unbewusst) alle, die helfend eingreifen können. Solange die Einbildung herrscht, solange etwa etwas, das schwach ist „stark“ genannt wird, kann keine Hilfe kommen.
In Kenntnis dieses Gesetzes können die fernöstlichen Kampfsportarten mit Recht behaupten, dass mit konzentrierter Energie alles bewegt werden kann. Darauf beruht ja der gefürchtete Karate-Schlag. Er ist nur möglich, wenn ein Mensch zumindest für einen Augenblick alle seine Kräfte versammeln kann. Das geht natürlich nur mit und niemals gegen die Wahrheit.
Wenn jemand ein Karate-Meister werden möchte, muss er daher den Weg zur Wahrheit beschreiten. Er wird auf seinem Weg nämlich logischerweise immer wieder entdecken, dass er nicht ganz gesammelt (=ganz =heil) ist und sich daher auf die Suche machen müssen nach den „Störungen“, also nach seinen Schwachstellen und so wird er es nicht vermeiden können, die Wahrheit zu erkennen, die eben wieder die ist, dass es so etwas wie eine „eigene Kraft“ gar nicht gibt, sondern dass es nur eine einzige Energie gibt und dass seine eigene Kraft (die jetzt als die Kraft des Alls erkannt ist) nur dann gesammelt sein kann, wenn der Betreffende im Einklang steht mit den energetischen Bewegungen seiner Umgebung. Das verlangt Sensitivität, ein sich Einschwingen, aktive Bewusstheit. Und die ist nur möglich in Abwesenheit eines „Ich“ (das ja immer eine vorgefertigte Meinung darüber hat, was es ist und was es will), also in Abwesenheit von dem, was gewöhnlich „Ego“ genannt wird. Nur in diesem Zustand ist völlige Sammlung möglich. In diesem Zustand schafft ein Wunsch (eine Not) augenblicklich die Lösung. Und da ist nichts Übernatürliches am Werk. Es ist einfach das normale Spiel der kosmischen Kraft – erkennbar natürlich nur für einen aktiv bewussten Menschen.
Eine Begleiterscheinung der aktiven Bewusstheit ist die in ihr selbstverständliche Erkenntnis, dass die Kraft des Alls nicht nur die ist, aus der alles besteht und hervorgeht, sondern dass es auch die ist, die alles Seiende in eine klar erkennbare Richtung vorwärts drängt: in Richtung Bewusstheit. Die ganze Evolution drängt in Richtung Bewusstheit, in Richtung Selbsterkenntnis. Und am Ende dieses Prozesses gibt es nur eine Konsequenz, nämlich sich voll und ganz jener Energie anzuvertrauen. Und das ist (so wie schon bei jeder Bewältigung einer jeden Aufgabe in der Vergangenheit) ein erneutes über sich hinaus Gehen, das letztmögliche über sich hinaus Gehen. Am Ende natürlich ein sich völlig darin Verlieren. Also wieder eine Art Tod und dann die letzte Auferstehung im bewussten Erleben der Einheit, im Wahrnehmen der Welt aus der Perspektive Gottes, im selbst Gott Sein – selbstverständlich nicht im Sinn eines abgespaltenen Wesens. Daher gibt es auf dieser Ebene keinen „Stolz“, keine individuellen „Ziele“ etc., aber es gibt, solange ein solcher Mensch noch in seinem Körper lebt, den Zug zurück in die individuelle und zeiträumlich gebundene Existenz.
Was darüber hinaus möglich ist, weiß ich nicht, aber natürlich könnte es Menschen geben, die das kennen. Ob mir diese Erkenntnis helfen kann, weiß ich auch nicht. Ich bin (noch) nicht dort. Ich habe ohnehin nur die Möglichkeit auf meinem Weg einfach immer nur die nächste Schwelle zu überschreiten. Ich kann niemals die übernächste überschreiten, genauso wenig wie ich mit meinem Körper den Raum überwinden kann, außer indem ich mich kontinuierlich darin bewege. Wenn ich in einem Gebäude in den sechsten Stock kommen will, muss ich alle dazwischenliegenden passieren. So ist es auch mit dem Weg der Bewusstheitsentwicklung.
Den Leitfaden auf diesem Weg bilden immer die Wünsche.
Indem wir leben, verbrauchen wir Energie und die müssen wir uns wieder zuführen. Das bewerkstelligen die Wünsche. Da Menschen komplexe Wesen sind, sind auch die Wünsche komplex. Es gibt eine Hierarchie darin. Jeder Wunsch geht immer in Richtung größerer Bewältigung. Deshalb heißt es in der Bibel, dass der Mensch Beherrscher der Natur sein soll. Das ist natürlich dogmatisch missverstanden worden als Erlaubnis zur hirnlosen Ausbeutung. Logischerweise geht es aber zunächst um die Herrschaft im eigenen Haus. Wer sich nicht selbst beherrschen kann, wird auch sonst nichts beherrschen.
Die spirituelle Entwicklung ist ohne Selbstbeherrschung nicht möglich.
Wenn ein Mensch sich so weit gehen hat lassen (so wenig Selbstbeherrschung hatte), dass er durch eine Sucht dem Tode nahe ist, sich also mit dem eigenen Tod konfrontiert sieht, hat er trotzdem immer noch die Chance zur Umkehr und es sind nicht wenige, die diese letzte Chance nutzen, denn wenn sie sie nicht nutzen, sind sie tot. Jeder hat also gewissermaßen eine Chance bis zum letzten Moment. Wenn aber der letzte Moment ungenutzt vorübergegangen ist und der Tod eintritt, gibt es natürlich keine Möglichkeit mehr zur Umkehr. Und dieses Bewusstsein kann natürlich schon die Hölle sein.
Die Umkehr besteht in der Erkenntnis, dass die eigene Kraft nicht ausreicht, dass es da aber vielleicht noch eine andere Kraft geben könnte, ja dass diese Möglichkeit immer stärker in Betracht gezogen wird, bis schließlich die Kapitulation, die Übergabe des eigenen Schicksals an diese Kraft erfolgt. Und damit beginnt der Aufstieg auf der Leiter der Bewusstheit. In der Bibel erscheint diese Leiter im Bild von der „Himmelsleiter“, die Jakob gesehen hat.
Die meisten Menschen aber bleiben, wie schon gesagt, irgendwo stehen. Sie wollen sich nicht länger abmühen und aussetzen. Sie leben lieber mit der Lüge und der daraus resultierenden Schwäche, die schließlich auf irgendeine Weise sogar zu ihrem vorzeitigen Tod führen wird – unausweichlich.
Sie sind dazu übergegangen, sich zu beklagen und sich den Klagen anderer auszusetzen und vor allem sich selber zu bedauern – und ihr Schicksal nicht zu akzeptieren. Trotz der negativen Folgen (Unzufriedenheit, Schmerzen, Krankheiten) ist es möglich, in diesem Zustand zu verweilen, sogar bis zum Tod (oft erst nach vielen Jahrzehnten), ohne je zum Bewusstsein zu erwachen. Es wirken starke Kräfte in diese Richtung, insbesondere die Intentionen der „Peergoup“ (der Gruppe von Gleichgesinnten), deren Aufgabe es ja ist, dass ihre Mitglieder sich gegenseitig in ihrer Welt [ihren Illusionen] bestärken und festhalten und sich gegenseitig dafür belohnen, dass auch die Anderen sich mit der Lebenslüge zufrieden geben – oder mit einer Teilwahrheit – ein verhängnisvolles (dualistisches) Missverständnis des biblischen „keiner soll sich über den anderen erheben“.
Das ist die sogenannte „normale“ Welt.
In dieser sogenannten „normalen“ Welt herrscht daher Abhängigkeit vom Nichtaufdecken der Wahrheit. Biblisch ausgedrückt, herrscht hier „der Mammon“. Das ist nämlich der „Gott“, der die letzte Wahrheit (dass nämlich alle Dualität Illusion ist) nicht zulässt. Man belohnt sich gegenseitig dafür, dass man sich nicht aufdeckt. Deshalb werden in der „normalen“ Welt die Menschen so oft verfolgt, die sich um Wahrheit bemühen. Das bedroht die „normale“ Welt. Die Wahrheit macht ja alle auf ihre Schwäche (auf ihren inneren Widerspruch) aufmerksam und die wollen die „normalen“ Menschen nicht sehen. Sie sind zu stolz dafür. Sie wagen es nicht, sie sich einzugestehen. Sie wollen ja immer gut dastehen vor den Anderen. Sie wollen immer irgendwer sein, eine Rolle spielen für die anderen, bestätigt werden von den Anderen, weil sie jene andere Bestätigung überhaupt nicht kennen, die durch die Wahrheit erfolgt, weil sie nicht begreifen, dass ihre Angst, zu unterliegen und vernichtet zu werden, im Akt der Kapitulation vor der einen großen Kraft, vollkommen aufgehoben ist.
Anstatt jener mickrigen Existenz, in der ein Mensch sich nicht einmal die eigenen Wünsche erfüllen kann und natürlich Angst hat, dass jemand das bemerken und ausnutzen könnte, erscheint nämlich in der Wahrheit, d.h. im Eingeständnis des eigenen irreparablen Ungenügens, eine völlig andere Art von Existenz, eine Art Fusion mit dem All mit geradezu unendlicher Energie, die nun aber nicht mehr im Sinn des biblischen „Baal“, also des sich gegenseitigen Übertrumpfens eingesetzt wird , sondern zur Förderung der Bewusstheit aller.
So ist die Energie des Alls. Sie drängt auf allen Kanälen in Richtung Bewusstheit. Und nichts befriedigt mehr, als diese Energie durch sich fließen zu lassen. Das ist der biblische „Himmel“. Einen anderen Himmel gibt es nicht. Dieser Energie das Fließen zu verweigern, macht die biblische „Hölle“.
Wenn der letzte Richter im letzten Gericht Jesu sagt: „Ihr die ihr mich krank gesehen habt und mich besucht habt“... etc., meint er nicht mehr und nicht weniger als diejenigen, die dieser Energie gefolgt sind. Denn das sind die „Taten“ jener Energie, das ist ihre Eigenart. Die in diesem Gericht gewürdigten menschlichen Taten sind keine Leistung dieses Menschen, der sich ihr zur Verfügung stellt. Sie sind nur Ergebnis eines Folgens, eines Nachgebens in den natürlichen Drang. Deshalb Jesu Beispiel mit dem barmherzigen Samariter, also eines Menschen der keine Ahnung hatte von Moral oder Gesetz, der nur ein natürliches Gespür hatte, dem er gefolgt ist.
Sein Verhalten zur Grundlage einer „neuen“ Moral zu machen, zeigt nur ein grundlegendes Missverständnis. Wir brauchen diese Moral nicht, weil es uns nämlich ein natürliches Bedürfnis ist, ein natürlicher Drang, zu handeln wie der „barmherzige Samariter“. Wir brauchen diesen Drang nur nicht behindern durch unsere Gedanken, wie der Priester und der Schriftgelehrte im Beispiel Jesu es getan haben. Die Moral ist keine Hilfe, sie ist ein Hindernis. Trotzdem kann sie auch als Hilfe benützt werden, aber erst, wenn ein Mensch sie als eine Art Mahnung zur Wachsamkeit verstehen kann, als eine Art Wecker, also erst, wenn ein Mensch ihre ursprünglich intendierte Bedeutung erkannt hat. Dazu muss er natürlich auf dem Weg der Bewusstheitsentwicklung schon ein gutes Stück gegangen sein.
Im Gegensatz zu einem „Kurs in Wundern“ (ein gegen Ende des zweiten Jahrtausends viel gelesenes Buch) ist dieser Weg (zur Bewusstheit) ein Kurs jenseits der Wunder, ein Kurs in Realität – Realität in ihrer tiefsten Tiefe – und das ist eben nicht das Außergewöhnliche. Es ist das Gewöhnliche und doch ist es eine Offenbarung. Die Offenbarung schlechthin.
Auf diesem Weg erscheint das nämlich von selbst, was dann später von Menschen (mythologisiert) „Offenbarung“ genannt wird. Für die, die es in einer Art von dogmatischem Sinn „Offenbarung“ nennen, ist es aber keine Offenbarung, sondern eben ein Dogma, ein für wahr Halten, ein bloßer Glaube, dem die Erfahrung fehlt. Ein Buchstabe. Und an dem hängen sie, weil sie die Realität nicht kennen.
Aus diesem Buchstabenglauben entstehen dann die Rivalitäten zwischen verschiedenen „Offenbarungen“ mit all den bekannten Folgen. Und auch innerhalb einer „Offenbarung“ die Verfolgung all derer, die eine bestimmte vorherrschende Sicht nicht unterstützen.
Ganz anders ist das natürlich bei denen, die die Offenbarung persönlich kennen. Sie wenden sich manchmal zwar auch gegen Menschen und Tendenzen, aber eben nicht um persönlich recht zu haben, sondern um die allgemeine Bewusstheit zu fördern. Sie stehen im Dienst der Bewusstheit. Die Buchstabengläubigen wollen die Bewusstheit verhindern, weil eine größere Bewusstheit nämlich schmerzhaft für sie wäre. Sie verlören gänzlich ihre (eingebildete) Bedeutung. Sie wären plötzlich nichts mehr. Das ertragen sie nicht.
Es scheint in der Welt eine Art Kampf zwischen „gut“ und „böse“ zu geben. Aber das ist nicht eine Auseinandersetzung zwischen Bewusstheit und Unbewusstheit. Die „Guten“ und die „Bösen“ leben nämlich beide in der Illusion. Wer von den beiden die größere Chance auf Bewusstheit hat, ist nicht von vornherein entschieden. Der Kampf um Bewusstheit beginnt erst nachher, jenseits von gut und böse, also wenn die „Guten“ eingesehen haben, dass sie in Wirklichkeit gar nicht gut sind und wenn die „Bösen“ eingesehen haben, dass sie in Wirklichkeit nicht böse sind.
Es ist einfach so: Die Energie drängt auf Bewusstheit, die Trägheit, will Bewusstheit behindern. Das ist alles. Es gibt, wie schon gesagt, keine „böse Macht“. Es gibt nur eine Behinderung dieses Drängens durch irgendetwas. Es steckt keine Absicht dahinter. Es ist einfach nicht zu vermeiden, dass alles, was ist, auch einen Schatten wirft, der andere gelegentlich des Sonnenlichts beraubt. Interferenz ist die Ursache allen Übels. Und Interferenz lässt sich unter gar keinen Umständen vermeiden. Sie ist notwendig gegeben durch die Existenz von etwas. Alles Existierende muss ja seine Energie von irgendwoher nehmen, sie irgendetwas anderem wegnehmen. Es geht nicht anders. Das Leben ist auf dem Tod aufgebaut in jeder Hinsicht.
Da diese Tatsache nicht verändert werden kann, geht es auf dem Weg der Bewusstheitsentwicklung nur um die Frage, wie sich ein Mensch verhält, auf den ein Schatten irgendeiner Art gefallen ist. Ob er hypnotisiert wird von dem Schmerz oder ob er sich davon wieder lösen kann. Alle Kranken irgendeiner Art sind hypnotisiert, solange sie krank sind. Der Wendepunkt kommt, wenn sie sich abwenden können von dem Schatten, wenn sie wieder das Licht sehen können.
Wenn sie den Schmerz richtig fühlen, werden sie sich abwenden können, sie werden sich zutiefst abwenden wollen. Ganz viele Menschen scheinen sich aber nicht abwenden zu können von dem Schatten. Sie sind gefangen in der gut/böse-Welt. Sie glauben, wenn sie leiden, wären sie im Recht, wären sie also gut und diejenigen, von denen der Schmerz kommt, wären schlecht. Und so genießen sie den Schmerz oft (natürlich ohne sich das einzugestehen), um besser zu sein. Natürlich können sie auf diese Weise nicht aus ihrem Gefängnis herauskommen. Sie werden daher Betäubungsmittel brauchen.
Wenn ein Mensch aus einer derartigen Hypnose erwachen soll, muss er den Schatten aushalten, ohne auszuflippen. Er muss Schmerz ertragen können. Das muss er lernen. Deshalb ist der Weg der Bewusstheitsentwicklung ein schmerzhafter Weg.
Nicht dass die Unbewussten weniger Schmerzen hätten, sie betäuben sich nur und sie nehmen den Schmerz nicht freiwillig auf sich. Er wird ihnen vom Leben aufgezwungen. Deshalb sind sie dem Leben auch oft böse. Sie meinen, sie wären „gut“ und „das Leben“ wäre „böse“, oder eben ihre Mitmenschen. Sie fühlen sich dauernd als Opfer und wollen sich ständig rächen. Das ist das Kennzeichen der Unbewusstheit. Die Bewussten wissen, dass es nichts zu rächen gibt, weil nämlich alles in bester Ordnung ist. Es könnte nicht besser sein! Selbst wenn sie im Augenblick etwas trifft, was andere für ein großes Unglück halten würden, wissen sie das und erfahren sie das. Die Unbewussten haben höchstens eine Ahnung davon, manchmal, in Augenblicken, in denen die Bewusstheit durchschimmert. Die Bewussten sehen die Notwendigkeit, so wie Jesus sie gesehen hat. Natürlich hat er sich nicht verweigert, sondern den Schatten auf sich fallen lassen, die Schmerzen ertragen einschließlich seines physischen Todes. Das Ergebnis ist bekannt. Höchste Bewusstheit und ein Maß von Wahrheit, das kaum je erreicht wird und dessen Wirkung (auf uns „Schweine und Fische“) daher kaum zu übertreffen ist.
So wirkt jeder Schatten auch in Richtung Bewusstheit. Außerdem erzeugt er ohnehin den Wunsch, ihn zu verlassen – oder den Wunsch, sich darin auszuruhen. Das alles ist nämlich einem bewussten Menschen möglich. Er darf der Wahrheit Ausdruck verleihen. Und manchmal wird er auch böse sein. Und das werden die Betroffenen dann merken und sie werden aufwachen – oder sich in Richtung Tod weiter verhärten. Entweder bewusst werden oder sterben, das sind die Alternativen. Ganz natürlich. Eine Übernatur ist da nicht nötig. Aber natürlich kennt niemand die Grenzen der Bewusstheit. Unser Vorstellungsvermögen ist immer durch das begrenzt, was wir kennen. Daher können wir nicht sagen, was wirklich möglich ist.
Alle wissende Rede über ein „Leben nach dem Tod“ ist unehrlich. Niemand weiß etwas darüber. Aber wozu sollten wir uns Gedanken machen über etwas, das wir nicht wissen können, wo der Weg zur Bewusstheit uns doch schon genug fordert an dem Platz, an dem wir sind. Wir können doch nur sagen, was der Apostel Paulus schon gesagt hat: „Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr hat vernommen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Das ist eine ehrliche Projektion. Wenn wir davon ausgehen, was durch unsere Bewusstheit jetzt möglich ist, dann wissen wir, dass eine noch tiefere Bewusstheit noch viel befriedigender sein muss als unsere gegenwärtige. Aber das reicht auch schon an Spekulation. Alles darüber hinaus ist nur betäubender Ersatz, eine nur auf die Phantasie beschränkte Befriedigung. Wir sind jetzt hier und da liegt das Feld unserer Bewusstheit. Was natürlich nicht heißt, dass wir nicht in unserem Jetzt, wie Paulus weiter schreibt, uns vom Geist in die Tiefen Gottes führen lassen könnten (ebd.) – wenn dieser Geist es will.
Ein bewusster Mensch ist nicht der Herr seines Schicksals. Er weiß das. Daher entscheidet er nicht willkürlich, er lässt sich führen. Dadurch erscheint er sehr selbstbewusst. In Wirklichkeit misstraut er sich selbst jedoch total, vertraut dafür aber umso mehr der Führung durch „den Geist“. Auf sie allein richtet sich seine Bewusstheit. Bewusstheit ist also einfach ein Wahrnehmen, ein Fühlen und in diesem Fühlen „offenbart“ sich die Wirklichkeit und in ihr der nächste Schritt. Der Rest bleibt im Dunkel. Mehr ist nicht nötig, um ein bestmögliches Leben leben zu können.
Fühlen – nicht Denken!
(27. 7. 2001)
Die wirkliche Lösung findet sich niemals im Denken, sondern nur im Fühlen. Mit „Fühlen“ meine ich nicht Gefühle. Gefühle sind ja nur ein Teil dessen, was gefühlt werden kann, nur ein Teil unserer Realität.
Was Castaneda als die „Energielinien“ bezeichnet, kommt dem, was „Fühlen“ ist, schon näher: Er meint jene (geistigen, aber doch sehr realen) Linien, die uns mit bestimmten Ereignissen unserer Vergangenheit und unserer Zukunft verbinden und die uns natürlich auch mit allem verbinden, was unsere Gegenwart ausmacht. Wenn wir uns selbst betrachten (wenn wir fühlen), können wir entdecken, woraus unser momentanes Lebensgefühl zusammengesetzt ist: aus einer Unzahl von Erinnerungen und Hoffnungen (Wünschen), und beides jeweils verbunden mit unserer Gegenwart - oder noch festgehalten in einer Sicht aus der Vergangenheit.
Im Fühlen gibt es immer die beiden Pole: die gegenwärtige Realität und die Sehnsucht. Es geht darum, die gegenwärtige Realität an die Sehnsucht anzupassen. Das ist unsere Lebensaufgabe. Am Ende steht dann unser tiefster Wunsch, nämlich zu fühlen, was die Energie fühlt, aus der wir bestehen. Aber es ist egal, was am Ende steht, wir sind da, wo wir sind. Da müssen wir anfangen.
Wir brauchen nur ehrlich sein und uns selbst betrachten aus einer Einstellung heraus, in der alles möglich ist. Dann können wir in die verborgensten Winkel unserer Existenz schauen.
Nach dem Schauen kommt der nächste Schritt, die Konsequenz des Fühlens, nämlich die Umsetzung dessen, was wir mit unserem Fühlen „gesehen“ haben. Die Umsetzung beginnt damit, dass wir mitteilen, was wir fühlen, wie es uns also geht. Dieses Mitteilen betrifft immer die, mit denen wir es eben gerade zu tun haben, sei es der Partner, die Partnerin, sei es der Chef, sei es ein Untergebener, seien es eigene Kinder, seien es Kunden oder Freunde. Ihnen müssen wir mitteilen, was wir von ihnen möchten. Natürlich müssen wir uns dabei im Klaren darüber sein, dass die Erfüllung unserer Wünsche auch was kostet und das müssen wir natürlich geben. Für nichts gibt es nichts. Für uns selbst total aber bekommen wir alles. Alles immer entsprechend dem Einsatz. Wenn wir unsere Wünsche wertschätzen, werden wir bereitwillig geben, was nötig ist.
Der Weg zur Erfüllung unserer Sehnsucht beginnt aber immer mit dem Fühlen dessen, was der Fall ist in der jeweiligen Beziehung. Dadurch klären sich auch unsere Wünsche. Und gleichzeitig klärt sich die Beziehung. Wir werden wissen, was wir wo haben können und was wir woanders suchen müssen. Aber eben erst nach der Auseinandersetzung mit dem, was wir fühlen – nicht um diese Auseinandersetzung zu vermeiden, sie ist ohnehin nicht zu vermeiden.
Das Fühlen ist in jedem Fall der Ausgangspunkt, egal in welcher Frage – noch einmal: nicht irgendwelche Gefühle sind der Ausgangspunkt, sondern das Fühlen, in dem Gefühle auch vorkommen neben vielem anderen, was da eine Rolle spielt. Zunächst natürlich erscheint alles in Gefühle verpackt. Bei genauerem Hinsehen aber können wir entdecken, dass gleich hinter den Gefühlen Realitäten stehen. Und auf diese Realitäten gilt es Einfluss zu nehmen. Das ist die Aufgabe (die Problemstellung).
Sie ist nur zu erfüllen, wenn wir unsere Energie gesammelt haben. Und die Energie sammelt sich, indem wir uns alles in uns ansehen und respektieren als etwas, das seine Daseinsberechtigung hat. Deshalb ist es ja da. Erst wenn wir nichts mehr ausschließen, können wir wirklich fühlen. Erst dann stehen wir nicht mehr im Widerspruch mit uns selbst. Dann ist unsere Energie gesammelt und dann wird unser Schlag wie ein Karateschlag sein: durchdringend, egal welcher Art dieser „Schlag“ auch sein mag.
Fühlen bedeutet immer von der Realität ausgehen, nicht von Vorstellungen. Die Vorstellungen kommen allerdings auch vor im Fühlen. Auch sie können wir fühlen und dabei bemerken, was sie wirklich wert sind. Letzten Endes sind sie nichts wert. Nur die beiden Dinge haben Wert: Die Sehnsucht und die Realität. Sie Sehnsucht führt uns, sie zeigt uns, wohin wir uns bewegen müssen und die Realität zeigt uns, wie sie realisiert werden kann, sodass unsere Vision immer konkretere Gestalt gewinnt.
Auf diesem Weg werden wir natürlich auch viele Ablehnungen erleben. Das ist normal. Wir sind ja gerade erst dabei, uns selbst kennen zu lernen und da täuschen wir uns zunächst auch oft. Aber nur indem wir auch unsere Illusionen ausleben (logischerweise nur so lange, solange wir sie nicht eindeutig als solche erkennen), hören sie auf, unser Leben insgeheim zu beherrschen. Nach jeder Enttäuschung können wir wieder eines dieser illusionären Kapitel abschließen. Ohne Enttäuschung könnten wir es nicht. Es würde beständig weiter an uns nagen, wie so viele alte Wunschvorstellungen, denen wir uns nie wirklich hingegeben haben. Durch die Ablehnungen lernen wir Realität von Phantasie zu unterscheiden. Was wir eben vor allem Fühlen sollen, ist nicht irgendeine Phantasie, sondern unsere Sehnsucht. Sie ist der eine Pol unserer Selbst-Wahrnehmung, der andere Pol sind die Schranken, an die wir in der Realität stoßen und wie das sich anfühlt.
In der Realität entsteht durch die Konfrontation unserer Sehnsucht mit unseren tatsächlichen Schranken eine Krise, eine Art Patt der Kräfte, eine Art Vakuum – wenn es nicht so läuft, wie wir es gerne hätten, das Vakuum der Verzweiflung. Unsere Realität ist dann die Ratlosigkeit, eine Leere. Sie erzeugt Schmerz und der Schmerz gebiert die Bereitschaft (räumt die Hindernisse in uns beiseite), unsere Kraft auf die gegenwärtige Realität einzustellen – und das ist die Lösung. Nun ist alle Energie geeint. Alle Kraft steht zur Verfügung, nichts leckt irgendwohin weg. Und so wird unser Wunsch jetzt erfüllt.
Es beginnt immer mit dem Fühlen dessen, was ist. Aus der gefühlten Gegenwart heraus lösen sich alle Probleme, der Weg wird klar erkennbar.
Durch Denken wäre das nicht lösbar. Alles liefe nur auf faule Kompromisse hinaus, an denen niemand Freude hat. Das Denken beruht ja ausschließlich auf unserer Erfahrung, also auf den Daten unserer Vergangenheit. Es kann den Sachverhalt daher nie wirklich genau treffen. Das Fühlen doch. Und im Fühlen erscheinen auch die Lösungen, gewissermaßen von selbst aber natürlich nicht umsonst. Im Denken gibt es immer Alternativen, im Fühlen gibt es das nicht, und wenn doch, dann muss experimentiert werden, bis sich die Dinge klären. Durch Denken lassen sie sich nicht klären, weil die Wirklichkeit eben immer anders ist als selbst unsere komplexesten Vorstellungen. Im Fühlen können wir aber auch alle unsere Vorstellungen bis an den Grund erfühlen, bis wir genau wissen, was sie mit uns zu tun haben. Damit klärt sich unsere Welt, wir tun dann das, was Castaneda als „die Insel des Tonal aufräumen“ bezeichnet hat. Dann können wir unsere Vorstellungen auch sein lassen und uns einfach einstellen auf die gegenwärtige Realität. Es geht ja immer einfach nur darum, die Beziehungen zu fühlen, also die Relativität dessen, mit dem wir es jeweils zu tun haben, in bezug auf uns selbst. Dann wird uns bald nichts mehr etwas vorgaukeln. Dann werden wir unsere Kraft einsetzen und unseren Traum Wirklichkeit werden lassen.
Mit dem Denken können wir bestenfalls Karriere im üblichen Sinn machen. Wir werden nicht frei werden. Frei werden wir nur, indem wir spüren, was ist. Und das bedeutet: Immer wieder durch Tod und Auferstehung ins neue Leben. Der Tod, also eine Ablehnung, ein Misserfolg, eine Ratlosigkeit, oder einfach ein Wunsch (der ja auch immer ein Zugeben der Bedürftigkeit, also ein sich Ausliefern ist und damit eine Art Tod) ist der Anlass, zu fühlen. Und im Fühlen finden wir den Schlüssel zum neuen Leben (nicht nach dem Tod, sondern jetzt, „im Fleisch“, wie es heißt). Wer den Tod vermeiden will, wird keine Auferstehung erleben. Noch einmal: Mit „Tod“ meine ich ein Erlebnis der Negation des Ich, ein sich am Ende Fühlen, absolute Ratlosigkeit. Genau da entsteht das neue Leben. Das Nichts brütet es aus. Das neue Leben entspringt dem Fühlen des Todes. Der Tod ist der Ort der Kreativität (nicht das Herumbasteln mit irgendwelchen Materialien). Wir müssen uns selbst erlauben, am Ende zu sein. Wir müssen uns zutrauen, diesen Schmerz ertragen zu können. Mitten im tiefsten Schmerz erscheint dann die Vision und mit ihr die Energie, sie zu verwirklichen. Dann sind wir schon im anderen Leben. Wenn wir den ganzen Zyklus einmal bewusst erlebt haben, werden wir weniger Widerstand haben gegen das Fühlen unseres Todes und so wird uns der nächste Schritt leichter fallen – bis wir ohne jeden Zweifel wissen, dass wir den Weg gefunden haben.
Fühlen bedeutet immer, den möglichen wirklichen Tod in Kauf nehmen, Fühlen bedeutet, die Wahrheit anerkennen, dass wir unser Leben niemals zur Gänze kontrollieren können, dass wir letztlich also immer abhängig bleiben werden – von jener Kraft, die uns ins Leben gerufen hat. Fühlen bedeutet daher immer „kapitulieren“ vor jener Kraft. Unser Schicksal freiwillig in deren „Hände“ zu legen. Mit ihr zu kommunizieren. Das ist der Weg ins neue Leben.
Im Denken dagegen bleiben wir immer bei uns selbst. Ein neues Leben ist da nicht möglich. Wir verheddern uns nur immer tiefer in unser eigenes Gedankengestrüpp. Da gibt es keine Freiheit. Es gibt höchstens – und das meinen die „Jnana-Yogi“ mit ihrem „Weg der Erkenntnis“ – dass wir nach langem vergeblichen Denken unter Umständen erkennen können, dass es auf diesem Weg keine Lösung geben kann. Was das erkennt, ist aber nicht das Denken, es ist jene andere Ebene, nämlich das Fühlen der Vergeblichkeit, das sich an diesem Punkt zu Wort meldet. Insofern ist letzten Endes auch „Jnana-Yoga“ kein Weg des Denkens, sondern die erleuchtende Erkenntnis kommt von wo anders her, nämlich von jener Ebene der Lebensenergie, zu der wir nur im Fühlen in Kontakt kommen können.
In jedem Fall ist das neue
Leben immer das Ergebnis unseres Todes im alten Leben. Das Scheitern treibt die
Evolution voran. „Not macht erfinderisch“, heißt ein banal wirkendes, aber doch
sehr weises Sprichwort. Das Auseinanderbrechen hebt alle gewohnten Regeln auf,
durchbricht alles, was wir kennen und erlaubt so einen unbekannten neuen
Anfang, auf einer völlig neuen Basis. So ist es schon von der ersten Zellteilung
an. So wie diese zustande kommt, indem sich eine männliche und eine weibliche
Zelle vereinigen, so kommt auch jede spätere kreative Neuerung durch jene Krise
zustande, die entsteht aus einer vergleichbaren Vereinigung zweier
gegensätzlicher Bestrebungen. Diese Vereinigung gegensätzlicher Kräfte könnte
zur gegenseitigen Vernichtung führen, die schöpferische Energie hat es aber so
eingerichtet, dass aus solchen Situationen etwas Neues hervorgeht, etwas, das
den Bewusstwerdungsprozess einen weiteren Schritt vorantreibt. [Klar, dass hier
die Alternative zum Krieg liegt.]
Was wir sehen, wenn wir diese Prozesse beobachten, ist das „ewige“ Leben. Wir stehen in Kontakt mit ihm – nicht „nach unserem physischen Tod“, sondern jetzt. Jetzt können wir auf diesen Prozess vertrauen und uns dadurch jener Energie anvertrauen, die unser Leben lenkt. Dann sind wir bewusst schon jetzt im neuen und, wie wir jetzt wissen, im „ewigen“ Leben. Und das alles nur, indem wir fühlen.
Für jemand der fühlt, sind die äußerlichen Maßstäbe der Menschen nur noch das, eben äußerliche Maßstäbe, Hinweisschilder, die von unseren Vorfahren aufgestellt worden sind als Hilfe und nicht als Hindernis. Wenn wir sie so betrachten, finden wir in ihnen auch Hilfe – zu anderen Zeiten vielleicht aber ein Hindernis, das es zu überwinden gilt. Alle Maßstäbe sind einfach nur jeweils Verästelungen der Niederschläge des Fühlens der Vergangenheit. Auch sie gilt es zu erfühlen und zu erkennen, wo ihre Beachtung angebracht ist und wo ihre Beachtung unserem gegenwärtigen ehrlichen Fühlen widerspricht.
Der Weg ist einfach: Es ist der Weg des Fühlens. Und dieser Weg verlangt unbedingte Ehrlichkeit, denn sonst ist Fühlen natürlich nicht möglich. Um mehr brauchen wir uns nicht zu kümmern. Das hat Jesus gemeint mit seinem Wort: „Kümmert euch zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch nachgeworfen werden.“ Das Reich Gottes wird regiert durch das Fühlen.
Der Motor der Evolution:
Oszillation zwischen Sehnsucht und Schmerz
(31.7.2001)
Sehnsucht heilt. Heilung (die Lösung) kommt von selbst. Es ist ganz einfach: Du betrachtest Deine Wirklichkeit. Du fühlst den Schmerz deiner Wirklichkeit. Und dann fühlst du der Sehnsucht nach, dem Traum, versuch es, auch wenn der Traum vielleicht jetzt gar nicht mehr wahrnehmbar ist, weil du mit ihm schon so lange keinen Kontakt mehr hattest, dass er inzwischen verschwunden zu sein scheint. Falls du im Moment also keinen Zugang hast zu deiner Sehnsucht, erlaube dir einfach einen Anflug von Glück, jetzt. Und wenn ein Hauch davon da ist, geh zurück zu dem Schmerz und fühle dann von da aus noch einmal deine Sehnsucht nach dem Glück. Lass sie von da aus sich ausbreiten. Und wenn du dann den Schmerz wieder fühlst, weil du doch so weit weg bist von deinem Glück, wenn dein Schmerz also noch verstärkt ist durch deine Sehnsucht, dann bist du einfach traurig darüber, dass du so weit entfernt bist von deiner „Heimat“, von der du träumst, wo du angekommen bist und wo du aufgenommen bist, wo du wer bist, weil du ganz angenommen bist. Und diese Trauer fließt in ein Gebet. Und das lautet vielleicht irgendwie so: „Oh du Energie, aus der ich geworden bin. Du fließt jetzt doch immer noch in allen meinen Adern. Ich schaffe es nicht, mich meinem Glück auch nur eine Spur zu nähern. Du musst es machen, du musst mich zu meinem Glück führen, ich kann es nicht, aber du kannst es. Du wolltest doch niemals, dass ich untergehe, du wolltest doch von Anfang an, dass ich blühen kann, also hilf mir nun, dass ich nicht untergehe. Hilf mir! Sogar ich freue ich mich ja doch über das Blühen überall. Also lass mich endlich auch blühen. Hilf mir. Ich schaffe es nicht. Du musst es für mich schaffen. Hilf mir. Hilf mir.“
Und dann kommt Hilfe. Unglaublicherweise hat dieses Gebet eine Wirkung, die wir gar nicht für möglich gehalten haben. Plötzlich bekommen wir tatsächlich Hilfe, nachdem wir jahrelang umsonst darauf gehofft hatten. Und mit jedem Schritt bekommen wir neue Hilfe, wenn wir diesen Weg fortsetzen.
Es ist so einfach. Jeder kann diesen Weg gehen. Das einzige Hindernis ist unsere Idee, wir müssten es selbst schaffen, wir müssten gut sein. Solange wir glauben, wir wären gut oder dass wir zumindest gut sein könnten, wenn die Bedingungen besser wären, gibt es keine Antwort auf unser Gebet. Wir haben dann nämlich die Wahrheit verlassen. Wir können nämlich in Wirklichkeit nicht gut sein. Keiner ist gut. Jeder hat seinen Schatten. Das ist unvermeidlich. Wir können es daher genauso gut aufgeben, gut werden zu wollen. Wir brauchen nicht gut sein, wir brauchen nur ehrlich sein. Und ehrlich sein heißt: Unserer Sehnsucht folgen und nicht irgendwelchen äußerlichen Bildern. Genau das befiehlt das erste Gebot, nicht irgendwelchen Bildern zu folgen. Dieses Bildern folgen, was die meisten ja tun, ist das ganze Übel. Es ist unehrlich. Der Ausweg aus dem Übel ist, zugeben, dass wir es nicht schaffen. Keiner schafft es, auch der Allerbeste nicht. Solange wir Bildern folgen, wissen wir im Grunde nicht einmal, was wir eigentlich schaffen möchten, weil wir von unserer Sehnsucht getrennt sind. Wenn wir der Wahrheit allein folgen, brauchen wir keine Bilder mehr. Dann zeigt sich der nächste Schritt von selbst. Die Wahrheit ist, dass wir unser Glück nicht schaffen können, dass aber jene Energie es ist, die es schafft, aber nur wenn wir sie auch lassen. Dann schafft sie das Beste für uns, denn sie will ja das Beste. Und diese Energie ist weder ein übernatürliches Wesen noch irgendeine altertümliche, überholte Instinktform, die uns zu Tieren macht, wie wir das vielleicht befürchten. Nein diese Energie ist vollkommen up to date und sie ist uns überhaupt nicht fern. Sie ist vollkommen menschlich und sie weiß alles, was wir wissen und viel mehr. Sie sieht nämlich, wo es das gibt, was wir möchten und sie führt uns da hin. Bei den Indianern gibt es dazu [bei Hyemeohsts Storm] die Geschichte von den Cojote-Roben, die alle, die sie anziehen, befähigen, zu sehen, wo es Büffel, also Nahrung, gibt. Diejenigen, die es wagen, sich über niemand zu erheben, auch nicht über die Tiere, werden von ihrer Natur ausgestattet mit einer Sicht, die alle Probleme löst. So sehen es die Indianer. Ich sehe es ähnlich: Diese Energie führt uns besser als jede verstandesmäßige Suche. Allerdings kann sie uns auch zu einer solchen Suche bringen. Denn wir müssen die Befehle der Energie ja ausführen, damit wir ans Ziel unserer Träume kommen. Alles kann auf dem Weg liegen. Und wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen, aber genau so sagt es uns diese Energie auch, einen Schritt nach dem anderen. Und sie mutet uns immer nur das zu, was wir uns trauen - umso mehr, umso mehr wir uns trauen. Und so oder nur so erfüllen sich schließlich unsere Wünsche: Indem wir sie ausführen.
Die Wege dieser Energie sind manchmal völlig undurchschaubar, sie mögen gelegentlich sogar wahnsinnig erscheinen. Das trifft uns aber erst, wenn wir uns bereits sehr viel trauen - vorher ist das, was wie Wahnsinn erscheint, wirklich Wahnsinn. Jeder Schritt ist natürlich eine neues sich Trauen. Bis wir uns alles trauen. Jesus hat sich am Ende sogar getraut, in den Tod zu gehen, im Vertrauen auf die Führung, das er sein ganzes Leben lang gepflegt hat. Und nicht einmal in diesem Schritt ist er enttäuscht worden. Das meint die Lehre von der Auferstehung.
Die erste Auferstehung findet aber schon viel früher statt, nämlich sobald ein Mensch erkannt hat, dass er es nicht schaffen kann. Sobald er das zugibt wird in ihm jenes Gebet entstehen, von dem ich vorher schrieb. Und darauf folgt die erste Auferstehung. Und es folgen noch tausend weitere neue Auferstehungen auf diesem Weg, bis es keinen Zweifel mehr gibt. Dann ist das Leiden zu Ende, dann ist Heilung eingetreten. Dann gibt es kein Halten mehr für die Sehnsucht, dann nimmt die Vision Gestalt an. Träume verwirklichen sich. Von selbst, aber doch durch uns und für uns. Aber natürlich nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen, die damit zu tun haben. Wir brauchen gar nicht an sie denken, sie werden erscheinen, sobald es so weit ist und wir werden wissen, was wir mit ihnen zu tun haben. Und es wird gut sein für uns und für sie.
Wenn das Paradies irgendwo erscheint, dann zieht das Kreise. Es warten doch alle schon so sehnsüchtig darauf. Sie haben nur so viel Angst. Deshalb brauchen sie einen Anstoß, einen Anstoß zum Vertrauen. Sie müssen mit eigenen Augen sehen, dass es möglich ist. (Deshalb muss es ihnen gezeigt werden, was ich hier gerade im Begriff bin, auf diese Weise zu tun.) Dann trauen sie sich auch.
Was trauen sie sich dann auch? Zu kapitulieren vor dieser Energie und ihr die Führung zu überlassen. Wir brauchen nur die Initialzündung machen, indem wir uns erlauben unsere Wahrheit zu betrachten, nämlich unseren Schmerz und unsere Sehnsucht. Das ist der Motor. Es war schon der Motor zum Urknall, zur Entstehung der Universen, es war der Motor der Evolution vor uns und es ist auch der Motor unserer eigenen Evolution. Der Motor besteht aus einer einfachen und zugleich dreifachen Wahrheit: Die Energie, die zwischen Schmerz und Sehnsucht oszilliert, treibt die Schöpfung und uns auch. Und sie treibt uns zu unserer Vollkommenheit, zu unserer Ganzheit, zu unserem Glück, zu unserem Heil.
Der Motor schafft aus der Einheit Dreiheit in der Einheit und aus der Dreiheit dann die Vielheit. Und die Vielheit treibt er zurück zur Einheit. Das ist der ganze Zyklus dieser Energie.
Der „Vater“ spürt eine Sehnsucht. Die Einheit schmerzt ihn. Er möchte ein Gegenüber. Und die Sehnsucht sprießt ein Gegenüber [da ist die Wurzel des symbolischen „Spross“ bei Jesaja]. Im Christentum ist das „der Sohn“. Die Energie, aus der etwas sprießt, ist „der Geist“. Und nachdem nun der Anfang gesetzt ist, ist der nächste Schritt, der nun „von selbst“ folgt, die Vielheit. Im christlich/jüdisch/islamischen und auch im hinduistischen Bereich ist das die Schöpfung.
Von da an ist der Schöpfer nicht mehr frei, denn von da an muss er für die Rückkehr der Vielheit in die Einheit sorgen und er tut alles dafür (natürlich ohne etwas zu tun). Er entfaltet sich in jedem Wesen in dieser Weise (das entspricht seiner Natur, es ist ein ihm innewohnendes Gesetz), sobald das Wesen ihn lässt. Die schöpferische Energie treibt es dadurch zur Bewusstheit.
Der Weg zurück in die Einheit, wie der Weg heraus, ist geprägt von Schmerz. Schmerz ist der erste Anlass zur Schöpfung und Schmerz ist der letzte Anlass zur Rückkehr in die Einheit. Die Sehnsucht ist der ursprüngliche Schmerz. Wenn unsere Sehnsucht uns nicht leiten kann, kommen weitere Schmerzen hinzu, weil dadurch unser ganzer körperlicher und geistiger Metabolismus behindert wird. Behindert wird unsere Sehnsucht, wenn wir, anstatt ihr zu folgen, aufgrund irgendwelcher Motive, irgendwelchen anderen Zielen folgen, z.B. Anerkennung, Geld etc.. Anerkennung und Geld wären in unserer Sehnsucht auch enthalten. Wenn wir ihr vertrauten, brauchten wir uns diese Ziele nicht separat zu setzen. Das meint Jesus mit „suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch nachgeworfen werden.“
Aber wir haben uns bereits separiert von der Kraft. Allein durch die Möglichkeit war die Versuchung zu groß, es zu probieren, ob es nicht besser geht auf eigene Faust. (In diesem Zustand finden wir uns vor, wenn die Frage nach unserem idealen Lebenskurs in unser Bewusstsein dringt.)
Aber auch die Stufe der Eigenmächtigkeit entspringt der Intention der Energie. Es ist uns erlaubt, ja wir müssen es tun, um zur Fülle der Bewusstheit zu gelangen, und trotzdem hat es (der „Sündenfall“) die Wirkung der Entfremdung. Die Entfremdung bedeutet Schmerz. Die Sehnsucht, die wir da schmerzhaft spüren, drängt uns, zurückzukehren zur Einheit. Wir sollen nicht gezwungen werden, wir sollen es selbst erkennen, was im Zustand der Entfremdung natürlich nicht leicht ist. Der Schmerz dieses Zustands spitzt sich daher oft sehr stark zu, mit lebensbedrohlichen Symptomen aller Arten. Auf diese Weise drängt uns der Schmerz dazu, eine Lösung zu finden. Sobald er sein darf, wird sich obiges Gebet formen und das Gebet wird erhört werden und die Rückkehr ist auf den Weg gebracht.
So wirkt der Motor der Evolution.
Dieser Motor, bzw. die Energie, die ihn treibt, ist nicht frei. Er ist gebunden an eine Grundgesetzlichkeit des Seins, der sogar die Energie selbst unterworfen ist. Die einzige Freiheit, die es für alles Seiende gibt, ist, dieser Gesetzmäßigkeit zu folgen. Sich zu unterwerfen unter eine höhere Macht. Sogar Gott selbst unterwirft sich dieser höheren Macht. Aber was könnte das für eine Macht sein? Es ist das Gesetz des sich Verschenkens, das die alleinige Lösung ist für die Sehnsucht nach einem Gegenüber. Dieses Gesetz treibt alles von Anfang an. Dieses Gesetz war schon vor dem Anfang da. Es ist immer schon da. Es ist es. Es ist Gott. Das hat der Evangelist Johannes mit dem „Wort“ gemeint, das im Anfang bei Gott war.
Und dieses Wort ist logischerweise auch Fleisch geworden und es wird Fleisch in jedem Menschen, der dieses Gesetz erkennt und ihm folgt. Sie alle sind echte „Kinder Gottes“. Jesus war einer von ihnen. Johannes sagt dann aber eben, dass alle Menschen Kinder Gottes werden können – unter der Bedingung, dass sie „das Wort aufnehmen“, also indem sie diesem Gesetz folgen. – Diesem Gesetz, meint er, nicht irgendwelchen Dogmen oder Moralvorschriften!
Es gibt nur ein Kennzeichen des richtigen Weges: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Auf diesem Weg beginnt nämlich alles zu blühen und Früchte zu tragen. Und diese Früchte sind gut. Das können alle erkennen. Es sind nämlich nicht Früchte nur für sie selbst, sondern für alle. So ist es in der Natur doch von Anfang an eingerichtet. Das ist auch so bei einer Heilung. Als Frucht kann sich beispielsweise bei einem Menschen ein einfacher Dienst zeigen, der ihm dann auch selbst das Überleben ermöglicht. Ein solcher Dienst geschieht weder aus Geschäftsinteresse noch aus Moralmotiven, sondern, weil es jetzt die Wahrheit ist. Der Dienst eines Einzelnen ist die Antwort des Ganzen auf die Sehnsucht, auf den Schmerz von vielen. Der Dienst ist also etwas, wohin die schöpferische Kraft alles und jeden treibt, die sich ja selbst von Anfang an in diesen Dienst stellt. Ein Dienst aus Moralgründen hat damit nichts zu tun. Er wäre nur eine Zugabe zur Entfremdung, die natürlich ihrerseits wieder den Schmerz verstärkt und damit die Sehnsucht nach einer Lösung. Der Motor ist überall. Umso weiter sich jemand von der Lösung entfernt, umso näher kommt er ihr. Sie ist letzten Endes unausweichlich. Die Hölle ist das Sprungbrett zum Himmel. Wer möchte da schon bleiben? So einfach ist das.
„Wenn es nur so einfach wäre!“, sagen da natürlich viele, die in der Entfremdung leben. Sie finden es gar nicht einfach. Aber es könnte einfach sein, wenn sie einfach nur diesem Gesetz nachfühlen würden, diesem Motor, der „Form“ dieser Energie, die eben auch ihre eigene Form ist. Dann hätten sie sicher nichts mehr dagegen, „Kinder Gottes“ zu werden – eben auf ihre Art.
Die Lösung ist immer die genaue Antwort auf die Situation. Sie ergibt sich aus der Wahrheit. So arbeitet der Motor. Die Wahrheit enthält die Energie und ihr entspringt die Idee zur Lösung.
Was soll Gott machen, wenn er so ist, wie er ist? Er muss sich ein Gegenüber schaffen mit all den Folgen bis herauf zu uns und zu ihm zurück, weil das Gegenüber ja antwortet. So lebt Gott mit seiner Schöpfung und wir mit ihm. Und wenn ihm oder uns etwas daran nicht passt, dann wird die Energie eben ihm und damit auch uns die rettende Idee geben.
So läuft das ganze Universum von Anfang an.
Sexualität
(3. 8. 2001)
Sexualität, so glauben viele, wäre so etwas wie ein „niedriger Instinkt“. Dass sie das glauben hat zu tun mit den grauenhaften Dingen, die in Zusammenhang mit Sexualität geschehen: Morde aus Eifersucht oder um einen Partner / eine Partnerin für sich frei zu machen, Dominierungen aller Arten, von direkter Vergewaltigung bis hin zum abhängig Machen und Halten eines Partners / einer Partnerin, Machtspiele ohne Ende, sich Verkaufen etc., etc..
Das alles kann geschehen, weil die Sexualität ein äußerst starker Antrieb ist, dem sich fast niemand entziehen kann.
Ursprünglich hat das natürlich einen positiven Grund – denn dieser Trieb erzwingt Kontaktaufnahme und Kommunikation – und doch nicht ganz zwingend – und zwar Kontakt mit einem Gegenüber, das anders ist.
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen äußert sich ja nicht nur körperlich-organisch, sondern vor allem auch psychisch-organisch.
Die Wissenschaftler begründen den Unterschied natürlich mit dem „Instinkt“ und den „instinktiv“ im Dienst der Brutpflege unterschiedlich angelegten sozialen Rollen. Sie meinen, es wäre einfach eine Art genetisches Programm, das abläuft. Und damit haben sie sicher recht, nur ist das bloß die halbe Wahrheit, denn die ganze enthüllt sich erst mit der Frage nach dem über die Arterhaltung hinausgehenden Sinn. Die Verhaltensforscher übersehen allzu leicht das, was über ihren Bereich hinausgeht, in diesem Fall das Drängen der gesamten Schöpfung in Richtung Bewusstheit. Und dabei spielt die Sexualität von Anfang an eine erhebliche Rolle.
Aus diesem Grund erleben wir in unserer Gesellschaft im Moment eine immer weiter gehende Liberalisierung der sexuellen Riten und Vorschriften.
Die Regelungen, die bisher gegolten haben [und deren Nichteinhaltung in manchen Kulturen bis in die jüngste Vergangenheit mit dem Tod bedroht wurde], gelten nicht mehr. Das alte Tabu bricht auseinander und reißt die Institutionen, die sich dafür stark gemacht haben, gleich mit sich in den Abgrund. Die technischen und sozialen Veränderungen unserer Zeit machen jetzt eine neue Stufe der Beziehungen möglich, nämlich die freie Partnerbeziehung. Es ist zwar noch nicht so, dass Männer Kinder bekommen können, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird es möglich sein. Und dann ist alles möglich, jede Art der Beziehung und auch die monomane Fortpflanzung durch Cloning.
Und so wie die Gesellschaft zu jeder Zeit eine Form gefunden hat, die Aufzucht ihrer Nachkommen zu schützen und zu fördern, wird auch jetzt wieder eine Form gefunden werden – ohne dass diese für alle verpflichtend sein müsste, denn jetzt ist jeder frei, die Form zu finden, die ihm/ihr entspricht. In der „Gesellschaft“, also innerhalb des politischen Willensbildungsprozesses der Bürger, werden jene Formen gefunden werden. Sie haben sich noch nicht klar herauskristallisiert. Noch fehlt das Modell und es fehlt der universelle geistige Hintergrund, aus dem das neue Modell hervorgehen kann. So einen geistigen Hintergrund bin ich im Begriff darzustellen.
Tatsächlich sind die Formen, in der Männer und Frauen in der Zukunft zusammenleben werden, alle schon da. Und auch die sozialen Netzwerke sind schon da. Schlimmstenfalls (falls ihre Beziehungen ihnen nicht mehr ausreichend Schutz bieten) können die Menschen auf Sozialhilfe [also auf die Hilfe der Gemeinschaft als Ganzer] zurückgreifen. Das ist zwar sehr karg, aber es geht. Die Institutionen sind vorhanden. Sie müssen nur noch klarer in ihrer Funktion erkannt und definiert werden. Dann werden sie von einem neuen Geist inspiriert werden und damit im Bewusstsein der Menschen den entsprechenden neuen Wert bekommen.
Dann wird wieder etwas als „heilend“ oder dann sogar als „heil-ig“ betrachtet werden. Und zwar nicht irgendwelche Gegenstände oder Gebäude oder Institutionen, sondern die Nachkommen, die ja von Anfang an in ein Höchstmaß von Bewusstheit hineinwachsen sollen – so wie früher, wo es bei allen Völkern die großen Übergangsrituale gab, die die Kinder in den jeweils entsprechenden Schritten in die Realitäten dieser Welt einführten, bis sie als erwachsene und selbstverantwortliche Menschen in eine größere Freiheit entlassen werden konnten, deren Regeln und Tücken sie inzwischen intensivst kennen gelernt haben.
Damals [zu den Zeiten der Stammeskulturen] war alles durch Verwandtschaften geregelt. Das ist heute nicht mehr möglich. Ja, Verwandtschaften werden möglicherweise immer geringere Bedeutung haben. (Das ist auch mit ein Grund für die Schwierigkeiten besonders auch des Islam, sich in die entstehende neue Kultur zu integrieren.)
Wichtig ist, dass die Kinder ein zu Hause haben, auch wenn sie nicht unbedingt immer bei einer Person sein müssen. Sie könnten auch herumgereicht werden – in Liebe natürlich, nicht abgeschoben! Und das müsste „die Gesellschaft“ möglich machen. Platz für Kinder überall! Natürlich dort, wo Menschen Kinder lieben. Die Kinder sollten wählen dürfen. Warum sollte ein Kind nicht auch für eine Weile bei irgendwelchen Bekannten sein, die es mögen, oder sogar bei Fremden, zu denen ein Kontakt entstanden ist.
Heute würden die staatlichen Behörden dabei ständig befürchten, dass eine Art Kinderhandel entstehen würde und dass die Kinder letzten Endes nicht geschützt wären. Sie müssen natürlich geschützt werden. Sie wären aber schon ganz gut geschützt, wenn sie das Geld, das ihr Unterhalt kostet, von der Gesellschaft mitbekommen würden.
Darüber hinaus müssten die Kinder natürlich mit ihresgleichen zusammenkommen. Kindergarten, Schule – nur, auch die Schule müsste sich grundlegend wandeln, nämlich in Richtung auf eine Einrichtung, in der die Schüler so sehr von der Erfahrung der Erwachsenen profitieren möchten für ihr Leben, dass sie gerne hingehen. Natürlich dürfte die Gleichbehandlung nicht so weit gehen, auch die gleichermaßen zu unterstützen, die sich dem Lernen lieber nicht unterziehen wollen. Und natürlich muss grundlegend neu geklärt werden, wodurch die Kinder am besten auf das Leben als Erwachsene vorbereitet werden.
Das Nächste, was erarbeitet werden muss, sind daher die schon erwähnten Übergangsrituale, die immer zeitgemäß an dem orientiert sein müssen, was die Gegenwart an Mythen, Idealen und Horrorvisionen zu bieten hat. Beides muss durchlebt werden. Und dazu muss es Projekte geben, die die Probanden an ihre Grenzen führen und darüber hinaus. In jeder Beziehung. So dass es ihnen möglich wird, sich von den landläufigen Bildern zu lösen und einen unmittelbaren Kontakt zu sich selbst zu finden.
Damit sie dann auf der folgenden Stufe den anderen Menschen [also auch den möglichen Geschlechtspartnern] entsprechend [fühlend] begegnen können.
Welche Art Prägungen es auch sein mögen, die ein Mensch während seiner Entwicklung erfahren hat, er muss diese als zufällige und veränderbare Ausgangsbedingungen verstehen können. D.h. es muss ihm gezeigt werden, wie die momentanen Grenzen überwunden werden können, wie also ein Leben in Freiheit möglich ist.
Der sexuelle Trieb zwingt uns zum Handeln, zu einer Entscheidung, zu immer neuen Entscheidungen, egal in welche Richtung er geht.
Wir kommen, willig oder unwillig, in intensiven Kontakt mit einem anderen Willen. Eine unsichtbare Kraft drängt uns dazu.
Mann und Frau sind komplementär, und doch gilt für beide die gleiche Regel: Alle beide müssen dem/der anderen ihr Bedürfnis eingestehen. Alle beide müssen sich als schwach zeigen, sonst erwecken sie kein Interesse – zumindest nicht bei Menschen, die nicht an äußerlichen Bildern [Prestige, Geld etc.] kleben. Auch der Mann muss sich als schwach zeigen. Die Machos haben (wie man meinen könnte: paradoxerweise) kein Problem damit. Sie betonen nur gleichzeitig, dass sie sich nicht manipulieren lassen. Das Gleiche ist für die Frauen wichtig. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen liegt nicht in unterschiedlichen Freiheitsgraden, sondern in der „Sprache“, also im Ausdruck, der nämlich genau dem entspricht, wie sie physisch und psychologisch gebaut sind. Deshalb kann es auch homosexuelle Kontakte und Beziehungen geben und alle anderen Varianten. Die weiblichen Menschen (also nicht nur Frauen im physiologischen Sinn) betonen das Gefühl (sie suchen überwiegend Geborgenheit, also Sicherheit), die männlichen den Verstand (sie suchen überwiegend Freiheit, Unabhängigkeit). Und somit ist für die Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Sicherheit gesorgt, jene beiden Pole, die uns zur Bewusstheit zwingen. Darum geht es der universellen Evolution von Anfang an. Und natürlich geht es darum auch bei den Menschen.
Wer verstanden hat, dass es um Bewusstheit geht, ist dem Zwang (des Triebs und der gesellschaftlichen Tabus) nicht mehr unterworfen. Er spürt den Druck, muss ihm aber nicht nachgeben. Er kann ihm aber nachgeben. Und dann wird auch dieses Nachgeben der Bewusstheit dienen. Der sexuelle Drang kann aber eben leicht die Form eines Zwangs annehmen. Und in dieser Not gibt es keine Freiheit. Die Lösung für jede Art von Not ist natürlich Bewusstheit.
Natürlich gilt das auch für den Beziehungsstress.
Bewusstheit heißt, sehen, was ist. Jeden Druck, jeden Zug an sich selbst spüren und ihn vergleichen mit den Zügen und Drücken, die aus dem Inneren kommen. Die Unterworfenheit erkennen unter diese Realität. Eine sexuelle Beziehung gibt die Möglichkeit, jene Bewusstheit sogar ausdrücklich als die Grundlage auch der Beziehung zu sehen.
Wenn sich also beide (oder mehr) Partner darauf einigen, dass sie einander gegenüber ehrlich sein wollen und alles auf den Tisch legen, was bei ihnen los ist, dann entsteht auch die bestmögliche Beziehung, denn beide (oder mehrere) werden einander sagen, was sie sich vom anderen wünschen und sie werden sich auf ihre Wünsche Antwort geben, wieder ehrlich. So werden die beiden (oder mehrere) mehr und mehr bekommen, was sie sich wünschen. Es könnte aber auch sein, dass sie feststellen, dass der/die eine das gar nicht hat, was man sich erträumt hat, dann muss die Beziehung auseinandergehen und jeder der beiden muss das anderswo finden, was er/sie sucht. Es kann sich aber auch etwas an den Wünschen ändern, sodass eine Beziehung, die vorher nicht zu passen schien, jetzt plötzlich passt.
Alles ist möglich. Auch häufige Partnerwechsel, auch das Single-Dasein, so sehr diesem noch der Geruch von Entfremdung anhaftet. Und natürlich auch das Mönchische, der Zölibat, aber eben freiwillig und nicht als ein Gebot. Heute sind es erstaunlicherweise oft solche, die sich für liberale Intellektuelle halten, die die Nase am meisten rümpfen, wenn einer sagt, er habe freiwillig keinen Sex. Das halten sie für pervers. Liberale Intellektuelle sind eben in Wirklichkeit meistens moralische Spießer, die vor nichts mehr Angst haben, als davor, das erkennen zu müssen. In der neuen Realität aber wird wirklich alles möglich sein, von totaler Abstinenz bis hin zu allen Arten von sexuellen „Perversionen“. Solange niemand dabei verletzt wird, braucht die Gesellschaft keine Angst davor haben.
Natürlich müssen wieder die Kinder geschützt werden, bzw. es muss sichergestellt sein, das sie sich bewusst und freiwillig entscheiden können. Die Freiheit ist das Entscheidende. Das muss die Gesellschaft sicherstellen. Wenig hilfreich in dieser Schutzfunktion ist paranoide Angst. Auch den Kindern muss erlaubt werden, zu experimentieren – und dadurch doch auch bewusster zu werden, eben schon als Kinder – auch sexuell zu experimentieren, in jeder Richtung, die ihnen einfällt, aber natürlich wieder mit der Ausnahme, dass niemand verletzt werden darf. Aber die Kinder haben für ihre eigenen Experimente ohnehin auch in der Vergangenheit immer Wege gefunden.
Für die trotzdem Verletzten muss es eine angenehme Zuflucht geben (ein echtes Asyl) mit größter Toleranz ihnen gegenüber, mit schonender Rückführung und mit offenen Ohren.
Für diejenigen, die verletzen, muss es eine Form des Anschlusses (anstatt wie bisher des Ausschlusses aus der) an die Gesellschaft geben, die wieder zur Bewusstheit führt. Sie müssen sich auseinandersetzen mit dem, was sie tun.
So muss auch der Gerichtsapparat umgeformt werden: Allein diese bewusstheitsfördernde Auseinandersetzung muss das Ziel der Justiz werden und bei akuter Gefahr natürlich die Verhinderung schlimmeren Übels. Dazu braucht es so etwas wie „Encounter“ [für die zeitweilig Ausgeschlossenen] in den Gefängnissen. Und dafür braucht es natürlich Justizbeamte, die wirklich die Interessen der Gemeinschaft vertreten und nicht ihre eigenen, angefangen bei den Richtern bis hin zu den Justizvollzugsbeamten. Und auch die Polizei muss in diesem Geist arbeiten. Und das über eine lange Zeit, nämlich bis eine Umkehr erreicht ist.
Die Größe des Delikts ist dabei nicht das Entscheidende, es geht um die Einstellung. Ziel soll doch eine Einstellung der gegenseitigen Förderung sein. Vorauszusetzen dabei ist allerdings, dass die Bedürfnisse der Menschen, die leiden, auch gehört werden, denn sonst können sie ja nur destruktiv werden und bleiben.
Auch das gehört zur Frage nach Mann und Frau, denn der Trieb zueinander ist stark und nicht wenige sind ihm verfallen. Es kann eine wirkliche Sucht sein. Dann besteht Abhängigkeit. Sie kann erst gelöst werden, wenn der Schmerz stark genug ist, um ein klares Bewusstsein der Abhängigkeit hervorzurufen. Der Schmerz dringt dann ein in das vorhandene hypnotische Bild und löst die Verhaftung darin. Dann wird es möglich, auch „Nein“ zu sagen oder zumindest, sich einzugestehen, dass der Zwang einfach überwältigend ist. Das ist der Anfang der Veränderung. Und damit auch der Veränderung der Beziehung. Bewusstheit breitet sich aus. Und die Bewusstheit führt zur Lösung des Unbefriedigenden und zu immer tieferer Befriedigung der Wünsche bzw. zur Befriedigung immer tieferer Wünsche.
Natürlich kann es sein, dass der Partner aussteigt, wenn der andere mit Bewusstheit anfängt, oder es kann sein, dass er sich darauf einlässt. Der aussteigt [und unbewusst bleibt], muss nun den nächsten, unbewussten und unter dem sexuellen Zwang stehenden Partner/Partnerin finden, um weiter seine abhängig machende Rolle spielen zu können. Und wenn der Schmerz dann auch bei diesem Partner / dieser Partnerin stark genug ist für den Lösungsweg, muss er wieder weiter ziehen und immer wieder wird er konfrontiert werden mit der Anforderung nach Bewusstheit.
Im Idealfall werden sich dann zwei (oder mehr) Menschen bewusst und freiwillig einander hingeben und sich wieder zurücknehmen, genau in dem Rhythmus ihrer Natur.
Ein ständiges Offensein kann es nicht geben. Es muss auch Raum sein für das für sich Sein und zwar genauso viel, wie notwendig ist. Das bedeutet also Zeiten mit wenig Aufmerksamkeit für den Partner / die Partnerin. Sie müssen einen Weg finden, sich zu begegnen, ohne sich zu verlieren. Sie müssen ihre Rhythmen abstimmen. Wenn sie wollen. Wenn sie lieber Zoff wollen, warum nicht, es ist aber schade um die Zeit. Sie sollten lieber schauen, was sie wirklich ärgert und dort ihrer Wut Luft machen. Doch das braucht natürlich wieder Bewusstheit.
Der Weg der Bewusstheit hat für alle nur Vorteile, Nachteile hat er nur für die Erpresser und Vergewaltiger. Die haben dann keine Chance mehr. Sie haben dann allerdings auch keinen Grund mehr für ihre Negativität, denn sie dürfen ja auch selbst rechtzeitig ihr Bedürfnis äußern. Und auch sie werden gehört werden in ihrer Not.
Dafür, den Menschen diese Möglichkeiten zu zeigen, muss es natürlich Leute geben.
Es werden nicht die heutigen Psychotherapeuten sein [aber doch so etwas Ähnliches] denn sie werden nicht so sehr von einer erlernten Methode ausgehen, als von ihrer eigenen Bewusstheit. Und damit wird eine organismische Verästelung der Bewusstheit in der Gesellschaft entstehen, die dem Ganzen immer neue Anstöße zur Bewusstheit geben wird, ähnlich dem Blutkreislauf samt allen integrierten filternd reinigenden Organen und Funktionen im Metabolismus. Schließlich wird jeder auf seiner Ebene, also nach seinen Möglichkeiten in seinem jeweiligen Umkreis für Bewusstheit sorgen und sich um die kümmern, die nach Hilfe dabei fragen und gelegentlich sogar um die, die nicht danach fragen.
So möchte eine Kultur der Bewusstheit wachsen gerade aus der Verschiedenheit der zwei Menschengattungen Mann und Frau. Die sexuelle Energie treibt uns in diese Richtung. Und die heutige Vermischung der Kulturen ermöglicht neue Formen.
Wir werden daher die Geburt einer neuen Art von universeller Stammeskultur erleben, in der es möglich sein wird, vieles von dem Grauen des Lebens heute zu vermeiden und immer neue Lösungen zu finden.
Den Anfang macht der bewusste Entschluss, in diese Richtung zu gehen.
Alle können nur gewinnen, wenn wir diesen Weg einschlagen und ihn über unser ganzes Leben ausbreiten.
Dieser Weg beginnt natürlich bei der Selbsterkenntnis, bei der Erkenntnis der Ausgeliefertheit, und der Kraft, die uns ins Dasein gerufen hat. Bewusstheit heißt, sich dieser Kraft zu überantworten, ihr zu einhundert Prozent zu vertrauen. Dann sind wir selbst diese Kraft. Und wir sind frei, einander gegenüberzutreten, und zu sagen, was wir möchten. Und dann wissen wir, dass es wieder diese Kraft ist, die uns im Anderen gegenübertritt. Unser Weg enthält daher jederzeit Respekt vor dem unbekannten Anderen genauso wie für uns selbst.
Wenn sich alle diese Einstellung zu eigen machen, wird unser Leben sehr spannend werden und erfüllt. Ein goldenes Zeitalter wird anbrechen. Aber natürlich wird die Unachtsamkeit irgendwann wiederkehren und der Zyklus wird dann von vorn beginnen. Was allerdings in dieser Goldenen Zeit geschieht, weiß niemand. Allergrößte Träume könnten verwirklicht werden – so wie damals die Pyramiden, heute natürlich das den heutigen Möglichkeiten Entsprechende, vermutlich Weltraumkolonien und ein sehr tiefgehendes Engagement für diesen Planeten.
Indianer meinen, in Zeiten, wo alle im Stamm an einem Strang ziehen, gibt es keine Krankheiten und keine Not. So möchten wir, dass es wird. Sonst wäre es ja kein goldenes Zeitalter. Was dann möglich ist, davon können wir jetzt nur träumen. Andererseits sind wir eben da, wo wir sind. Hier müssen wir unsere Bewusstheit entfalten und den Grund legen für jene Zeit.
Jedes Bedürfnis, jeder Stress mit und in einer Beziehung stößt uns drauf. Unsere Sexualität ist ein sehr guter Motor für unseren bewussten Weg dort hin.
Das Tabu auf der Sexualität beruht auf den Gefahren der Abhängigkeit. Wer sie sieht und sich dagegen schützt, ist frei. Und natürlich muss die Gesellschaft mithelfen bei dem Schutz, wie oben schon gesagt. Das Tabu gilt nur für die, die in Gefahr sind, ihrem sexuellen Drang zu erliegen. Es soll sie zur Wachsamkeit ermahnen. Wenn sie das Tabu übertreten, sollen sie sich nicht wundern über die Folgen. In diesem unmittelbaren Zusammenhang muss das Tabu gesehen werden. Es darf nicht mythisiert werden, sonst wird sich daraus ein neues Verhängnis entwickeln.
Alles beruht darauf, dass alles sein darf, was niemand verletzt. Und dass es Angebote gibt für die, die sich Sorgen machen, wie vorhin beschrieben. Und das alles in unserem Umkreis. Wir müssen diese Einstellung vorgeben, damit sie sich ausbreiten kann von uns aus. Umso mehr solche bewussten Zellen es gibt, umso besser. Sie werden alles durchwuchern mit gutem Leben. (Das hat Jesus mit dem „Sauerteig“ gemeint, der alles durchsäuern soll.) Und so wird sich dieser Weg durchsetzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die gegenwärtige Entfremdung dafür sorgt. Die Menschen warten auf so etwas. Auf etwas, das ihnen wirklich Aussichten eröffnet auf ein neues und viel stärkeres Leben – nicht nach dem Tod, sondern gleich jetzt – eben in der Bewusstheit.
Es muss nur alles zusammengebracht werden, damit die Menschen Vertrauen fassen: Religion, Musik, Spaß, Arbeit, das ganze Leben eben.
Wir müssen erkennen, dass das die einzig bekömmliche Form von Religion ist. Dass wir gemeint sind mit der Möglichkeit, Erscheinungen Gottes sein zu dürfen, die es in jeder Religion gibt. Und dass sie in der Bewusstheit besteht.
Die Sexualität ist der natürliche Anknüpfungspunkt der Bewusstheit in unserem Leben, jedenfalls ein sehr weitgehender.
Wir müssen experimentieren, um unser Glück zu finden, immer im Bewusstsein der Gefahr. Ohne dass wir uns etwas trauen, geht es nicht. Auch nicht in der Beziehung. Sonst fesseln wir uns selbst. Das Vertrauen aber kommt aus der Bewusstheit. Wenn wir klar wahrnehmen, was wir fühlen, finden wir darin jede Lösung. Und daher Vertrauen. In unserer Wahrnehmung nehmen wir nämlich auch jene Energie mit wahr, die im Bild der Lösung steckt und im Schreckensbild der Gefangenheit, aus dem die Lösung ja entspringt. Das ist der Weg der Bewusstheit.
Die Bewusstheit ist es auch, die die gegenwärtige Sexwelle ausgelöst hat. Diese ist ja aus der Sexfeindlichkeit hervorgegangen, als die Möglichkeiten gegeben waren. Anlass gaben vor allem die Antibaby Pille, die modernen Kondome und die Medikamente gegen Geschlechtskrankheiten. AIDS ist zu spät gekommen, um die Bewegung noch aufzuhalten. AIDS ist nur ein letztes „Produkt“, eine letzte Materialisierung des Albtraums derer, die Angst haben vor ihrer Sexualität, ihres letzten Widerstands gegen die sexuelle Liberalisierung, die ja noch lange nicht an ihr Ende gelangt ist.
[Es wäre sicherlich vorteilhaft, wie schon angedeutet, auch die Krankheiten in dem eben beschriebenen Sinn zu betrachten, nämlich als Produkt eines Geists. Krankheiten können auf den Wegen des Geists projiziert werden auf diejenigen, die man {insgeheim} auslöschen möchte. Das sehen die Medizinmänner der alten Völker ganz klar und voll zurecht. Es gibt so etwas wie „Magie“. Sie wirkt. Unsere Vorstellungen wirken nämlich auf uns und über uns hinaus. Sie können uns und andere krank machen und natürlich auch gesund.]
Die sexuelle Liberalisierung erzwingt Bewusstheit. Die neuen Möglichkeiten bringen die Menschen dazu, zu experimentieren und ein Resultat zu erfahren – das allerdings sicherlich oft nicht das ist, das sie erträumt hatten. Durch die neuen Möglichkeiten ist einfach ein Tor geöffnet worden und der sexuelle Drang ergießt sich jetzt auf neue Gefielde, die sich in der Vergangenheit nur wenige leisten konnten. Das war das Programm der kürzlich verstorbenen Beate Uhse, die den Vielen das ermöglichen wollte, das vorher ein Privileg einiger weniger war. Sie hat ihr Ziel erreicht, nur war wohl auch bei ihr das Ergebnis ein wenig anders, als sie es intendiert hatte. Die Folgen waren nämlich nicht nur positiv. Auch Abstumpfung gehört zu den Folgen, Desensibilisierung, Überdruss.
So sehen viele die Gefahr heute darin, dass die Stimuli immer weiter gesteigert werden müssen. Ein Schritt dabei wäre die Verstärkung der Lust durch den Reiz des Verbotenen. Wenn nun aber nichts mehr verboten ist, woher soll die Verstärkung dann kommen? Und da meinen eben einige Besorgte, die Verstärkung könne dann nur aus der Kriminalität kommen. Ich meine, auch wenn das möglicherweise für eine zunehmende Anzahl von Menschen ein Motiv sein wird, gilt auch hier die gleiche Lösung: Bewusstheit, die Wahrnehmung dessen, was ist. Der Stimulus der Kriminalität bringt nämlich mit Sicherheit Ergebnisse, die unerfreulich sind und daher Leiden verursachen, in dem also wieder nach einer Lösung gesucht werden muss – eine neue Gelegenheit zu größerer Bewusstheit. Und so ist das auch im Fall der sexuellen Abstumpfung durch das Überangebot an Reizen. Es macht einsam und das schmerzt. Und das führt zwangsläufig zu einer neuen Suche und daher zu größerer Bewusstheit, denn nur sie bietet eine Lösung. Sexualität führt also auch auf den Wegen der Perversion zu größerer Bewusstheit.
Tatsächlich ist die sexuelle Not in unserer Kultur möglicherweise größer als je zuvor oder als in den Entwicklungsländern. Jedenfalls gibt es Unzählige, die einen Ausweg suchen – auch aus dem modernen Zwang zu sexueller Leistung.
Ich biete mit diesen Gedanken eine geistige Andockmöglichkeit für alle, die, von vielem Sex und von Pornographie abgestumpft und unbefriedigt, sich fragen, wie es weitergehen soll, damit sie sich eben nicht auf die kriminelle Schiene begeben müssen, um noch einen hoch zu kriegen. Zielführend ist nur dieser eine Weg, der Weg der Bewusstheit: Nicht sich etwas verbieten, sondern beobachten, wie was wirkt und wohin im Kontrast dazu die Sehnsucht führen möchte.
Auf diese Weise werden sich heute wieder so etwas wie universelle menschliche Standards zeigen, die nicht ohne Schaden missachtet werden können. Solche Standards haben sich schon früher gezeigt unter anderen Bedingungen. Damals sind diese Standards neu formuliert worden, inzwischen aber sind diese Formulierungen längst zu unbewussten Tabus erstarrt. Deshalb müssen die Tabus zunächst aufgehoben werden, damit sich jetzt unter diesen Bedingungen neu zeigen kann, wie die gegenwärtigen Standards aussehen. Die sexuelle Liberalisierung ist also eine notwendige Voraussetzung der Bewusstheit. Der Weg geht niemals zurück, sondern immer vorwärts, immer durch eine Etappe hindurch und dann weiter zur nächsten. [Auch historisch kann nichts ausgelassen werden. Selbst das Grauen des Nationalsozialismus konnte nicht ausgelassen werden. Der Geist, der sich unter den gegebenen Bedingungen entwickelt hatte, musste sich materialisieren und er konnte nur dadurch überwunden werden.]
Genau dieser Prozess ist heute unsere Chance: Wir können uns heute in einem neuen Geist sammeln, in einem Geist, der nichts verbietet, was niemand verletzt, der aber achtet auf die Sehnsucht und der sich auf die Verwirklichung des Traumes zubewegt. Wir können es besser haben, als wir es gewohnt sind, aber niemand wird es für uns tun, wir müssen es schon selbst tun.
Bewusstheit führt zur Hingabe. In unserer Sehnsucht werden wir sie entdecken. Nicht als eine Moral, sondern als ein Bedürfnis und gleichzeitig als ein Antrieb. Wir brauchen uns keine Kicks irgendwo holen, um Energie zu spüren, wir brauchen nur unserer Sehnsucht folgen und die Kicks werden kein Ende nehmen. Wir werden nämlich auch immer können, wenn die richtige Zeit dafür da ist. Potenzprobleme gehören auf dem Weg der Bewusstheit bald der Vergangenheit an. Potenzprobleme haben nur mit unserer Künstlichkeit zu tun, damit, dass wir uns ständig verpflichtet fühlen, zu wollen. Es ist beinahe ein sozialer Zwang, immer können zu müssen. Ein bewusster Mensch weiß, dass nicht jede Gelegenheit dazu benützt werden muss, dass sich eben auch Sex unter gewissen Bedingungen besser anfühlt als unter anderen und dass der Leistungsaspekt nichts mit Lust zu tun hat, sondern eher abtörnt.
Es geht doch in jeder Beziehung darum, das eigene Leben so zu gestalten, dass es sich gut anfühlt. Und das ist letzten Endes nur möglich, wenn wir unserer Sehnsucht folgen und nicht irgendwelchen gerade kursierenden [modischen] sozialen Bildern. Auch das zu unterscheiden, braucht Bewusstheit. Aber der Blick auf die Sehnsucht genügt. Er zeigt sehr schnell sehr klar, was wirklich gut ist und was nicht. – Und damit bin ich nicht bei der Unterscheidung von „gut“ und „schlecht“, die zur Vertreibung aus dem Paradies geführt hat, im Gegenteil. Ich maße mir jetzt ja nichts mehr an, ich bin nur achtsam, auf das, was ist. Ich bewege mich in der Masse der Welt wie eine Amöbe im Wasser, immer am Fühlen, was jetzt gut wäre. Und dabei geht es natürlich nicht nur um eine Lust des Augenblicks, denn auch die Folgen sind im Bewusstsein, das Gesamte ist im Bewusstsein. Vom Ganzen aus wird der Kurs der Bewusstheit gesteuert. Heute letzten Endes vom Ganzen der Menschheit aus.
So ist es sehr wahrscheinlich, dass es in der Zukunft einfach eine größere Bandbreite von Beziehungsmöglichkeiten geben wird, sicher so etwas, wie eine Ehe zu dritt oder mehrt etc. Gleichzeitig wird natürlich die Erwartung, einen Menschen besitzen zu können, abnehmen. Was immer sich als der Weg eines Menschen herausstellen wird, ist o.k.. Die engen Grenzen müssen weg. Die Welt wird dadurch nicht untergehen, im Gegenteil, sie wird neu aufblühen – aber eben nicht auf dem gegenwärtigen Weg immer breiterer sexueller Abstumpfung und Öde, sondern auf dem Weg der Bewusstheit.
Um Missverständnisse zu vermeiden, muss ich noch näher erläutern, was ich „Abstumpfung“ genannt habe: Der Alltag der Ehen ist oft durch sexuelle Abstinenz geprägt. Statt miteinander zu schlafen, entwickeln beide Partner separat sexuelle Phantasien oder sie strecken ihre Fühler nach neuen Partnern aus oder beides oder sie ziehen sich zurück und entwickeln Depressionen. In der Beziehung laufen dann alle möglichen schrägen Spiele des sich gegenseitig Verletzens – natürlich möglichst nur bis scharf an Grenze, an der man den Ärger von Trennung und Scheidung riskiert. Aber gelegentlich auch darüber hinaus. Und dann beginnt alles mit einem neuen Partner von vorn, nachdem der Reiz des Neuen abgeklungen ist. – Aber auch das muss ausprobiert werden, auch die Wege von „American Beauty“ (US-Film von 1999), z.B., sind Wege in die Bewusstheit.
Andere schleichen um die Kabinen der Peepshows herum, um dann in einem unbemerkten Augenblick hineinzuschlüpfen und sich drinnen einen herunterzuholen. Auch bei diesen wird irgendwann die Frage auftauchen, ob es nicht besser geht.
Keiner ist besser. Alle sind in Not – paradoxerweise noch viel mehr so, so lange sie sich ihre Not nicht eingestehen und bewusst machen, solange sie also weiterhin den starken Mann, die starke Frau mimen, und so tun, als könnten sie etwas fordern. Aber mit dem Eingeständnis unserer Not kommt die Umkehr, denn da sind wir ehrlich. Und da wissen wir, dass wir nicht besser sind, als irgendjemand sonst. Und in dieser Haltung, in der jeglicher Stolz fehlt, werden sich unsere Wünsche erfüllen, weil wir alles tun werden, damit das geschieht. „Er demütigt sich selbst zum geeigneten Mittel“, heißt es im I Ching. Das geeignete Mittel ist, dass wir sagen, was wir möchten, dass wir kein Theater spielen, sondern einfach nur ehrlich ausdrücken, was wir fühlen. Das bedeutet, dass wir das Interesse füreinander äußern, das wir haben und unsere Bewusstheit damit in die Tat umsetzen und natürlich auch unseren Schmerz äußern, einfach das, was da ist. Dann können irgendwann gemeinsame Lösungen entstehen und dann kann auch die Sexualität wieder funktionieren. Es gibt einen Weg und wenn zwei ihn wollen, kann es kein Hindernis geben, das nicht überwunden werden kann. So wirkt die Bewusstheit.
Die Unbewusstheit dagegen reißt uns immer tiefer in einen Strudel hinein, in dem sich die Fronten verhärten und in dem alle Beteiligten sich nur noch herumgestoßen fühlen, also in die Hölle. Das lässt sich ändern. Niemand muss in der Hölle bleiben. Der Ausweg heißt Bewusstheit. Nicht irgendwelche Formeln aufsagen – obwohl auch das schon die Bewusstheit etwas erweitern kann – sondern die Angelegenheiten real anpacken, eine nach der anderen. Bis alles gelöst ist. In der Hölle Tabletten zu nehmen ist nicht zielführend, jedenfalls nicht auf Dauer. Nicht betäuben, sondern aufwachen, ist gefragt. Aufwachen zu der Realität, in der man bekommt, was man gibt. Und zu dem Wissen, dass es nichts umsonst gibt. Und dass man nichts fordern kann, sondern dass man nur seinen Wunsch zu äußern braucht, damit sich früher oder später ein Weg auftut für seine Erfüllung.
Auch die Flucht in neue „Eroberungen“ bringt es nicht. Auch sie enden irgendwann im „Alltag“. Und dann ist das Problem wieder da. Warum es also nicht gleich lösen?
Natürlich soll niemand dazu gezwungen werden, das Leben zwingt ohnehin schon genug. Nicht von irgendwelchen Menschen braucht eine Strafe kommen, die Unbewusstheit bestraft sich selbst durch ihre Folgen. Es ist ein einfacher Ursache-Wirkung-Zusammenhang ohne Fremdeinwirkung. Die Augen zumachen vor etwas kann nur zur Folge haben, dass sich da etwas hinter unserem Rücken zusammenbraut, das sich irgendwann auf uns ergießen wird in einer Form, die uns nicht angenehm ist.
Jeder darf also ruhig auch selbst auf die Schnauze fallen, damit er spürt, wie das ist, und die Nase nicht mehr so hoch trägt. Es gibt keinen Ausweg aus dem Dilemma, keiner kommt hier lebend durch. Es gibt nur die Möglichkeit, freiwillig zu „sterben“ durch das Eingeständnis des eigenen Ungenügens. Dann ist der Stolz weg und dann wird unsere Wahrheit die Menschen bewegen, denen wir sie zeigen. Das ist dann das neue Leben, das auf den Tod unseres Stolzes folgt. Unser neues Leben gefällt den Menschen. Sie finden das attraktiv. Unsere Beliebtheit nimmt zu. Wir bekommen, was wir wollen, indem wir unsere Erwartungen auf das Maß der Realität reduziert haben – was durchaus vereinbar ist mit so etwas, wie sich vom letzten Geld einen teueren Sportwagen zu kaufen oder ähnlichen verrückt erscheinenden Dingen, wenn die Realität einfach so ist, dass das die absolute Priorität hat. In diesem Geist der Wahrheit ist einiges möglich, was vorher völlig ausgeschlossen erschien. Es ist eben nicht mehr der Geist unseres Stolzes, sondern der Geist unserer Natur, von dem wir uns jetzt lenken lassen.
Wir willigen ein in unseren schöpferischen Auftrag, in dem wir die Energie aus dem Nichts produzieren, indem wir ihr einfach folgen – ungeachtet der Reaktion des Partners, der natürlich zunächst von einem derartigen neuen Verhalten völlig überrascht und aus dem Konzept gebracht sein wird. Aber wenn ein Mensch einfach nur äußert, was er fühlt und alle Schuld dafür auf sich nimmt, weil er halt einfach so unvollkommen ist und nicht drübersteht, auch nicht über solchen Dingen wie dem biologischen Druck der Sexualität und auch dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit, nach Anerkennung etc., wenn ein Mensch das nun äußert, wird er keine Aggressionen wecken, denn er sendet keine aus. Es kann höchstens sein, dass dadurch der Stolz des Partners getroffen wird und dass der sich provoziert fühlt. Aber unter dem Stolz ist doch immer noch ein Mensch, der auch berührt wird und der sich auf Dauer dieser Berührung nicht entziehen wird wollen. Wenn ein Mensch entschlossen ist, den Weg der Bewusstheit zu gehen, wird das ausstrahlen auf seine ganze Umgebung und es wird auf ihn zurückstrahlen. Seine demütig geäußerten Wünsche werden erfüllt werden, ebenso wie er/sie die Wünsche seiner Partnerin / ihres Partners (oder umgekehrt) erfüllen wird, so gut es geht. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie nicht wieder zusammenfinden oder eine bessere Lösung finden, wenn beide (oder mehrere) auf ihren Stolz verzichten.
So ist auch der sexuelle Drang in vielfältigster Hinsicht ein Drang, der nur in Bewusstheit seine Lösung findet. Also nicht in Formeln oder Ritualen, obwohl die auch sein dürfen.
Und nachdem ja jeder seiner eigenen Sehnsucht folgen soll, dürfen wir uns auf eine bunte Vielfalt freuen. Alle dürfen sein. Und das Verletzen darf weggelassen werden. Es ist in einer Welt ohne Stolz nicht mehr nötig. So sieht die bewusste Welt aus.
Erstaunliche Phänomene
(früher „Wunder“ genannt) – und was dann kommt
(6. 8. 2001)
Die Bewusstheit hat Möglichkeiten zur Folge, die den Unbewussten „wie ein Wunder“ oder „wie aus einer anderen Welt“ erscheinen. Ihre eigene Welt nennen die Unbewussten „Natur“, diese andere Welt nennen sie „Übernatur“.
Spätestens seit Carlos Castaneda’s Analysen „anderer Wirklichkeiten“ lässt sich diese Zweiteilung nicht mehr aufrecht erhalten. Er zeigt nämlich, wie alle diese Phänomene der einen Wirklichkeit entspringen. Er meint allerdings, das Erstaunliche gewisser Phänomene hätte damit zu tun, dass sie abweichen von der allgemein vereinbarten Intention der Welt. Ein Mensch, dessen Intentionen so klar seien, dass er sie der allgemeinen Vereinbarung der Wirklichkeit entgegenstellen könne, könne diese Vereinbarung durch seine Intention überstimmen und damit Effekte erzielen, die allen, die in der allgemeinen Vereinbarung stehen, als ein klares Wunder erscheinen, als die Verwirklichung von etwas Unmöglichem.
Die Physiker haben festgestellt, dass sich kleinste Elemente nicht mehr objektiv beobachten lassen, weil die Beobachtung schon einen unabwendbaren, und, wegen der Komplexität der Intentionen des Beobachters nicht klar differenzierbaren Einfluss nimmt auf das beobachtete Geschehen. Auch das weist in diese Richtung.
Einer der großen „Wundertäter“ der zwanzigsten Jahrhunderts, Oral Roberts schreibt in seiner Broschüre „If You Need A Miracle - Do These Things“ (1947 – 1969): „Die Heilung, die Jesus bringt, ist mehr als spirituell, mehr als mental, mehr als physisch, es ist dies und mehr. Seine Heilung ist da, um uns „ganz“ zu machen – gesund in Seele, Geist und Körper, gesund in unseren Beziehungen mit anderen, in unseren Einstellungen, unseren Gewohnheiten, unserer Art zu leben, alle Tage unseres Lebens“ (S 1). Und in seiner folgenden Anleitung für Wunder beschreibt er in sechs knappen Schritten einen Kurs wachsender Bewusstheit und des Aufbaus einer klaren Intention. „Jesus“ ist für ihn einfach der gegebene und ideale „Anknüpfungspunkt“ dafür. In einer anderen Kultur wäre es etwas anderes. Das Wesentliche ist nicht eine mythische Gestalt, sondern die Bewusstheit.
Ich habe auf den vorangegangenen Seiten mehrfach Bezug genommen auf die erstaunlichen Phänomene, die durch Bewusstheit möglich werden, dass unsere Intention beispielsweise eben Tiere, Insekten, Bakterien, Viren, ungeahnte Duplikationsfehler (z.B. BSE) etc. herbeirufen und provozieren kann. Früher hat man in dem Zusammenhang von magischen Invokationen und Ähnlichem gesprochen. All das ist nicht reine Phantasie. Es gibt eine Realität dahinter. Diese Realität aber als menschliche „Leistung“ anzusehen, auf die ein Mensch stolz sein könnte, zeugt von fehlender Bewusstheit. Deshalb werden im Mythos die sogenannten „bösen“ Zauberer letzten Endes immer durch „gute“ besiegt. Die „bösen“, sind die, die sich der Bewusstheit letztlich immer noch verweigern, weil sie sich weigern, anzuerkennen, dass das Ganze über ihnen steht, dass sie in Wahrheit also nur Diener des Ganzen sein können, und dass sie als Ausbeuter des Ganzen am Ende auf jeden Fall unterliegen werden.
Das meiste auf dieser Ebene (der Intention) läuft unbewusst. Sehr gut beschreibt diese Zusammenhänge auch der französische Jesuit und Schüler eines afrikanischen Zauberers Eric de Rosny. Er beschreibt das Vorstellungssystem hinter den Künsten afrikanischer Heiler und Schadenszauberer und zeigt dabei ganz klar, dass Intentionen Wirkungen haben und dass die Heilung aus der Intention kommt, die in der Bewusstheit erscheint.
In der Bewusstheit erscheint, wie schon gezeigt, der Kontrast von Sehnsucht und realem Schmerz. Der Schmerz kommt von der Negation der Sehnsucht. Und das liegt an den Zwängen, denen ein unbewusster Mensch völlig hilflos ausgesetzt ist, so dass ihm unter Umständen nur der Ausweg blinder Destruktivität oder der Depression bleibt, früher oder später also Gefängnis oder Psychiatrie. Das ist kein Wunder, sondern normal.
Jedoch ist auf diesem Weg jederzeit die Umkehr möglich. Der Schmerz treibt uns massiv zur Umkehr. Sie wird nur behindert durch unseren Stolz. Ein stolzer Mensch ( und stolz ist immer ein gekränkter Mensch) will sich nicht auf die Ebene der Tatsachen begeben, er will in seinen Phantasien bleiben und er will, dass die Welt sich seinen Phantasien anpasst. – Wenn er nur wüsste, wie nahe diese Vorstellung an der Realität eines bewussten Menschen ist. Das einzige, was ihn davon trennt, dass seine Träume wahr werden, ist – der Stolz. Er lässt es nicht zu, das zu tun, was not-wendig ist, dass er sich nämlich der (natürlich größeren) Realität beugt. Sobald ein Mensch aber über diesen, seinen Schatten des Stolzes gesprungen ist, gibt es kein Ende an Möglichkeiten.
Die erste Stufe dieses Weges ist die Erledigung unerledigter Geschäfte. Denn diese wirken als Hindernisse. Solange etwas ansteht, ist unsere Aufmerksamkeit nicht frei. Sie muss aber frei sein, wenn wir uns mit dem Wesentlichen beschäftigen wollen. Wenn aber alles Unerledigte erledigt ist, ist unser Blick frei auf unsere Sehnsucht. Dann erst können wir zum ersten Mal richtig wahr nehmen, wie es um uns steht. Wie nahe oder entfernt wir von dem sind, was unsere Träume uns aufgegeben haben.
Und wieder ist es der Schmerz der Entfernung, der uns die Bitte entringt an die eine Kraft, uns doch zu unterstützen. An diesem Punkt ist „Kapitulation“ längst selbstverständlich für uns. Wir haben unser Leben ja schon lange vorher dieser Kraft übergeben. Wir brauchen uns nicht mehr mühsam daran erinnern, dass wir dieser Kraft ohnehin vollkommen ausgeliefert sind, diese Erinnerung ist stets in uns gegenwärtig, weil es, wie wir wissen, der Grundbaustein der Realität ist. In diesem Geist also entsteigt uns die Bitte und wir äußern sie mit all unserer Kraft, 100% konzentriert. Wie ein Karate-Schlag ist unsere Bitte. Und ebenso prompt erhalten wir Antwort. Wir sehen den nächsten Schritt und wenn wir ihn getan haben, den nächsten und so weiter, bis wir unserer Sehnsucht wieder ein Stück näher gekommen sind.
Woher kommt das, was wir da sehen? Es kommt aus der Einheit. Es ist die Perspektive des Einen. Sie ist auch unsere, denn wir haben sie bewusst wieder zu unserer gemacht, nachdem sie natürlich schon von Anfang an unsere eigentliche war. In der Perspektive des Einen ist alles enthalten. Und damit natürlich der gesamte Weg, den wir nehmen müssen. Alles auf einmal würde uns überfordern, aber den nächsten Schritt können wir sehen und dann auch gehen. Unsere Schritte sind nun aber nicht mehr Schritte der Vernunft, obwohl sie für einen Außenstehenden in den meisten Fällen dafür gehalten werden könnten, sondern es sind genau die Schritte, die sich aus der Perspektive des Ganzen ergeben. An entscheidenden Stellen gibt es Abweichungen von der Vernunft. Und die Schritte, die dann folgen, sind die, die Erstaunliches möglich machen, Dinge, die früher „Wunder“ genannt worden sind.
Ein biblisches Beispiel dieser Art ist der Sieg Gideons mit 300 Mann gegen eine Armee von 30.000 (Buch Richter 6-8). Ein anderes Beispiel ist die Erweckung eines Toten durch einen buddhistischen Priester, die im „Hagakure“ beschrieben wird (dem Buch der Samurai).
„Wunder“ zu suchen, wäre eine Angelegenheit des Stolzes, d.h. es wäre ein Widerspruch in sich und könnte nur dadurch zum Ziel führen, dass ein Mensch auf diesem Weg sich irgendwann gezwungen sieht, seinen Stolz aufzugeben. In diesem Moment ist er mit der Einheit konfrontiert und es kann sein, dass es zu seiner persönlichen Sehnsucht gehört, die Geheimnisse der Intention zu ergründen. Dann wird das sein Weg sein.
Wenn ein Mensch bewusst ein Magier werden will, muss er wissen, dass jeder „Erfolg“ auf diesem Weg nur möglich wird als ein Ergebnis von Selbstlosigkeit. Sogar im Fall eines Schadenszauberers ist das so. Auch wenn ein Mensch zum Werkzeug der Destruktion wird, muss er sich dieser Intention, die er in seiner (besonderen Gestalt der) Sehnsucht findet, doch überlassen. Sobald Bewusstheit darüber einkehrt aber, gibt es keinen Zwang mehr. Daher liegt in der Bewusstheit auch das Ende der Schadenzauberei, die ja ein Zwang ist, nicht etwas Freiwilliges, sondern eine „böse“ Reaktion auf Erlittenes. In der Bewusstheit des Erlittenen aber entsteht Mitgefühl mit dem Verursacher.
Im Grund stimmt die Unterscheidung zwischen „schwarzer“ und „weißer“ Magie so nicht, es gibt nur den haarspaltscharfen Unterschied zwischen Menschen, die noch in etwas Stolz gefangen sind (die sich also noch vom Ganzen separieren und sich mit einem Teil identifizieren) und solchen, die zur ganzen Einheit gefunden haben. Bei beiden aber muss, wenn ihre Aktionen zielführend sein sollen, die gesamte Energie geeint sein, d.h. alles in diesen Menschen, was dem momentanen höchsten Wunsch widerspricht, muss für diesen Moment vollkommen zurücktreten und sich dem einen anschließen. Und nur, wenn dies der Intention des Ganzen nicht widerspricht, wird sich ein zerstörerischer Schlag auch eines Stolzen durchsetzen können. Es war dann ein notwendiger Schlag. Das einzig Unvollkommene daran war, dass ein Stück Bewusstheit gefehlt hat in dem Maß, in dem der Täter sich vom Ganzen separieren wollte. Er hat noch nicht begriffen, dass das nicht geht, dass er also nun unbewusst zum Werkzeug des Ganzen geworden ist – was er eventuell auch bewusst hätte haben können – ohne den bei ihm doch vorhandenen Schmerz der Trennung vom Ganzen, also ohne seine vom momentanen Erfolg doch nicht erhellte Hölle. Es ist schade, wenn das fehlt. Aber das ist die Wirkung des Stolzes.
Die Notwendigkeit der Selbstlosigkeit wird durch die Möglichkeit des Stolzes und eines Lebens aus einer illusionierten „eigenen“ Kraft nicht aufgehoben, denn im Lebensgefühl des Stolzes fehlt jenes unvergleichlich beruhigende Gefühl der vollkommenen Übereinstimmung, jenes Gefühl des zu Hause angekommen seins, jenes Gefühl des geliebt Werdens. Und das ist sehr schade.
Daher, ihr stolzen Zauberer (stolze Zauberer sind immer Manipulatoren, Vergewaltiger), ihr braucht auf nichts verzichten, im Gegenteil, ihr werdet das Millionenfache bekommen, wenn ihr nur jenen Haarspalt an Bewusstheit in euch überbrückt und euer Haupt beugt vor dem Ganzen der Realität.
„Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr hat es gehört, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“. Was uns da bereitet wird, ist nicht eine Überraschung, die wir dann möglicherweise gar nicht mögen, sondern es ist die immer tiefere Erfüllung unserer eigenen Sehnsucht.
Wir kennen unsere Sehnsucht nicht, solange wir nicht jeweils an dem Punkt sind, an dem sich die nächste Etappe auftut. Und das geht erst, wenn die vorhergehende abgeschlossen ist. Wir können zwar manchmal doch „wie durch einen Schleier“ (Korintherbrief 13) auch etwas weiter in die Tiefen unserer Sehnsucht schauen, gewöhnlich aber haben wir nur den Blick auf den nächsten Schritt, diesen dafür mit aller erforderlichen Klarheit.
So kann es sein, dass erstaunliche Phänomene auf unserem Weg liegen oder auch nicht. Darauf kommt es nicht an. Was für einen Unterschied macht es ohnehin, ob einer durch eine Operation oder durch ein „Wunder“ geheilt wird? Ein stolzer Mensch kann natürlich nur durch eine Operation geheilt werden, denn etwas Anderes hat in seiner Welt nicht Platz. Auch nicht der oben erwähnte, von den Toten Erweckte. Er wird zwar ohnehin irgendwann auch sterben, aber es ging um etwas Anderes. Der Priester hat die Kraft um Hilfe gebeten und sie ist ihm zu Hilfe gekommen. Was der Wiederbelebte dann aus seinem Leben macht, ist eine andere Angelegenheit. Vielleicht stirbt er ja die Woche darauf wieder. Darum geht es nicht. Es geht nur um unsere Übereinstimmung mit der Kraft. Und die ist, wie wir sehen, nicht möglich, außer indem wir uns ihr total anvertrauen und überantworten – natürlich nicht unbewusst, irgendwo hineinschlingernd, sondern bewusst in jeder Phase, also auch im totalen Risiko. Ohne totales Risiko geht natürlich nicht sehr viel, alles im Maß des Einsatzes, nicht im Sinn einer Leistung, sondern des Seins.
Nur wenn es im Sinn des Ganzen notwendig ist, werden (für andere) erstaunliche Phänomene auf unserem Weg liegen. Aber alles, was wir aus der Einheit heraus tun, was also aus der Perspektive des Ganzen kommt, ist immer ein erstaunliches Phänomen. Die Perspektive des Ganzen ist immer und überall gegenwärtig und doch dem Bewusstsein der meisten verschlossen. Aber nicht das Ganze hat sich ihnen verschlossen, sie selbst haben sich diesem Bewusstsein verschlossen, indem sie ihre Welt für „bekannt“ erklärten, was auf das Ganze ja niemals zutreffen kann. Dadurch sind sie dann gefangen in der ihnen bekannten Welt. Ihre Sehnsucht kann sich darin nicht erfüllen, nur irgendwelche eingebildeten Ziele, auf deren Erreichung sie sich dann vielleicht zusätzlich noch etwas einbilden können, nicht mehr. Vielleicht gelingt ihnen sogar Erstaunliches, wie Hitler und anderen Schadenszauberern, aber glücklich werden sie damit nicht werden. Glück gibt es nur eingebettet im Ganzen.
„Konnte nun Jesus übers Wasser gehen oder nicht?“ werden Sie nun vielleicht fragen. Wie ich schon zu Anfang sagte, die allgemeine Vereinbarung besagt, dass es nicht möglich ist, übers Wasser zu gehen. Wenn die Schüler es aber gesehen haben, dann war diese Vereinbarung unter dem Eindruck des Ganzen für sie aufgehoben. Es geht immer um das Auge des Betrachters. Nur die Schüler haben dieses Phänomen gesehen und nur die drei Lieblingsjünger Jesu waren mit ihm auf dem Berg Tabor.
Anders verhält es sich bei den militärischen Siegen der Israeliten in der Bibel. Das war eine Realität, die auch die Gegner betraf, auch sie mussten die Vereinbarung anerkennen. Sie wurden also auf einer Ebene getroffen, in der beide übereinstimmten. Da brauchte es also keine phantastischen, sondern reale Lösungen, die natürlich genialen Ideen entstammen mussten, die aber wiederum möglich waren durch die Perspektive des Ganzen, die den Feinden eben nicht zur Verfügung stand. Zu anderen Zeiten wieder anerkennt die Bibel ganz klar, dass auch andere politische Mächte (also nicht nur die Israeliten) bewusst aus der Perspektive des Ganzen gehandelt haben. Aus diesem Verständnis heraus haben sie (z.B. die Perser) die Israeliten dann immer wieder in ihre Rolle als „Volk Gottes“ eingesetzt. – Vielleicht wird das ja in der heutigen Welt auch wieder möglich, sobald die Israeliten selbst sich wieder auf diese Rolle besonnen haben werden – und falls das aus der Perspektive des Ganzen heute überhaupt noch nötig sein sollte. Der Wunsch einer imaginären Einheit nach einer Heimat allein, wird dafür sicherlich nicht ausreichen. Der dritte Tempel ist möglicherweise nicht eine Vision der Einheit, sondern eine Vision des Stolzes. Diese Frage wird entscheidend sein für die Verwirklichung. „Er demütigt sich selbst zum geeigneten Mittel“, heißt es im I Ching. In diesem Fall könnte das heißen, dass die Israeliten den Tempelberg für eine gewisse Anzahl von Milliarden Dollars kaufen und gleichzeitig garantieren, dass die Heiligtümer der Moslems und der Christen nicht angetastet werden. Alles ist möglich. Gemeinsame Intentionen können erreicht werden. [Beispielsweise könnte der Tempel ja mit heutiger Technologie auf Säulen über dem Tempelberg errichtet werden, sodass die Heiligtümer des Moslems und der Christen davon nicht berührt würden.] Nur muss natürlich die Bewusstheit vorangehen und das Eingeständnis des eigenen Unvermögens. Aber das wäre doch der Geist der Bibel. Wenn er da ist, wird er sich durchsetzen, wenn er nicht da ist, wird sich nichts durchsetzen. Dann muss er wiederhergestellt werden.
Wenn wir den Weg unserer Sehnsucht gehen, wissen wir nicht, wo dieser Weg endet und was alles auf ihm möglich ist. Fast alles scheint möglich zu sein, aber solange wir ihn nicht ausgeschöpft haben, sofern das überhaupt möglich ist, können wir nur sagen, dass vermutlich immer mehr möglich sein wird. Und so könnte es sein, dass wir selbst einen so tiefen Kontakt bekommen mit unserer ganzen Realität, dass wir, wenn nötig, unsere Intention der allgemeinen Intention (dem Mainstream) entgegenstellen und den Menschen in der allgemeinen Intention einen unmissverständlichen Einblick geben können in eine andere Welt, sodass sie diese andere Welt auf diese Weise dann auch zu der ihren machen. (Für den Mainstream) erstaunliche Phänomene können dabei entstehen, weil sie plötzlich eine Öffnung erkennen können an der Grenze ihrer Welt. Sie gewinnen einen kurzen Einblick in die Welt, in der die bewussten Menschen schon leben, für die die ganze Welt ohnehin schon längst in jedem Detail überaus erstaunlich ist. Sie brauchen kein extra Wunder. Für die bewussten Menschen ist ohnehin alles ein Wunder. Das ist einfach die Realität. Und jedes winzige Detail davon ist wunderbar und erstaunlich. Die Reise in die Bewusstheit ist also kein Weg der Abstumpfung, sondern immer tieferer Sensibilisierung.
So bleibt noch die Frage nach dem Tod. Warum ist es so schwer, einfach zu sagen, wir wissen nicht, wie das ist und wie es dann weitergeht oder endet? Der Buddha hat vom „Verlöschen“ gesprochen. Es kann im Idealfall ja wirklich ein Verlöschen sein, d.h. ein vollkommenes Aufgehen in dem Einen ohne jedes Bedauern, zutiefst beglückt über die Chance. Oder es kann auch ein Weg neuer Erfahrungen sein ähnlich den bisherigen, aber eben zur Ausweitung der Bewusstheit. Wir wissen nicht, wie es sein wird. Wahrscheinlich wird es für jeden anders. Wir wissen nur, dass diese ganze Welt sich in Richtung Bewusstheit bewegt und wir natürlich auch. Wir kennen die Grenze der Bewusstheit nicht, wir haben also noch einigen Weg vor uns und der kommt als nächstes und dann vielleicht, irgendwann werden sich abermals ungeahnte Horizonte öffnen und uns erlauben, sie zu betreten.
Wenn es so ist, wie ich es immer wieder erfahre, nämlich dass ich während meines Lebens unzählige Male gestorben bin, weil ich am Ende war, und jedes mal mit einem neuen Leben beschenkt worden bin – warum sollte das im Augenblick meines körperlichen Todes anders sein? Wer weiß, was sich da für Wirklichkeiten auftun?
Am besten gerüstet dafür sind wir, indem wir den nächsten Schritt annehmen und ihn mit all unseren Fasern bewusst wahrnehmen und uns in ihm verlieren, uns ganz geben. Nach jedem Tod ist das neue Leben stärker. Und irgendwann sind erstaunliche Phänomene an der Tagesordnung, ohne dass wir je nach ihnen verlangt hätten. Dann erleben wir einen sich materialisierenden Traum. Und wir leben ihn aktiv, einfach unserer Sehnsucht folgend.
Es geht nicht um die Frage nach dem Leben nach dem Tod, es geht immer nur um das Jetzt. Wir sind jetzt hier und da ist unser Leben. Jetzt haben wir die Chance zur Bewusstheit und entweder ergreifen wir sie oder nicht. Wenn nicht, dann sind wir schon tot. Aber dann ist eben das unser Jetzt. Und dann hat das seine eigene Chance auf Bewusstheit. Immer nur darum geht es.
Aufwachen. Jetzt. Und staunen.
Der Traum von der einen Religion
der einen Welt
(12. 8. 2001)
Jesus hat gesagt: „Der Tag wird kommen (ja er ist schon da) wo die Menschen Gott nicht hier oder dort verehren werden, sondern im Geist und in der Wahrheit“ (Johannesevangelium, Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen).
Für ihn war der Tag damals schon da, für seine Zeitgenossen aber noch lange nicht. Für eine ganze neue Welt ist er jetzt da, aber natürlich für viele immer noch lange nicht. Trotzdem, der Tag ist heute da, wie noch nie zuvor. Zum ersten Mal sind doch alle Religionen einander bekannt. Zum ersten Mal kann jeder Mensch aus jedem Teil der Welt im Nu in einem anderen sein, nicht einmal klassenabhängig, sondern wirklich jeder, wie das Phänomen der Asylanten überall bezeugt.
Alle Religionen sind inzwischen längst überall auf der Welt vertreten. Viele haben sich mit anderen Religionen auseinandergesetzt und sie wissen, dass sie alle Wege sind, die zu dem einen Ziel aller Menschen führen können: Zur Erkenntnis der Wirklichkeit und zum eigenen Glück.
Überall auf der Welt gibt es außerdem Menschen, die (mit oder ohne Religion) das Leben kennen gelernt haben und die von da her wissen, dass weder sie selbst noch sonst irgendjemand etwas Besonderes sind, sondern dass es nur ein Besonderes gibt und dass ihnen das überall begegnet, in jedem und in allem, in seiner dortigen jeweiligen Besonderheit.
Und dass dieses Besondere eben auch in ihnen erscheint und wirkt auf ganz besondere Weise. Und zwar immer umfassender, genau in dem Maß, in dem sie selbst sich zurücknehmen und es wirken lassen.
Das ist die eine, neue Religion, die Bewusstheit dieser Tatsache. Und diese Bewusstheit hat Folgen, nämlich eine immer tiefere eigene Zufriedenheit, immer weniger Missgunst und immer tieferes Mitgefühl mit denen, die diese Bewusstheit noch nicht erreicht haben. Genau hier liegt der Grund für den (ewigen) missionarischen Aspekt der ursprünglichen Religion - aber natürlich nicht für den wahnsinnigen Missionseifer von Leuten, die von dieser Bewusstheit meilenweit entfernt sind, die dafür aber anderen ein sehr beschränktes Bild von der Wirklichkeit aufzwingen wollen, voller Missgunst und ohne jedes Mitgefühl, am meisten darum besorgt, dass sich kein anderer mehr erlaubt, als sie selbst glauben, sich erlauben zu dürfen. Das ist der Sektengeist. Ob Zeugen Jehovas oder Taliban, Nordirische Katholiken oder Protestanten, Serben oder Albaner, ausschließende und streitende Nachbarn jeder Art. Es fehlt die Bewusstheit. Wo sie da ist, ist Weite, annehmen und angenommen werden und tiefer Respekt voreinander, eben immer im Bewusstsein der absoluten Unergründlichkeit des jeweiligen Gegenübers.
Wo diese eine Religion noch nicht angekommen ist, gibt es die Illusion der Getrenntheit und ihre alptraumartigen Auswirkungen Paranoia und Größenwahn – samt deren sehr realen, grauenhaften Folgen, wie Kriegen, Folterungen, Verletzungen und Beleidigungen aller Arten.
„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“, hat doch der eine gesagt, auf den sich diese womöglich dann bei ihren Gräueln noch zu berufen wagen.
Ist doch klar, wo die eine Religion wirklich ist.
Grauen ist überall, wo sie nicht ist – auch wenn ihr Fehlen noch so versteckt ist unter einer Tünche von Glamour oder Ehrenhaftigkeit. Irgendwann kommt es an die Oberfläche, irgendwann tritt es in Erscheinung in Form von Angst und ihren physischen Folgen.
Wo sie aber ist, ist der Himmel, das Reich Gottes, das Paradies. Dort herrscht Bewusstheit, Sinn und Stimmigkeit – nicht erst nach dem Tod, hoffentlich, sondern jetzt. Es ist klar, dass diese Stimmigkeit Folgen hat: Heilung und Glück. Logischerweise hat da jede Missgunst aufgehört, es gibt ja keine Angst mehr. Keiner erhebt sich über den anderen und doch sagt jeder klar, was er will.
Das ist es, was herrscht in dieser neuen Welt: die Sehnsucht, der Traum vom Paradies. Und so kann er sich materialisieren. Denn die Menschen, die ihn träumen, werden alles daransetzen, ihn zu verwirklichen. Das, so wissen sie, ist ihre „Sendung“, ihre Lebensaufgabe, die sie direkt von der Energie, die das ganze Universum und auch sie trägt, empfangen, von Augenblick zu Augenblick.
Klar, dass die alte Religion im Ursprung die gleiche war, nur ist sie dann so sehr missverstanden worden, dass sie oft gar nicht wiederzuerkennen war und ist.
Diese eine Religion braucht heute neue Formen. Die alten Formen (der verschiedenen Religionen, die sich jeweils für „die eine“ gehalten haben) haben sich abgenützt, sie passen nicht mehr auf die gegebene Situation. Es braucht eben neue Formen für die eine Religion der einen Welt, die alle alten Religionen in sich enthält. Jede der alten wird ein beständiger Prüfstein sein für die neue – ohne dass eine der anderen ihr Recht auf Eigenständigkeit absprechen wollte. Aber, wie schon gesagt, es gibt nur eine Regel, nur ein Zeichen, an dem Echtheit zu erkennen ist: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Und an was für Früchten? Wir haben auch sie schon gesehen: Respekt, Toleranz, Frieden und eine unbehinderte Suche nach dem Glück, einen unbehinderten Weg ins Paradies. Es versteht sich von selbst, dass ein Paradies nicht auf den Leichen von Gegnern errichtet werden kann. Solche muss man nur beseitigen, um irgendwelche ausgedachten Paradiese verwirklichen zu können. Es gibt aber nur ein wahres Paradies und in dem ist Platz für alle. Nicht nur für „144.000“! Die „144.000“ der Apokalypse waren nur das Symbol für die, die in diesem Paradies volle Bewusstheit erreicht haben. Doch die anderen haben auch Platz. Sie sind genauso geachtet als Erscheinungen von Gott, der sich eben gleichzeitig überall in verschiedenen Phasen seiner Evolution befindet. Doch immer und überall ist es ER, d.h. die Energie, die das ganze All treibt und die es ja offensichtlich auch immer und überall in Richtung größerer Bewusstheit vorantreibt.
Die neuen Formen werden gefunden werden, und sie sind schon da, wenn auch teilweise erst in einer Art Untergrund. Das meiste davon läuft unter dem Namen „Therapie“, oder „Workshops“, oder „spirituelle Übungen“ der verschiedensten Arten und Stufen von wirklicher Bewusstheit. Formen für eine größere Allgemeinheit werden sich daraus herauskristallisieren. Die neuen „Priester“, nämlich solche, die wirklich bewusst sein werden, sind an vielen Orten bereits ausgebildet worden.
Ich habe viele dieser Orte besucht und viele dieser Ausbildungen an mir selbst erfahren. Auf diese Weise habe ich mich selbst kennen gelernt unter außergewöhnlichsten Bedingungen. Ich weiß, womit ich bei mir rechnen muss und wie weit ich auf mich zählen kann und wo nicht mehr. Und ich habe schließlich den Geist entdeckt – nicht indem ich mich durch verschiedenste Kasteiungen hochgedient hätte, es war keinerlei Verdienst meinerseits, nur mein Widerstand gegen ihn ist unter seiner Führung schwächer geworden, bis ich (durch mich hindurch) ihn fühlen konnte. Und jetzt ist er in meinem Bewusstsein anwesend und ich kann daher allen vom Geist erzählen. Der Geist möchte, dass ich das tue. Und hiermit tue ich es.
„Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir mangeln.“ Das weiß ich bereits. Daher habe ich keine Sorge. Alles wird sich entwickeln gemäß den Notwendigkeiten der Zeit. Im Konzert des Weltgeists bin ich ein kleines Element, das nicht anders kann als mitspielen und sich dadurch des Wunders des Ganzen erfreuen. Der große Dirigent dirigiert mich. Ich habe keine Wahl, als ihm zu folgen. Und ich will ihm auch folgen, denn ihm zu folgen ist das Schönste, was es gibt. Darin treffen Zwang und freier Wille zusammen, nur da. Erzwungene Freiheit und freie Zustimmung zum Zwang, weil es ja der Zwang zum Glück ist! Und dass es so ist, weiß ich jetzt so genau, dass ich es allen zeigen kann. Und so ist mein jetziges „Wissen“ nicht mehr ein Wissen einer Ausbildung, sondern ein unmittelbares Wissen, das eben von dem „Herrn“ kommt, „der mich weidet“.
Es gibt heute viele, die sich auf dem Weg befinden zu diesem Wissen. Vielleicht mehr als je zuvor. Und sie setzen sich bereits ein – auf ihren jeweiligen Gebieten. Sie sind Arbeiter der Bewusstheit. Sie sollten sich nur noch so nennen. Priester braucht es heute nicht mehr. Wir können nämlich darauf vertrauen, dass es diese Leute immer geben wird. Sie werden nicht von einer menschlichen Obrigkeit, sondern vom Geist selbst ausgewählt und ordiniert. Der schöpferische Geist sorgt zu jeder Zeit dafür, dass die Bewusstheit nicht ausstirbt. Das ist es, was Jesus mit „der Kirche“ gemeint hat, „die von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden wird“. Nicht irgendeine Institution, die unter Ausschluss aller anderen erklärt, die alleinige Wahrheit zu haben. So eine Institution hat Jesus sicher nicht intendiert. Man muss nicht ein Exeget sein, um das zu erkennen. Es ergibt sich aus der Natur der Kraft, die alles treibt. Diese Kraft wird die Bewusstheit nicht untergehen lassen, denn sie ist mit ihr, zu einhundert Prozent. Sie wird die Feinde der Bewusstheit immer überwinden.
Das Besondere an unserer Zeit ist jedoch die Aufgabe der Einheit in Vielheit. Diese Aufgabe hat sich in der Geschichte noch nie so klar gestellt. Die Alternative ist der Untergang. Die Gefahren der Selbstauslöschung der Menschheit sind nämlich noch lange nicht gebannt – falls sie nicht von nun an unser ständiger Begleiter sein werden.
Entsprechend dieser Gefahr müssen unsere neuen Übergangsrituale gestaltet werden. Der Ernst der Situation muss klar werden. Früher hat es immer mythologische Weltuntergangsdrohungen gegeben, heute ist diese Bedrohung ganz real physisch und von Menschen gemacht. Es gibt nur einen Ausweg aus der Gefahr: Die Menschen müssen eine Form des Zusammenlebens finden, die größere Explosionen unnötig macht. Und diese Formen entstehen von selbst bei Menschen, die sich der Wirklichkeit bewusst sind, ihrer eigenen und der der Welt. Sie leben diese eine Religion bereits und diesen absoluten Respekt bei gleichzeitig unbedingter Gefolgschaft des Geists. Ausgehend von ihnen breitet sich eine Zufriedenheit und eine Übereinstimmung aus, die die schärfsten Konflikte entschärfen wird, bis so viel Vertrauen eingekehrt ist, dass die Waffen verschrottet werden können. Noch ist es natürlich nicht so weit. Dafür muss noch einige Arbeit geleistet werden. Es ist die Arbeit dieser einen Religion, der Religion der Bewusstheit. Diese Religion ist der Glaube an einen Traum. Jener Traum ist die uralte und schon uranfängliche Religion. Und der Traum äußert sich: Er macht uns vertrauen und zum Ruhm des Schöpfers leben. Natürlich in unserer Zeit mit unseren Möglichkeiten, ein Feuerwerk, an dem sich alle freuen können. Das ist Leben in seiner vollsten Entfaltung. Könnte irgendjemand mehr wollen?
Dabei ist der Weg so einfach: Es ist der Weg der Wahrhaftigkeit. Finde deine Wahrhaftigkeit! In jedem Moment. Dann hast du den Schlüssel zur Lösung aller deiner Probleme. Dann wirst du nämlich sehr schnell kapitulieren vor dieser Kraft, aus der du bestehst und ihr die Führung überlassen. Dann fangen die Dinge an, sich zum Positiven zu wenden. Dann wirst du deine Angelegenheiten mit aller Kraft in Ordnung bringen, was immer deine Ordnung sein mag. Sie wird in jedem Fall ein Teil des großen Konzerts des Weltgeists sein. Sie wird harmonieren, auf welch disharmonische Weise vielleicht immer. Ich werde sie respektieren. Ich werde sie zum Anlass nehmen für meine Meditation, um zu verstehen, was sie mir sagen will. Und ich werde eine Lösung finden, denn der Geist ist mit mir. Und ich weiß, dass niemand ausgeschlossen werden muss. Wir müssen nicht glauben, wir wären besser. Wir sind nicht besser, sondern uns ist im Moment nur eine andere Rolle vom Weltgeist zugedacht, als denjenigen, die wir vielleicht (noch) verachten. Wir sind eben da, und da, wo wir gerade sind, ist immer unser neuer Startpunkt für den nächsten Schritt. Das ist Bewusstheit. Sie ist ganz einfach. Einfach nur ehrlich und aufmerksam sein. So lösen sich die Illusionen sehr schnell auf. Natürlich tut das auch oft weh. Wir meinen, unsere Welt zerbricht, aber es war nicht unsere Welt, es war nur ein uns übergestülptes soziales Prägemuster, das wir für unsere Welt gehalten haben. Erst wenn es weg ist, kommt das reale Leben, das Leben aus der Energie des Urknalls bei vollem Bewusstsein.
Diese Wende im Leben ist das Ereignis der Wiedergeburt, eine Wiedergeburt in diesem Leben, also im Körper, genau so, wie es die Auferstehungsverheißung verspricht. – In anderen Kulturen wird dieses Ereignis „Erleuchtung“ genannt.
Allerdings gibt es auch Wiedergeburtsvereinigungen von der Sektenart, die eben eine Art erstes Erleuchtungserlebnis gerade in Zusammenhang mit den Sprüchen einer Sekte gehabt haben. Es war eine Art Bekehrungserlebnis, leider zunächst aber noch nicht zur wirklichen Bewusstheit, sondern eben nur zur Bewusstheit dieser Sekte. Die Mitglieder der Sekte wissen nicht, dass es darüber hinaus eine weitere und viel gewaltigere Erleuchtung geben könnte, die sie die Schranken der Sekte abschütteln lassen wird. Manche aber kommen gerade auf einem Sektenweg da hin. Daher ist der Sektenweg nicht nur eine Falle. Alles, was nötig ist, um jedweden Ausweg zu finden, ist Ehrlichkeit. Keine Schranken für die Ehrlichkeit! Alles, was zum Lügen veranlasst, ist eine Schranke für die Ehrlichkeit. Jede Art von Moral setzt der Ehrlichkeit ständig Schranken entgegen. Sie ist daher wie ein Schatten, der auf das Leben fällt. Es fehlt das Vertrauen, dass Bewusstheit immer einen Weg findet. Man glaubt, Gott helfen zu müssen. Wie traurig! Gott hilft sich schon selbst. Wird er irgendwen fragen? Wen er ergriffen hat, weiß, dass er nicht fragt. Und sie wissen auch, dass es nichts Besseres gibt, als von ihm ergriffen zu werden, so schwer es manchmal auch ist. Das Schwere wird zum Leichten, durch ihn. Der einzige Dienst, den er verlangt, ist Bewusstheit, Ehrlichkeit. Er verlangt keine Lügen. Ein Gott, der Lügen verlangt, ist ein räudiger Götze – und wenn er „Jesus“ hieße. Die Götzendiener berufen sich ja nur auf ihn, er aber hat mit ihnen nichts zu tun. Er verlangt keine Lügen – wie die Sekten es tun. Aber natürlich repräsentieren die Sekten ein Stadium der Bewusstheit, das nicht ausgeschaltet werden sollte oder auch nur könnte.
Wir werden die Raubtiere irgendeiner Art nicht beseitigen, weder können wir noch wollen wir. Wir werden uns ihnen aber auch nicht zum Fraß vorwerfen. Bewusstheit ist die Lösung aller Probleme. Ausschließungen irgendeiner Art deuten immer auf ein Fehlen von Bewusstheit auf der ausschließenden Seite. Durch unsere Bewusstheit darf alles sein, denn die Kraft, die in uns pulsiert, sie hat nicht nur uns, sondern auch alles andere gemacht. Sie kennt daher alles bestens und sie wird uns den bestmöglichen Kurs finden lassen. Das ist der Glaube der einen Religion für alle. Da braucht es weder Blutopfer noch vergoldete Altäre, auch wenn von ihnen doch eine gewisse Faszination ausgeht, wegen die vielen Energie, die in ihnen manifestiert ist. Im Moment gibt es aber einen anderen Schwerpunkt: Das Leben selbst ist das neue Opfer, der neue Gottesdienst. Und es ist Lust zugleich. Das Paradies ist hier. Wozu da noch ein Tempel?
Der Tempel (jedweder Art) ist eine Stufe der Bewusstheit, die derjenigen der Raubtiermentalität klar überlegen ist. Das macht die Anziehungskraft der Tempel. Sie bieten eine Möglichkeit des Ausstiegs aus der Unbewusstheit. Dann aber hat jeder Tempel seine ihm eigene Beschränkung der Bewusstheit, die irgendwann als schmerzliche Verbiegung wahrgenommen werden wird, als Lüge also. Dann ist es Zeit für den nächsten Schritt: Heraus aus der Sekte, aus dem jeweiligen Tempel – vielleicht ohne „auszutreten“, jedenfalls aber um von da an (eventuell auch in ihm) frei von den Schranken zu sein.
Das ist der Punkt der zweiten Wiedergeburt, des wirklichen „Lebens nach dem Tod“ – aber eben nicht nach dem physischen Tod. Von da an regiert der Geist, von da an regiert Bewusstheit. Immer tiefere Bewusstheit.
Die so „Wiedergeborenen“ sind die Menschen, von denen aus sich diese Bewusstheit dann ausbreitet über die ganze Welt. Früher sind sie „Propheten“ oder „Meister“ oder „Medizinmänner“ genannt worden. Heute sind sie einfach, was sie sind.
Daneben wird es aber auch immer die dunklen Strömungen der Unbewusstheit geben, samt ihren grauenhaften Folgen für alle Beteiligten. Das macht ja das Leben aus, diese Reise von der Unbewusstheit in die Bewusstheit. Es ist ein stetiges Aufsteigen der Materie ins Licht, eine stetige Auferstehung der Toten. Das ist der ewige göttliche „Heilsplan“, den die Theologen im Munde führen, oft ohne zu wissen, was sie da sagen.
Nicht dass sich diesen Plan irgendwer ausgedacht hätte, er geht hervoraus der Natur dieser Kraft, die diesen Weg auch für uns vorbestimmt hat, ohne dies eigens intendieren zu müssen. Wir sind ja schließlich Erscheinungen von ihr. Ihr Weg ist unser Weg und unser Weg ist ihr Weg. Wir und sie sind eins – wenn wir uns nicht einbilden, separat etwas sein zu können. Dann natürlich hätten wir den Weg zu unserem Glück verloren. Dann kommen Schmerzen und ihretwegen kehren wir dann vielleicht um. Es ist immer Zeit zu kapitulieren. Und dann ist alles gut. Denn dann herrscht wieder die Bewusstheit. Das ist die eine und einzige Religion aller Zeiten und besonders unserer. Es gibt nur einen Gott und der ist nirgendwo anders als überall und natürlich in uns und um uns herum. Er ist da. Er will nichts, als dass wir aufgehen und blühen und Frucht bringen und dann wieder ganz eins mit ihm werden. Das zu wissen, ist die eine und heilende Religion für alle – jenseits aller früheren religiösen Bekenntnisse, aber warum nicht genauso in ihnen? Es gibt keine Grenzen. Nicht für den, der sich auf den Weg gemacht hat.
Es gibt keine Mitgliedschaft in dieser Religion und kein Eintrittssakrament, zumindest niemand, der es spenden könnte, denn das Eintrittssakrament ist zwar tatsächlich eine Art Taufe, ein Eintauchen, aber nicht in Wasser, sondern in den Geist der Wahrheit. Niemand kann es tun, dieser „Heilige“ Geist selbst tut es in dem Maß, in dem sich jemand als brauchbar erweist, in dem er ihm gehorcht.
So einfach könnte es sein, wenn wir nur nicht so in unseren Vorstellungen verhaftet wären, wie unser Glück auszusehen hat. Der Traum unserer Sehnsucht ist etwas anderes als diese Vorstellungen. Der Traum entspringt unserer Natur, also dem Geist, also der Kraft, die Vorstellungen entspringen nur dem, was uns eingeprägt worden ist. Sie halten uns fest in der Vergangenheit. Die Wahrheit führt uns heraus. Nämlich die Wahrheit, dass wir nicht die Herren dieser Welt sind, und andere auch nicht, weil es nur einen Herrn dieser Welt gibt und das ist die Energie, aus der sie besteht. Vor ihr müssen wir kapitulieren. Und alles wird gut. Sogar Atheisten könnten dem zustimmen. Sie brauchen an nichts glauben, als an ihre eigene Wahrnehmung.
Unser Instrumentarium der Wahrnehmung ist unendlich fein. Es braucht keine übernatürlichen Eingebungen, im Natürlichen ist alles enthalten. Aber natürlich müssen wir es benützen, sonst ist es umsonst. Wer der Wahrheit folgen will, muss es benützen. Es gibt nichts anderes. Alle äußerlichen Orientierungshilfen reichen ab einer bestimmten Entwicklung oder einer bestimmten Notwendigkeit nicht mehr aus. Darüber hinaus gibt es nur noch die innere Führung. Die müssen wir kennen lernen. Das ist Bewusstheit. In ihr entdecken wir die Geheimnisse der Energie – unsere Geheimnisse. Sie sind eigentlich nicht geheim. Wir haben ihnen bisher nur keine Aufmerksamkeit geschenkt. Und weiter geht die Reise ohne Ende.
Was für eine blinde Verzweiflung, mit der wir manchmal nach unserem Glück suchen! Wenn wir nur zur Ruhe kommen könnten, würden wir uns Glück gleich hier finden. Daher: Beruhige deinen Geist und pass auf und fühle deine Wahrheit jetzt. So schlimm sie auch sein mag, schlimmer als die Wahrheit kann nur deren Nichterkennen sein. Gefahr droht nur von der Unbewusstheit. Bewusstheit führt immer zur Lösung.
Leben nach dem Tod?
(30. 8. 2001)
Die gewöhnliche Vorstellung vom Leben nach dem Tod ist die von einer „Auferstehung“, von einem wieder lebendig Werden des Alltagsichbewusstseins in einem neuen Körper („im Fleisch“), aber in einer Art jenseitigem Körper, der [im Christentum - im Gegensatz zum Islam] gewöhnlich als sehr geistig und sehr wenig materiell gedacht wird. Gleichzeitig glauben die meisten Christen, dass es nicht eine Wiedergeburt im Sinn einer Seelenwanderung sein soll. Also was ist es? Die Zeugen Jehovas trauen sich, die christliche Vorstellung ganz trivial auszudrücken, indem sie sagen, dass die 144.000 Geretteten in ewiger Jugend stets friedlich und freundlich miteinander leben werden in einem himmlisch-irdischen Reich ohne Arbeit und ohne alle Schwierigkeiten. Die anderen Christen stellen sich das im Grund genauso vor (sofern sie etwas dergleichen überhaupt noch glauben), auch wenn die Theologen es doch differenzierter sagen. Es ist die wohl am weitesten verbreitete Vorstellung.
Ihr steht die Vorstellung von der Seelenwanderung entgegen. Die gewöhnliche Vorstellung hiervon ist ja allgemein bekannt mit Spitzen wie der Möglichkeit einer Wiedergeburt als Ameise oder dergleichen. Diese volkstümliche Vorstellung wird zurechtgerückt von der Bemerkung des jetzigen Dalai Lama, er sei zwar die Wiedergeburt eines bestimmten früheren Dalai Lama, aber er sei nicht der gleiche Mensch wie der, dessen Wiedergeburt er sei. Damit ist schon sehr viel gesagt. Was ließe sich über die gewöhnliche christliche Vorstellung sagen, das die gleiche relativierende Wirkung hat?
Allein schon das Vorhandensein einer bestimmten Vorstellung zeigt die Nichtverbundenheit mit dem Geist. Wer den Geist kennt, weiß, dass er nie irgendeiner Vorstellung entspricht, sondern dass er im Gegenteil immer überraschend originell ist. Und er weiß deshalb auch, dass es nur einen Unsinn im Leben gibt, nämlich vom Geist getrennt zu bleiben, indem man sich ihm gegenüberstellt und alles besser weiß mit seinen Vorstellungen. Wer den Geist kennt, ist daher bereit, seine Vorstellungen aufzugeben und sich überraschen zu lassen. Er weiß auch, dass er nur durch die Gnade des Geists existiert und deshalb hat er ihm bereits sein Schicksal übergeben, das ohnehin nie seines war. Wer wurde schon gefragt, ob ihm sein Schicksal passt? Und der mit dem Geist verbunden ist, weiß aus eigener Erfahrung, dass er nicht besser ist als irgendein Anderer, weil doch auch er immer wieder scheitert, hundert mal am Tag. Es gibt keinen Grund, sich was einzubilden auf die eigene Kraft. Sie ist hinfällig, das zeigt uns unser Schicksal immer wieder in unterschiedlichen Nuancen. Doch wenn wir uns bewusst hingeben in diese kleinen, ohnehin unvermeidlichen Tode, erleben wir jene andere Kraft und in ihr immer wieder ein neues Leben – jetzt, nicht erst nach dem Tod. Wenn wir zunichte geworden sind in irgendeiner Schwierigkeit, erscheint der Geist und belebt uns auf eine ganz neue Weise. Wir erleben uns selbst als verwandelt. Und wenn wir das bewusst erleben, dann sehen wir, dass das, was wir jetzt tun, nicht mehr aus uns selbst kommt, sondern aus dieser Kraft – so lange wir mit dem Geist verbunden bleiben. Von da an achten wir natürlich auf nichts mehr, als auf das.
Äußerlich ändert sich vielleicht gar nicht so viel, aber alles ist anders, weil wir anders sind.
Genau so wenig wie wir bei dem kleinen Tod wissen, dass eine Auferstehung folgt, weil wir uns mit Haut und Haaren diesem Tod ergeben und ihm zustimmen, genauso wird es bei unserem physischen Tod sein. Wir werden ihm mit Haut und Haaren ergeben sein und wir werden nicht wissen, dass es eine Auferstehung gibt, denn so geht das nun einmal: Wir wissen es eben nicht, immer wieder nicht und immer wieder werden wir positiv überrascht durch die Gaben des Geists. Das wissen wir – jetzt wissen wir es, dann werden wir es nicht mehr wissen, dann werden wir eintauchen in die Schwärze, ohne zu wissen, ob es je wieder hell wird. Was dann ist, weiß keiner. Aber warum nicht eine sehr positive Überraschung?
Die gewöhnliche Vorstellung vom Leben nach dem Tod wird uns auf dem Weg da hin, positiv überrascht zu werden, nicht helfen, eher behindern. Eine Einstellung des nichtwissenden Vertrauens dagegen wäre vorteilhaft. Und genau diese Einstellung des Akzeptierens auch des Dunkels bietet die auch besten Voraussetzungen für jede Art eventueller weiterer Existenz oder Nichtexistenz. Und das gilt natürlich für die Hindus, die Buddhisten, die Moslems genauso wie für die Christen und auch für die Indianer und die Aborigenes. Und sogar für Atheisten. Auch sie suchen doch nach der vorteilshaftesten Lebenseinstellung.
Was behindert, ist jede Art von Dogmatik. Sie entspricht nicht dem Geist. Dem Geist entspricht nur das Fühlen. Das Denken ist den Möglichkeiten des Geists (und des Fühlens) unendlich unterlegen. Das Denken kann nur rekonstruieren, der Geist kann schaffen – auch Möglichkeiten schaffen, wenn die Zeit dafür da ist. Zur Unzeit gibt es keine wirklichen Möglichkeiten. Darauf hat auch Jesus mehrfach hingewiesen, etwa mit seiner Bemerkung, dass die Leute ja glaubten, die Zeit sei egal, er aber achte jederzeit auf die rechte Zeit. In der rechten Zeit ist die Konstellation der Kräfte günstig für eine Kommunikation. Der Geist schafft nämlich nicht durch Hokus-Pokus, sondern eben durch die vielfältigen Interaktionsströmungen, in denen es immer wieder optimale Zeitpunkte gibt für bestimmte Einsichten und Veränderungen, während andere dafür ungeeignet sind. Castaneda nennt es die „Momente der Chance“.
Solche optimalen Zeitpunkte und Orte für eine Veränderung gibt es auch in den sogenannten „historischen“ Strömungen, die in völlig unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen, wenn wir etwa an die Veränderungen denken in der Mode, in der Entwicklung einer Sprache oder bei der Entwicklung einer biologischen Art oder die Veränderungen großräumiger klimatischer Bedingungen – gleiches gilt aber auch für die Gefühlsströmungen in uns selbst, die jeweils unseren Befindlichkeiten entsprechen. Sie sind (für einen fühlenden Menschen) eine Art innerer Witterung, die in stetiger Verbindung steht mit den äußeren Witterungen aller Arten. Im Fühlen dieser Witterungen zeigen sich jene Zeitpunkte und Konstellationen, in denen unsere Sehnsucht und unsere Wünsche Erfüllung finden können.
So ist Bewusstheit. In ihr ist jedes Wesen stets in vielfältigster Weise klar in sich und mit allem verbunden.
Im Fall eines (kleinen oder auch des großen) Todes vereint daher ein jedes Wesen natürlicherweise seine Kräfte und schreit um Hilfe – wenn dieser Hilfeschrei nicht durch ein Besserwissen blockiert wird. Das gilt schon bei so kleinen Dingen wie einem alltäglichen Misserfolg. Wenn ein Mensch sich die Situation völlig klar macht, den Schmerz darin, dann entsteht in ihm so etwas wie ein einladender Energieblitz und dieser überträgt sich auf Gesamtheit der Gefühlsströmungen der lebendigen Welt und breitet sich in ihnen aus – und trifft auf Antwort aus diesen Strömungen, die ja durch konkrete Wesen, u.a. (neben den Tieren, den Pflanzen, den kleinen und großen „Naturereignissen“ etc.) auch Menschen und deren Gedanken, ent- und bestehen. Es ist deshalb vorteilhaft, diese Wesen und auch die Menschen nicht als isolierte Individuen zu betrachten, sondern als Erscheinungen der universalen Energie, die eben so vielfältige Formen annimmt, und in der natürlich nie irgendetwas oder irgendjemand verloren gehen kann oder auch nur isoliert ist. Nur das Bewusstsein der Verbundenheit kann fehlen, nie die Tatsache.
Alles ist stets verbunden, weil alles von Natur aus eins ist, alles ist nämlich diese eine Energie oder dieser eine Geist. Nichts geschieht von ihm ungewollt oder unbemerkt. Alles ist ja in ihm und daher hat auch alles Einfluss, denn alles hat miteinander zu tun. Und die Entwicklung, die alles genommen hat, ist die in Richtung Bewusstheit dieser Tatsache. Da hin drängt der Geist. Wir können uns ihm entgegenstellen, als ob wir nur für uns existieren würden. Es wird nicht klappen. Das Schicksal wird es uns nicht erlauben, jedenfalls nicht bis zum Ende. Am Ende, werden es alle sehen. Aber es ist sehr schade, wenn wir es nicht schon vorher sehen. Es wird nicht angenehm sein, dann erkennen zu müssen, dass man sein Leben verschwendet hat an Nichtigkeiten und an die Illusion einer separaten Existenz, die am Ende als solche ausgelöscht wird.
Was dann folgt, weiß keiner. Vielleicht aber eben eine positive Überraschung, weil doch ohnehin auch die separate Existenz ein Leben lang schon schwer genug war, schwer genug, immer in der Fremde zu sein, nie geborgen, immer im Kampf, immer bedroht. Das war doch schon die Hölle.
Die Illusion der separaten Existenz ist die Ursache allen Übels. Sie erzeugt nämlich Angst. In manchen therapeutischen Richtungen hat man das die „Grundangst“ genannt. Und diese Angst kann nicht beseitigt werden, solange die Illusion besteht, sie wird daher gewöhnlich betäubt, eben durch die Nichtigkeiten, die als wichtig erachtet werden. Und die Betäubung wird zur Sucht – und behindert die Bewusstwerdung.
Der Weg der Umkehr ist ein Weg des „Sterbens“, ein Weg der Kapitulation. Er besteht nämlich darin, dass wir uns bewusst machen, dass es keine separate Existenz gibt, sondern dass wir (nur) ein Teil der Kraft sind, aus der alles lebt und dass wir dieser Kraft vollständig ausgeliefert sind, dass diese Kraft aber unsere Form angenommen hat, wie sie alle Formen angenommen hat. Natürlich „will“ sie, dass wir uns entfalten. Dahinter jedoch steht eine andere, nämlich die eine Intention dieser Kraft, die ihr von Anfang an innewohnt, nämlich durch Entäußerung zu sich selbst zu finden.
Der Anfang der Welt könnte ja der gewesen sein: Am Anfang war die Energie allein mit sich selbst und sie konnte ihre Fülle nicht für sich behalten. Sie geriet in einen Zustand der Ratlosigkeit. Ihr Sein als Einziges kam an sein Ende. Sie kapitulierte und ergab sich in ihren Tod [während ihre Sehnsucht ihr doch ein neues Leben zeigte]. Genau da folgte (als ihre „Auferstehung“) der „Urknall“ und sie verströmte sich in die neu entstehende Welt. Der Phönix erstrahlt – gleichzeitig aber erkennt er seine Unbewusstheit und – kapituliert erneut, begibt sich hinein ins äußerste Dunkel, stirbt erneut immer wieder, um immer wieder als etwas Neues zu erstehen, in einem „langen“ Prozess, an dessen Ende wieder die Bewusstheit steht, die am Anfang das allein bei sich Bleiben nicht ertragen konnte – jetzt aber bereichert durch unendliche Erfahrungen des sich gesehen Habens aus Myriaden von „Augen“ und durch das reale Da-Sein dieser Unzahl von „Wesen“.
In uns Menschen vollzieht diese Energie diesen Prozess noch einmal, nämlich indem sie uns durch Schmerzen und Tode zu dem uns angemessenen Bewusstsein unserer und ihrer selbst führt, dem möglicherweise keine Grenzen gesetzt sind.
An so etwas muss Thomas von Aquin wohl gedacht haben, als er von „Anschauung Gottes“ sprach. Gott schaut sich selber an. Und er sieht in der Unendlichkeit (u.a. auch durch uns), wie er ist.
Durch seine Entäußerung ist Jesus dieses historisch einzigartige Beispiel. Andere haben sich zwar nicht weniger entäußert als er, aber ihr Ausdruck war nicht in dieser Weise archetypisch. Sie trafen auf andere historische Bedingungen, in denen die gleiche Botschaft in andere Gewänder gekleidet werden musste, angepasst an die politischen Gegebenheiten und Scheuklappen jener Zeit – und zu den politischen Gegebenheiten gehören auch die theologischen Lehrmeinungen. Sie sind Teil der „Matrix“, also der Ideologie einer Zeit und einer Kultur. Ein Weiser ignoriert die „Matrix“ nicht, er bezieht sie mit ein und wirkt dadurch auch unter den manchmal unaufhebbaren Bedingungen der Lüge, auf deren Benennen die Todesstrafe steht, wie wir das ja aus der Geschichte kennen.
Bei der Gottessohnschaft Jesu geht es daher nicht um eine Rangordnung der Existenz, sondern nur um eine Ordnung der Bedeutung. Unter dem Blickwinkel der Chance zur Sprengung aller Grenzen und zur Universalisierung einer Stammesreligion wird hier ein Mensch zum mythischen und archetypischen „Sohn Gottes“ für die gesamte Menschheit.
Der Unterschied zwischen Jesus und uns besteht in der Bewusstheit und im Ausdruck. Wenn wir die Tiefe seiner Bewusstheit erreicht haben, bleibt immer noch der Ausdruck. Jedes Wesen hat seinen einzigartigen Ausdruck. Nur in ihm ist es dem Geist treu. Nicht jeder hat die historische Rolle des Jesus. Deshalb ist Jesus nicht „besser“. Er ist eben er. Und du kannst nur du sein. Was immer dir dein Schicksal bescheren wird, indem du es annimmst, entäußerst du dich und indem du dich darin verlierst, wirst du dich, also deinen wahren Ausdruck, finden. Der Wendepunkt ist der Punkt der Kapitulation. Wenn wir in dieser Haltung leben, sind wir in der gleichen Wirklichkeit wie Jesus und in keiner Weise niederrangig im Vergleich zu ihm. Unsere „Sohnschaft“ unterscheidet sich von seiner weder graduell noch wesentlich, sondern nur durch unsere eigene Besonderheit. Niemand ist wie jemand anderer, jeder ist einzigartig und genauso ein einzigartiger „Sohn Gottes“. - Die Frauen müssen das eben grammatikalisch auf ihr Geschlecht übersetzen, denn es gibt keinen Unterschied außer den der jeweiligen persönlichen Besonderheit.
Ganz anders ist es aber, wenn jemand sich als separat erlebt. Dann gibt es diese äußerlichen Hierarchien. Und dann gibt es den „Glauben“ an irgendwelche Dinge – und seien es „spirituelle“ Dinge oder Tat-Sachen. Diese Phase ist eine schmerzhafte Phase, eben weil die Erfahrung der Getrenntheit nicht angenehm ist, weil aus der damit verbundenen Angst die ganzen Übel folgen, die Menschen einander antun und die sie sich selbst antun. Alles, wo die Bewusstheit fehlt, gehört zum Bereich dieser Übel. Von „Leiden“ sprach der Buddha. Es ist zu überwinden durch den Pfad der Achtsamkeit, also der Bewusstheit. Und das gilt natürlich nicht nur für Buddhisten. (Wie die christlichen Dogmen in ihrem Kern auch für alle anderen Religionen gelten, so gelten natürlich auch die Dogmen aller anderen Religionen auch für die Christen).
Ein Beispiel: Was die Hindus und verschiedene andere Religionen mit ihren „Göttern“ (ursprünglich) meinen, sind jene Strömungsmuster der einen Energie, die ja nicht nur unsere spezielle Form angenommen hat und alle anderen äußeren Formen, sie erscheint eben auch in den großen interindividuellen Strömungen, die ja auch wahrnehmbare Formen/Gestalten bilden, wie die verschiedenene Zeitgeister. Manche dieser Energiegestalten sind in unserem Kulturkreis „Engel“ genannt worden – in den „monotheistischen“ Religionen durfte es ja keine Götter geben, doch aber „Mächte und Gewalten“. – Unter diesen interindividuellen Energiegestalten gibt es Strömungen oder „Züge“, die abwärts ziehen, Richtung Absterben und es gibt die Strömungen, die erheben, Richtung Gedeihen. Ein esoterischer Schüler muss die Strömungen suchen, die ihn erheben und jene meiden, die ihn runterdrücken. Er muss das absichtlich tun. Einer, der sich „dem Geist“ ergeben hat, hat sich dem Kern seiner eigenen Energiegestalt ergeben. Er braucht daher nur noch auf diesen einen Geist achten. Und er tut es von selbst, unwillkürlich. Und dieser Geist führt ihn dann wieder von selbst in die Strömung, die erhebt. Es ist natürlich. Es ist kein Stress. Esoterik ist immer Stress. Man muss immer auf tausend Dinge achten und dabei übersieht man gern das Wesentliche. Eben wie der Priester in Jesu Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Wer will, der kann nicht. Die Erlösung ist nicht zu schaffen. Wer annimmt dagegen, dem wird es gegeben.
Es ist zu hoffen, dass der Stress der Esoterik die Sehnsucht nach dem Geist wachruft.
Dieses Dilemma schwingt auch mit in den mythisch-legendären Geschichten vom Kampf zwischen schwarzer und weißer Magie oder einfach zwischen gut und böse. Die Esoteriker aller Arten (sämtliche Priester eingeschlossen, sie gehören ja immer zum „inneren Kreis“, also zum esoterischen Zirkel ihrer jeweiligen Religion) wollen weiße Magier sein und gegen die schwarzen Magier der Unterwelt kämpfen, aber durch ihre Funktion als Vertreter einer bestimmten Tradition, die sich abgrenzt von anderen Traditionen, leben sie, sofern sie sich der Relativität dieser Tradition nicht bewusst sind, noch in der Illusion der Getrenntheit und gehören dadurch in Wirklichkeit selbst noch zu den schwarzen Magiern mit allen negativen Folgen der Unbewusstheit. Statt des behaupteten Verstehens und der behaupteten Toleranz praktizieren sie Intoleranz und Missgunst. Es ist ihnen aber eben nicht bewusst, weil ihr Geist durch ihre Ideologie in Fesseln gelegt ist. So ist auch die Bekehrung zur Priesterreligion (egal welcher Art) letztlich noch nicht die Bekehrung, die gemeint ist mit der radikalen Umkehr, die jede Religion fordert. Diese Bekehrung erfolgt erst, wenn uns wirklich bewusst wird, dass wir nur aus Geist bestehen. In diesem Augenblick erfolgt unsere Hingabe und in der Hingabe sind wir herausgehoben aus (den Begrenzungen) jeder spezifischen (Religions-)Richtung, aus jedem Muss, in diesem Augenblick sind wir aufgehoben und mit dem unendlichem Leben erfüllt, das ausgeht von der einen Kraft, mit der wir jetzt – endlich! – übereinstimmen.
Unser weiteres Leben ist ein Leben des Fühlens. Eins mit dem Leben selbst. Das ist das wirkliche Leben vor und nach dem Tod. Was dann beim Sterben folgt, weiß kein Mensch. Paulus hat es deshalb so ausgedrückt, dass „kein Menschen gesehen ... hat, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“. Doch wer im Leben eins war, wird es im Sterben auch sein, wohin immer es ihn/sie führen mag. In jeder Religionsrichtung ist das das Allerhöchste, das erreichbar ist [natürlich ohne willkürlich erreichbar zu sein]. Das ist das „ewige“ Leben – selbst wenn es in die Auslöschung der individuellen Existenz mündete, in ein völliges Aufgehen im Ganzen, in eine Rückkehr des Bewusstseins an seinen Ursprung – und wenn nur für einen ewigen Augenblick!
Kapitulation
der Weg zur Heilung allen
Leidens
(3. 9. 2001)
Kapitulation ist das, was jeder normalerweise vermeiden möchte, denn jeder möchte ja stark sein und alles überwinden. Nun begegnet er/sie aber etwas, das stärker ist. Jeder hat solche Begegnungen. Jeder erlebt Niederlagen hier und dort. Und in solchen Niederlagen kann etwas sehr Eigenartiges geschehen. Wir können da nämlich schneller und eindringlicher entdecken, wie das Leben funktioniert, als wir das bei anderen Gelegenheiten könnten. Niederlagen führen uns nämlich zu einer Art Todeserfahrung. Und da wächst eine neue Bewusstheit in uns. Wir entdecken da etwas vom Wesen des Universums, eine erstaunliche Eigenart, von der wir zwar theoretisch schon gehört oder gelesen haben in der esoterischen und auch in der theologischen Literatur bei den Mystikern. Wir können es jetzt aber an uns selbst entdecken. Und das ist etwas ganz anderes als davon hören oder darüber lesen oder auch darüber meditieren.
Wenn wir verzweifelt sind und keinen Ausweg mehr wissen, bricht für uns eine Welt zusammen, unsere Welt. Wir erleben eine Art Tod. Und in diesem Tod, wenn wir uns ihm hingeben, ihm zustimmen, anstatt vor ihm zu fliehen, schweigt doch unsere Sehnsucht nicht, sondern sie macht sich eventuell laut Luft, und schreit es hinaus in das All, dass hier Hilfe benötigt wird. Doch ist da jemand, der das hört? Erstaunlicherweise, so zeigt die Erfahrung, gibt es eine Resonanz. Nicht ein ödes Echo, sondern lebendige Resonanz. Wenn wir so aus unserem tiefsten Inneren um Hilfe schreien, können wir fühlen, dass wir nicht allein sind. Wir können fühlen, dass wir mit allem verbunden sind. Und wir können fühlen, dass die Energie, aus der wir bestehen, die selbe ist, aus der auch alles andere besteht, dass sie in uns eben unsere Form angenommen hat, so wie sie in allem anderen all die anderen Formen angenommen hat. Und wir können fühlen, dass diese Energie unsere Entfaltung will, wie sie auch will, dass sich alle anderen Formen entfalten. Außerdem fühlen wir, dass diese eine Energie in uns schon unser ganzes Leben lang in diese Richtung gearbeitet hat. Und – dass wir ihr ohnehin vollkommen ausgeliefert sind. Gegen sie können wir absolut nichts ausrichten. Sie kann uns jederzeit einen Strich durch jede Rechnung machen. Sie kann uns jederzeit auslöschen. Eine winzige Unachtsamkeit genügt, um den Tod zu verursachen, wenn es sein soll. Leute sind schon bei den unmöglichsten Gelegenheiten ums Leben gekommen, auf dem Weg vom Fernseher zum Kühlschrank unglücklich gestürzt etc.. Wenn wir gegen die Energie arbeiten, arbeitet sie gegen uns und wir richten uns zugrunde. Wofür? Dass wir Vorstellungen gerecht werden, die wir von anderen übernommen haben? Das wäre das typische Fall des „Molochens“ für fremde Götter. Durch den Moloch wirst du zum Zombie.
Aber jetzt, in dieser Notlage (in der Aussicht, zum Zombie zu werden) können wir erkennen, dass wir eine echte Chance haben in diesem Leben, aber nur wenn wir der Energie folgen. Wenn wir uns ihr voll anvertrauen. Ihr unser Schicksal überantworten mit der Bitte, uns von nun an zu führen.
Die erste Konsequenz dieser Einstellung ist, dass wir akzeptieren, was uns geschickt wird, dass wir dankbar sind für jeden Schritt, der uns, wenn manchmal auch durch bittere Erfahrungen hindurch, doch zu immer tieferer Bewusstheit führt. Immer, indem wir die Widersprüche klären, die noch in uns sind, einen nach dem anderen. Diese Prozedur lässt sich nicht vermeiden und auch die unangenehmen Erfahrungen, die mit jeder Ent-Täuschung verbunden sind, lassen sich nicht vermeiden. Nur auf diesem Weg können wir Klarheit gewinnen.
In bitteren Erfahrungen werden wir immer wieder kapitulieren müssen. Doch immer wieder werden wir uns gerade durch unsere Kapitulation wieder aufgehoben wissen und sehr froh und voll Energie. Nicht mehr voll mit unserer Energie, sondern voll kosmischer Energie, die nichts Mysteriöses ist, sondern eben unsere Lebenskraft, die ja immer schon da ist, die nun aber endlich konzentriert wirken kann, weil wir sie nicht mehr behindern. Wir bestehen ja aus dieser kosmischen Energie. Und wenn wir uns ihr nicht mehr entgegenstellen, begreifen wir mehr und mehr, dass sie unerschöpflich ist, unendlich. Das ist die Bedeutung des achtarmigen Shiva der Hindus oder der „Kräfte“ der Erlöserfigur im Film „Matrix“. So ein Mensch hat plötzlich „vielfache“ Energie. Nichts kann ihm gleichtun oder ihm etwas anhaben.
Logischerweise benützt er diese Energie nun aber anders als zuvor, wo er noch mithilfe des Moloch sein eigenes Süppchen kochen wollte. Er benutzt sie für das Ganze, und dafür gibt er alles hin.
Hingabe ist der Einstieg und Hingabe ist das Ergebnis. Aber jetzt ist die Energie da, vorher schien sie zu fehlen, einfach weil sie nicht geeint war, sondern zerrissen in tausend Ideen und Verpflichtungen. Nun ist Konzentration da. Und daher Durchschlagskraft.
Auf diese Weise konnten die legendären Israeliten das legendäre Ägypten verlassen: Indem sie in ihrer Verzweiflung diese Kraft entdeckten. Diese Kraft schafft Wege. Nicht wir sind es, die der Kraft die Wege ebnen, sondern sie ist es, die uns die Wege ebnet. Es ist wie geschrieben steht, dass sie dafür sorgt, „... dass sein Fuß an keinen Stein sich stoße“. Unser Fuß ist gemeint, wenn wir ihr folgen. Die Kraft ebnet uns den Weg. Wir brauchen nur zu folgen.
Ihr folgen heißt, aufmerksam sein auf das, was ist. Dann können wir nämlich den Weg vor uns erkennen. Wir erkennen dabei aber nicht nur unseren eigenen Weg, sondern auch die Wege derer, mit denen wir zu tun haben. Wir können sie fühlen. Wir können fühlen, was wir ihnen und uns zumuten können und was die für alle Beteiligten fruchtbarste Lösung wäre. Wir werden es Schritt für Schritt erkennen.
Unser Führer (wenn wir der Energie folgen) ist unsere Sehnsucht. Sie ist wie ein Engel, der uns begleitet und der uns den Weg zeigt. Es ist letzten Endes die Sehnsucht nach dieser Einheit, nach Verschmelzung mit der großen Energie, mit dem großen Bewusstsein des Alls. Sie führt uns Stufe um Stufe tiefer in die Erkenntnis Gottes [und damit des Lebens] ein. Und umso tiefer wir die Energie erkennen, umso tiefer sehen wir, was Not tut um uns herum und wie wir dieses allgegenwärtige Vakuum [die Not ist ja das Niemandsland zwischen den gegebenen Energielinien] mit unserer Energie füllen können, die nun eins ist mit der kosmischen Energie. So gut es eben geht.
Wir haben und behalten dabei selbstverständlich unsere eigene Form. Aus ihr entspringt unsere spezielle Art der Kommunikation mit der Welt, mit den Menschen. Durch unsere Bewusstheit werden wir auf diesem Wege Meister der Kommunikation. Wir leisten unseren Teil, damit die Menschheit der Bewusstheit einen Schritt näher kommt. Alle arbeiten daran.
Allerdings gibt es auch die, die an der Einschläferung der Menschen arbeiten, weil sie daran verdienen. Auch sie sind wertvoll, weil sie die notwendigen „Prüfungen“ bieten. Und die sich einschläfern lassen, müssen schmerzlich lernen, dass das nicht gut tut. Der Schmerz ist der Wecker. Oder er will der Wecker sein. Wenn wir den Schmerz betäuben, kann er uns natürlich nicht wecken. Er muss dann intensiver werden. Irgendwann kommt dann die Zeit, zu kapitulieren. Bei vielen geschieht das erst am Totenbett. Das ist sehr spät. Immerhin, wenn sie da kapitulieren, können sie wenigstens da die wohltuende Einheit erfahren und in dieses Bewusstsein hinein ihren Geist aufgeben.
Kapitulation hat immer diese wohltuende Wirkung. Es ist die Wirkung der Wahrheit. Es ist (daher) die Wirkung des zu Hause angekommen Seins. Weil wir nun im Eins sind, fühlen wir uns vollkommen getragen. Und genau das ist der Fall. In der Wahrheit öffnet sich uns der Weg. Indem wir unsere Schwachheit eingestehen, erfahren wir nämlich eine ganz andere Kraft als unsere eigene, eine Kraft ohne Grenzen. Erst durch unsere Schwäche konnten wir sie sehen, die Kraft des Einen.
Warum wirkt diese Kraft dann gewöhnlich bei den Schwachen nicht, warum scheint es, dass so viele einfach vor die Hunde gehen? Weil sie immer noch bei sich selbst um Rat suchen, weil sie immer noch aus dem Fundus des Üblichen schöpfen, auch wenn der längst ausgeschöpft ist. Sie können sich nicht vorstellen, dass es da noch etwas Anderes geben könnte, dass von unerwarteter Seite Hilfe kommen könnte. Und dadurch blockieren sie diese Hilfe.
Entgegen dem, was scheint, sind Selbstmörder aller Arten meilenweit von Kapitulation entfernt. Sie sind enttäuscht, weil ihre Erwartungen nicht eingetroffen sind. Aus Ärger darüber, dass die Wirklichkeit nicht ihren Vorstellungen entspricht, bringen sie sich um. Sie sind nicht bereit, ihre Vorstellungen, ihre Erwartungen fallen zu lassen und nachzufühlen, was ihre wirkliche Sehnsucht ist. Sie sind nicht bereit, ihre Identifikationen aufzugeben, sie sind nicht bereit, ihre wirkliche Identität anzunehmen. Sie identifizieren sich mit einem von außen übernommenen Bild, einem Kunstprodukt, das ihnen eine irgendwie besondere (wenn auch noch so mickrige) soziale Stellung gibt. Sie verlangen nach Anerkennung dieser künstlichen Identität. Logischerweise wird diese Anerkennung aber verweigert, weil alle ja sehen können, dass es sich nicht um etwas Echtes handelt. Und so müssen sie zugrunde gehen – es sei denn, sie würden (wenigstens im letzten Moment noch) ihren Stolz erkennen und ihr Haupt beugen, also kapitulieren. Dann sind sie gerettet, aber dann sind sie nicht mehr die, die sie waren. Ihre Erwartungen sind weggeschmolzen, geblieben ist ihre echte Sehnsucht, und für die finden sie nun Unterstützung. Das Gleiche gilt für alle anderen Menschen, die irgendwelche ruinösen Wege gehen. Das Ruinierende kommt von der Einbildung, also vom Fehlen des Fühlens. Ein ruinöser Weg geht zu Ende durch das sich Einfügen in das Ganze – entweder durch den Tod oder durch die Umkehr, durch die Kapitulation. Kapitulation ist im Leben der (einzige) Schlüssel zur Beendigung allen Leidens.
Aus diesem Grund ist die Kapitulation als Weg bei uns ja gerade durch die Anonymen Alkoholiker bekannt geworden, die, am Abgrund stehend, diesen Weg entdeckten, so wie ich ihn auch da entdeckte.
Was auf die Kapitulation folgt, ist das, was die Japaner „katsugen“ nennen, spontane Bewegung. Auch dann im Alltag. Ein heilendes Verhalten. Ein Verhalten, das, weil es vollkommen natürlich ist, die Ausscheidung alles Vergiftenden zur Folge hat. Alte Wunden können heilen. Und dann werden die so Geheilten selbst zu Heilern, denn für sie als wirklich Gesunde ist auch die tägliche Aufnahme einer gewissen Menge neuen Gifts o.k. – wie es beispielsweise unvermeidlich ist in der Auseinandersetzung mit Menschen, die noch in ihren Vorstellungen leben und die daher stets das Gift um sich sprühen, das aus den Verletzungen stammt, die sie erlitten haben.
In der Kapitulation werden diese Verletzungen angenommen. Dadurch können sie heilen. Es wird verstanden und es wird vergeben, obwohl es nichts zu vergeben gibt. Es ist ja nur Unverständnis, das verletzen lässt und das braucht Zeit und Erfahrung, um sich aufzuklären. In der Kapitulation entsteht jene tiefe Einsicht in die Zusammenhänge, die jeden Groll besänftigt und statt dessen Mitgefühl erzeugt. Das ist etwas Anderes als Verzeihen. Es ist die Erkenntnis, dass Verzeihen nicht nötig ist. Was vielleicht nötig ist, damit ein Mensch, der andere verletzt, geheilt wird, ist eine tiefe Zuwendung. Das heißt aber nicht, dass diese Zuwendung notwendigerweise von uns kommen muss oder kann. Es gibt keine moralische Pflicht. Was von uns kommen soll, ergibt sich aus der Kommunikation unseres eigenen Wesens, unserer Natur, unseres innersten Kerns mit unserer Umwelt. Das heißt, es ergibt sich aus unserem „Fühlen“.
Kapitulation führt zum Fühlen. Ohne Kapitulation gibt es kein Fühlen.
Warum aber kommt Kapitulation nicht, wenn wir sie wollen? Sie zu wollen, wäre keine Kapitulation. Kapitulation ist natürlich, wenn wir am Ende sind – oder wenn wir uns erinnern, dass wir eigentlich längst am Ende sind, dass wir die Vergeblichkeit allen Tuns längst erkannt haben, aber einfach immer weiter gemacht haben, als ob nichts wäre. Wenn wir uns erlauben, uns daran zu erinnern, kommt Kapitulation ganz natürlich. Und diese Erinnerung ist jedem möglich, der es wagt, wirklich tief in sein Inneres hineinzuschauen.
Es braucht eine Art Meditation – nicht unbedingt im „Sitzen“, aber im einfach ganz da Sein, egal ob im Sitzen, Liegen, Gehen oder Stehen. Wir müssen einfach die Bewusstheit tief in uns einkehren lassen, bis wir an dem Kern unseres Nichtwissens stehen, an dem undurchdringlichen Dunkel der Realitäten unserer Existenz. Wenn wir da stehen [vor der Sphinx], brauchen wir Hilfe. Unsere Konzepte kennen diesen Bereich nicht. Sie helfen uns nichts, deshalb müssen wir hier ja kapitulieren. Es gibt nur eine Kraft, die uns hier weiterhelfen kann und die wird uns zugänglich, indem wir ihr unsere Hilflosigkeit gestehen. Und genau dadurch wachsen wir hinein in unsere Fähigkeit zu Fühlen.
Manche werden an dem Punkt krank. Wenn diese Krankheit nicht zum Tod führt, ist es die bekannte „Schamanische Krankheit“. Von manchen Schamanen wird berichtet, dass sie mehr als ein ganzes Jahr bettlägerig waren, bevor sie zu Schamanen wurden. Die Krankheit ist ausgelöst von den Konzepten, die überwunden werden müssen, mit denen wir uns aber identifizieren. Die schamanische Krankheit ist eine Existenzkrise, in der sich klärt, wer wir eigentlich sind. Sobald es sich geklärt hat, sehen wir uns selbst nicht mehr isoliert, sondern als ein besonderes Muster jener einen kosmischen Kraft, die uns erzeugt hat und die uns am Dasein erhält und die uns ausgestattet hat mit dem Instrument des Fühlens. Im Fühlen kommt die Heilung. Von da an weiß dieser Mensch, woran auch die anderen Menschen leiden. Er kennt es von sich selbst. Er kann es daher fühlen. Er ist jetzt ein Heiler. Er ist es geworden durch seine bedingungslose Kapitulation vor dieser einen Kraft. Und so können wir es auch werden. Wir können in solche Tiefen unserer Existenz hinabsteigen, dass wir kapitulieren müssen. Von da an führt uns jedes Leiden jeder Art immer erneut zur Kapitulation, bis alle Leiden geheilt sind.
Inzwischen ist auch die eigene Aufgabe geklärt. Es ist eine Art „Lebensaufgabe“. Auch da ist wieder die „Auf-gabe“, die Hingabe enthalten. Wenn wir uns nicht mehr selbst mit Hilfe unserer Vorstellungen steuern, dann steuert eben jene eine Energie und sie steuert uns, wie sie es sieht und nicht wie wir es sehen. Sie steuert uns in ihrem Sinn. Tatsächlich aber ist dieser Sinn unser eigener Sinn aus dem tiefsten Grund unseres Seins heraus. Auf ihrem Kurs befinden wir uns in unserer ureigensten Heimat. Wohler könnten wir uns daher nicht fühlen, auch wenn nach wie vor vieles weh tut. Ein bewusster Mensch ist ja nicht gefühllos, sondern zutiefst gefühlvoll. Er fühlt daher die Schmerzen, die Menschen einander zufügen. Es tut ihm weh. Aber das ist jetzt nicht mehr das „Leiden“ von vorher. Es ist nur der Schmerz der momentanen Situation, nichts Bleibendes, sondern etwas Flüchtiges, so flüchtig eben wie die Realität, in der ständig alles fluktuiert. Ein fühlender Mensch ist daher einer, der das japanische „katsugen“ lebt, der einfach fühlt und sich lebt nach den gegebenen Möglichkeiten, ohne Ansprüche und doch voller Ansprüche, eben je nach dem, was möglich ist.
Selbstverständlich gibt es da keine Moral, weil die Moral immer beschränkt ist und nun keine Beschränkungen mehr gelten. Trotzdem gibt es in der Regel kein „unmoralisches“ Verhalten, denn das Fühlen bedingt natürlich Mitgefühl und daher eine natürliche Mitmenschlichkeit. Es gibt aber keine Schranke in dem, was Menschen miteinander tun möchten. Sie dürfen alles miteinander tun, außer sich verletzen – es sei denn eine bewusste Verletzung hätte ihren Grund darin, dass sie auf die Bewusstheit eines Anderen in einem günstigen Augenblick in der Weise einwirkt, dass die Verletzung hinterher eingesehen und geheilt wird und von einer weit darüber hinausgehenden Heilung gefolgt wird, die alles Bedauern vergessen machen wird für immer. Es wird kein Ausnutzen der Schwäche geben, aber immer eine Stärkung. Moral ist in der Bewusstheit weit überholt. Das Wissen kommt jetzt aus der fühlenden Verbundenheit nicht nur mit dem einen Gegenüber, sondern gleichzeitig mit dem Ganzen. Mehr ist nicht möglich. Jesus hat das seinerzeit so ausgedrückt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, dann kommt ihr nicht in das Himmelreich.“ Wie aber kann die Gerechtigkeit aber größer sein als die der strengsten Moralisten? Nur durch das Fühlen. Nur da gibt es den Zugang zum realen Himmelreich, also zum wirklichen Glück, zum höchsten Glück.
Das reicht an Theologie. Nun muss die Praxis folgen. Bei mir und bei dir.
Es folgt ein sehr praktischer Abschnitt:
Die Zerstörung des World
Trade Centers
(12. 9. 2001)
Gestern ist das World Trade Center zerstört worden, das Symbol der unerschöpflichen Machbarkeit.
Es ist ein Schock.
Lebe ich zu aufwendig, frage ich mich? D.h. ich frage mich, ob ich eventuell auch dazu beigetragen habe, dass der Hass dieser Gruppe von Menschen solche Ausmaße annehmen konnte.
Auffällig bei der Fernsehberichterstattung war an diesem Tag (dem Tag danach), dass kein einziger Reporter die Frage stellte, was diese Terroristen überhaupt wollen.
Bei Tausenden Toten und einem Sachschaden von vielen Milliarden ist es schon erstaunlich, dass anscheinend niemand wirklich wissen will, warum es geschehen ist. Man gibt sich zufrieden mit der offensichtlich dummen Erklärung, dass diese Leute eben „Verbrecher“ seien.
Es ist anzunehmen, dass die Anschläge unter diesen Umständen intensiviert werden werden, dass das eben erst ein harmloser Anfang war, im Vergleich zu dem, was noch kommen wird.
Dass diese Gruppe gleich drei Ziele allerhöchster Bedeutung für die technisierte Welt mit solcher Präzision getroffen hat, gibt doch zu denken – besonders wenn wir an die vergleichsweise effektlosen Materialschlachten der NATO im Irak oder in Jugoslawien denken.
Was macht den Unterschied zwischen diesen Leuten und der bestausgerüsteten Armee der Welt?
Es ist die Konzentration. Der Anschlag war wie ein Karateschlag: Alle Energie auf einen Punkt geeint. Höchste Durchschlagskraft.
Ein Pilotenausbilder der Lufthansa meinte, dass normale Piloten derartige Meisterflüge nicht hinkriegen würden.
Die Frage lautet daher: Wie ist solche Konzentration möglich?
„Dummer Zufall“? Wohl nicht.
Diese Tat erinnert an manche der unglaublichen biblischen Siege. Auch da war es ja diese hohe Konzentrationsfähigkeit verzweifelter Menschen, die sie möglich gemacht hat – etwa die Geschichte, in der Gideon mit dreihundert Mann eine Armee von 30.000 vernichtend schlägt.
Daher muss ich noch einmal fragen, was diese Leute wollen. Mit meiner ersten Frage, ob ich zu aufwendig lebe, aber meine ich doch, den Punkt schon getroffen zu haben.
Die Frage ist also nicht so sehr, wie wir sie bekämpfen können – obwohl das natürlich auch sein muss –, sondern wie wir ihren Schmerz lindern können, damit sie besänftigt werden.
Der Zeitpunkt ist jetzt günstig für das Erwachen eines neuen Bewusstseins. Der Anschlag zwingt uns geradezu, uns zu fragen, ob wir eigentlich weiterhin die Politik unterstützen wollen, die den armen Ländern diese billigen Preise abtrotzt, durch die sie nicht hochkommen können.
Oder auch, ob wir weiterhin die Augen vor einer der Quellen des Hasses verschließen wollen, nämlich vor Israel und seiner Politik den Palästinensern gegenüber.
Aber nicht nur ein politisches Bewusstsein kann unter diesen Umständen wachsen, sondern auch das individuelle.
Wir müssen uns doch fragen, ob das, was wir bisher für den Sinn unseres Lebens gehalten haben, wirklich der Sinn ist?
Wenn wir überlegen, wie die Leute in Afghanistan leben, unter welch einfachen Verhältnissen, um nicht zu sagen, in welcher Not, dann relativieren sich viele Dinge, die uns sonst so wichtig sind, dass sie schon begonnen haben, uns zu beherrschen – so sehr, dass uns unsere Anstrengungen dafür krank machen. Wir können durch dieses Bewusstsein eine größere Freiheit bekommen, so sehr wir auch versucht sind, zu glauben, unsere Freiheit würde eingeschränkt.
Was müsste geschehen, damit auch unsere Handlungen die selbe Durchschlagskraft haben, wie die dieser Terroristen? Wir müssten voll hinter dem stehen, was wir tun, wir müssten uns von allen Zweifeln befreit haben. Der Weg da hin kann aber darüber führen, dass wir zunächst von den Zweifeln überschwemmt werden bis hin zur völligen Verzweiflung. Und in ihr können wir uns gezwungen sehen, zu kapitulieren vor der großen Kraft, in ihr können wir sehen, dass eine Lösung nur im Einklang mit dieser Kraft möglich ist. Dann schlägt die Verzweiflung um in Konzentration, eben an dem Punkt der Verzweiflung, an dem wir erkennen, dass es für uns nichts mehr zu verlieren gibt.
„Freedom is just another word for nothing left
to loose“, heißt es in einem alten Song.
An diesem Punkt können wir nur sterben oder „bewusst werden“, d.h. uns lösen von allen Vorstellungen. Unterscheiden zwischen Vorstellung und Wahrnehmung. Nicht mehr von irgendwelchen Ideologien gesteuert werden, sondern eben von der Wahrnehmung – von einer Wahrnehmung einer Tiefe, die sich die Vorstellungsgesteuerten nicht vorstellen können.
Deshalb sind Ereignisse, wie dieses gewaltige Attentat so unglaublich, weil die Menschen nicht bedenken, wozu der Geist fähig ist. Eine Gruppe verzweifelter Menschen ist das Gefährlichste, was es gibt. Sie sind zu allem fähig.
Wir können nur den Grund finden für ihre Verzweiflung und ihnen helfen, ihre wunden Stellen zu heilen.
Eine Eskalation ist sonst ohne weiteres möglich.
Vielleicht lagert ja schon seit Jahren eine Atombombe in New York oder an einem ähnlich symbolträchtigen Ort. Vielleicht braucht es nur noch die Eingabe des Codes, um sie auszulösen.
Wenn der Grund für ihre Verzweiflung nicht entdeckt und heilend behandelt wird, wird das jetzige Ereignis harmlos sein im Vergleich zu den Ereignissen, die noch auf uns zukommen werden.
Selbst wenn dieser legendäre Bin Laden umgebracht wird, solange sich die Stimmung nicht verändert, wird er Nachfolger haben. Etwas muss hier heilen, sonst werden wir alle in Angst und Schrecken leben müssen.
Kapitulation würde hier bedeuten, diese Realität zu sehen und folglich intensivste Anstrengungen zu unternehmen, damit eine Heilung erfolgen kann.
Wir können mitwirken daran, dass diese Heilung möglich wird, indem wir nämlich anfangen zu verstehen, dass diese Welt eins ist und dass das für uns etwas bedeutet. Nicht unbedingt, dass wir als Entwicklungshelfer in die dritte Welt gehen, aber dass wir uns beteiligen an der Linderung von Leid in allem, was wir tun. Wir können beispielsweise bei uns selbst anfangen, bei unserem eigenen Leid. Wir können anfangen mit unserer eigenen Kapitulation, damit, dass wir uns dem Einen anvertrauen, dem sich diese Verzweifelten auch anvertraut haben. Aus dem Einen kam diese Kraft für sie, es kann auch uns die Kraft geben, die wir brauchen, in unserem Fall dann hoffentlich Heilkraft, denn verletzen tun schon genug.
Die neue Sicht heißt: die Sicht der einen Welt. Das gilt auch rein persönlich. Meine Kraft ist keine andere, als die der Terroristen. Es gibt nur diese eine Kraft. Der Auszug der Israeliten aus Ägypten war ja auch von einer Reihe von großen Katastrophen für die Ägypter begleitet. Als es an ihre Existenz ging, haben die Ägypter schließlich nachgegeben und die Israeliten ziehen lassen. Es hat eine Bewusstseinsveränderung eingesetzt. So wurden die Israeliten frei. Vielleicht werden die Palästinenser und die ganze islamische Welt auch auf diese Weise frei – und andere mit ihnen.
Die Befreiungsbewegung, die jetzt im Gang ist, hat auch eine Ähnlichkeit mit der der Arbeiterklasse in den industrialisierten Ländern vor einem Jahrhundert. Auch das hat viel Blut gekostet – und dann stellte sich zur Überraschung aller heraus, dass die neue Politik auch noch gut war fürs Geschäft. Das war ja doch die Erkenntnis aus der Weltwirtschaftkrise der Zwanzigerjahre. Vielleicht wird es ja mit der dritten Welt ähnlich sein, sobald sie ihre Rechte durchgesetzt hat, d.h. sobald für ihre Produkte ein gerechter Preis gezahlt wird, z.B. für das Öl. Die Amerikaner hüten nicht umsonst ihre Ölreserven. Sie wissen, dass es viel mehr wert ist, als sie zu zahlen bereit sind.
Ein Bewusstsein dieser Art muss wachsen, damit die Gefahr gebannt werden kann. Alle Menschen müssen respektiert werden, sonst entsteht unausweichlich irgendwo wieder diese tödliche Konzentration von Energie, von der wir eben eine Kostprobe erlebt haben.
Die eine Welt verlangt nach einer Bewusstheit ihrer Einheit. Das sollte niemand wundern. Der Anschlag war nur ein Zeichen dafür, ein Hinweis, eine Warnung.
Nun, wo wir jedes Land dieser Welt im Nu erreichen können, ist natürlich jedes Land dieser Welt schon unser Nachbar, der uns nicht unbekümmert lassen darf – in unserem eigenen Interesse.
Und wenn es bloßer Neid wäre, was diese Leute bewegt! Es liegt an uns, ob wir diesen Neid schüren durch Demonstrationen unserer Macht oder ob wir auch gelegentlich nachfragen, wie es den weniger Erfolgreichen geht und wo wir vielleicht behilflich sein könnten. Und es wird sich zeigen, ob wir wirklich behilflich sind oder nicht.
Diese Leute müssen die eine Kraft in dieser grauenhaften Weise benützen, weil wir sie nicht zum Heilen benützen, obwohl wir die Mittel dazu hätten! Würden wir sie auch benützen, dann wären wir der Gefahr schon lange vorher begegnet, dann hätten wir den Schmerz dieser Leute schon längst bemerkt und wir hätten die Tragödie längst abgewendet – durch Heilung.
Es wird Zeit für eine weltweite Solidarität – und dafür, unser Leben anzuschauen: unsere Schmerzen und die Schmerzen unserer Umgebung, unsere Sehnsucht und ihre Sehnsucht.
Bisherige Religion
und die Religion der Zukunft
(15. 9. 2001)
Die bisherigen religiösen Formen haben die Aufmerksamkeit auf ein Detail gerichtet, das heute nicht aktuell ist, nämlich das Jenseitige. Damit will ich nicht sagen, dass das Jenseitige nicht wieder aktuell werden kann. Das nächste mal aber nur in erhöhter Bewusstheit. Zur Zeit befinden wir uns nicht in dieser Phase der Entwicklung, sondern die gegenwärtige Phase braucht ein anderes Detail des Ganzen als Symbol für das Ganze. Es ist diesmal das Ganze selbst, auch so bezeichnet, also nicht mehr „Gott“, denn es ist „das Ganze“. Das Ganze ist natürlich auch „die Kraft“ und das Leben selbst. Wir könnten es genauso gut „Gott“ nennen, wenn sich dieser Begriff nicht mit einschränkenden Bedeutungen gefüllt hätte. Was „Gott“ genannt wird, ist eben leider oft nicht das Ganze, sondern ein Etwas gegenüber der Welt, als ein Zweites. Aber es gibt kein Zweites. Es gibt nur Eines. Und in dem sind wir alle enthalten.
Wir sind nur die Erscheinungsformen dieses Einen – daher aber genuin das, was die Christen als „Sohn Gottes“ bezeichnen. Nur ist es uns eben nicht bewusst. Daher vernachlässigen wir uns selbst. Wir stellen unser Licht unter den Scheffel. Doch in Wahrheit sind wir das Höchste, das es gibt. Wenn wir es nur bedenken würden. Dann würden wir von selbst bewusst werden. Denn das ist die logische Konsequenz. Und bewusst werden heißt, sich des Ganzen bewusst zu werden.
Jeder Mensch, der ehrlich sich selbst gegenüber ist, muss sich eingestehen, dass er insgeheim weiß, dass er das Höchste ist, was es in der Welt gibt. Doch in dem Augenblick, wo jemand das bewusst wird, wird ihm auch bewusst, dass die anderen ebenso wie er selbst „das Höchste“ sind. Er wird sie daher mit Respekt behandeln.
Das ist das, was dann zur „Nächstenliebe“ verkommen ist als eine moralische Tugend, anstatt einfach eine logische und emotionale Konsequenz der Bewusstheit zu sein.
„Sei fest und korrekt“, heißt es im I Ching immer wieder. Das ist gemeint. Bewusst sein und handeln.
Und bewusst was? Immer wieder zunächst bewusst seine Wünsche formulieren und äußern. Das ist der Weg. Und zu den Wünschen der anderen Stellung nehmen. Vielleicht gibt es ja Gemeinsamkeiten. Dann können Wünsche in Erfüllung gehen. Im gegenseitigen Einvernehmen. Ohne Beschwerden. Das ist die Harmonie, die möglich ist. Es ist nicht die Harmonie der Wunschlosigkeit, denn die zu behaupten, ist in jedem Fall eine Lüge. Dich vor Enttäuschungen zu bewahren, indem du keine Wünsche mehr äußerst, führt nur dazu, dass dir immer weniger Wünsche erfüllt werden, bis irgendwann aus diesem Grund dein Lebenswille schwächer wird und erlischt.
Daran leiden und sterben die meisten Menschen. An ungeäußerten Wünschen. Sie machen krank. Ungeäußerte Wünsche machen todkrank.
Bewusstheit kann das verhindern.
Jede Therapie kann nur darauf hinarbeiten. In der Medizin ist das noch nicht wirklich bekannt. Man verzichtet auf Bewusstheit und schneidet einfach das Störende weg. [Und das gleiche gilt von der bisherigen Politik.] Und der unerfüllte Wunsch bleibt weiter unerfüllt, aber man ist jetzt zusätzlich auch noch verstümmelt.
Ich sage natürlich nicht, man sollte darauf verzichten, das Störende wegzuschneiden, aber man sollte nicht das alleine tun. Man sollte das Problem an der Wurzel packen, die Wünsche entdecken und den Weg zu deren Erfüllung beschreiten. Dann ist die Krankheit nicht mehr nötig.
In der Politik ist es ähnlich. Auch da wird nicht das Ganze gesehen. Auch da werden ganz offenkundige Bedürfnisse einer großen Zahl von Menschen nicht berücksichtigt, weil der ganzheitliche Blick fehlt. Die Folge sind Erscheinungen wie der Terrorismus. Er ist ja wie eine Krankheit der Gesellschaft. Nicht nur der Organismus, auch die Gesellschaft muss geheilt werden. Und der Terrorismus ist eines ihrer Krankheitssymptome. Es reicht nicht, ihn wegzuschneiden. Eine Heilung kann nur erfolgen, wenn der Grund für das Symptom erkannt ist. Alles andere verstümmelt – und nicht nur bei denen, die weggeschnitten werden, sondern auch bei denen, die wegschneiden. Sie schneiden etwas von sich selbst weg. Nämlich genau das, was sie heilen könnte. Sie sind doch ein Spiegel dessen, was sie tun. Was sie wegschneiden wird ihnen selbst fehlen. Nämlich die Aufmerksamkeit auf ihr eigenes Ganzes. Sie behalten eine ideologische Sicht des Lebens, eine eingeschränkte Sicht, eine paranoische Sicht und deren Kehrseite, die Raubtiersicht.
Die Paranoiker können nicht erkennen, dass alles gut ist. Sie glauben sich isoliert und ausgesetzt. Sie fühlen sich von allem bedroht. Die Ursache dafür ist einfach, dass sie die Einheit nicht erfahren haben. Ihnen fehlt diese Dimension der Bewusstheit. Es wäre aber nicht schwer, sie zu gewinnen. Es würde genügen, sich wirklich berühren zu lassen von der Bedrohung und einfach weiter ehrlich zu sein. Das ja ohnehin vorhandene Grauen bringt, sobald es eingestanden ist, die Einsicht in die Einheit von selbst. Ehrlichkeit führt in jedem Fall zur Kapitulation. Aber natürlich ist die Illusion der Getrenntheit sehr stark. Daher erscheint Kapitulation als ein Kraftakt der Selbstaufgabe, aber in der Verzweiflung ist es kein Kraftakt mehr, sondern nur noch ein Nachgeben, auf das die Einsicht in das Ganze folgt. Und in ihr erscheint das größtmögliche Glück, dieses „endlich zu Hause angekommen“ Sein, dieses sich angenommen Wissen, sicher, geborgen, vollkommen aufgehoben.
Von da an gibt es keine Erwartungen mehr, sondern nur noch die Freude über jeden erfüllten Wunsch, so wie bei den Kindern eben [„wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...“]. Und von da an wird jeder Wunsch geäußert. Es gibt kein Beleidigtsein mehr auf eine Ablehnung hin, sondern nur noch die Weiterverfolgung der Wünsche eben dort, wo sie erfüllt werden.
Das bedeutet nicht, dass es von da an keine dauerhaften Beziehungen mehr gibt oder Lebensbündnisse. In einer bestehenden Beziehung werden bestimmte Wünsche aber eben immer wieder geäußert werden müssen, und es muss auch immer wieder für die Erfüllung geworben werden, denn es gibt keinerlei legalistischen Zwang.
Falls ein Partner auf Dauer nicht hört, ist die Beziehung ohnehin zuende, einseitig gekündigt. Das ist übrigens das Einzige, was eine Beziehung beenden kann, wenn einer auf Dauer nicht hört und durch nichts zur Umkehr bewegt werden kann. [Und natürlich kann eine Beziehung nicht als beendet betrachtet werden, wenn über die Situation nicht gesprochen wurde. Es gibt daher letzten Endes nur eine einvernehmliche Trennung.] Dann darf der andere sich wieder als „frei“ betrachten. Das ist der wirklich gültige Grund für eine Lösung der Beziehung, nicht die Tatbestände, die noch im Neuen Testament angeführt werden: „Ehebruch“ etc.. Ehebruch ist ja nur ein spezieller Fall, in dem diese Gehörlosigkeit vielleicht vorhanden – in dem sie vielleicht aber auch nicht vorhanden ist. Unter Umständen gefährdet das, was „Ehebruch“ genannt wird, die Partnerschaft ja gar nicht, die doch auf einer freien Vereinbarung freier Menschen beruht und zu dieser Vereinbarung kann durchaus gehören, anzuerkennen, dass eine spontane Begegnung [die zum Geschlechtsakt führt] etwas Richtiges haben kann, so wie etwa die spontane Begegnung von David und Batseba – ganz abgesehen von den möglichen Beziehungsvarianten der Mehrehe.
Die Zeit der Rechte aufeinander ist vorbei. Keiner hat ein Recht, doch jeder darf sich was wünschen. Es gibt nur ein freies „Ja“, ein erzwungenes wäre keines. Und Steinigung auf Ehebruch ist eben nur noch eine erschütternde Reminiszenz auf barbarische Zeiten.
Wir leben im Zeitalter des Respekts voreinander. Wir respektieren ein „Nein“, weil wir die Wahrheit respektieren und nicht in der Lüge leben wollen.
Dafür braucht es keine Moral mit ihren Gesetzen, dafür braucht es nur Bewusstheit. In der Bewusstheit herrscht keine Willkür irgendeines Teils, deshalb ist Bewusstheit immer so „ethisch“ wie möglich und deshalb löst die Bewusstheit alle Probleme und deshalb heilt sie alle Leiden. Zwang dagegen schafft immer neue Leiden.
Bewusstheit löst alle Arten von Problemen, weil Bewusstheit zur Kommunikation führt, zur Kommunikation der Wünsche und zur Kommunikation der Fähigkeiten. Kommunikation überbrückt alle Gegensätze, die zwischen den Geschlechtern samt den damit verbundenen Konflikten genauso wie die Gräben zwischen den sozialen Klassen – vor allem aber die Gräben in uns selbst. Diese Art der Kommunikation mit uns selbst führt uns nämlich in unsere tiefsten Tiefen und zeigt uns, wer wir wirklich sind. Diese Art der Kommunikation führt uns zum Ganzen, sie führt uns zu dem, was früher „Gott“ genannt worden ist, das nun aber umfassender verstanden werden kann, eben als das Ganze, als das eine Wesen, das Wesen des Alls und unser Wesen. Sie führt uns da hin zu sehen, dass wir wirklich göttliche Erscheinungen sind. Dass wir aber nur dann auch als solche leben können, wenn wir das erkannt haben. Das ist die Bedeutung des Ausspruchs bei Johannes, dass wir die Macht hätten, Kinder Gottes zu werden – eben nicht, dass wir es nicht längst gewesen wären, aber dass wir es nur sein können, wenn wir uns dessen auch im vollen Umfang bewusst sind. Und das bedeutet logischerweise, dass wir nicht glauben, nur wir wären göttliche Erscheinungen. Diese beschränkte Sicht tritt aber häufig im Zustand der Paranoia auf, als deren Gegenpol, als Zustand der Manie. In der Manie glauben Menschen, sie wären etwas Göttliches, die anderen aber wären nur gewöhnliche Geschöpfe. Und entsprechend führen sich die Maniker dann auch auf, unerträglich für die anderen, weil völlig durchgedreht. Die Phase der Paranoia ist eben noch nicht beendet. Sie wird erst beendet, wenn dieser Mensch bereit ist für die tiefere Wahrheit, nämlich dass alles eins ist und er/sie nur ein Teil, eben ein besonderer Ausdruck des einen Wesens, so wie alle anderen auch.
Von da an muss die Bewusstheit sich ausbreiten in alle Lebensbereiche hinein.
Darum sollte es in jeder Religion gehen und nur darum. Alles andere ist Missbrauch und Aberglaube. „Aberglaube“ ist ja ein Glaube, der nicht bewirkt, was er verspricht, bzw. ein Glaube dessen unbewusste negative Nebenwirkungen die positiven Wirkungen zunichte macht. Und „Missbrauch“ sind Geschäfte mit der Unbewusstheit, wenn sie im Namen des „Einen“ getätigt werden [zweites der „zehn Gebote“]. Das geschieht ja immer um Macht und anderer Vorteile willen, für Ehre, Geld, Einfluss etc.. Die gegenwärtigen Strukturen der Kirche und ihrer Riten zeigen, dass der Missbrauch immer noch vorhanden ist. Und diesem Missbrauch entspricht in gleichem Maß der Aberglaube, mit dem der Missbrauch gerechtfertigt wird. Sie sind die zwei Seiten einer Medaille. Genau diesen Missbrauch hat Jesus bei den religiösen Autoritäten seiner Zeit festgestellt. Luther hat ihn vor 500 Jahren festgestellt und ich stelle ihn heute immer noch fest. Bewusstheit ist in diesen Bereich immer noch nicht ganz vorgedrungen. Es ist auch zu peinlich. Aber es ist beweisbar: Die Strukturen der Vorschriften, Vorgehensweisen und Riten zeigen es. Ihre Ausgangsbasis ist oft nicht Kapitulation, nicht Hingabe, nicht der Heilige Geist, sondern ein anderer Geist, der Geist der Separatheit, des Ausscherens aus dem Ganzen, eben um sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Dieser Geist braucht zu seiner Rechtfertigung immer einen Aberglauben, eine Ideologie. Hier ist der Ort, wo der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben wird. Angst ist die Basis. Die Heilung fehlt. Das ist bedauerlich. Heilung ist jedem zu wünschen. Die abgetrotzten Vorteile bringen sie nicht [die Heilung].
Die Heilung kommt von der Wahrheit, denn die Wahrheit führt zur Kapitulation des separaten Wesens und zum sich Einfügen in das Ganze. Die Heilung ist besser als alle „Vorteile“. Sie bringt dann allerdings sogar Vorteile, aber nicht auf Kosten anderer, sondern zugunsten anderer, weil die Geheilten sich selbst und damit alles ins Ganze reinvestieren, damit die Bewusstheit wachsen kann. Das ist das Gesetz des Ganzen. Dem haben die bewussten Menschen sich eingefügt. Sie durchschauen daher jede Ideologie und jeden Aberglauben, denn sie sehen die Separatheit.
Sie zeigt sich in der offenbaren Lüge, darin beispielsweise, dass versprochene Vorhersagen nicht eintreffen, etwa das Erscheinen des Heiligen Geists im Vollzug eines bestimmten Ritus oder das Verschwinden eines üblen Geists bei einem anderen Ritus. Die positive Wirkung tritt nicht ein, obwohl es behauptet wird. Man hat dies schon länger bemerkt und daher den Ritus selbst juridisch-dogmatisch abgesichert als „opus operatum“, indem man also sagte, dass der Vollzug genügt. Leider ist das aber ein Irrtum. Der Irrtum entstammt einem Verschleierungsversuch. Indem man die Kirche der Prüfbarkeit entheben wollte, musste man sie zu einer Art magischen Institution machen, mit unschätzbaren, unergründlichen magischen Kräften ausgestattet. So hat man die Magie für den Geist substituiert. Natürlich war das ein schlechter Tausch. Das Ergebnis war eine Masse Hypnotisierter (unbewusst Abhängiger), abhängig von einer Schar privilegierter Hypnotiseure/Manipulatoren, die leider aber selbst unbewusst und abergläubisch waren, aber logischerweise nicht böse über die Vorteile, die ihnen dadurch erwuchsen und daher durchaus geneigt, auf diese Weise weiterzumachen.
Die Unbewusstheit entschuldigt ihr Vorgehen. Sie sind wahrhaftig Opfer ihrer eigenen Ideologie, wenn auch angenehm entschädigt durch Position, Ansehen, guten Lebensunterhalt. Einige sind für die Ideologie sogar in den Tod gegangen. Sie haben die Bewusstheit sicher erfahren, in der sich jede Ideologie auflöst. Die anderen können sie nicht erfahren, jedenfalls so lange nicht, solange sie als unbewusste Manipulatoren agieren.
Es geht mir hier nicht um eine Anklage, sondern nur um die Feststellung eines Bedauerns. Wir alle sind Menschen und allzu versuchbar. Bewusste Menschen wissen das. Sie erheben sich nicht über irgendjemand. Aber sie nennen die Dinge beim Namen. Darauf will ja auch die Szene im Schöpfungsbericht hinaus, wo der Menschen allen Wesen Namen gibt. Die richtigen Namen sind immer die Namen der Wahrheit. Und die richtigen Namen heilen. Bewusstheit heilt.
Es ist höchste Zeit für die Kirche, sich zu besinnen und den Tatsachen ins Auge zu sehen. Es wird Zeit, sich selbst zu verstehen, d.h. sich eingebettet ins Ganze zu sehen und zu sehen, was das Ganze wirklich ist.
Daraus ergeben sich natürlich viele praktische Konsequenzen.
Zunächst eine schonungslose Aufdeckung der Lügen der Vergangenheit. Durch Beweise. Ich werde sie liefern, andere werden sie liefern und viele haben sie bereits geliefert.
Der nächste Schritt ist Kapitulation, das Haupt beugen vor der Wahrheit.
Darauf folgt der nächste Schritt, nämlich die nötigen Klarstellungen. Es geht im Grund nur darum, dass selbst die Kirche auch praktisch anerkennt, dass es da noch jemand/etwas über ihr gibt, nämlich das Ganze. Und das ist heute auch das Ganze der Welt. An ihm wird sich zeigen, ob die Kapitulation vollzogen ist. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, heißt es ja. Das Ganze anerkennen, heißt natürlich anerkennen, dass das Ganze seit je her überall wirkt und nicht nur im Religionenfundus von Palästina. Das heißt anerkennen, dass es andere, ebenbürtige Wege gibt, etwa den Weg des Islam oder den Weg des Buddha oder die Wege der Hindus oder die Wege der Indianer oder die Wege der Australischen Ureinwohner oder anderer. Das bedeutet, ihre ebenbürtige Wahrheit anerkennen. Der Menschensohn ist seit je her überall am Werk, die Menschen zu größerer Bewusstheit zu führen. Und mehr ist nicht möglich. Alles andere ist Aberglaube.
Der Ursprung des Aberglauben ist die [unerkannte] lokale Beschränktheit am Ort des Ursprungs einer Religion. Diese Beschränktheit muss heute gesehen werden. Es wird daher jetzt für alle Religionen Zeit, diesen lokal beschränkten Aberglauben mit Verstehen zu durchleuchten und die Wahrheit zu sehen, nämlich dass alles [dass das Ganze] seit je her überall wirkt, weil es ein einziges lebendiges Wesen ist, das sich entwickelt, das mit aller Kraft Bewusstheit entwickeln will und entwickelt. Bewusstheit seiner selbst. Den gesamten Gang seiner Entwicklung zu überblicken, das ist Bewusstheit und in ihm gleichzeitig doch allein konzentriert auf einen Punkt zu bleiben, das ist Bewusstheit. Das Ganze selbst möchte, dass wir es sehen und dass wir es so sehen.
Das Ganze ist das Unvorstellbarste überhaupt. Alles ist doch darin enthalten. Das ist der Sinn der Feststellung aller Religionen, dass Gott etwas Unvorstellbares sei. Das heißt aber nicht, dass es nicht erfühlbar wäre.
Alles ist sinnvoll nur in diese eine Richtung: Bewusstheit. Wenn die Religionen anfangen, davon zu sprechen, haben sie zu ihrem Ursprung zurückgefunden, der immer in Bewusstheit lag. Bedauerlicherweise gibt es in allen Religionen aber eben auch die Tendenz zur Korruption, zum Ausscheren aus dem Ganzen, um etwas für sich privat zu gewinnen. Ihre Worte sprechen vom Ursprung, aber ihre Taten weisen in die andere Richtung. Die Wahrheit ist der Schlüssel zur Umkehr, zur Rückkehr ins Ganze. Die Wahrheit ist der Schlüssel zur Bewusstheit. Nämlich: Die Wahrheit aushalten, dass wir nicht nur nicht perfekt [denn in Wirklichkeit sind wir perfekt], sondern völlig pervertiert sind in dem, dass wir uns vom Ganzen separiert haben. Sobald wir zurückkehren, sind wir nämlich perfekt. Das Ganze hat uns gefehlt. Dieses Fehlen kann uns nur krank machen. Die Krankheit ist ein Anzeiger, dass etwas nicht stimmt. Es ist nicht die Frage nach einer Schuld, sondern nur die Frage nach dem, was uns fehlt. Diese Frage wird uns gesund machen. Sie wird uns heilen, egal an welcher Krankheit wir leiden. Die Heilung wird aber nicht unbedingt in einer Rettung unseres Lebens bestehen, sondern im Heimfinden, und wenn es nur für Tage oder Stunden oder Sekunden war. Die es erfahren haben, sind angekommen und können gut hinübergehen, sie sind bestens vorbereitet, hinüberzugehen in die andere Sphäre, von der wir nichts wissen.
Die „Auferstehung Jesu“ sagt nichts – und doch alles – über ein Leben nach dem Tod. Sie ist ein Mythos. Sie ist wahr, aber nicht in dem gleichen Sinn, in dem kürzlich das World Trade Center zerstört worden ist, deshalb ein Mythos. Sie ist eine Wahrheit einer tieferen Ordnung: So einer wie Jesus repräsentierte das Leben selbst. Wer sollte das Leben umbringen? Das geht nicht. Das Leben lebt immer weiter und es geht durch die Phase des Todes hindurch zu einer neuen Form, immer wieder. Das Leben ist Bewusstheit durch Tod und Auferstehung hindurch. Diesen Geist hat Jesus offenbar gemacht und dieser Geist pflanzt sich seit je her fort. Er ist ja immer da in allem und in jedem. Die Dunkelheit entdeckt in sich immer mehr durch ihr Leiden den Weg zum Licht. Aber es ist ein Weg, es ist keine „instant“-Erleuchtung. Es braucht die Erfahrung des Leidens. Sonst fällt das Loslassen den meisten doch zu schwer. Gut natürlich, wenn ein Mensch nicht zu sehr dafür leiden muss.
Den Grad des Leidens, so wurde früher [von Hindus und Buddhisten] gesagt, bestimmt das Karma, das jemand in früheren Leben auf sich geladen hat. Was immer es bestimmen mag, wir brauchen das nicht in irgendeiner Weise dogmatisch festlegen, das Leiden ist da, es ist eine Realität, und warum auch immer manche Menschen so viel davon aufgebürdet bekommen, sie müssen es tragen, wenn es da ist. Es ist ja ihre Chance, nämlich zurückzukehren in das Ganze. Von da an wird es verwandelt sein. Wir lehnen es dann nämlich nicht mehr ab, sondern wir stimmen ihm zu, denn es ist uns vom Ganzen verordnet, aus welchem Grund auch immer. Wir werden es verstehen, in dem wir es annehmen. Wir nehmen es an, weil wir das Ganze annehmen, wie es uns annimmt. Wir haben darin eine Rolle zu spielen und wir stimmen dieser Rolle zu. Und (nur) in dieser Rolle wachsen wir über uns selbst hinaus, denn nun sind nicht mehr wir es, die uns lenken, sondern es ist das, was Jesus seinen „Vater“ nannte. Es ist unser Vater. Es sorgt sich um uns, denn wir sind ihm wichtig. Es wird Zeit, dass wir das erkennen.
Das ist das neue Christentum. Das ist der neue Geist: Bewusstheit. Oder, nochmals in den Worten Jesu: der Geist der Wahrheit. Und genau das ist auch das alte Christentum. Wir können zu ihm zurückkehren, aber heute auf neuen Wegen.
Die Wege haben sich auch in der Vergangenheit immer wieder gewandelt. Sie werden sich weiter wandeln, weil die Entwicklung nicht aufgehalten werden kann. Entweder die Wege wandeln sich mit oder sie müssen/werden verlassen werden. Das ist die Wahrheit der Stunde.
Wir können dem Christentum nicht zum Vorwurf machen, dass es im Mittelalter versagt habe, es musste wie die ganze damalige Welt durch eine Phase der Integration grausamster Stammeskulturen mit der Zivilisation der Römer. Das hat zunächst das Licht der Erkenntnis wieder verdunkelt. Das hat das magische Element in der Religion verstärkt. Und der Informationsvorsprung hat Privilegien gebracht. Auch das ist normal.
Auch das Fallen in einer Versuchung ist normal, das geschieht in der separaten Existenz ständig, sogar die größten Asketen fallen, und wenn nur in Gedanken. Sie wissen es. Es gibt nur ein Ende dieses Fallens und das ist die Rückkehr ins Ganze.
Jesus war in dem Ganzen und er hat seine Rolle gespielt, die ihm vom Ganzen zugedacht war. Der Vater hat ihn gelenkt. Wir sollen [in der Nachfolge Christi] auch vom Vater gelenkt werden. Niemand lenkt besser. Deshalb gewinnen die „Guten“ im Mythos immer gegen die „Bösen“. Die „Bösen“, das sind die Separierten. Sie sind böse, weil ihnen etwas fehlt. Sie versuchen alles, um es zu substituieren, aber es gelingt ihnen nicht. So werden sie böse. Das ändert zwar auch nichts, aber dadurch können sie sich weiterhin im Recht fühlen. Es ist ihnen etwas verweigert worden, deshalb wollen sie es sich anderswo holen, ein Defizit durch ein Übermaß von etwas anderem ersetzen. Das aber ist ein schlechter Tausch. Es ist ungesund. Aber wenn man schon mal in dem Teufelskreis gefangen ist, dann sieht man auch keinen Ausweg, als immer so weiter zu machen, bis es eines Tages ein böses Erwachen gibt. Die Wahrheit lässt sich nicht für immer verbergen. Sie drückt sich selbst aus. Der innere Widerspruch wird irgendwann eine nach außen sichtbare Form annehmen, etwa die Form einer Krankheit, eines Unglücks oder einfach des psychischen Grauens der Vergeblichkeit.
Aber: „Wenn ein Mensch schuldig geworden ist, auf dem Weg wird er entkommen“, heißt es bei Lao-tse. Entkommen heißt loskommen von der Schuld, vollkommen entschuldigt werden. Der Weg (für alle Menschen und natürlich für alle Religionen) ist die Rückkehr ins Ganze. Sie geschieht allein durch Bewusstheit. Durch Wahrheit. Auf diesem Weg wird alles gut. Es ist eben wie bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes. Was immer er sich zuschulden hat kommen lassen. Er wird aufgenommen, wenn er zurückkehren will. Alles ist vergeben und vergessen. Aber natürlich nicht für den Zurückgekehrten. Er wird von selbst, aus seiner Natur des Ganzen heraus, Schadenersatz leisten, nach seinen Kräften und natürlich auf seine Art. Das ist nun aber keine Demütigung mehr, weil ohnehin das ganze Leben eine Art Dienst geworden ist, ein durchaus freudiger Dienst aber, auch im Fall des Schadenersatzes.
Auch die Stars haben ihre Rolle in dem großen Konzert. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Bewusstheit vieler von ihnen die unsere übersteigt. Sie haben ihren Dienst angetreten, und dieser wird in ihrem Fall reich belohnt. Sie haben eine gute Rolle zugeteilt bekommen, die natürlich ihre besonderen Schwierigkeiten und ihre Fallen hat. Auch sie stehen im Dienst der Bewusstheit, sogar Pornostars stehen im Dienst der Bewusstheit und genauso Prostituierte. Aber sie sind sich dessen oft nicht bewusst. Manche erliegen einer der Fallen auf ihrem Weg. Vielleicht werden sie drogensüchtig oder der Ruhm steigt ihnen zu Kopf und sie werden überheblich oder sie sondern sich sonstwie ab. Das alles hat natürlich Konsequenzen, nämlich Schmerzen und diese Schmerzen führen sie entweder zur Kapitulation oder zum Tod. Also auch in diesen Fällen zur Rückkehr in die Einheit. Wenn sie sich fragen, was los ist, werden sie es erkennen.
Wir brauchen keine Angst haben, dass die Einheit uns unsere Individualität raubt, denn das Gegenteil ist der Fall. In ihr erblüht unsere Individualität erst.
Die bei so vielen vorhandene Angst, die Individualität zu verlieren, ist auch mitverursacht durch die Bigotterie, durch den Aberglauben der traditionellen Religionen mit seinen sektenhaften Beschränkungen. In einer Sekte verliert man ja tatsächlich seine Individualität. Gewisse Fakten der eigenen Natur dürfen da nicht sein. Man wird mit ihrer Hilfe schuldig gemacht und dadurch abhängig vom Vergebensmodus der Sekte. Das ist bei allen Sekten so, auch in der katholischen Kirche.
Anders verhält es sich aber bei den ursprünglichen Einweihungskulten, die Formen künstlicher Beschränkung als Mittel der Bewusstheitsentwicklung einsetzen und dabei wissen, was sie tun. Oft sind von solchen Kulten aber inzwischen auch nur noch leere Traditionen übrig geblieben und das Ziel ist aus den Augen verloren worden. Was dann noch hält, ist der Aberglaube, und hinter ihm der Nimbus, der vielleicht noch nicht erloschen ist. Solange dieser Funke der Wahrheit noch da ist, ist auch eine Wiederbelebung möglich. So auch in der katholischen Kirche.
Eine Frage, die bleibt, ist die, wie die katholische Kirche ohne Gesichtsverlust kapitulieren kann? Durch den Geist wird es möglich. Der Geist zeigt uns nämlich, dass wir alle fehlbar sind und dass es nur darauf ankommt, so schnell wie möglich wieder zu ihm zurückzukehren. Auch die Kirche wird einen verständnisvollen Vater vorfinden, wenn sie zu ihm zurückkehrt.
Es muss einfach eine Öffnung stattfinden in diese Richtung. Es braucht keine Schulderklärungen, obwohl die auch sein dürfen und zu keinem Gesichtsverlust führen werden. Eine Schulderklärung ist aber keine Bedingung. Es reicht die Öffnung. Es reicht, das Hindernis zu beseitigen und den Geist wieder strömen zu lassen. Alles andere ergibt sich von dort aus.
Es gibt auch keine Vorwürfe, es gibt nur Feststellungen von Tatsachen. Offenbare Behinderungen des Geists müssen beseitigt werden. Das geschieht, wie gesagt, am Besten durch eine geistige Öffnung, durch eine erlaubende Haltung, durch eine nicht bewertende Haltung, durch eine Haltung des Ja der Wahrheit gegenüber – und damit verbunden eine Bereitschaft, sich vielfältig überraschen zu lassen, ohne beleidigt zu sein.
Das für die Religion Gesagte, gilt natürlich auch für andere Bereiche der Gesellschaft, für die Medizin und für die Politik. Auch sie können die Rückkehr ohne Gesichtsverlust hinkriegen. Sie bietet ja eine reale Lösung ihrer ungelösten – und bis jetzt für unlösbar gehaltenen – Probleme. Beide müssen eben einen bewussten und als ebenbürtiges Ziel definierten Beitrag leisten zur Entwicklung des Unentwickelten. Ebenbürtig zum Geschäft. Ohne Entwicklung des Unentwickelten wird das Geschäft nämlich absterben. Es geht also nicht um irgendwelche karitativen Akte, sondern um die Urbarmachung eines neuen Bodens. Urbarmachung für die eine Welt. Es geht nicht darum, die Technisierung zurückzudrängen, wie manche Neidgeplagte es gerne darstellen möchten, sondern es geht darum, die Technik allen zur Verfügung zu stellen, die sie wollen. Es geht darum, auch das Ganze des Möglichen zu nutzen.
Genauso kann auch die Medizin auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie das Ganze mit einbezieht und die Menschen in ihrer psychischen und sozialen Verflochtenheit sieht. Moderne Formen der Psycho-Therapie haben inzwischen längst unmittelbar von den technisch unentwickelten „Medizinmann-Kulturen“ gelernt, etwa in Afrika – während sich die Medizin, fixiert nur auf die Bekämpfung der Symptome, nur um die Rezepturen der Medizinmänner interessiert hat, nicht für ihre Arbeitsweise [vgl. de Rosny]. Ein Ergebnis dieser neueren Entdeckungen ist beispielsweise das Familienstellen [B. Hellinger]. Es zeigt den Menschen unserer Kultur ihre Verflochtenheit, insbesondere den tatsächlichen Einfluss der Ahnen und anderer familiärer und weiterer sozialer Strukturen auf das Individuum.
Der Schlüssel zur neuen Welt ist das Ganze. Immer wenn das außer acht gelassen wird, wenn auf die alten partikularistischen Methoden vertraut wird, wird es Schwierigkeiten geben, die mit diesen Methoden eben nicht mehr in den Griff zu kriegen sein werden, wie etwa im Fall des Terrorismus. Was hilft die modernste Militärtechnik gegen ein internationales Netz von Menschen, die entschlossen sind? Sie sind nicht mehr ein lokal begrenzter Krankheitsherd, sie sind wie Metastasen. Was für eine Art von Bestrahlung oder Chemotherapie soll gegen sie helfen?
Es geht daher um Einsicht in den Gesamtzustand. Und diese Einsicht muss auf allen Ebenen der Gesellschaft stattfinden. Die Religionen sollten die Vorreiter auf diesem Gebiet sein und daher aufhören, ihr separates Süppchen zu kochen. Dieses Bewusstsein muss sich verbreiten. Auf diesem Wege – und nur auf diesem Wege – wird die Botschaft auch die Taliban und ähnliche Gruppen erreichen. Sonst werden die Krebszellen wachsen und sich weiter ausbreiten. Es ist nicht eine Frage der Moral, sondern eine Frage des Überlebens. Ein kollektives Umdenken muss einsetzen. Natürlich auch in der Religion – den Islam eingeschlossen [vgl. den folgenden Artikel über das Missverständnis des Bilderverbots].
Wir müssen natürlich bei uns anfangen: Wir müssen unseren Empfangsapparat auf den Empfang des Ganzen einstellen.
Es wird dann natürlich ganz konkrete Veränderungen brauchen, auch in der Religion. Sie muss den Ballast der Geschichte abwerfen und neu anfangen mit dem Geist des Einen. Die Lehren werden sich deutlich erkennbar verändern, damit das Ganze klar erkennbar wird und auch die Riten werden sich [befreit vom historischen Ballast] sehr verändern, damit dieser Geist wieder wirklich spürbar wird. In jeder Zeit ist dieser Prozess vollzogen worden, in unserer Zeit ist er noch nicht vollzogen worden, es gibt erst Ansätze dazu. Eine gewisse Bereitschaft zu einer Analyse der Situation. Und eine gewisse, wenn auch noch so geringe Bereitschaft zum Experiment. Die Glut ist noch nicht ausgelöscht. Gleichzeitig aber ist die Paranoia stark, die Angst, sich etwas zu vergeben – wo es doch in Wirklichkeit alles zu gewinnen gibt.
Wir brauchen die eigene Tradition nicht vergessen, wenn wir die anderen Traditionen anerkennen – und mit „anerkennen“ meine ich nicht die mehr als zaghaften Zugeständnisse des zweiten Vatikanums, das sich ja damit begnügte zu meinen, dass andere doch auch gewisse Wahrheiten gefunden hätten, wenn auch nicht die Wahrheit, denn dazu müssten diese Anderen schließlich doch erst zum Christentum bekehrt werden. Was für ein paranoischer Hochmut da noch drin steckt! Was für eine Unbewusstheit. Es wird Zeit für einen Quantensprung. Wenn das Christentum oder die katholische Kirche ihn nicht vollziehen kann, wird es untergehen, wenn es ihn aber vollziehen kann, dann kann ihn der Islam auch vollziehen. Und dann ziehen alle am gleichen Strang.
Sie werden dann gemeinsam mit anderen Einrichtungen darauf achten, dass die Unzufriedenheit und die Unruhe nirgends über ein gewisses Maß ansteigt, denn ihre Beobachter werden rechtzeitig melden, was getan werden kann, um den an einem bestimmten Ort herrschenden Schmerz zu lindern.
Eine massive Entwicklungspolitik wird so einsetzen. Und es wird eine ganzheitliche Entwicklungspolitik sein, auch in den industrialisierten Ländern. Auch die Menschen hier bei uns müssen ja einen Entwicklungsschritt vollziehen, besonders persönlich. Sie müssen lernen, Konflikte durch Kommunikation zu lösen und zu verstehen. Sie müssen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern und die von anderen geäußerten Bedürfnisse zu respektieren. Das ist der Weg, wie er sich im alltäglich-persönlichen Bereich darstellt. Es ist einfach der Weg der Wahrheit.
Die alten biblischen Geschichten reichen dafür nicht mehr. Sie sind für die meisten Menschen in solche historischen Fernen gerückt, dass sie nicht mehr unmittelbar verstanden werden. Es braucht daher neue Geschichten. Und es gibt sie. Sie könnten gesammelt werden. Das wäre eine Aufgabe für eine neue Offenbarungsforschung, die sich nicht mehr mit der Bibel begnügt, sondern die davon ausgeht, dass die Offenbarung nie aufgehört hat, dass sie gegenwärtig ist, das sie aber entdeckt werden muss. Dazu braucht es aber ein demütiges sich Beugen vor der Wahrheit. Und dazu wieder braucht es den Willen dazu. Der Widerstand gegen die Wahrheit muss aufhören. Die Angst muss dem Vertrauen weichen. War das nicht der alte „Glaube“? – Und was ist im Vergleich dazu das übliche „Glaubensbekenntnis“? Aber die Einsicht ist eine Gnade. Wir können sie nicht erzwingen. Sie wird vom Ganzen verliehen. Doch zu unserem Glück drängt sie uns das Ganze geradezu auf. Es braucht daher nur eine gewisse Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Die können wir uns wenigstens wünschen, das Ganze bitten, uns für es zu öffnen. Dann erleben wir unsere Kapitulation. Und in ihr die Heilung.
So entsteht auch eine völlig neue Art religiöser Missionierung:
Die neue Art der Missionierung wird eine Missionierung zur Bewusstheit sein, nicht zur Aufgabe der eigenen Traditionen, sondern zum Überdenken dieser Traditionen mithilfe dessen, was eine geeinte Welt heute möglich macht.
Es wird eine echte Begegnung sein im gegenseitigen Respekt, nicht in der Auffassung, man habe es mit primitiven Untermenschen zu tun.
Dass heute Medizinmänner aus aller Welt bei uns Seminare abhalten, zeigt, dass die Stammeskulturen einen großen Schatz an Weisheit bergen oder geborgen haben. Und diesen Schatz bieten sie uns an. Und ihr Einfluss auf unsere Kultur nimmt zu. Zurecht. Denn dieser Schatz ist allzu lange mit Füßen getreten worden. Dieser Einfluss darf auch den bei uns traditionellen Religionen nicht vorenthalten werden. Alles gehört zusammen. Nur das Ganze liefert ein korrektes Bild.
Konkret bedeutet das, dass sich die traditionelle Religion mit der Arbeit der Medizinmänner auseinandersetzen muss, insbesondere dort, wo die Medizinmänner eine Wirkung erreichen, die die traditionellen Riten nicht mehr erreichen.
Man muss sich doch fragen, warum das so ist, denn irgendwo haben die traditionellen Religionen offensichtlich den Pfad der Wahrheit verlassen, sonst wären ihre Riten immer noch wirksam. Auf diese Weise wird man feststellen, wo man selbst einen Aberglauben entwickelt hatte und wo man daher selbst dem Bild des primitiven Untermenschen glich, das man den anderen andichtete.
Von da an wird die Missionierung nur noch ein Dienst sein. Die Bilder der eigenen Religion aber werden natürlich weiterhin fruchtbare Bilder sein, die sich jetzt aber einfach mit den anderen Bildern gleichberechtigt mischen werden, die an einem bestimmten Ort traditionell üblich sind. Eine Erweiterung der Bewusstheit wird einsetzen auf beiden Seiten. Die Kommunikation wird für beide eine Bereicherung sein. Es wäre schon sehr dumm, diese Kommunikation einseitig zu blockieren, etwa durch ausschließende Dogmen oder Alleinseligmachungsanspüche, während doch gleichzeitig nicht mehr zu leugnen ist, dass die traditionellen Riten bei uns wegen ihrer weitgehenden Unwirksamkeit unglaubwürdig geworden sind. Zu sagen, „wir haben einen Weg“ ist etwas anderes als zu sagen, „wir haben den einzigen Weg.“ Das kann nur eine Lüge sein.
Ich persönlich habe in meinem Leben Repräsentanten verschiedener Religionen und auch von Stammeskulturen getroffen, die mir gezeigt haben, dass sie einen echten Weg haben und dass dieser Weg ebenbürtig ist etwa dem christlichen Weg. Die Wahrheit ist weiter verbreitet, als die traditionellen Richtungen anzuerkennen bereit sind.
Diese Wahrheit sollte zur Kenntnis genommen werden, denn die Folgen einer weiteren Leugnung werden nicht angenehm sein, besonders für das Christentum, nämlich wachsendes Desinteresse und schwindende materielle Ressourcen. Es kann natürlich sein, dass die Wahrheit erst dann zur Kenntnis genommen wird, wenn diese Folgen wirklich spürbar eingetreten sind. Um den Prozess etwas zu beschleunigen, appelliere ich an die einzige gemeinsame Instanz, die Vernunft.
Es ist klar, dass Menschen, die glauben, allein sie hätten die Wahrheit keine sehr wahrheitsliebenden Menschen sein können. Überheblichkeit ist der Grund für ihre Ignoranz. Es gibt nur einen Ausweg daraus, nämlich sich davon überzeugen, dass auch auf anderen Wegen die Wahrheit gefunden werden kann und unterscheiden lernen, wo die Wahrheit ist und wo noch welche Arten von Aberglauben herrschen.
In dieser Unterscheidung liegt der heutige mögliche Exorzismus – eben in der Unterscheidung der Geister, indem die Dinge so genannt werden, wie sie sind. Nichts anderes hatte Jesus im Sinn mit seinen Exorzismen – und Paulus mit seinen. Immerhin hat Paulus ja die Apostel erfolgreich exorziert und ihnen gezeigt, dass sie sich öffnen müssen für die Welt als Ganzes. Dass sie also ihren völkischen Partikularismus aufgeben müssen, dass dieser Partikularismus ein übler Geist ist, nämlich genau der Dämon, den Jesus bekämpft hat und der ihn umgebracht hat.
Nun ist dieser Dämon wiedergekehrt in Form der legalistischen Auslegung der Bibel und der Dogmen. Das ist zwar in allen großen Religionen der Fall, vielleicht aber besonders stark in der katholischen Kirche. Anstatt des Fühlens herrscht wieder das Gesetz. Es ist das alte Problem. Das ist der Name des Dämons. Das Gesetz – und (und das ist die Lüge) die gleichzeitige Behauptung, „die Wahrheit“ zu haben, die aber in Wirklichkeit verlorengegangen ist mit dem Verlust des Fühlens. Die religiösen Funktionäre wählten die Sicherheit des Gesetzes, weil sie sich der Unsicherheit der göttlichen Führung nicht anvertrauen wollten. Diese Linie bestimmt den Mainstream aller großen Religionen. Sie bestimmte die Religion der Juden zur Zeit Jesu. Er als Mann des Fühlens konnte von den Gesetzesgläubigen nicht geduldet werden. Er musste beseitigt werden, denn er zeigte ihnen ihre Paranoia. Eine Schwäche aber konnten sie nicht eingestehen. Sie hatten doch die Wahrheit. Also musste der weg, der das in Frage stellte. Ich stelle es heute wieder in Frage.
Die Wahrheit ist heute, wie von Jesus vorhergesagt, nicht mehr „hier oder dort“, sondern in ganz anderen soziologischen Formationen bewusst. Überall gibt es die, die zu ihr gelangt sind. Sie sind heute unabhängig von irgendwelchen religiösen Institutionen. Bewusstheit ist an keine Kultur gebunden. Sie entspringt meistens dem Leiden. Und da Menschen immer und überall leiden, gibt es immer und überall die, die sie gefunden haben. Früher mussten sie sich in den religiösen Mainstream einfügen, heute aber gibt es alles überall und daher können sie es sich erlauben, einfach sie selbst zu sein, ohne sich in eine bestimmte geistige Richtung einordnen zu lassen – aber auch sicher ohne Verleugnung ihrer Herkunft, sondern natürlich eher mit einem Schwerpunkt darauf, so wie beispielsweise für mich meine christliche und katholische Herkunft äußerst wichtig ist. Von da beziehe ich ja einen unendlich reichen Schatz an Bildern, die Menschen etwas sagen. Und was ich von den anderen Religionen weiß, füge ich natürlich diesem Schatz hinzu. Und daraus ergibt sich – über die sonstige Bereicherung hinaus – ein gegenseitiges Verstehen dieser Traditionen.
Dieses Verbindende muss ausgesprochen werden. In ihm ist das gemeinsam Menschliche. Das Trennende ist Lokalkolorit. Es muss erkannt werden, dass dieser Bereich [des Lokalkolorits] aus diesem Grund nicht zum Bereich wesentlicher Lehraussagen gehören kann. Beispielsweise wird die Bedeutung der Lehre, dass Jesus Gottes Sohn war, überdacht werden müssen und damit zusammenhängend auch die Lehre von der Trinität. Es wird Zeit für ein erweitertes Verständnis, also ein Verständnis, dem alle Menschen, egal welcher Religion, zustimmen können. Das ist das Wesentliche, das Übrige ist nur lokaler Brauch, eine Art geistiger „Tracht“. Die Bräuche dürfen natürlich so bleiben, wie sie sind. Es muss niemand „umerzogen“ werden. Sondern überall muss einfach etwas mehr Bewusstheit entstehen. Alles andere ergibt sich von dort aus. Und vielleicht gibt es gar nichts anderes. Warum auch? Nur darum geht es doch, die Kleidung spielt nicht so viel Rolle. Und doch, warum sollte man sich nicht genau so kleiden, wie man will, so dass man sich eben wohl fühlt, so wohl wie nur möglich. Und das betrifft auch die geistige Tracht. Durch die Bewusstheit wird hier Toleranz vor den geistigen Trachten anderer Gegenden entstehen. Und die Menschen werden mehr unterscheiden können zwischen dem Wesentlichen und dem Unwesentlichen. Dadurch wächst das Fühlen und im Fühlen zeigt sich der Geist, der im Gesetz eben verlorengegangen war. So finden wir durch Bewusstheit zum Geist und ohne den Geist ist das Leben in Wirklichkeit überhaupt nicht lebenswert. Kein Wunder also, dass wir so anfällig sind, im Sinn von Krankheiten und Gebrechen. Es fehlt der Geist. Das Gesetz wird zu einer Art Moloch. Es führt nicht zu dem, was es behauptet. Es führt nicht zum Geist. Aber es führt zum Leiden.
Das Gesetz ist eine Art Zwischenstufe zwischen wirklicher Religion und Geschäftswelt, eine Art Handel, eine Art Versicherung, eine Art Jenseitsversicherung, Einzahlung in die himmlische Bank durch Finanzierung der Priester. Das hat es seit je her überall gegeben. Die Traditionalisten betreiben dieses Geschäft. So gerne sie ihn auch hätten und so sehr sie sogar behaupten, ihn zu haben, fehlt ihnen doch der Geist. Sie haben sich nur geistig hineingesteigert in eine Vorstellung vom Geist und diese mit Werten befrachtet, damit sie zu einer Art Zugpferd für die eigene Moral werden kann. Diese Vorgehensweise ist sicher kein Fehler, aber sie führt leider nicht zur ganzen Wahrheit. Jenseits dieser Vorstellung gibt es nämlich die Wirklichkeit und die stimmt mit der Vorstellung häufig nicht überein, weil die Vorstellung ja immer hinter der Zeit herhinkt. Kaum hat sie die letzte Krise verarbeitet, kommt schon ein neues Problem, in dem ihm seine Erfahrungen vielleicht sogar im Weg stehen. Es braucht also eine andere Art der Sensitivität als die des schwerfälligen Vorstellungsapparats, eine Unmittelbarkeit, ein direktes Sensorium für das Richtige.
Dieses Sensorium „sechsten Sinn“ zu nennen, würde es schon wieder einschränken, denn es ist viel mehr als das, es ist unmittelbare Wahrnehmung. Was da wahrgenommen wird, ist eine Art von Anziehung oder Abstoßung. Das ist die Summe aus allen auf diese Situation bezogenen Daten oder Fakten unseres Lebens für diesen Augenblick. Dieser Anziehung gilt es zu folgen. Sie läuft wie eine deutliche Spur vor uns her. Natürlich müssen wir ihr mit Aufmerksamkeit folgen. Sonst werden wir die Spur nicht finden. Sobald wir sie gefunden haben, folgen wir unserer Natur, unserer Seele, wir folgen Gott, der uns so haben wollte, wie wir sind. Von da an kann es nur besser werden. Denn wir werden natürlich das meiden, was uns abstößt, denn da zieht uns wirklich nichts hin – es sei denn, wir würden gezogen von unserem „Auftrag“ vom Weltgeist. Dann ist das eben die Spur, der wir folgen müssen, wenn wir in der Wahrheit bleiben wollen. Es könnte auch uns treffen, wie es Jesus getroffen hat, dass wir nämlich auf diesem Weg unser Leben sehr früh verlieren, aber das ist rein statistisch sehr unwahrscheinlich, falls es uns jedoch tatsächlich treffen sollte, werden wir auch da wissen, dass wir uns auf dem Pfad der Wahrheit befinden. Eine Personifikation der Bewusstheitserweiterung für viele. Und daher werden wir uns auch auf diesem Weg geborgen wissen.
„Herr, du bist mein Hirte, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. Du weidest mich auf grüner Au. Und müsst ich selbst wandeln im Tal der Todesschatten, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir.“ Was gibt es Schöneres, als das sagen zu können? Selbst in der Hölle den Himmel zu sehen, denn der Himmel besteht ja in der vollkommenen Übereinstimmung, in dem vollkommenen Einklang mit den Gezeiten des Universums. Das kann natürlich physisch sehr schmerzhaft sein. Aber das Wissen darum wird Heilung bringen. Und in diesem Wissen zu sterben bedeutet „ewig leben“. Dann hat unser Beitrag zur Bewusstheit einen bleibenden Eindruck hinterlassen und er wird gegenwärtig bleiben durch seinen Effekt. Kein Wunder, dass Menschen, die einen derartigen Eindruck hinterlassen haben, „Heilige“ genannt worden sind. Es kann unsere Bewusstheit daher nur fördern, wenn wir uns mit ihren Lebensentscheidungen auseinander setzen. Aber natürlich auch mit den Lebensentscheidungen anderer. Es geht ja darum, dass wir uns von jeder Ideologie befreien und hinter die Dinge schauen. Und das können wir nur, wenn wir vergleichen, wenn wir uns anderen Erfahrungen aussetzen. Selbst prüfen, anstatt Urteile zu übernehmen etc..
Bewusstheit ist angesagt. Bewusstheit bringt Heilung.
Es geht also nicht um die Verwirklichung eines Ideals. Denn jedes Ideal ist ein vorgeprägtes Bild. Es geht um ein Leben jenseits dieser Art Bilder. Ein Leben jenseits der Idole. Ein Leben jenseits der fremden Götter. Die Heilung liegt jenseits von allem Bekannten. Sie ist eine Überraschung, denn sonst hätten wir sie ja längst selbst gefunden mit all unseren Vorstellungen darüber, was es sein könnte. Wir müssen uns bereit machen für eine Überraschung. Darum geht es, nicht um ein Idol, das wir schon kennen. Das bedeutet die Lehre von dem einen Gott. Es gibt nur eine Wahrheit, nämlich die persönliche. Deshalb ist Gott ein persönlicher. Es ist ein Gott der persönlichen Überraschungen, ein Gott der persönlichen Wunder. Daneben gibt es aber natürlich auch den anderen Aspekt, den Aspekt der allgegenwärtigen Kraft. Sie repräsentiert das Andere, das aber auch unsere eigene innerste Natur ist. Beide Aspekte zu sehen, das Ich und die Welt und in beidem etwas Göttliches erkennen, etwas Wunderbares, etwas Geliebtes, ausgestattet mit dem o.k.-Siegel des höchsten Prüfstands. Wenn wir das sehen, können wir auch schon ehrlich sein und sagen, was wir möchten. Unser Wunsch ist schließlich der Wunsch des Allerhöchsten – Ehrlichkeit vorausgesetzt. Durch die Ehrlichkeit finden wir nämlich unseren Weg. Ehrlichkeit bezieht sich auf das, was wir wünschen. Wenn wir hier mit Tabus belegt sind, haben wir Schwächungen einprogrammiert, die wir besser los werden sollten, sofern sie unserem ehrlichen Wünschen entgegenstehen [Gelegenheit für „Therapie“]. Und los werden wir sie am besten wieder, indem wir uns unser Leiden durch das Hindernis zum Bewusstsein kommen lassen, also wieder über den Weg der Kapitulation.
Daher geht der Weg in jedem Fall über die Kommunikation der Wünsche. Sie ist die Basis der Bewusstheit. Die Wünsche an den lieben Gott, sind natürlich an ihn zu übermitteln. Wie? Durch ein Eintauchen in die Kraft, die uns und die Welt gleichermaßen belebt. Sie wird uns antworten „von außen“, d.h. durch Begegnungen, die zur rechten Zeit zustande kommen auf unerklärlich Weise, „zufällig“ und doch gar nicht zufällig. Wenn die Zeit reif ist, gibt es Früchte zu ernten. Das sind die Geschenke des Ganzen an uns. Wir müssen natürlich auch schauen, was gerade wo reift. Dieses Schauen ist der Hauptbestandteil der Bewusstheit, bewusste Aufmerksamkeit.
Bewusstheit ist ein Bereich, der sich dem Denken nicht entzieht, der aber durch das Denken nicht voll erkannt werden kann. Dieser Bereich kann nur erfühlt werden. Und erstaunlicherweise zeigt sich, dass das Fühlen unendlich feiner und schärfer als das Denken begreift. Eine deutliche Einladung, im Zweifelsfall dem Fühlen zu folgen und damit die Bewusstheit zu erweitern. Und so immer mehr dem Fühlen zu folgen, das einen wunderbaren Bereich der Wirklichkeit eröffnet. Wirkliche Wunder werden möglich auf diesem Weg. Der Glaube versetzt tatsächlich Berge, aber es ist klar, dass das nicht der Glaube derer ist, die sonntäglich das Glaubenbekenntnis sprechen. Sie versetzen nämlich keine Berge. Aber es gibt Leute, die Berge versetzt haben durch ihren Glauben an ihre innere Führung.
War Hitler einer von ihnen, werden Sie jetzt vielleicht fragen? In dem Sinn, dass er einen Glauben hatte, auf jeden Fall, nur fehlte ihm die Gabe der Unterscheidung der Geister, denn der Geist, den er aufgeschnappt hatte, diese maßlose Überheblichkeit, war letzten Endes auch für ihn nicht gerade vorteilhaft. Er ist seinem Dämon in die Falle gegangen und Millionen mit ihm. Das Ganze produzierte aber, wie immer in so einem Fall, von selbst die andere Seite, nämlich die Reaktion auf diese Überheblichkeit. Sie erschien zunächst als Vision von einer humaneren Welt, und in Form von Menschen, die bereit waren, dafür auch ihr Leben einzusetzen, wodurch die Monstrosität der Nazis beendet wurde. Anschließend konnte diese Vision dann auch in anderen Gegenden der Welt [wenigstens ein Stück weiter] tatsächlich verwirklicht werden – wenn wir nur an die Aufhebung der Kolonialherrschaften denken, die durch den Abscheu vor den Nazis sicher enorm beschleunigt wurde. Der Kurs, der von da her gelegt ist, weist weiterhin in Richtung humanerer Welt, in der Eigenheiten toleriert werden, solange sie nicht in die Rechte dritter eingreifen.
Was noch nicht ausreichend entwickelt ist, ist die Entwicklungshilfe. Es braucht hier jede Art von Hilfe – auch bei uns, wie schon gesagt.
Ähnliches gilt natürlich entsprechend auch für unsere gegenwärtige Terrorwelle.
Der Geist, dem es heute zu folgen gilt ist der Geist des Ganzen. Es ist der Geist des Fühlens. Darin liegt die Erlösung auch vom Terror. Wir sind eine Welt. Wenn wir fühlen, werden wir sie teilen und gut verwalten, damit sich alle entwickeln können. Jeder Fühlende wird sich dafür einsetzen in seinem Bereich. Wir wollen unsere Fähigkeiten ja weitergeben. Aufmerksam machen, einfühlsam machen. Von da breitet sich eine neue Form von Zufriedenheit aus, eine heilende Zufriedenheit aus dem Bewusstsein der Einheit, des Einklangs von innen und außen. Das wird nur möglich durch das Fühlen. Deshalb ist das Fühlen die Religion der Zukunft, die Religion der einen Welt. Erst im Fühlen wird ein Mensch wahrhaft „kat-holisch“. Wirklich universell. Und das ist dann gleichzeitig wirklicher Islam. Und das ist dann ebenso wirklicher Hinduismus und wirklicher Buddhismus. Und nichts anderes. Ein fühlender Mensch ist mit dem Einen verbunden. Und er tut nicht mehr seinen Willen, sondern den Willen des Vaters. Er empfängt seine Inspiration aus dem Nichts, aus der Leere der Buddhisten. Aber er weiß: Sie ist verbindlich. Seltsamerweise besteht die menschliche Freiheit darin, diese Verbindlichkeit wahrzunehmen und anzunehmen. Sie ist nicht kodifiziert und auch nicht kodifizierbar, sie ist nur unmittelbar wahrnehmbar. Und gleichzeitig widerspricht sie den Kodizes nicht – es betrachtet diese aber nur als Wegweiser, als Denk-Mal, und nicht als einen Zwang. Der oberste Wegweiser ist das Fühlen. Damit wir fühlen können, dürfen wir unsere Wahrnehmungsfähigkeit durch nichts einschränken lassen. Wir müssen alles für möglich halten. Unser Urteilsvermögen darf nicht getrübt oder gefärbt sein oder sonst wie präjudiziert. Nur so können wir herausfinden, was uns wirklich gut tut. Wir können das ja nirgends nachlesen, wir können es nur erfühlen.
In diesem Fühlen hat sogar die Moral Platz, als eines der Fakten des Lebens, und zwar in der ihr zukommenden Position als einer der Lehrer des Fühlens, keinesfalls aber als Behinderer. Leider wird Moral aber oft zur Behinderung eingesetzt – aus Angst, weil der behauptete Glaube eben in Wirklichkeit fehlt und daher nur ein Aberglaube ist. Deshalb haben die Sektenmenschen immer etwas Steifes. Es wird Zeit, das zu bedenken. Vielleicht wäre es möglich, sie aufzulockern, damit sie wieder durchatmen können. Dann kommen sie auf den Weg des Fühlens, denn sie fühlen, wie gut das tut. Und das ist der Anfang eines neuen Lebens.
Das verhängnisvolle
Missverständnis
des Bilderverbots im Islam
(14. 10. 2001)
Die Taliban in Afghanistan und Pakistan – und sie sind nur eines der bekannt gewordenen Beispiele aus weiten Kreisen des „Islam“ – halten sich unter anderem für gottesfürchtig und für treue Erfüller der Anweisungen des Koran, weil sie, wie sie glauben, sich an das strenge Bilderverbot halten. Bedauerlicherweise aber unterliegen sie einem verhängnisvollen Irrtum:
Sie glauben, das Bilderverbot beziehe sich (nur) auf äußerliche Abbildungen. Aus diesem Grund haben sie die alten buddhistischen Denkmäler zerstört.
Gleichzeitig aber hegen und pflegen sie detaillierte innere Abbildungen, Vorstellungen von dem, was ihrer Ansicht nach gottgefällig ist und von dem, was ihrer Ansicht nach Gott missfällt (als ob sie Gott wären). In ihrem Hochmut halten sie sich für Erfüller des Willens Gottes. Aus diesem Grund heißen sie den Terrorismus willkommen. Diese Haltung bezeugt ihre inneren Götzen-Bilder, die von nichts anderem genährt werden als von ihren Minderwertigkeitsgefühlen und ihrem Neid.
Anstatt den Dschihad nach innen zu führen, wie Mohammed das gefordert hat, nämlich als die „Bemühung“ (das ist die wörtliche Übersetzung des arabischen Wortes) um Überwindung ihrer Vorurteile (= ihrer Götzen), glauben sie, ihn nach außen führen zu müssen gegen Menschen und Staaten, von denen sie persönlich keinerlei Leid erfahren haben. Anstatt selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen – machen sie andere verantwortlich für alles, was ihnen missfällt.
Aus koranischer Sicht sind die Taliban und ähnliche Gruppen daher nur bedauernswerte Götzendiener, die ihren Götzendienst (nämlich ihr Abschieben ihrer Verantwortung) aber mit Rechtgläubigkeit tarnen. Es gibt also auch unter den sogenannten „Moslems“ (in Wirklichkeit wäre ein „muslim“ nur einer, der sich hingegeben hat und dadurch Frieden erlangt hat), ja gerade unter denen, die sich für besonders gottesfürchtig halten, eine unschätzbare Menge von hochmütigen Ungläubigen, die sich selbst an die Stelle Gottes setzen und die den wirklichen Islam mit allen Mitteln verhindern wollen, um selbst recht zu haben. Nichts kapiert vom Bilderverbot, ihre Kaaba voller Götzen, ihr ganzer „Islam“ nur purer Aberglaube.
Natürlich ist es nötig, wachsam zu sein, damit das, was ich hier sagte, nicht auch wieder zu einem Götzenbild wird.
The
Prohibition of Images in Islam
and
the Disastrous Consequences
of
Misunderstanding that Commandment
(Oct. 14th 2001)
The Taliban in Afghanistan and Pakistan – and
they are only one of the known examples out of the wide ranges of “Islamic”
subcultures – take themselves for godfearing and for true observers of the
commandments of the Koran, because, so they believe, they obey the strict
Koranic prohibition of images.
Unfortunately they succumb to a terrible
misunderstanding: They believe, the prohibition of images is intended (only)
for sensual images. Out of that misunderstanding they destroyed the ancient
Buddhist monuments in Afghanistan.
At the same time though these people lavish
care and attention to inner images, to ideas of what, in their view, is godly,
and of what, in their view, god will disapprove of (as if they were god
himself). In their hypocrisy and arrogance they take themselves for executives
of the will of god. In that train of thought they also welcome any kind of
terrorism – an attitude that attests to the fact of their inner idolatry, which
is brought to life and nourished by nothing but their feeling of extreme
inferiority and envy. Poor guys!
Instead of waging the “jihad” towards
themselves as the prophet Mohammed has demanded, namely as an “effort” (that is
the literal translation of the Arabic term “jihad”) to overcome their own
prejudices (which are the only possibly dangerous idols), they monstrously dare
to state, an outward war should be waged against people and nations, that in no
way have harmed them personally. Instead of taking on their responsibility for
themselves, they hold others responsible for everything that displeases them.
From the Koran’s point of view the Taliban and
similar groups therefore only are very pitiful worshippers of idols, who
disguise their idolatry (= that they just pass on their responsibility to
others) as “true observance”. So even among the so called “Muslim” (in original
Arabic the term “muslim” is reserved for someone who has surrendered to the
supreme power and that way has attained to peace), especially among those who
consider themselves to be godly in a very deep way, there is an inestimable
quantity of arrogant unbelievers, who sat themselves on the throne of god
trying to prevent the real “Islam” (= peace by surrendering) by all means, just
to be able to keep their self-image of being righteous.
Since they have not the least understanding of
the Koranic commandment prohibiting imagery, their Kaaba is filled with idols –
and their “Islam” is purely superstitious. We all have seen the horrors that
are created by such idolatry.
But of course we too must stay vigilant, lest
we ourselves should fall into idolatry.
Wie sieht das Leben im Reich
Gottes
in unserer Zeit aus?
(21. 10. 2001)
Es ist ein Leben voll Ehrlichkeit. Das ist alles.
Zunächst Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.
Daraus folgt automatisch eine größere Bewusstheit.
Ehrlichkeit heißt „wahrnehmen, was ist“. Und dann klar äußern, was man wünscht. Natürlich nicht dumm plump, sondern mitfühlend mit denen, von denen man etwas wünscht, voll Achtung.
Zusätzlich noch in dem Bewusstsein, dass das Äußern eines Wunsches verletzlich macht. Wir müssen uns dem Risiko einer Ablehnung aussetzen. Und wir müssen eine Ablehnung ohne Groll akzeptieren, weil wir doch die Freiheit des Anderen achten, weil wir ihn achten als ein ebensolches göttliches Wesen, wie wir selber es sind. Aber indem wir es tun, nämlich unsere Wünsche äußern, gehen wir auf eine vollkommen natürliche Weise auf den Anderen ein. So will es die Natur. Und auf diese Weise ist die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung viel geringer als unter anderen Umständen, wenn der Wunsch nämlich nicht geäußert wird. Es besteht einfach die höchstmögliche Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs unter Berücksichtigung der Freiheit des Anderen, auch „nein“ zu sagen.
Wenn wir diese Freiheit nicht achten würden, könnten wir uns selbst auch nicht mehr achten. Und gleichzeitig würden wir uns der maximalen Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns aussetzen. Tatsächlich ist die Tendenz dazu, die Freiheit des Anderen zu missachten bei den meisten Menschen vorhanden, sofern das Nichtachten der Freiheit des Anderen nicht sogar sehr deutlich ausgeprägt ist. Gröbste Missachtungen der Freiheit des Anderen werden „kriminell“ genannt und öffentlich bestraft, weniger gravierende (in ihren summierten Folgen aber oft nicht weniger schlimme) zählen zu den täglichen Unannehmlichkeiten des Lebens.
Das Nichtachten der Freiheit des Anderen ist aber nicht nur für die eine Belastung, deren Freiheit missachtet wird, es ist auch wie ein Fluch, der auf dem Missachter lastet, ein böses „Karma“. Wir alle kennen diese Tendenz von uns selbst. Woher immer diese schicksalhafte Neigung kommen mag, sie ist mehr oder weniger stark ausgeprägt bei jedem von uns da – wir können sie entweder als eine Herausforderung annehmen und überwinden, oder sie ablehnen und scheitern. Und wir können sie nur auflösen, indem wir den Anderen ganz bewusst vollkommen achten.
In diesem Geist [und im Wissen um die verhängnisvolle Wirkung, die es hätte, wenn sie es nicht täten] haben sich die urzeitlichen Jäger bei ihren Opfern entschuldigt, bevor sie sie töteten, um sie zu essen und in der japanischen Kultur ist diese Haltung noch in der Geste der Samurai bewahrt, die sich, im Fall einer Hinrichtung, bevor sie den tödlichen Schlag ausführten, ebenfalls bei dem Todgeweihten entschuldigten für dieses plötzliche Ende des Lebens, das sie ihm bereiten mussten.
Wer die Freiheit des Anderen achtet, hat sein eigenes Karma (die Belastung, die er von seinen Vorfahren übernommen hat) bereits aufgelöst.
Die Auflösung des Karma [und damit die Auflösung jeden Grolls und jeder Überheblichkeit] ist unsere erste Lebensaufgabe. Sie führt zu dem was Jesus „Wiedergeburt“ genannt hat. Danach folgt ein neues Leben und eine neue Lebensaufgabe – ein Leben für die Anderen. Und zwar genau da, wo man sich befindet. Jeder in seinem Umkreis – das hat Jesus ja gemeint mit dem „Nächsten“.
Dabei braucht sich keiner unter Wert verkaufen. Deshalb hat Jesus gemeint, wir sollen unser „Licht nicht unter einen Scheffel stellen“. Nächstenliebe heißt nicht das, was üblicherweise „Selbstlosigkeit“ genannt wird, denn „der Arbeiter ist seinen Lohn wert“. Nur ohne „Selbstlosigkeit“ ist unsere Nächstenliebe frei von jeder Art (eingebildetem) Anspruch, einfach frei, ein natürlicher [der Trägheit entgegengesetzter] Impuls, der mit dem Wissen um die Richtigkeit verbunden ist. Es ist nicht ein „Gefühl“, sondern ein vollkommen bewusster Impuls.
So einem Impuls zu gehorchen, gibt ein absolutes Wohlgefühl, ein Gefühl der totalen Übereinstimmung – eine Art Einssein mit dem göttlichen Willen, ein vollkommenes im Einklang Sein, ein paradiesisches Gefühl. Das ist bei Gott im Himmel sein. Das ist im Reich Gottes leben.
Es geht nur im absoluten Respekt, vor sich selbst und vor den Anderen. Und der ist nur möglich durch vollkommene Ehrlichkeit.
Dann beginnen die Wunder.
Für den, der den Weg geht, sind es vor allem Wunder der Bewusstheit, des immer tieferen Eindringens in das Göttliche – in einer harmonischen Weise, eingeladen, nicht einfach eingedrungen.
Wenn die Bereitschaft da ist, sich vom Göttlichen leiten zu lassen, beginnt der wirklich bewusste Teil der Reise durch das Leben. Es ist eine Reise ohne Grenzen.
Die Tiefen des Wesens Gottes offenbaren sich in den Tiefen des Lebens. Und in die können wir nur eintauchen, indem wir uns ihr ganz überlassen – und ebenso ist es mit dem Leben. Indem wir uns ihm überlassen, überlassen wir uns ihr. Dem Leben in uns, das uns führt – in einer unfehlbaren Weise – genau zu unserer Bestimmung, was immer die sein mag. Indem wir ehrlich sind, überlassen wir uns ihm ganz von selbst und gleichzeitig haben wir die größten Chancen zu überleben und zu gedeihen. Wieder sind wir dort: bei der größtmöglichen Harmonie.
Wohin das führt weiß keiner: „Kein Auge hat es geschaut und kein Ohr hat es vernommen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“. Aber was sollte es anderes sein als größtes, unvorstellbares Glück.
Wo sogar wir, die wir erst am Anfang dieses Weges stehen, von seiner Größe überwältigt sind – die tiefer eindringen, sehen seine Größe noch viel mehr und ihre eigene Nichtigkeit und gleichzeitig ihre Bedeutung.
Alles ist gut. Es gibt keinen Grund für Angst. Wer sich traut, loszulassen von seinen Vorstellungen (darauf bezieht sich das Bilderverbot im Judentum und im Islam), wird tausendfach belohnt. Seine Träume werden übertroffen, nicht nur wegen verwirklichter Ziele, sondern auch und ganz wesentlich wegen der Befriedigung, die die Bewusstheit verleiht im Wissen um den Einklang. Außerdem gibt es auch deshalb keinen Grund zur Angst, weil ein vollkommener Schutz besteht – selbst in einen natürlich doch möglichen Tod hinein. „Und müsst ich selbst wandeln in Todesschluchten, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir.“ Deshalb gibt es wirkliche Märtyrer und wirklich unschuldige Opfer. Die sind eins mit der Kraft, in absoluter Harmonie. Sie nehmen es Gott nicht übel, weil sie sehen, dass diese Einheit sie mit viel mehr belohnt, als dieses Leben hier zu bieten hätte. Für sie ist sogar der Tod kein Verlust, sondern ein Gewinn. Hoffentlich können wir so einen Tod sterben, wann immer das sein mag ob in Kürze oder erst nach vielen Jahrzehnten dieses Lebens.
Ein Leben in dieser Bewusstheit ist ein Leben im Himmel, also im Reich Gottes. Bewusst immer nur nach der Einheit suchen, nach dem Richtigen. Genau das ist ja dann zu dem begrifflich rationalisierten „Achtfachen Pfad“ des Buddha geworden. Ein nur rationales Befolgen des Achtfachen Pfads wäre aber noch nicht das Befolgen seiner Intention, das wirkliche Befolgen ist immer erwogen und erfühlt und nicht erdacht. Das ist der Buddha. Er lebt nur, was er fühlt. Das ist alles, was er weiß. Alles andere hält er für einen möglicherweise nur hohlen Mythos, für Illusion, Maya. Nur was wir fühlen, können wir wissen. Alle Theorie ist kein Wissen, es ist nur Bildwerk.
Das Bildwerk ist verboten. Das heißt aber nicht, dass man nicht bildende Künste in irgendeiner Form ausüben sollte, man sollte sich nur dessen bewusst bleiben, was ist, dass ein Bildwerk der Wirklichkeit nämlich niemals auch nur entfernt nahe kommt – wohl aber eine eigenständige Wirklichkeit hat, deren Bedeutung sich im Laufe der Zeit ändert wie eine Sprache und die daher nicht unbedingt positiv ist, solange nicht auch sie von Bewusstheit durchdrungen ist.
Das ist die Bedeutung des Bilderverbots. Deshalb sollte man nicht an irgendwelchen Vorstellungen haften – was aber eben wieder nicht heißt, man sollte nicht eine Vorstellungskultur pflegen. Wir müssen mit allem arbeiten, was uns zur Verfügung steht. Wir müssen nur immer wieder darauf hinweisen, dass die Bilder nicht die Wirklichkeit sind, dass wir uns aber an der Wirklichkeit orientieren müssen, die eben immer viel differenzierter ist als jedes Bild. Zu unserem Glück. Denn dadurch bekommen auch wir in unserer Besonderheit ein Recht und nicht nur als soziale Nummer. Ein Nummerndasein kommt nur heraus, wenn wir uns an Bildern orientieren.
Deshalb heißt es: „Du sollst Dir kein Bild machen“. Die Bibel hat die Folgen der Missachtung des Bilderverbots an konkreten Beispielen beschrieben (die Zeiten vielfältiger Sklaverei, denen Israel ausgesetzt war etc.). Wegen der historischen Ferne aber werden diese Beispiele oft nicht mehr verstanden. Auch die heutige Sklaverei beruht natürlich auf einer Missachtung des Bilderverbots, nämlich auf der oft mit „individueller Gleichheit“ begründeten Schematisierung des Lebens in der Gesellschaft, mit seinen immer mehr standardisierten Anforderungen und Bewertungen. Wohl dem, der diese Standards [und seine Fähigkeit oder Unfähigkeit, sie zu erfüllen] nicht als Bild [als Wertung] von sich selbst oder als Bild des Anderen übernimmt. Und doch: Auch wenn die individuelle Gleichheit nicht die Leistungsfähigkeit betrifft, so ist die individuelle Gleichheit im Sinn des Werts des Seins eines Menschen sozial doch zu achten, besonders im juridischen Bereich, aber auch im persönlichen Umgang, weil wir ja wissen und fühlen können, dass wir alle die gleiche menschliche Natur haben mit ihrem Ursprung im und in ihrer Berufung zum Göttlichen. Diese Tatsache wahrzunehmen wiederum, ist eine Quelle der spontanen gegenseitigen Achtung und des Mitgefühls.
Ein wesentliches Ergebnis dieser Art das Leben und die Menschen zu betrachten, ist das Wagnis, die Wünsche zu äußern, bis hin zu den höchsten Wünschen.
Zunächst müssen diese Wünsche in uns überhaupt erst erscheinen dürfen. Dazu müssen wir unsere innere Zensur aufheben. Dann können wir sie betrachten ohne Vorurteil, die ganze Reihe unserer möglichen und unmöglichen Wünsche. Und dann, wenn wir sie wirklich allen den nötigen Respekt entgegengebracht haben, sehen wir schon den Wunsch, der genau jetzt passt, mit dem wir uns gut fühlen. Und dann entwickelt dieser Wunsch seine eigene Energie. Wir brauchen fast gar nichts mehr tun, außer eben die Richtung nicht aus den Augen verlieren. Wir brauchen nur aufmerksam sein, der Motor der Erfüllung treibt das Auto unseres Lebens von selbst. Wir sind gewissermaßen lebende „cruise missiles“. Der Kurs ist uns vorgeben durch unsere Wünsche. Sie sind das, wohin es uns zieht – natürlich meine ich hier nicht die unguten unbewussten Anziehungen von dunklen Ahnen oder Peers, die uns schicksalsmäßig behindern. Die müssen erst bewusst werden. Dann werden auch sie uns dienen. Dann sind wir frei. Frei für unsere Sehnsucht – die uns natürlicherweise ins Unbekannte führt, in Richtung Abenteuer. Einfach der Wahrheit folgen führt genau in das Abenteuer, das für uns bestimmt ist. Den Wünschen folgen heißt ja, einen Widerspruch in uns nach dem anderen aufzulösen. Das setzt uns natürlich automatisch in Widerspruch zu unserer Umwelt, die unsere Wünsche ja nicht unbedingt willkommen heißt – insbesondere wo unsere Wünsche natürlicherweise zusätzlich auch auf die Überwindung der Widersprüche in unserer Umgebung zielen. Wir sind ja doch an unserem Platz auch die Antwort auf die Krise der Welt. Und eine heilende Antwort ruft zunächst und später dann vielleicht noch mehr, den Widerspruch der Kräfte hervor, die von dem Widerspruch (der Krankheit) profitieren. Ein Leben dieser Art ist daher ein Leben im vollen Risiko in allen Bereichen. Aber im Risiko liegt das Leben.
Das bedeutet „Glauben“ oder ein Lebens des Glaubens. Es ist ein Leben im Risiko, im Risiko der Wahrheit. Der „Lohn“, d.h. die logische Konsequenz dieses Lebens, ist – trotz aller unvermeidlichen Frustrationen – höchstes Glück.
Die Wahrheit liegt in der Kraft, die alles belebt. Nur da. Ein Gleichnis von ihr zu werden. Das ist das Ziel und dann folgt das Leben als dieses Gleichnis, nicht als eine Leistung, sondern als Ausfluss und Erscheinung dieser Kraft selbst. Es wäre ein Wahnsinn, zu glauben, man könnte das schaffen, denn es ist nicht zu schaffen – und wir brauchen es gar nicht schaffen, denn es ist schon geschaffen, wir brauchen es nur zulassen. Es wartet schon sehnsüchtig in uns, zugelassen zu werden. Wir werden aufleben, sobald wir es zulassen. Ungeahnte Kräfte werden in uns erscheinen – eigentlich werden sie jetzt nur sichtbar und daher erst jetzt einsetzbar, weil sie ja jetzt nicht mehr in einer selbstsüchtigen Weise verwendet werden können.
Es soll heute viele Epiphanien [= Erscheinungen Gottes auf Erden] geben. Jeder ist dazu berufen. Es ist schade für jeden, der diesem Ruf nicht folgen kann – ins Reich Gottes, in den Himmel. Zunächst hier auf Erden, aber von da an genau dort, wohin immer die Reise uns führen mag.
Die Reise in den Himmel beginnt damit, dass du deine Angelegenheiten in Ordnung bringst, d.h. dass du deine unerledigten Geschäfte endlich erledigst, damit du frei wirst von Schuld, also von allen berechtigten Forderung an dich, weil du dir eben was zuschulden kommen hast lassen oder eben Schulden (vorwiegend wohl nicht finanziell, sondern aus unausgeglichenem Geben und Nehmen in Beziehungen) gemacht hast – und wer hat sich nichts zuschulden kommen lassen und wer macht keine derartigen Schulden! Jeder! Wir alle sind schwache Geschöpfe und wir brauchen uns nicht einbilden, das je nicht mehr zu sein, ganz gleich, was wir je erreichen mögen. Keiner ist gut. Deshalb hat Jesus ja so darauf bestanden, nicht „gut“ genannt zu werden. Er wusste, dass er es nicht ist, weil eben keiner gut ist, außer der Kraft, die das alles am Leben erhält und die er „Vater“ genannt hat. Diese Kraft ist sein Vater und unser Vater und sie/er ist immer bei uns, ganz gleich, was wir tun oder angestellt haben mögen. Wir brauchen keine Angst haben, diese Kraft ist immer da. Sie erhält uns am Leben, sie speist jede unserer Handlungen und auch alles Unbewusste. Und sie ist gleichzeitig das Bewusstsein, das das Ganze enthält und erhält und auch noch in eine Richtung treibt, nämlich in Richtung größerer Bewusstheit. Wir brauchen keine Angst haben, dass wir verloren gehen könnten. Sie hat alles unter Kontrolle, aber sie lässt uns teilhaben an ihrem Werk. Sie lässt uns sein, wie wir sind. Sie vertraut, denn sie weiß, dass wir letzten Endes alle gesteuert werden von dem Programm, das sie uns von Anfang an eingepflanzt hat, nämlich nach dem Licht zu streben, nach Auflösung unserer dunklen Stellen.
Von selbst brechen diese dunklen Stellen auf wie Geschwüre oder auch wie Pickel auf der Haut. Gesellschaftlich schauen dann diese Pickel aus wie Kriminalität und die Geschwüre wie Kriege. Es ist ein Ausbruch eines Widerspruchs. Er tritt zutage. Irgendwann muss jeder Widerspruch zutage treten. Das hat Jesus gemeint, als er davon sprach, dass die Geheimnisse von den Dächern gerufen werden würden. Die Widersprüche drängen nach Auflösung, nach einer Einigung, nach „Synthese“, wie Hegel gesagt hat. Eine wirkliche Einigung ist Licht. Licht kommt von der Aufdeckung der dunklen Stellen. Gesellschaftlich sind die dunklen Stellen nicht nur die offiziell als „kriminell“ bezeichneten Menschen, die dunklen Stellen liegen auch in dem, was diese Menschen dazu gemacht hat, also in allem Niederdrückenden in der Gesellschaft, in den nicht notwendigen Zwängen. Dazu gehört auch das hoch geachtete, aber zu einem Zwang gewordene Streben nach Reichtum, nach Ansehen, nach Sex und Zärtlichkeit, nach Bequemlichkeit – aber auch das nach Gut-Sein. All unser Streben muss durchleuchtet werden, damit sich zeigt, was wirklich nötig ist. – Womit ich nicht sagen will, dass es je eine Gesellschaft ohne jede Kriminalität geben wird. Wir sind davon jedenfalls noch beinah unendlich weit entfernt. In diesem Leben werden wir die total harmonische Gesellschaft jedenfalls nicht erleben. Wir müssen aber in der Welt leben, die jetzt ist. Wir [die wir nach Aufdeckung unseres Dunkels streben] können jedoch in dieser Welt Inseln bilden, auf denen andere Gesetze herrschen – eigentlich nur eines und das ist das Gesetz der Wahrheit. Und vielleicht werden diese Inseln zu der neuen Erde werden.
Die Wahrheit muss von uns ausgehen, wenn wir Teil einer solchen Insel sein wollen. Wenn wir uns dazu entschlossen haben, werden wir feststellen, dass wir auf diesem Weg Wegbegleiter finden werden, die sehr froh darüber sein werden, diesen Weg und uns gefunden zu haben. Und damit leben wir schon nicht mehr allein auf dieser Insel. Und dabei ist diese Insel keineswegs eine Sekte, denn die Wahrheit sprengt jede Sektengrenze. Die Wahrheit ist nur dem erträglich, der sich selbst für sie öffnet.
In den Sekten gibt es immer Tabus, dunkle Stellen, die erst durchleuchtet werden müssen. Vor der Wahrheit hat letzten Endes keine Sekte Bestand. Ihre Beschränktheit zeigt sich. Wenn ihre Initiatoren und ihre Mitglieder diese Beschränktheit zugegeben würde, gäbe es kein Problem, aber sie wird verheimlicht und Vollkommenheit wird vorgegeben, obwohl doch offensichtlich ein Teil der Wirklichkeit aus dem Bewusstsein ausgeklammert wird, mit Tabus belegt wird. So etwa auch gewisse Aspekte der Sexualmoral der katholischen Kirche. – Nicht dass nicht doch auch etwas für sie spräche, aber als Gewissenszwang ist das Gesamtpaket unerträglich. Nur frei ist sie erträglich, nur bewusst, nicht als Zwang. Der Gewissenszwang ist das Dunkle an den Sekten. Er ist überhaupt das Kennzeichen alles Sektenhaften. Das Dunkle sind nicht ihre Regeln. Für manche mögen die genau richtig sein. Deshalb dürfen im heutigen Reich Gottes auch die Sekten sein. Einige ihrer Mitglieder werden es ohnehin als ihre Aufgabe empfinden, die dunklen Stellen aufzuhellen. So wirkt diese Kraft. Es geht von selbst. Wir brauchen uns darum nicht sorgen – es sei denn, dies sei unsere Berufung.
Alles ist erlaubt, aber nicht alles fördert unsere Bewusstheit. Die Bewusstheit muss das Erste sein, dann ist alles erlaubt. Und mit Bewusstheit meine ich selbstverständlich nicht bloß den Verstand, sondern vor allem das Fühlen und das Mitfühlen. Dann geht es ohnehin nicht mehr um die Frage, ob etwas erlaubt ist, denn was erlaubt und was geboten ist, zeigt sich einem fühlenden Menschen von Schritt zu Schritt unmittelbar aus der Situation. Tabus irgendeiner Art kann es da nicht geben, höchstens eine freiwillige Beschränkung aus experimentellen Gründen, eben um tiefer in die Bewusstheit einzudringen. (So sind die Askese- und Meditationsanweisungen der verschiedenen spirituellen Schule zu verstehen. Es handelt sich um Experimente mit dem Ziel der Bewusstseinserweiterung).
Das sind die Regeln, die im heutigen Reich Gottes gelten. Es ist ein Reich freier Menschen, die ihr Leben bewusst und selbstverantwortet leben und die alle anderen Menschen als ihresgleichen achten als Erscheinungen „Gottes“, als Erscheinungen der Kraft, die alles belebt – so wie natürlich Tiere und Pflanzen und die ganze Natur auch auf ihre je eigene Weise. Allem gebührt diese Achtung, aber nicht bloß in einem romantisch indianischen oder romantisch islamischen Sinn, sondern alle Dimensionen des Lebens einschließend. Die so leben, bilden das heutige „Volk Gottes“. Es lässt sich heute aber nicht mehr so fassen, dass es nur in einer einzigen Gruppierung zu finden wäre, denn es ist in allen Gruppierungen (u.a. auch in allen Religionen) vorhanden. Das muss anerkannt werden. Jede Alleinseligmachungsbehauptung einer Gruppe ist eine Lüge. Die Realität zeigt, dass es auch andere Wege gibt. Das ist die übergeordnete Wahrheit, obwohl eine Alleinseligmachungsbehauptung für die Mitglieder einer bestimmten Gruppe für eine gewisse Zeit schon einen Sinn machen und in dieser Phase ihrer Entwicklung für sie genau richtig sein kann. Aber im Hinblick auf das gesamte menschliche Entwicklungspotential bleibt diese Behauptung eben ein dunkle Fleck, der gemäß Dogma nicht beleuchtet werden darf. Der Intention als Bewusstheitsexperiment nach ist das in Ordnung, aber darüber hinaus hält das Dogma der Realität nicht stand – für die, die tiefer in die Bewusstheit hineingehen. Nur sie können ermessen, was das Reich Gottes eigentlich ist [niemals die, die in einem Sektenbewusstsein stehen bleiben]. Die tiefer in die Bewusstheit hineingehen, handeln ja nicht mehr gemäß einer Norm, sondern gemäß ihrem Fühlen. Und was sie fühlen, ist das Drängen zum Licht, zur Bewusstheit. Nur das ist es letztlich, was sich gut anfühlt. Und dabei kommt keiner zu Schaden. Das Reich Gottes ist ein Gewinn auf allen Linien für alle Beteiligten. Es ist das Reich, in dem das Glück herrscht, der Himmel.
In diesem Bewusstsein beispielsweise haben die Väter Amerikas das Streben nach Glück in ihrer Verfassung verankert. Deshalb sind die USA immer noch weltweit die führende Nation. Sie haben diese Vision ja immer noch. Diese Vision war bahnbrechend auf dem Weg zur Bewusstheit und sie ist es noch. Die Frage ist nur, was das „Glück“ bedeutet. Deshalb ist es so wichtig, die auch in unserer westlichen Industriekultur bestehenden Tabus zu durchleuchten mit der Frage, wo sie dem Glück im Wege stehen. Und natürlich auch hier wieder fühlend und nicht im Sinn irgendeiner Profitmaximierung oder Lustmaximierung oder irgendeiner anderen Maximierung, denn es geht um die Balance, um das „Auffüllen der Täler und Gräben und das Abtragen der Berge und Mauern“, wie der Prophet schon sagte. Es geht um Ermöglichung anstatt Verunmöglichung. Es geht um das Abnehmen von überflüssigen Lasten, um immer tiefere Sicht das Ganzen und darin Verstehen, und darin sehen, dass jegliche Schuld bereits erlassen ist. Gott will uns nicht Lasten auferlegen, sondern abnehmen. „Kommt alle zu mir, ihr Mühseligen und Beladenen“. Immer wieder hat Jesus gesagt, „tröste dich, deine Sünden sind dir vergeben“. Nicht dass er sie vergeben hätte, er hat nur gesehen, dass sie schon vergeben sind, und das hat er mitgeteilt. Und weil er es gesehen hat, konnten die betreffenden Menschen es auch sehen und sie konnten aufatmen. So wurden sie geheilt.
Heilung ist das, was das Reich Gottes zutiefst kennzeichnet. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Wenn Heilung nicht stattfindet, gibt es mindestens noch eine gravierende dunkle Stelle. Dann ist die Suche noch nicht beendet. Die Suche endet erst in der vollkommenen Heilung. Nicht bloß in der Heilung einer Krankheit, sondern in der Heilung des ganzen Menschen, die nur durch bleibendes Glück erfolgen kann. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir“, sagt deshalb Augustinus. Wenn das Herz in der pulsierenden Energie ruht, ist Heilung da. Diese Ruhe ist logischerweise nichts Statisches, sondern höchst dynamisch, immer abgestimmt auf die gegenwärtigen Schwingungen oder energetischen Züge, die auf uns wirken.
Heilung ist ansteckend, genauso ansteckend wie die Krankheit, wenn auch nicht durch einen physischen Virus, sondern durch einen geistigen, durch eine Art Schlüssel zur höchsten Bestimmung. Und dieser Schlüssel ist so leicht zu merken: Es ist einfach die Wahrheit. Wenn wir unsere Augen vor ihr nicht verschließen, wenn wir uns lösen von unseren Konzepten und schauen auf das, was ist – auf das, was wir wirklich empfinden – dann sind wir schon auf dem Weg.
Was dann kommt, ist nicht irgendein Jesus aus der Vergangenheit, sondern der Himmel hier und jetzt und wir sind darin der neue Jesus, der jetzt allen den „Vater“ zeigt. Das hat Jesus gemeint mit seiner Aussage, dass die Menschen der Zukunft „den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ werden. Aus dem undurchsichtigen unserer Existenz kristallisiert er sich heraus. Das ist die Wiederkehr „Christi“, die er vorhergesagt hat – nicht ein kosmisches Schauspiel der Wiederbelebung eines Menschen aus der Vergangenheit. Der „Christus“ (zu deutsch „der Gesalbte“ – und warum sollte das nur eine einzige historische Person sein, warum sollte der nicht immer wieder kehren und außerdem vielleicht nicht nur einer zu einer Zeit, vielleicht gibt es jederzeit Dutzende, Hunderte, Tausende überall) ist etwas Lebendiges, etwas, das jetzt da ist – verborgen (noch) in den meisten, in einigen aber sichtbar. Der Christus ist einfach unsere innerste Natur. Deshalb hat sich ja Jesus immer wieder „Menschensohn“ genannt, um genau das zu sagen. Die Leute haben es nur nicht verstanden und alles in einen Mythos verpackt, in dem das Wesentliche zwar schon enthalten ist, aber eben mit der Gefahr großer und sehr verhängnisvoller Missverständnisses – wie es in den Gräueln der Kirchengeschichte ja ganz offenbar geworden ist und wie es in kleinerem Maßstab immer noch offenbar wird in den immer noch ausgeübten Zwängen.
Es ist klar, dass ein „Reich Gottes“ nichts Zwanghaftes sein kann, sondern nur etwas Freies, so frei wie das All, das von selbst seine Ordnung findet und alle Zwänge überwindet. Nur freie Menschen können im Himmel leben, die Gezwängten leben noch in der Hölle. Es geht nicht darum, nicht in die Hölle zu kommen, es geht heute darum, aus der Hölle zu entkommen, in den Himmel zu kommen, denn die Hölle kennen die meisten nur allzu gut. Sie fürchten sie gar nicht mehr, sie sind die Hölle so sehr gewohnt, dass sie schon glauben, das muss so sein. Aber es muss nicht so sein. Also wenn du dich wie in der Hölle fühlst in irgendeiner Hinsicht, dann schau dich mal um, wie du da rauskommst. Es muss nicht so sein. Natürlich musst du für dein Leben schon Energie einsetzen, sonst kannst du nirgendwohin kommen. Das ist ja logisch. Zuerst aber schauen – und annehmen, was ist – dann kommt die Einsicht von selbst und aus ihr die Energie für das Handeln. So läuft das im Reich Gottes. In der gewöhnlichen Welt dagegen gibt es viel künstlichen Einsatz und viel Kraftaufwand und Verschleiß für Nichtigkeiten. Und genau das ist es, was die Hölle erzeugt. Es ist eine Art Sklaverei. Wenn wir also unseren überflüssigen und zerstörerischen Kraftaufwand entdecken, zeigt sich darin der Weg aus der Sklaverei, aus der Hölle heraus. „JAHWE“ befreit immer noch. Aber natürlich ist die Zeit danach vielleicht kein Honigschlecken. Wir müssen unser Leben ja auch aufbauen und dabei natürlich da beginnen, wo wir sind, egal, wo das ist. Das verlangt Einsatz und Risiko. – Wegen des anwesenden Vertrauens aber keinen Stress.
Wie ist es aber mit denen, die in der Hölle „absahnen“? Sie brauchen dazu schon eine gewisse Bewusstheit. Aber ein wesentliches Stück Bewusstheit fehlt, nämlich das Mitgefühl. Dieses Fehlen wird ihnen eines Tages schmerzhaft zum Bewusstsein kommen. Auf ewig lässt sich die Wahrheit nämlich nicht verbergen. So sind die sagenhaften Ägypter im sagenhaften Roten Meer ertrunken, als sie die sagenhaften Israeliten, die sich gerade aus der Sklaverei befreit hatten, verfolgten. „Im Meer“ heißt natürlich in der Unbewusstheit, da sind sie ertrunken und da ertrinken sie heute immer noch. All ihr Gewinn hilft ihnen ab einem bestimmten Punkt nichts mehr, da sind sie dann selbst nur noch Sklaven ihrer eigenen Ideologie. Ins Reich Gottes können sie nicht kommen, solange ihnen nicht bewusst wird, was sie tun. Sonst aber könnte ich nichts zu ihrer Verurteilung anführen. Ich verurteile sie vielmehr überhaupt nicht, sie müssen selbst sehen, wie sie sich aus ihren eigenen Verstrickungen befreien. Ich habe Mitgefühl mit ihnen. Sie sind ja selbst Opfer und ausgeschlossen vom Sehen der Wahrheit. Das ist schade.
Die im Himmel werfen keine Steine. Sie verstehen alle Dimensionen des Menschlichen sehr gut. Sie verurteilen die Sklavenhalter nicht, sie raten nur den Sklaven, sich die Sklaverei nicht länger gefallen zu lassen und nach Wegen zu suchen, sie zu überwinden. Wie das legendäre Beispiel der Israeliten zeigt, kommt dem, der vertraut, die ganze Natur zu Hilfe. Es gibt also einen Weg heraus aus jeder Sklaverei. Geh den Weg also und verurteile deinen früheren Herrn nicht, der ja nur eine Chance benützt hat, die du ihm geboten hast. Entzieh ihm diese Chance. Und schau auf die Chancen, die du selbst hast. Der Schlüssel zum Himmel ist Bewusstheit. Und zu ihr finden wir nur durch die Wahrheit und das Annehmen dessen, was ist, als eine Herausforderung.
In unserer Umwelt liegen immer Chancen und Fallen. Wer aufmerksam ist, wird sie unterscheiden lernen. Aber auch die im Himmel tappen in Fallen – ja die Fallen sind gerade das universelle Instrument der Erweiterung der Bewusstheit. Nach jedem Fall ist ein Stück Dunkelheit aufgehellt, jedes mal geht es einen Schritt weiter und tiefer. So ist der Weg.
Das ist der Hintergrund des „felix culpa“ der Osternacht. Es handelt sich eben nur nicht um ein einziges Ereignis der Vergangenheit, sondern um ein immer erneut gegenwärtiges Ereignis. Es ist unser Lebens-Ereignis, Schuld und Erlösung in einem, es führt uns zum Leben (zur Wiedergeburt) auf einer neuen Ebene, und unsere Wiedergeburt ist genau so, wie Jesus es dem Nikodemus erklärt hat.
Die Wahrheit führt immer zur Kapitulation und die Kapitulation führt immer zu der Kraft, die alles belebt (zu „Gott“) und damit zur Wiedergeburt und in den Himmel.
Das müsste genügen als Anleitung für den Weg. Damit sind auch gleichzeitig alle früheren Offenbarungen durchleuchtet und neu erklärt einschließlich die von Jesus, Mohammed und Buddha und aller anderen so oder anders genannten „Propheten“. Auch das „Siegel der Propheten“ kann nicht für alle Zeiten ausschließlich „das Siegel“ bleiben.
Es wird in der Religionsgeschichte nie wieder ein „für alle Zeiten“ geben, denn die Zeiten ändern sich ständig, und der Glaube, etwas für alle Zeiten festschreiben zu können, kann nur ein Irrglaube sein – womit ich nicht sagen will, dass die historischen Beispiele von Abraham über Jesus und Mohammed über Bhagwan bis herauf zu den heutigen westlichen und östlichen Meistern, sowie von den Aborigenes bis zu den Indianern nicht doch als historische Beispiele für alle Zeiten gültig bleiben werden, aber eben als historische Beispiele, die erst in unsere Zeit bzw. in unsere Kultur übersetzt werden müssen, die erst mit dem heutigen „Zeitgeist“ [im Sinn von A. Mindell] in Einklang gebracht werden müssen. Mit „Zeitgeist“ meine ich die Lösungs-Vision der gegenwärtigen Zeit und Kultur, das „Bild“ [nicht im Sinn von Idol, sondern eben im Sinn des großen visionären Bilds des Lao-tse], in dem Bewusstheit aufleuchtet. Auch das zu wissen, ist wesentlich für das Reich Gottes heute.
Wir müssen erkennen, dass es viele Wege gibt und dass daher keine einzelne der alten Religionen mehr behaupten kann, sie allein habe den Weg. Unzweifelhaft gibt es gültige traditionelle Wege in allen Kulturen und außerdem gibt es noch die verschiedenen Wege der Sucher, die auch entweder in einen der traditionellen Wege münden oder die selbst einen neuen Weg entdecken, wie es beispielsweise u.a. die Gründer der Anonymen Alkoholiker taten. Heute werden aber mehr und mehr die in den Vordergrund treten, die verschiedene Wege getestet haben und die darin zum neuen Leben gekommen sind. Mehr und mehr entsteht ja heute eine Weltkultur – und die braucht auch eine neue Welt-Religion, eine Religion für alle – und das kann nur die Religion der Wahrheit sein, die ich hier darzustellen versuche. Sie achtet alle Religionsgründer, ihre Heiligen und ihre Tradition. Sie würde keiner die Möglichkeit, ein wirklicher Heilsweg zu sein, absprechen. Sie sieht nur, dass es diese Qualitäten in allen Religionen gibt, dass daher keine „besser“ oder „wahrer“ ist als eine andere. Und die neue Religion orientiert sich an allen in der Weise, dass eine jede dunkle Stelle in einer Tradition durch ein Licht aus einer anderen Tradition erhellt wird, sodass damit auch innerhalb einer Tradition eine Klärung alles noch Dunklen stattfinden kann. Das ist die neue Religion. Sie schließt alle alten in sich ein, nicht in einer synkretistischen (das wäre eine künstliche, rationale Übernahme von Bräuchen und Riten, wie dies tatsächlich in manchen esoterischen Zirkeln geschieht) Weise, sondern geführt und ausgewählt durch das Fühlen, also durch genau das, was am Ursprung aller religiöser Traditionen gestanden hat. Es ist also eine originäre neue Religion, die trotzdem mit keiner der alten in Widerspruch steht. Vielmehr soll diese neue Religion in die alten Traditionen eindringen und sie transformieren. Das ist es, was „der Geist“ heute will. Das ist das Gebot der Stunde.
So hat diese neue Religion auch Formen und Rituale, die aber viel informeller sind als die alten. Die Zeit der klassischen Riten, die die letzten zweitausend Jahre gekennzeichnet haben, ist vorüber. Die heutigen Riten werden von Leuten veranstaltet, die einen Weg gefunden haben. Sie nennen ihre Riten daher oft „workshop“. Manche von solchen „workshops“ sind natürlich nicht von Leuten geführt, die die Wirklichkeit wirklich erkannt haben, sondern von Schülern solcher Leute, oder sogar von Schülern solcher Schüler. Es ist daher nicht alles vertrauenswürdig, was es da gibt. Außerdem gibt es, wie schon gesagt, auf diesem Gebiet auch verschiedene Geschäftemacher und es gibt Sekten, die Menschen unter Umständen in üble Situationen bringen können, weil es ihnen in Wirklichkeit nicht um eine Heilung, sondern nur um eine Gewinnung von Mitgliedern geht, also darum, abhängig zu machen. Es gibt also eine Art „Spiritu-Mafia“, in der sich einige bereichern und den Dienst nicht leisten, den sie zu leisten vorgeben, ja nicht leisten können, weil sie selbst den Weg nicht zu Ende gegangen sind, die daher das Leiden nicht vermindert, sondern erhöht. Aber alles ist möglich. Und ein bewusster Mensch kann auch in den Fängen einer „Spiritu-Mafia“ oder in einer Sekte genau das erfahren, was er für seinen weiteren Weg erfahren muss. Daher geht es mir nicht um eine Verurteilung, sondern nur um die Aufforderung, zu unterscheiden, genau hinzuschauen und hinzufühlen und die Wahrheit das Urteil sprechen zu lassen.
Niemand kann urteilen über den Weg eines anderen. Ein Mensch kann verloren erscheinen und doch gerettet sein. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, wie verloren wir selber immer wieder sind und was für ein Glück es ist, dann wieder ein Stück weiter sehen zu dürfen. Aber wenn wir in dem anderen das Göttliche sehen – und vielleicht noch, wo es sich gerade befindet auf seiner Reise zu sich selbst – dann leisten wir die beste Hilfe, die möglich ist. Indem wir die Potenz als real sehen, erlauben wir ihre Realisierung und dadurch kann der andere es sich auch erlauben. Das war das Geheimnis der Heilungen Jesu. Und außerdem sah er die Hindernisse der Realisierung und er sprach sie an und sie verloren dadurch ihre Wirklichkeit, ihr illusionärer Charakter wurde offenbar. Das ist das Geheimnis jeder Heilung. Die Hindernisse sind nur Illusionen, die Realisierung ist bereits da, sie ist unsere Natur. Sie möchte so gerne erkannt und gelebt werden. Wir können ihr vertrauen. Sie arbeitet nicht gegen uns. In ihrem innersten Kern strahlt die alles belebende Kraft. Sie weiß alles, vor allem weiß sie, was wir wirklich brauchen und das gibt sie uns – in Form unseres Schicksals. Sie wirkt immer genau das, was wir jetzt brauchen für unseren weiteren Weg – und wenn das jetzt unser Tod wäre oder jegliches Leiden. Indem wir ihre Herausforderung annehmen, werden wir uns dieser Kraft bewusst. Und dann werden unsere Illusionen durchsichtig für die Wirklichkeit. Und wir sind wieder bei der Heilung.
So wirkt die Kraft unfehlbar in jedem Menschen auf seine Weise, aber doch immer in Richtung Bewusstheit und in Richtung Aufhellung jeglichen Dunkels.
Dass das Dunkel in manchen Zeiten zuzunehmen scheint, diese wiederkehrenden kulturellen Rückschläge sind nur darauf zurückzuführen, dass eine neue Gruppe von Barbaren an die Kultur anzuschließen war. Es ist bis heute so, dass dieser Integrationsprozess Dunkelheit ausbreitet, gleichzeitig jedoch verringert sich das Dunkel der Barbaren, sie werden zivilisiert und damit bewusster, sie erreichen eine neue Ebene, sie treten ein in eine größere Ganzheit, sie lernen über den Rand ihrer bisherigen Welt hinauszusehen. Doch bevor sie sich integrieren, sind die Barbaren noch zornig und neidisch auf die Zivilisierten und greifen sie daher an. Sie glauben, sie müssten das doch auch haben können, was diese haben, nur leider wissen sie noch nicht, wie es erarbeitet werden kann, sie können es (noch) nur als mögliche Beute sehen. Es wird eine Weile brauchen, bis sie nach und nach erkennen, wie diese angenehmen Dinge und Lebensumstände entstehen und wie sie sie selbst herstellen können – und dass das eine bisher unbekannte Disziplin erfordert. Sobald sie das erkannt haben, hat sich ihre Bewusstheit schon wesentlich erweitert. Und ihre Barbarei hat ein Ende.
Auch bin Laden und die Taliban sind solche Barbaren. Die ganze islamische Kultur ist gerade dabei, integriert zu werden und die Taliban bilden die Abwehr mit ihrem Festhalten an ihrer partikularistischen Sicht und ihrer Paranoia, anstatt dass sie die Chance sehen würden, die eine liberale politische Ordnung gerade für sie bietet. Das ist schade, aber unvermeidlich, denn jede Integration macht auch Angst und irgendwo muss sich diese Angst äußern. Sie äußert sich mit Recht. Wenn dieser Gruppe nicht gezeigt werden kann, dass sie keine Angst haben brauchen, werden sie sich nicht beruhigen. Das ist nur logisch. Um das aber als logisch zu erkennen, ist es nötig zu sehen, was gerade geschieht – eben die Integration der islamischen Welt – so wie sie in den westlichen Industriestaaten zur Zeit geschieht, wo es ja eine friedliche Koexistenz gibt und keinerlei Einschränkungen der Frömmigkeit. Diese Integration macht aber eben vielen Angst. Besonders jene schieben dann die „Schuld“ an persönlicher Armut etc. auf diese Integration – als ob es solche Armut früher nicht genauso gegeben hätte. Dass es sie gegeben hat, zeigt ein Blick in die Bibel, wo berichtet wird, dass manche Hungersnöte so arg waren, dass Mütter ihre Kinder aßen.
Etwas anderes ist natürlich der Schaden, der durch die Kolonisierung angerichtet wurde. Er zeigt sich als eine Schuld unserer Kultur, die noch nicht (zur Gänze) zurückbezahlt ist. Wir können sie nur zurückzahlen, indem wir jetzt von den für „primitiv“ Gehaltenen lernen – warum nicht auch vom Islam, (nicht gekettet an die kulturbedingten Inhalte des Koran und doch) von dem, was „Islam“ bedeutet, nämlich Hingabe. Unsere Schuld ist es, ihnen, die jetzt paranoische Angst haben, die Ehre zu geben, die ihnen gebührt, dafür dass in ihrer Kultur noch in einem großen Maß bewahrt ist, worum es im Leben wirklich geht: Bewusstheit – dort natürlich auf etwas anderes gerichtet, als wir es gewohnt sind und daher überraschend und manchmal auch befremdlich. Diese Bewusstheit zu sehen, das schulden wir den Mitgliedern dieser Kultur. Wenn wir sie sehen, ist unsere Schuld beglichen – denn der Kolonialismus war ja begründet in der Annahme, es gebe so etwas wie Untermenschen, die man beherrschen solle. Wir müssen dieses Urteil aufheben. Dann sind wir frei im Umgang mit ihnen. Dann ist alles in Ordnung.
Das bedeutet aber in der Praxis, dass wir die (auch uns) befreiende Kraft der Widerstandsströmungen in der islamischen Welt sehen, ein Potential, das sich Achtung erzwingt. Indem wir ihnen diese Achtung freiwillig geben, brauchen sie nichts mehr erzwingen. Und wir brauchen uns nicht mehr zwingen lassen.
So kann sich auch auf diese Weise der Himmel auf der Welt ausbreiten und gegenseitige Achtung und gegenseitiges Vertrauen, auch im gesellschaftlichen Bereich.
Und wir müssen damit beginnen, wir persönlich. Es gibt keine Alternative – aber gibt es eine lohnendere Herausforderung?
Das war zum persönlichen hinzu der geopolitische Aspekt des Reiches Gottes auf Erden, der früher „Heilsgeschichte“ genannt worden ist. Wir müssen erkennen, dass die Heilsgeschichte oder der „göttliche Heilsplan“, von dem in der Bibel berichtet wird, heute nicht mehr als regional oder kulturell beschränkt betrachtet werden kann, sondern dass die göttliche Kraft logischerweise schon immer und überall wirkt – natürlich auf eine wirklich wirksame Weise – dass die Welt daher nicht warten musste auf Jesus oder Mohammed oder Buddha. Es hat sie immer gegeben, die die Wirklichkeit erkannt haben. Und es gibt sie auch heute, überall auf der Welt gibt es sie, in allen Kulturen.
Es hat von Zeit zu Zeit immer aber auch Leute gegeben, die diese „Frohe Botschaft“ in eine Form gekleidet haben, die von einer übergeordneten kulturellen Einheit verstanden werden konnte – und das muss natürlich immer wieder neu geschehen, damit es eben die jeweils heutigen Menschen verstehen. Im Unterschied zu allen früheren Zeiten schließt die heutige Form alle Kulturen ein und keine aus, auch alle Subkulturen, das ganze Spektrum der menschlichen Wirklichkeit. Alle müssen die Botschaft verstehen können. Und alle können sie verstehen, denn es ist, wie gesagt, einfach die Wahrheit.
Die heutigen Priester sind einfach Priester der Wahrheit, von niemand ordiniert, als von der Wahrheit selbst. Das ist die einfache heutige Botschaft, die für die heutigen Menschen „kein Joch“ ist, sondern eine Befreiung. „Fürchtet euch nicht“ hat es ja immer geheißen und so heißt es heute immer noch. Keine Angst, alles ist bestens. Du kannst dich angenommen fühlen und aus diesem Gefühl der vollkommenen Geborgenheit heraus kannst du all das anpacken, das dich belastet und es überwinden, eines nach dem anderen in absoluter Siegesgewissheit – denn die Kraft ist mit dir, immer und überall, wenn du in der Wahrheit bist. Die Wahrheit ist das, was ist. Was immer an Wünschen besteht und an Notwendigkeiten und an unbewussten Kräften. Das zu betrachten, ist die Wahrheit betrachten. Die Wahrheit sind alle wirkenden Kräfte zu sehen und in der Wahrheit setzt sich ein Mensch mit ihnen auseinander. Er verschließt sich ihnen nicht. Die Wahrheit verbietet jede Zensur. Dadurch wird die Wirklichkeit durchsichtiger in immer tiefere Tiefen hinein. Das war der Weg, den Jesus gegangen ist. Genau das macht ihn zu einem Beispiel, das heute noch genauso gilt – nur ist es wegen der aus seinen Aussagen entstandenen historischen Formulierungen nicht mehr so leicht, zu verstehen, aus welcher Wirklichkeit heraus er gelebt hat, dass es nämlich nur die Wahrheit war. Er hat jedoch vorsorglich ausdrücklich darauf hingewiesen. Es war und es ist heute noch genauso nichts als die Wahrheit. In ihr „schwingt der Geist“ (Gen 1,2). „Im Geist und in der Wahrheit“ lebt der zu Lebzeiten Wiedergeborene; daraus erfolgt seine Wiedergeburt und es ist die Wiedergeburt des Ewigen selbst an seinem Platz. Diese Art zu leben ist heute genauso möglich und man braucht dazu kein Mönch sein. Aufmerksam sein auf die Wahrheit reicht. Was immer dabei herauskommt, es wird ein Beitrag zur Bewusstheit der Menschheit sein, ein evolutionärer, ein schöpferischer Schritt.
Das ist das Leben im Reich Gottes heute.
Die Transformation der
christlichen Religion
(30. 10. 2001)
Es gibt eine Form des Christentums, die in keinerlei Widerspruch steht zu den anderen Religionen, zu Buddhismus, Islam, Hinduismus, Judentum, Schamanen etc..
Und gleicherweise gibt es eine Form des Islam genauso wie eine Form des Buddhismus, etc. die in keinerlei Widerspruch stehen zur christlichen Religion.
Diese Form jeweils ist die künftige Gestalt dieser Religionen.
Wenn die lokalen Dogmen zuende gedacht sind, werden sie als das erkannt, was sie sind, eben lokale Dogmen, die lokale Färbung der einen Wahrheit. Und diese lokalen Farben sind anderswo natürlich anders. Die Wahrheit ist aber die gleiche, in welche Geschichten und Hüllen sie auch immer gekleidet sein mag.
Die lokalen Dogmen haben ihre Bedeutung, da mit ihrer Hilfe der jeweilige Mythos seine Wirkung tun kann. Aber wenn er seine Wirkung getan hat, ist der Mythos eben das, was er ist, ein Mythos, eine Geschichte, die etwas bedeutet und die eine positiv verzaubernde Wirkung haben kann – die aber, wenn sie nicht verstanden wird, unter Umständen eine sehr destruktive Wirkung hat, wie etwa in den vielen Formen des religiösen Wahns, der viel weiter verbreitet ist, als allgemein angenommen wird, der bei weitem nicht auf die Psychiatrie beschränkt, sondern auch in durchaus geachteten Kreisen anzutreffen ist, denn Wahn ist jeder Aberglaube. So wie früher der Glaube an die Hilfe der Götter als Aberglaube bezeichnet worden ist, so muss auch heute jeder wirkungslose (oder negativ wirkende) Glaube als Aberglaube bezeichnet werden, als Wahn. Wahn ist letzten Endes alles, solange ein Mensch nicht heimgefunden hat zu seinem Ursprung, solange er nicht erkennt und lebt, was die schöpferische Kraft von ihm will – die schöpferische Kraft und nicht irgendein Dogma. Solange das Dogma nicht erkannt ist, lebt der Mensch im Wahn, nämlich in dem Wahn, er wüsste Bescheid. Wer die Kraft erlebt hat, weiß, dass er nie Bescheid wissen wird. Er erkennt seine absolute Geringheit – und gleichzeitig seine Göttlichkeit. Und er versteht den Mythos und alle Menschen in ihren Stärken und Schwächen.
Bei denen, die die Kraft noch nicht erlebt haben, ist der Mythos oder das Dogma ein zum Stillstand gekommenes Bild, ein ursprünglich reiches Bild, das sie aber in einer sehr eingeschränkten Weise verstehen, und mit diesem eingeschränkten Verständnis beurteilen sie nun die ganze Welt – und verstehen daher gar nichts. Da liegt der Grund für das strenge Bilderverbot im Judentum und im Islam. Die sich dessen nicht bewusst sind, urteilen, sie schließen aus, sie meinen, sie wären besser. Welche wahnhaften Folgen das hat, zeigen die religiös motivierten Kriege und Intrigen aller Zeiten. Die größten Gräuel sind schon religiös gerechtfertigt worden und sie werden auch heute noch so gerechtfertigt.
Und doch kann es sein, dass ein Kampf tatsächlich gerechtfertigt ist, weil die Freiheit verteidigt werden muss. Und das wird Opfer unter denen fordern, die unsere Freiheit beschränken wollen, hoffentlich nur geringe. Dieser Kampf erfordert vor allem aber unser eigenes Opfer, unsere vollkommene Hingabe an das Ganze, das von uns aber nur verlangt, dass wir uns von allen starren Bildern, von aller Einbildung lösen. Dadurch werden wir erfüllt von Mitgefühl mit uns selbst und mit unseren Gegnern, mit allen, deren Widerstand überwunden werden muss. Nur mit Mitgefühl kann er überwunden werden, nur durch Mitgefühl kann Harmonie erreicht werden – niemals durch ein vorgegebenes Bild, wie der Moral, Bilder machen nur abhängig von denen, die sie vorschreiben. Mitgefühl dagegen bewirkt Einigung.
Es ist nicht auszudenken, wohin die Reise einer geeinten Menschheit führen kann, einer nicht im Zwang, sondern in der Freiheit geeinten Menschheit, einer Menschheit, in der die gegenseitige Wertschätzung im Zentrum jeden Handelns steht. Natürlich kann da jede Not besiegt werden. Die ganze Menschheit wird zu einem einzigen Organismus, der über sich hinauswächst, aber nicht in Form einer Krebsgeschwulst, wie jetzt teilweise noch, sondern bereits geheilt und stets achtend auf das Gleichgewicht.
Auf das Gleichgewicht achten heißt, den Hunger stillen und den Überfluss absondern und das bedeutet, die schlecht versorgten Regionen aufschließen und besser einbinden und den Überfluss fruchtbringend verteilen. Das wird die (sozialen und die individuellen) Krankheiten der Menschen heilen.
Auf diese Weise wird der heutige Menschheitstraum wahr werden. Wie die Menschen ehedem Unmögliches vollbrachten und die Pyramiden bauten, so werden sie heute den Weltraum erobern, dort auf andere Intelligenzen treffen und mit ihnen zusammen den Prozess der Bewusstheit weiterführen.
Was von Jesus da noch übrig sein wird? Alles. Ja er wird viel besser verstanden werden, wie bisher. Er wird vollkommen verstanden werden. Viele werden sein wie er, auf ihre eigene Weise natürlich. Auch von den „Aliens“. Sie werden ihn kennen und verstehen lernen und wir wieder werden ihre Weisen kennen lernen und von ihnen wieder neu inspiriert werden zu dem noch größeren Bild des Ganzen.
Jesus wird in diesem Prozess gegenwärtig sein und in ihm wird sich alles klären. Aber das Dogma wird erkannt sein und kein Zwang mehr. Es wird daher auch nicht mehr so wichtig sein, weil es eben nur eine von so vielen möglichen Perspektiven ist und weil es so viele andere Wege auch noch gibt.
Die Formen der christlichen Religion mögen sich vielleicht gar nicht allzu sehr verändern. Aber wenn das Verständnis da ist, werden sie sich anpassen an die heutige Gestalt, die ich eben dargestellt habe.
Der Wahrheit folgen heißt aber auch erkennen – und das sollte eine Warnung sein: Alle, die ich verachte, deren Schicksal muss ich erfahren, damit ich sie nicht mehr verachte, sondern damit ich sehe und verstehe. Das ist die Intention unserer Natur, unser natürliches inneres Entwicklungs- oder Lern-Programm, das oberste Programm unserer Sehnsucht. Es erzeugt unter Umständen Krankheiten und Leiden, denn es treibt uns in Richtung Mitgefühl. Erst wenn das Mitgefühl vollkommen erwacht ist, ist das Leiden nicht mehr nötig, dann lebt „der Christus“ in mir, der Heiler. Er ist (immer schon) meine innerste Natur, zunächst aber unerkannt. Dann aber führt mich meine Sehnsucht zu meiner Natur, zu mir selbst. Die Sehnsucht ist das Selbstfindungsprogramm der Natur. Es wirkt universell. Es verfügt über alle mögliche Information und es bewirkt (im Außen) die erstaunlichen „Zufälle“, die uns auf unserem Weg führen.
Wir müssen aber erst lernen, auf diese Führung zu vertrauen und sie unterscheiden lernen von den Stimmen der Verführer, die uns vom Ganzen ablenken. Diese Unterscheidung lernen wir, indem wir sämtliche inneren Stimmen vor uns erscheinen lassen und sie betrachten und fühlen, wie sie sich anfühlen, was sie bewirken, wie sie uns möglicherweise verändern. Dann werden wir wissen, was das Beste für uns ist. Dann werden wir die Führung entdecken in uns und in den „Zu-Fällen“ unseres Lebens.
Solange wir uns selbst zensurieren, können wir die Stimmen nicht klar unterscheiden, weil wir uns selbst im Fühlen behindern, indem wir genuine Teile von vornherein ausschließen. Selbst wenn es kriminelle Neigungen wären, dürften wir sie nicht aus unserem Bewusstsein ausschließen – oder es könnte sich bitter rächen in einem Augenblick der Unachtsamkeit. Wenn wir sie uns aber zum Bewusstsein kommen lassen, und uns in sie einfühlen, werden wir schnell entdecken, ob sie sich wirklich gut anfühlen oder ob sie nur wieder eine von unseren Illusionen waren. Unsere Natur führt uns schon und zwar zu dem, was uns fördert und sie lenkt uns von dem ab, was uns schadet. Wenn wir aber Dinge leugnen, kann die Führung nicht wirken. Das oberste Gebot ist daher Ehrlichkeit, Treue zur Wahrheit, jedenfalls uns selbst gegenüber. Daraus entsteht die innere Führung und sie wird mit der Zeit immer klarer, umso weiter wir unsere Dunkelheit aufklären, unsere Tabus, unsere Unberührbarkeiten, unsere Schwächen. Wir brauchen nur achten auf das, was ist. Dann wird sich alles klären.
Was immer dafür nötig sein mag, damit wir uns selbst zur Ehrlichkeit anhalten, müssen wir einsetzen und wenn es irgendwelche regelmäßigen Rituale wären, denen wir uns unterziehen. Es wird aber Teil unserer Ehrlichkeit sein, diese Mittel als Mittel zu identifizieren und ihnen keinen Absolutheitsanspruch zuzugestehen, denn es gibt immer auch andere Wege – für andere. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Die Wahrheit ist das Ziel und sonst nichts. Alles andere sind Mittel, von denen aber die einen für die einen und die anderen für die anderen geeignet sind. Kein Mittel darf irgendjemand aufgezwungen werden. Sie alle müssen ein freies Angebot sein und bleiben. Das bedeutet „Religionsfreiheit“.
Staaten, die ihren Bürgern ihre Religion vorschreiben, müssen daher damit aufhören. Auch in islamischen Staaten muss die volle freie Religionsausübung (natürlich einschließlich Werbung) für die Angehörigen aller anderen Religionen garantiert werden und zwar für alle ihrer Varianten – auch für alternative Formen ihrer eigenen Religion (z.B. Sufis aller Schattierungen und auch individuelle Formen).
Aber auch in unserem Geist müssen wir alle diese Formen zulassen, sie fühlen, dann werden wir sehen, was davon für uns taugt.
Zulassen macht aber zunächst oft Angst. Etwas Neues, Unbekanntes kommt auf uns zu und wir wissen noch nicht, was es mit uns machen wird. Diese Angst ist normal. Sie verschwindet, indem wir etwas kennen lernen. So geht der Weg. Mit der Zeit lernen wir uns besser kennen, gerade im Umgang mit dem immer Neuen. Das ist der Weg zum Fühlen, d.h. zum tiefen Wahrnehmen dessen, was ist. Die Wahrheit führt notwendig zum Mitgefühl. Und danach sind die Formen nicht mehr wichtig – obwohl es gut sein kann, dass wir unser Leben der Weitergabe der Formen widmen, die uns in die Freiheit (also zur Wahrheit) geführt haben, sei das eine traditionelle oder sei es eine moderne Form oder überhaupt eine persönliche Entdeckung.
In dem, was ich hier gesagt habe, scheint von einer christlichen Form nicht viel übrig – und doch ist die ganze Form pur christlich, die christliche Urform. Die Form, die Jesus verkörpert hat, wofür er gelebt hat und wofür er gestorben ist. Genau das hat ihm Unsterblichkeit verliehen auch nach außen hin. Genau von dieser Form spreche ich, es ist die (unendlich variable) Form der Wahrheit. Sie kann nur in Freiheit existieren, zur Not in einer inneren Freiheit. Doch die äußere Freiheit sollte nicht fehlen. Wenn sie aber doch fehlt, ist das eben unsere Herausforderung. Jesus ist ihr nicht ausgewichen und wir brauchen es auch nicht. Die der Wahrheit folgen, werden überleben. In unseren Zeiten und in unserer Kultur fehlt diese äußere Freiheit ohnehin nicht. Daher sollte es uns umso leichter fallen, unsere Freiheit zu entdecken. In unserer Freiheit erscheint „der Christus“ oder auch „der Vater“, jedenfalls eine klare innere Führung und Unterstützung auch von außen.
Die Wirklichkeit verbeugt sich vor der Wahrheit. Das ist ein Naturgesetz. Natürlich gibt es auch den Widersacher, also die Kraft, die sich gegen die Wahrheit stellt und sie wird aktiv, indem wir mit der Wahrheit aktiv werden, trotzdem bleibt das Überwiegen der Unterstützung deutlich spürbar. Sie ist immer stärker als der Widersacher. Das ist bei allen so, die sich der Wahrheit verschrieben haben. Die schöpferische Kraft überwiegt und durchschaut die opponierenden Kräfte. Das ist Bibel und Urchristentum pur.
Die historisch entstandenen Formen sind nicht mehr so wichtig, nachdem das erkannt ist. Sie mögen zwar für manche wichtig sein und bleiben, aber die, denen sie wirklich wichtig sind, werden das nicht zum Anlass nehmen, andere, denen diese Formen nicht so wichtig sind, auszuschließen. Eine Hilfe darf nicht zum Hindernis werden, so wie das in vielen gegenwärtigen (auch christlichen) Ambientes – noch – der Fall ist.
Im Grund geht es um Heilung. Und sie liegt allein in der Wahrheit. Dahin transformiert [auch] die christliche Religion – zurück zum Ursprung.
Das Erfolgsrezept
(9. 11. 2001)
Tun, was nötig ist. Das ist das ganze Geheimnis des Erfolgs und möglich wird das, indem wir die Dinge einfach sofort erledigen ohne Zögern. Dann staut sich nichts an. Und das, was sich doch anstaut [wie jeder Hunger oder jeder Drang zur Notdurft, der unvermeidlich irgendwann wiederkommt], wird irgendwann ganz klar anstehen als Priorität eins und dann ist es so weit, es zu erledigen, aber nicht früher. Wenn es Spaß macht oder wenn es drängt, ist der richtige Zeitpunkt. (Leute, die sich die Dinge über den Kopf haben wachsen lassen, müssen allerdings zuerst einiges Gestrüpp entfernen, bevor sie ihre Lage überblicken können, doch von da an gilt das hier Gesagte auch für sie.) Das zu wissen spart ungeheuer viel Energie, weil der Wunsch nach Erledigung doch die notwendige Energie erzeugt. Es ist kein künstlicher Krafteinsatz nötig. Wir müssen nur auf das laufende Energie-„Band“ aufspringen und schon geht es von selbst.
Dadurch entsteht mit minimalem Aufwand ein erfolgreiches Leben.
Die Dinge sofort erledigen heißt natürlich, sich eine Liste von den Dingen machen, die erledigt werden müssen in der Priorität ihrer entsprechenden Dringlichkeit. Eine Art Bilanz ist angesagt. Und außerdem eine Zukunftsprojektion, eine „Vision“. Was soll herauskommen bei dem Ganzen? Wohin soll die Reise unseres Lebens führen?
So werden immer tiefere Schichten unseres Wünschens erfühlbar und erfüllbar. Und die Erfüllung wird den Grad unserer Meisterschaft anzeigen. Der Erfolg wird sich zeigen. Und jeder Misserfolg wird uns zeigen, in welchen Bereichen unser Fühlen noch nicht tief genug geht.
„Er demütigt sich selbst zum geeigneten Mittel”, heißt es im I Ching. Um tun zu können, was nötig ist, müssen wir uns zunächst (wie wir zunächst [fälschlich] meinen könnten) „demütigen“, heruntersteigen von unserem hohen Ross und der Einbildung wir hätten einen Anspruch auf irgendetwas. Erst wenn wir das nicht mehr glauben, erst in der Kapitulation können wir erkennen, was wirklich nötig ist. Und dann können wir es auch tun.
Unser Entschluss zur Bewusstheit wird uns wach halten. Erfolg ist garantiert. Nicht nur geschäftlich, sondern auch privat.
Der Einstiegspunkt in diese Art zu leben ist ein Prozess der Ernüchterung, der in eine vollkommene Aufgabe aller Eigenmächtigkeit mündet. Die Sucht, vor der wir kapitulieren, heißt Überheblichkeit. Sobald wir unsere eigene Überheblichkeit sehen können, können wir die Überheblichkeit überall erkennen, aber wir verurteilen sie jetzt nicht mehr, sondern wir verstehen sie als ein Leiden – weil die Sucht nach Überheblichkeit letzten Endes ja nie befriedigt werden kann, sie führt daher in eine permanente Frustration. Aber indem wir die Überheblichkeit nach unserer Kapitulation überall sehen und sogar tolerieren können, können wir sie auch benützen und das ist von unschätzbarem Wert. Wir können dadurch auch von den weiterhin Überheblichen größtmögliche Unterstützung in dem bekommen, was wir tun. Nicht gerade durch Erpressung, aber doch durch den deutlichen Hinweis darauf, dass unser Tun dem Ihren mindestens gleichwertig ist. Die unbewusst Hochmütigen
werden erkennen, dass sie durchschaut sind und daher werden sie kooperieren.
Kapitulation ist ein Akt vollkommenen Vertrauens. Es ist das Vertrauen darauf, dass wir von Natur aus gut genug konstruiert sind, um in uns unseren besten Lebenskurses zu entdecken. Schließlich haben die Ameisen keine Bücher, und wissen doch genau, was sie zu tun haben. Warum sollten die Menschen das also nicht genauso genau und unmittelbar erkennen können.
Was auf die Wiederkehr des Vertrauens folgt, ist der Test, ob dieses Vertrauen wirklich gerechtfertigt ist. Und dieser Test wird unfehlbar positiv ausfallen für alle, die sich selbst gegenüber ehrlich sind. Natürlich werden wir anerkennen müssen, dass eine gewisse [unter Umständen sogar eine große] Anzahl von Fehlschlägen völlig normal ist. Wir sind ja schließlich nicht allmächtig, sondern eben begrenzt und außerdem gehören zur Erfüllung eines Wunsches immer zwei und wenn der andere nicht will, gibt es keinen Weg. Wir müssen uns einfach noch einmal auf den Weg machen – so wie die Apostel es taten, als sie nach erfolglos durchfischter Nacht noch einmal die Netze auswarfen, weil Jesus es ihnen empfohlen hatte. Das ist die richtige Einstellung für den Erfolg.
Wer nach einem Misserfolg sich selbst bedauert, verschwendet seine Energie und behindert sich gleichzeitig suggestiv. Also Schluss mit dem Selbstmitleid. Wir müssen unsere Lage einfach realistisch sehen, das sehen, was not-wendig ist, was die Not wendet, was also tatsächlich hilft. Wir müssen schon unsere ganze Energie einsetzen, um die Not zu wenden. Das ist ja klar. Wir müssen uns konzentrieren bei dem, was wir tun und prüfen, ob unsere Mittel reichen für einen Erfolg. Sonst sparen wir uns unsere Energie besser. Aber wenn wir die Energie eingesetzt haben und Misserfolg ernten, wird uns das auf keinen Fall entmutigen, denn wir wissen inzwischen ja, das ein gewisser Prozentsatz an Fehlschlägen völlig unvermeidlich ist. Es ist außerdem unser Lehrgeld. An den Fehlschlägen lernen wir, wo unsere Mittel ungenügend waren oder wo einfach eine Inkompatibilität bestand. Auch da gibt es keine Bewertung, wir stellen das Nichtpassen einfach fest und wenden uns dem Nächsten zu. Und wenn unsere Mittel ungenügend waren, prüfen wir, ob wir mehr investieren möchten und was wir zu bieten haben. Und dann treffen wir unsere Entscheidung. Die ist dann natürlich durchzuführen – oder, wenn sie nicht durchgeführt wird, ist erneut zu prüfen, was im Wege steht. Und so werden die eigenen Schwächen und die Stärken sehr schnell erkannt und natürlich für den Erfolg nutzbar.
Eventuell störende Gefühle müssen bewusst durchleuchtet werden, damit wir sehen, ob es sich um echte Warnungen handelt oder nur um einen unerledigten Rest aus der Vergangenheit, der eben jetzt erledigt werden muss, wo er auftaucht. So wird das Dunkel in unserem Leben immer geringer und unsere Kraft immer umfassender.
Natürlich darf auch das sofort-Erledigen nicht zu einer Manie werden. Wir brauchen ja (für einen fühlenden Menschen selbstverständlich) auch Rekreation (samt Leerlaufbewegungen), Erholung – und vor allem immer Entspannung [also auch während einer Erledigung], so gut es eben geht. Wir finden sie, indem wir immer wieder zurückkehren in jenen Zustand der Entspannung, der im Augenblick der ersten und bei jeder darauf folgenden Kapitulation da war. In diese Leere des „Ich“ dringt dann ja die kosmische Energie ein, vor der wir kapituliert haben. Mit dieser Energie, die ohnehin unsere eigene Lebenskraft ist, sind wir unschlagbar – werden wir unschlagbar, denn es ist ein langwieriger Prozess, der Prozess, in dem wir unser Ich (= unser Bild von der Welt) loslassen und uns dem All ergeben – und dabei unser wahres (natürliches) Ich entdecken, das wir fortan verkörpern.
Damit ist der Weg des Erfolgs gleichzeitig auch ein spiritueller Weg, ja der höchstmögliche spirituelle Weg, weil er in immer tiefere Bewusstheit führt.
Selbstverständlich müssen wir uns fragen, was für uns ganz persönlich Erfolg wäre, was wirklich ein Erfolg wäre, was uns unserem Glück tatsächlich näher brächte. Und eine Antwort auf diese Frage wird zunächst gar nicht so leicht sein, weil unser Ausgangspunkt ja immer ein Zustand voller Illusionen ist. Erfolg ist für uns ja auch gesellschaftlich bewertet. Wir bekommen von Haus aus ein gewisses Bild von dem mit, was Erfolg sein soll. Tatsächlich ist Erfolg für uns aber möglicherweise etwas ganz anderes, daher müssen wir uns erst lösen von unseren (privaten und gesellschaftlichen) Vorstellungen und uns einfühlen in unsere ganz persönliche Sehnsucht. Also was ist unser Traum? Und indem wir Schritte darauf zu machen, entdecken wir unsere Illusionen, teils über die Schwierigkeiten des Weges, teils, weil sich auch unsere Sicht des Zieles durch unsere Erfahrung verändert. Der Traum muss also präziser werden. Enttäuschungen sind normal auf diesem Weg zur Bewusstheit, denn nur durch Enttäuschungen werden wir unsere Täuschungen los. Das ist zwar schmerzhaft, aber unvermeidlich und daher kein Grund zur Klage. Eher ist Dankbarkeit angebracht.
Daher ist das Vermitteln der nötigen Enttäuschungen auch ein wesentlicher Teil der Arbeit eines spirituellen Lehrers, neben dem Hinführen zur Vision – und damit zur Energie.
Ein Glück sind Enttäuschungen natürlich nur für die, die daraus lernen – so langsam dieses Lernen auch gehen mag, denn manchmal gibt es auch Stagnationen. Auch das ist normal. Irgendwann wird das Problem dann aber so dringend, dass wir uns gezwungen sehen, etwas zu tun. Und dann tun wir das, was notwendig ist. Das ist das Erfolgsrezept. So einfach, so schwierig und so effektiv.
Merken brauchst du dir nur eines: ehrlich sein. Das reicht, alles andere kommt von selbst.
Was ist Religion – was ist Therapie – was sind
Übergangsrituale?
14. 1. 2002
Religion ist der Weg zum normalen Leben.
Das gewöhnliche Leben der meisten Menschen ist kein normales Leben, weil es geprägt ist durch innere Brüche.
In der christlich-jüdischen Tradition werden diese Brüche auf den Sündenfall im Paradies zurückgeführt. Da heißt es, der erste Bruch sei entstanden, als die Menschen ihr eigenes Urteil an die Stelle der Weisung durch „Gott“ setzten, also ihrem inneren Sehen.
Alle Religionen aller Kulturen sind Versuche, diese Brüche zu heilen und dadurch zur unmittelbaren Wahrnehmung zurückzukehren.
Bildlich-schematisch ließe sich der Prozess etwa so darstellen:
Unser Leben, konkretisiert durch unseren Körper, ist vergleichbar mit einer gewachsenen Schicht, in der es durch gewisse seismische Erschütterungen (Schocks) tektonische Verschiebungen gegeben hat, durch die die Wahrnehmung nicht mehr den direkten Weg nehmen kann, sondern mehrfach gebrochen ist – und darüber hinaus sind diese Brechungen kompensiert durch das, was die Inder Maya nennen, also durch Vorstellungen, durch Illusionen, durch Denkmuster.
Anders ausgedrückt, gewisse Bilder der Realität aus der Vergangenheit haben sich bleibend in uns festgesetzt, also eingeprägt, was dazu führt, dass wir die Gegenwart in manchen Zusammenhängen so wahrnehmen, als lebten wir immer noch in jener prägenden Situation der Vergangenheit. Da die real gegenwärtige Situation aber nur gewisse Anklänge an jene früher erlebte Situation enthält, die nämlich das Interpretationsmuster der Vergangenheit auslösen, sich im übrigen aber von der vergangenen Situation unterscheidet, können wir auf die gegenwärtige Situation nicht adäquat reagieren. Das können wir aber wegen der die Wahrnehmung überlagernden Prägung nicht wahrnehmen. Stattdessen verstricken wir uns in Rationalisierungen, die auch noch die Tatsache der Unangemessenheit unserer Reaktion vor unserm Bewusstsein verbergen. Wir wundern uns nur darüber, dass unser Handeln nicht den gewünschten Effekt hat – und beginnen daraufhin, auch noch unsere Frustration zu kompensieren, indem wir unseren gut/schlecht-Listen frönen, also uns etwas (eine vermeintliche „Belohnung“) holen, was im Moment gar nicht passt oder etwas verweigern, was im Moment aber richtig wäre. So entsteht der Teufelkreis, der sich in dem, was wir als „normales Leben“ zu kennen glauben in vieler Hinsicht immer wiederholt, bis wir daran am Ende sogar zugrunde gehen. Klar, dass das kein normales Leben ist, sondern eben nur das gewohnte Leben.
Heutzutage gibt es verschieden Wege, die uns helfen können, zu einem normalen Leben zurückzufinden: Psychotherapie, Hypnose, Bioenergetik, Tai chi, Tanzen, Meditation, Yoga, Visualisationen und andere Formen der ganzheitlichen Durchdringungen unseres Seins.
Aus diesem Grund können uns diese Wege helfen, die tektonischen Verschiebungen in unserem Inneren zu überbrücken oder sogar rückgängig zu machen, damit der ursprüngliche Fluss unserer Wahrnehmung und der Reaktion unseres Organismus darauf wiederhergestellt wird.
Der traditionelle Weg da hin ist der Weg der Religion und in ihr der Weg der Initiation. Es ist ein radikaler Weg. Die Initiation hatte von je her ihren angestammten Platz in den Übergangsritualen. Die weisen Alten bereiteten die Jugendlichen vor auf das selbstverantwortete Leben als Erwachsene. Sie zeigten ihnen, wie sie trotz der erlittenen Schocks und Verletzungen, die natürlich auch in ihnen jene verhängnisvollen Brüche erzeugt hatten, den einzig rettenden Weg finden konnten, nämlich den Weg zur unmittelbaren Wahrnehmung.
[Von der ursprünglichen Erkenntnis dieses Weges leiten heutige Sekten, die diesen Weg überhaupt nicht mehr verstehen, ihre dogmatische Idee ab, durch das Fürwahrhalten gewisser „Glaubenswahrheiten“, wären sie „gerettet“ (im Englischen „saved“). Die Anhänger dieser Sekten finden durch die Annahme dieser „Wahrheiten“ aber nicht zur unmittelbaren Wahrnehmung, sondern (wie die Gegenspieler Jesu, die Pharisäer) nur zu größerer Eingebildetheit, also zu neuen Kompensationen. Das hier Gesagte gilt nicht nur für christliche, sondern auch für islamische Sekten und für gewisse Sekten aller anderen Religionen und auch für manche Traditionen der sogenannten Naturreligionen.]
Die Initianden jeder ursprünglichen Tradition wurden (gut vorbereitet) in eine für den Verstand und für alle Erfahrung unlösbare, lebensgefährliche Situation geschickt. Sie hatten keine Wahl. Sie mussten ihre inneren Brüche überbrücken und dazu eine verbündete Kraft finden, die das leisten konnte (und die sie auch später immer dann herbeirufen konnten, wenn sie diese Hilfe brauchten). Die Verbündeten, die sie fanden, waren „Hilfsgeister“ der verschiedensten Ordnungen, vom Tiergeist über die Elementargeister bis hinauf zu jenem „Geist“, aus dem die ganze Welt hervorgegangen ist.
[Grundsätzlich ist „Geist“ eine Art Bild-Funktion des Ganzen als eine innere Wahrnehmung, immer die genaue Antwort auf die Situation aus der Sicht des Ganzen. Dieser Geist drückt sich Symbolen aus, so eben auch in der Symbolik der Elementargeister oder in der anderer Archetypen. Und im nächsten Schritt zeigt der Geist den konkreten nächsten Schritt.
Geist zeigt immer die größere Synthese, die Lösung, die ein Mensch in seiner Froschperspektive nicht wahrnehmen kann. Deshalb ist Geist für das „Ego“ nicht wahrnehmbar. Ein normaler, d.h. ein vollkommen ehrlicher Mensch aber, steht immer in Verbindung mit dem Geist, denn so ein Mensch sieht ja die Begrenzungen der Froschperspektive und durch den Geist kann er sie überschreiten.]
Der „Name“ des Geists des Ganzen ist selbstverständlich, wie die Bibel und auch Lao-tse es verlangen, unaussprechlich. Aus diesem Grund führen die Buddhisten alles auf das Nichts zurück, im Grund eben auch auf so etwas wie den „Geist“ des Nichts, dem das All entspringt, auch wenn sie jenes durch ihre „Beschwörung“ (ihre Meditation) eintretende Nicht-Ich, aus dem die Antwort auf die Not kommt, eben auch nicht benennen und wenn doch, dann höchstens als „Leere“ [wie im „Hanya shin gyo“] – übrigens genau entsprechend der Symbolik der physischen Leere der Kaaba in Mekka.
Auch die Tiergeister der „Naturvölker“ erscheinen nur im Nicht-Ich. [Wenn nötig erscheinen nicht nur Tier-Geister, sondern wirkliche Tiere oder Menschen oder Situationen etc.] Sobald das wissende (aber durch seine Froschperspektive beschränkte) Ich ausgeschaltet ist, wirkt der Geist des Ganzen, indem er die „Bilder“ [oder sogar physischen Wirklichkeiten] zeigt, die die Gefahren der gegenwärtigen Situation überbrücken. So erscheint aus dem Ganzen ein (vielleicht lokaler) Verbündeter, aber jedenfalls einfach eine andere Kraft, eine Nicht-Ich-Kraft. Und durch die können wir die Kluft überbrücken.
Allerdings ist das Wort „Kraft“ schon zu viel. Durch „irgendetwas Anderes“ bekommen wir Antwort. Die Initiation bringt die Menschen in Kontakt mit diesem unnennbaren Anderen und mit dessen Antwort.
Es ist allen Beteiligten (vielleicht unausgesprochen aber doch) vollkommen klar, dass die Perspektive, die aus diesem Anderen uns zukommt, die Perspektive des Ganzen ist. Die Initianden verlassen also ihre gewohnte (beschränkte) Welt und sie öffnen sich dem All – und von da kommt die Lösung. Sie öffnen sich jener Sphäre, die ein Individuum seiner Froschperspektive enthebt, die den Orientierungslosen gewissermaßen an eine Art Satellitennavigation anschließt.
Auf dem Weg zwischen der beschränkten und daher tödlichen Frosch-Perspektive des Individuums und der letzten Endes rettenden Perspektive des Alls liegen grauenhafte Gefahren. In der Perspektive des Alls ist das Individuum ja nicht mehr als solches existent. Verständlicherweise macht diese Aussicht zunächst extreme Angst. Ja sollen wir denn in unserem eigenen Leben gar nichts mehr zu reden haben wenn wir doch immer dem Geist folgen müssen? Und diese Angst begleitet uns und sie nimmt unzählige Formen an: die gefährlichen Monster des Initiationsweges [von der neunköpfigen Schlange, über Skylla und Karybdis bis zu den Zauberspiegeln Klingsors und darüber hinaus].
Jene Schocks, die die tektonischen Verschiebungen in uns ausgelöst haben, waren ja real. Und die Kräfte, die sie ausgelöst haben, sind immer noch da. Sie sind keine Einbildung, und sie können uns augenblicklich auslöschen, wenn das unser Schicksal sein soll. Auf uns allein gestellt, können wir gegen sie nicht bestehen.
Um diesen Gefahren nicht zu erliegen, brauchen wir ein unbrüchliches Vertrauen darauf, dass das Leben so eingerichtet ist, dass Hilfe kommt, wenn wir sie brauchen, auch wenn alles dagegen spricht. Davon, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, sprechen die weisen Alten, die die Jungen in dieses Ritual einführen. Sie sind der lebendige Beweis dafür, dass sie die Wahrheit sagen.
Sie leben aus einem Wissen heraus, das gewöhnlich, d.h. bei den meisten Menschen in unserer initiationslosen Kultur, durch die Barrieren verborgen ist, die von den erlittenen Schocks ausgelöst worden sind und die durch die Initiation überwunden werden sollen. „Die Alten“ der initiatorischen Stämme und auch Menschen bei uns leben ein Leben, nach dem sich alle Gebrochenen sehnen, ein wirklich normales Leben. Die Sehnsucht danach ist bei allen vorhanden. Sie ist der Antrieb zur Suche nach diesem normalen Leben, nach dem direkten Weg, nach Heilung.
Die Gebrochenen wundern sich oft über das, was den Geheilten möglich ist. Sie glauben oft, das Außergewöhnliche, das sie an diesen beobachten, wäre das, worauf es ankommt. Dieser Glaube kommt aus dem Kompensationssystem, das sie aufgebaut haben, sie wollen ja gut sein und nicht nur das Gewöhnliche, sondern auch das Außergewöhnliche meistern. Das normale Leben erscheint ihnen oft gar nicht erstrebenswert.
Sie forschen mit den Kriterien dieses Kompensationssystems. Und so sind sie fasziniert von Leistung, und damit von allem Außerordentlichen, wie etwa wenn ein Yogi sich für ein Jahr in einem Sarg begraben lassen kann und dann wieder zum Leben erwacht. Aber gewisse Frösche in afrikanischen Wüsten können das besser: Sie erwachen nach vielen Jahren vollkommener Trockenheit immer noch zum Leben, wenn plötzlich wieder Wasser kommt. Und Castanedas Don Juan spricht von den unglaublichen Praktiken mancher Zauberer früherer Generationen, die in die Welt irgendwelcher Elementargeister überwechseln und so hunderte von Jahren leben konnten – aber eben als Gefangene ihrer Errungenschaft. Das alles sind zwar spektakuläre geistige Erfahrungen, aber nicht das, worum es geht. Es sind nur so etwas wie spirituelle Zirkusnummern.
Näher an dem, worum es geht, ist eine andere Geschichte Castanedas, in der er von einer Verfolgung durch einen urzeitlichen Tiger erzählt, der fähig war, seine Gedanken zu lesen – und wie er in dieser Erfahrung lernte, sich auf eine Wirklichkeitsebene einzustellen, die jenseits der Gedanken liegt, in der es nur ein unmittelbares Wahrnehmen und Befolgen des idealen Kurses gibt. Näher an der auch dem Alltagsdenken verständlichen Wirklichkeit liegt außerdem die Geschichte des biblischen Gideon, dem es ebenso auf genau diese Weise gelang mit 300 Mann eine Armee von 30.000 vernichtend zu schlagen.
Lao tse sagt dazu nur: Selbst „wer schuldig ist, auf dem Weg [des Tao] wird er entkommen.“ Bei Lao tse spielt sich die Spiritualität im normalen Leben ab und sie bezieht sich nur darauf. Und bei Jesus ist es genauso.
Es geht, wie schon gesagt, darum, die gebrochene Wahrnehmung, die gleichzeitig immer untrennbar verbunden ist mit einer individuellen Froschperspektive, zu überbrücken durch eine Steuerung „von oben“, also durch eine Art Satellitennavigation. Das Prinzip ist einfach: Der Geist der Vereinzelung wird ersetzt durch den Geist des Ganzen. Dialektiker erinnern sich jetzt sicher an Hegels „These, Antithese, Synthese“, aber es ist mehr als das. Der Geist des Ganzen ist mehr als eine Multisynthese und nichts intellektuell Herstellbares. Er übersteigt den Schatz jeder Erfahrung. Er entstammt einer ganz anderen Sphäre, der Sphäre der direkten Wahrnehmung, nicht der Schlussfolgerung.
Die Initiation der Naturvölker bietet einen Zugang zum Geist des Ganzen. Die Initiation ist ein Ergebnis der Verbindung zum Geist des Ganzen. Der Geist des Ganzen hat sie geboten. In den Zeiten nach den Stammeskulturen haben sich neue, kulturübergreifende Formen der Initiation entwickelt. Schließlich aber sind die Riten vielfach erstarrt. Die völlig veränderten sozialen Bedingungen in der industriellen Gesellschaft haben viele der alten Initiationswege ihrer Bedeutung beraubt. Das, was in der Initiation geschieht aber ist dadurch nicht beseitigt worden, denn es ist lebensnotwendig.
In unserer initiationslosen Kultur läuft der alte Prozess der Initiation nun nicht mehr kollektiv gesteuert, sondern schicksalhaft individuell ab: Schwere Krankheit, Schicksalsschläge, besondere Umstände des Lebens lösen den Suchprozess aus. Dazu kommen jene scheinbar zufälligen, der bleibenden direkten Wahrnehmung vorausgehenden vorübergehenden Erlebnisse der Einheit. Das sind die berühmten „spirituellen Erlebnisse“, „peak experiences“, mystische Erlebnisse. Früher wurde oft von „Verzückung“ gesprochen, weil diese Erlebnissen oft von unerklärlichen körperlichen Zuckungen begleitet sind. Natürlich haben diese Zuckungen damit zu tun, dass die tektonischen Verschiebungen in Bewegung geraten – ähnlich den Zuckungen der Erdkruste in den Erdbeben. Nicht selten geschieht es daher, dass Menschen durch solche Erlebnisse nicht zurechtgerückt, sondern (zunächst anscheinend) vollends verrückt werden. Viele der psychiatrischen Patienten hatten genau solche Erlebnisse der ruckartigen Bewegung ihrer tektonischen Schichten. Die ganze bekannte Welt ist dadurch für sie verrückt worden. Sie erkennen sie und sich selbst nicht wieder. Und die neue Position, in der die Schichten wieder zur Ruhe gekommen sind, ist weder die gewohnte noch die ursprüngliche. Sie stimmt mit den bekannten Kriterien nicht überein. Es würde weitere Verrückungen brauchen, damit die Wahrnehmung, die dann zustande kommt, wieder kommunizierbar wird, sodass andere sie wiedererkennen können. Da dieser Prozess in der medizinischen Wissenschaft aber nicht bekannt ist, wird er einfach als „Störung“ betrachtet und behandelt (also nicht in Richtung Auflösung, sondern nur wieder kompensatorisch).
Seit dieser Prozess zumindest in spirituellen, aber auch in manchen therapeutischen Kreisen bekannt geworden ist, gibt es überall auf der Welt Bemühungen, auf diese Verrückungen spezifisch zu reagieren.
In der Spanne zwischen der natürlichen Gewachsenheit, in der der ursprüngliche Fluss der Wahrnehmung ungebrochen ist und der ursprünglichen Ver-Rücktheit, die durch jene Schocks ausgelöst worden ist, und die zu den erwähnten psychisch-tektonischen Verschiebungen geführt hat, liegen die Heilungs-Wege, die eingeschlagen worden sind.
Ursprünglich, wie gesagt, waren es die Initiationswege und im Erwachsenenalter dann die schamanischen Heilungsrituale, durch die die tektonischen Verschiebungen wieder zurechtgerückt oder überbrückt wurden. Aber auch die modernen Therapieformen sind diesen Verrückungen auf der Spur.
Die heutigen Entspannungstechniken etwa gehen davon aus, dass ein entspannter Körper zu einer ungebrochenen Wahrnehmung fähig ist und daher aus sich heraus und von selbst sämtliche notwendigen Selbstheilungskräfte mobilisiert. Das ist das Grundkonzept der Hypnose-Therapie. Die Wiederherstellung der Ganzheit, eine Aufhebung der Verschiebungen durch Entspannung. Durch Entspannung ist sehr viel möglich. Wenn jedoch gleichzeitig, wie das meistens der Fall ist, geistige Konzepte der ver-rückten Welt festgehalten werden (und das ist deshalb fast unvermeidlich, weil die Entspannungszustände spätestens dann aufhören, wenn die Pflichten des Alltags wieder rufen, in denen die Brüche und Verrückungen ja als „normal“ gelten, weil es fast niemand gibt, der sie nicht hat), ist die Wirkung der Entspannung nur sehr beschränkt. – Es sei denn, jemand benützt sie wirklich als ein Instrument, sich selbst kennenzulernen.
Heutige Therapie weiß daher auch von einem habituellen Charakterpanzer, der eben auf jenen Vernarbungen der Brüche beruht, die aus den ursprünglichen Verletzungen entstanden sind. Hier setzt die Bioenergetik an. Sie treibt die Anspannung an jenen Punkt, an dem die seismischen Wellen zu laufen beginnen – in der Hoffnung, dass die tektonischen Platten auf diese Weise an ihren Ausgangspunkt zurückkehren und dadurch eine durchgehende Wahrnehmung wieder ermöglicht wird. Die Bioenergetik ist vor allem dadurch beschränkt, dass den meisten ihrer Therapeuten dieses, ihr eigenes Funktionsprinzip nicht ausreichend bewusst ist. Außerdem natürlich in der Angst der Klienten vor dem zu erwarteten inneren Erdbeben. Trotzdem sind mit dieser Methode große Erfolge erzielt worden. Das innere System kann damit durchlässiger werden.
Die Erfolge der Psychoanalyse und der darauf aufbauenden analytischen Techniken beruhen auf der Bedeutung der geistigen Kongruität. Indem innere Widersprüche aufgeklärt werden, blockierende Ängste etwa auf Ursprungssituationen zurückgeführt und damit verstehbar gemacht werden, sind anfänglich ähnliche erdbebenartige Veränderungen geschehen. Heute werden mit der Methode allerdings vor allem die Kanten der inneren Brüche abgerundet. Die Wahrnehmung fließt dann zwar immer noch über mehrere Ecken und nicht direkt, aber etwas glatter. Dass die Brüche heute nur noch in den seltensten Fällen zurückgebildet werden, liegt vor allem daran, dass ein neues geistiges System, nämlich ein Erklärungsschema über die Wirklichkeit gestülpt wird, nämlich jenes psychoanalytische, intellektuelle Schema. Die Erschütterungen, die durch die analytischen Erkenntnisse ausgelöst werden, werden genau durch dieses Schema gebremst. Außerdem wird die auf die Verletzung folgende Vernarbung nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Schließlich aber bleiben auch weitere entscheidende Einflüsse unberücksichtigt, beispielsweise die Einflüsse der Ahnen und der Familien(system-)konstellation.
Die Einflüsse der Familienkonstellation demonstriert heute die systemische Therapie und erzielt damit spektakuläre Heilerfolge, die aber insofern auch wieder nur Teilerfolge sind, weil die Aufmerksamkeit gerade auf diese Einflüsse eingeschränkt wird.
Die Einflüsse der Familienkonstellation und der Ahnen fokussiert das Familienstellen nach Hellinger. Indem Hellinger mit seiner Methode eine schamanische Tradition in unsere Kultur importiert, ist er der Ganzheitlichkeit zurzeit wohl am nächsten, insbesondere wo ihm Psychoanalyse und Entspannungstechniken nicht fremd sind. Was im Familienstellen geschieht, ist kein intellektueller Prozess, sondern ein ganzheitliches sich Einfühlen in die personal-geistigen Strömungen, die von den Anfängen der Geschichte herkommend in einem bestimmten Individuum münden und dessen Schicksal formen.
Aus diesen Gründen sind spirituelle Erlebnisse in Zusammenhang mit Familienaufstellungen keine Seltenheit. Die Wirkung ist vergleichbar mit gewissen Drogenerlebnissen, die eine ähnlich tiefe, vielleicht allerdings sogar eine noch tiefere Einsicht ermöglichen. Aber wie diese haben auch jene nur eine vorübergehende Wirkung. Die Tiefe der Einsicht kann nicht aufrechterhalten werden, weil die Gewohnheiten und Zwänge des Alltags die alten Strukturen und Programme großteils reinstallieren. Es braucht also zusätzliche Wege.
Eine ganz andere Art Zugang zur Ganzheit eröffnet sich durch Übungen wie das Tai Chi oder das japanische Gyoki, Castaneda’s Tensegrity oder vergleichbare Praktiken aus anderen Kulturen oder spirituellen Schulen. Auch Feldenkrais gehört hierher. Durch eine fließende Bewegungspraxis wird hier der gebrochene Grund neu aufbereitet – einerseits durch Konzentration der Aufmerksamkeit auf das bereits natürlich Fließende, andererseits durch Graben neuer Bahnen für den durchgehenden Fluss. Es ist klar, dass Jahrzehnte des Übens notwendig sind, um eine ausreichende Komplexität neuer (Wahrnehmungs- und Reaktions-)Bahnen durch die gebrochenen Schichten zu graben. – Aber auch Schamane oder spiritueller Meister wird einer wohl kaum von heute auf morgen.
Wir sehen, dass alle diese Methoden gewisse Bereiche der Brechungen heilen können und dass sie allesamt Schritte sind auf dem Weg der spirituellen Entwicklung, in der ein Mensch letztlich alles einsetzen muss, um nach vielen Jahren der Suche und der Bemühung tatsächlich zur direkten Wahrnehmung zurückzufinden.
Diese Entwicklung setzt, wie schon gesagt, ein mit ersten spontanen Erfahrungen einer anderen (nämlich einer ungebrochenen) Wirklichkeit. Danach folgt (in unserer initiationslosen Kultur) die Suche nach Menschen mit Erfahrung auf diesem Gebiet. Es ist vorteilhaft, sich von Erfahrenen beraten zu lassen. Dann kommt das Erproben verschiedener Methoden und das Sammeln eigener Erfahrungen.
Der spirituelle Weg ist ein Weg des Nichtwissens, daher des Forschens, der Erschütterungen und Zusammenbrüche und dabei ein schrittweises Erkennen einer durch alles hindurch tragenden Kraft und ein immer größer werdendes Vertrauen in diese Kraft und schließlich die dauernde Übergabe des eigenen Schicksals an diese Kraft.
Voraussetzung dafür ist totale Ehrlichkeit. Diejenigen, die diese Ehrlichkeit aufbringen und den ganzen Weg gehen, werden, wenn sie zur Ganzheit zurückgefunden haben, Meister genannt.
In heutiger therapeutischer Sprache ist das, was bei der Initiation geschieht, das Erlernen vollkommener Entspannung bei gleichzeitiger größter Konzentration, also ein Loslassen, ohne den Fluss der Energie zu stoppen. Dabei erscheint gleichsam aus einem Nebel – aus dem Nebel der als Illusion erkannten, zunächst aber als solche angenommenen „Wirklichkeit“, die sich durch die Erschütterungen auflöst – jene Instanz in uns, die jederzeit alles weiß, was für uns von Bedeutung ist. Sie wird zugänglich, wenn die tektonischen Verschiebungen entweder zurückgebildet (etwa durch Bioenergetik oder durch schicksalhafte Erschütterungen) oder durch jene Perspektive des Ganzen (flash-artig oder bleibend) überbrückt sind.
Das treibende Element bei dieser Suchbewegung ist unsere Sehnsucht. Sie ist ein eingebautes biologisches Programm, das uns keine Ruhe lässt, solange wir sie nicht im Ganzen gefunden haben. Sie treibt uns auf den Weg der Suche nach dem direkten Weg, nach einem Leben ohne Ersatz, nach einem Leben in der Wahrheit, in der Unmittelbarkeit.
Die inneren Brüche, die uns der Unmittelbarkeit entreißen, zeigen sich auch als Brüche der zwischenmenschlichen Kommunikation. Extrem gestört ist diese ja in den psychiatrischen oder in kriminellen Phänomenen, aber die Störung ist auch bei den ganz gewöhnlichen Menschen vorhanden, vor allem in den Beziehungen, in denen Unbewusstheit vorherrscht, also überall dort, wo Menschen über ihre Froschperspektive nicht hinauszusehen vermögen.
Die traditionellen Religionen bieten Wege an, heraus aus der Froschperspektive, hin zu einer Perspektive des Ganzen. Gebete und Gottesdienste sind solche Wege, weil es darin ja immer darum geht, das ganze Leben aus der Perspektive des Ganzen zu betrachten. Doch ist die Tradition gleichzeitig auch das Hindernis dafür, dass sich die Perspektive des Ganzen auch einstellt, weil sie selbst wieder einen Partikularismus erzeugt und darüber hinaus noch durch die Gewohnheit und das Brauchtum eingeschränkt wird, eine Art Trägheit, die den radikalen Anspruch der religiösen Ursprünge (nämlich die unmittelbare Wahrnehmung) auf das den Massen Erträgliche reduziert (es nämlich in eine Moral umwandelt, die in das Ich integriert werden kann, wodurch die andere Dimension des Nicht-Ich überflüssig wird [klarerweise sind wir hier am Kernpunkt der Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Pharisäern und dem ewigen Problem der Priesterreligion]) und damit eine Religiosität erzeugt, die mit echter Spiritualität nicht mehr viel zu tun hat.
Der Übergang zwischen der Konzentration auf das eigene Interesse (der Froschperspektive) und der Perspektive des Ganzen, in der die Person des Einzelnen unter Umständen (wie im Beispiel Jesu) vollkommen auf eigene Ansprüche verzichten muss und ohne Aussicht ausgelöscht wird („mein Gott, warum hast du mich verlassen?“) erregt viel Widerstand. Selbstlosigkeit ist eine echt harte Nuss. [Logischerweise meine ich die Selbstlosigkeit, die dem Geist folgt und nicht die, die sich wegwirft, die letztere wird oft mir der ersten verwechselt.]
So regten sich die Existentialisten auf über das „in die Welt geworfen“ Sein, darüber also, dass sie von Anfang an nicht gefragt wurden und am Ende womöglich auch einfach ausgelöscht werden sollen. Es ist das Nichtwissende Aufbegehren gegen die Ordnung der Welt.
Die Menschen wollen nicht ganz weg sein – und dieser Wunsch nach einer Art „ewigem Leben“ prägt die menschheitlichen Vorstellungen von den letzten Dingen, also von einem eventuellen „Leben nach dem Tod“. Etwas anderes als dieses (irdische) Leben können sich die meisten Menschen nur schwer vorstellen, daher sind die meisten Jenseitsbilder so diesseitig. Daher wünschen sie sich eine Art Gemeinschaft der Heiligen, in der sie als die, die sie sind, weiterleben können, nur eben in ausschließlich angenehmer Gesellschaft. Sie selbst könnten ja so bleiben wie sie sind, meinen sie bei dem Gedanken an den Himmel, in den sie gern kommen möchten, wenn nur die anderen anders wären, nämlich durch und durch gut, dann wäre das der Himmel. Logisch, dass das so nicht gehen kann. Doch wie wäre es, wenn wir uns einfach als einen Punkt der Bewusstheit im All sehen würden, der sich schon während des Lebens weitet [letztlich durch die Erkenntnis, dass es so etwas wie „Gute“ oder „Böse“ überhaupt nicht gibt, sondern nur mehr oder weniger bewusste Menschen] und der sich möglicherweise ohne Ende weiter weiten kann – sowohl im Detail als auch im Ganzen, sämtliche Gestalten dazwischen eingeschlossen. Dann bleibt es bei einer Gemeinschaft der Heiligen, nämlich derer, die teilhaben an dieser Ausweitung der Bewusstheit, die sich dabei natürlich auch gegenseitig wahrnehmen und miteinander interagieren – aber mit der Aufmerksamkeit nicht auf dem Verharren, sondern auf das immer weiter vordringen in das All, sowohl im Detail als auch im Ganzen – und dabei immer vertrauter werden mit dem Geist des Ganzen, aus dem alles hervorgegangen ist. Was könnte es Größeres geben?
Und erst eine Einstellung dieser Art kann einem Menschen schon zu Lebzeiten erlauben, die Perspektive des Ganzen zu erfahren. Alles Andere hieße ja, die Froschperspektive in die Ewigkeit übertragen, was natürlich nicht gehen kann. Trotzdem wird genau das ständig versucht, wie sämtliche Gräuel der Religionsgeschichte zeigen. Am Ursprung der Religion aber steht natürlich die Perspektive des Ganzen und zu dieser Perspektive soll sie auch hinführen.
Der Unterschied zwischen Therapie und Religion besteht vor allem darin, dass Religion von Anfang an und zwar bewusst auf die Perspektive des Ganzen hinzielt, während Therapie von der Froschperspektive ausgeht und nach und nach versucht, diese zu erweitern, gewöhnlich aber ohne das Ziel einer Perspektive des Ganzen.
Zu Anfang braucht es Landkarten, um den Weg zu finden, aber sobald sich die eigene, d.h. die ungebrochene Wahrnehmung einstellt, erübrigen sich die Landkarten, die der aktuellen Situation ja nie gerecht werden können. Denn jenseits der Welt der Brüche gibt es ein Leben der direkten Sicht. Da immer noch eine zutreffende Karte finden zu wollen, wäre ein Wahn, eine Verleugnung dessen, was ja schon da ist: die direkte Sicht.
Zunächst aber gibt es die Karten, und mit ihnen die bezeichneten Wege, wie religiöse Praxis, Visualisierungen, Hypnose, Bioenergetik, Tanzen, Psychotherapie, Tai chi etc. etc..
Das Erreichte wird aufrechterhalten durch Umsetzung der Einsicht in die Praxis. Es ist ein langwieriger Prozess des sich Erinnerns. Zuerst gelingt die Erinnerung [an die Perspektive des Ganzen] nur in wenigen Situationen, dann kann das sich Erinnern ausgeweitet werden bis die Perspektive des Ganzen selbst in überwältigenden Situationen (Krankheit, Folter …) nicht verloren geht. Das sich Erinnern ist eine freiwillige Auslöschung des Ich. Ich gehe nicht mehr aus von einem gewissen Selbstverständnis meiner selbst, sondern davon, dass ich eine Funktion des Ganzen bin. Daher tue ich was zu tun ist, nicht von einem Ego-Standpunkt aus, sondern aus der Perspektive des Ganzen.
Vergessen bedeutet Überwältigtwerden von irgendwelchen partikulären Kräften, begleitet immer von einer Form von Paranoia/Größenwahn. Sich Erinnern bedeutet in Kommunikation mit dem Ganzen treten – und das braucht Konzentration. In der Praxis bedeutet das mit einem Ohr auf das Ganze hören und mit dem anderen auf das Geschehen des Augenblicks. Sich immer wieder erinnern ist der Weg, die Intention dazu auch formulieren und wenn nötig, das Ganze innerlich um Hilfe bitten. Die Hilfe kommt unfehlbar. Das ist meine Erfahrung. Die Hilfe scheint nur dann nicht zu kommen, wenn wir etwas Eigenmächtiges wollen, das der Perspektive des Ganzen nicht entspricht.
Sobald die direkte Sicht da ist, zeigt sich, dass ein Leben aus der Sicht des Ganzen ein ganz normales Leben ist. Nichts Außergewöhnliches geschieht. Wunder sind da völlig überflüssig (sonst hätte Jesus wohl vom Kreuz heruntersteigen müssen, wozu ihn einige ja aufgefordert haben sollen). Dass Menschen wie Jesus Wunder gewirkt haben, liegt daran, dass er dieses ganz normale, fühlende Leben geführt hat und dass die anderen das als ganz wunderbar empfanden.
Er war einfach ein Fühlender, ein durch und durch Wahrnehmender. Die Basis dieser Art zu leben ist dies: Der Stoffwechsel bestimmt das Leben des Weisen. Wenn er müde ist, schläft er und wenn er hungrig ist, isst er und er weiß natürlich auch, dass er sich um sein Essen und um sein Dach über dem Kopf kümmern muss. Und er tut es. Die Zengeschichte vom Ochs und seinem Hirten beispielsweise zeigt den ganzen Weg: Am Ende hebt der, der alles gefunden hat, was es zu finden gibt, nicht ab in ein Wolkenkuckucksheim [das nämlich ist in Wirklichkeit, was sich so viele als den „Himmel“ vorstellen], sondern er geht wie schon zu Anfang auf den Markt und er mischt sich unter die Menschen. Natürlich jetzt mit tiefem Verstehen für alles. Er zeigt (nicht weil er etwas zeigen will, sondern einfach indem er es tut), dass Religion nichts Besonderes ist, sondern eben diese direkte Wahrnehmung und dass es daher nicht um spirituelle Zirkusnummern geht. Die „peak experiences“ sind für ihn längst vorbei, weil die direkte Sicht nun Alltag ist – und doch reichen seine Bewusstheit und sein Verstehen immer weiter, so weit, dass er nun vielleicht gar nicht mehr eingreift, weil er jetzt sieht, dass alles ohnehin schon auf dem besten Weg ist und dass er nicht mehr tun kann, als sein eigenes Leben zu leben, wohin immer ihn das führen mag.
Eine Erklärung in drei Teilen:
I. Meine Vision
6. 3. 2002
Ich visualisiere und konkretisiere zur gleichen Zeit, mit der Visualisierung immer einige Schritte voraus. Das ist mein Weg.
Zunächst visualisiere ich den großen Geist, aus dem die ganze Welt hervorgegangen ist, dem die Welt entsprungen ist, weil er seine Fülle nicht für sich behalten konnte, der in seiner Alleinheit förmlich explodiert ist und sich vergossen hat in das All.
Dann visualisiere ich mich als ein Produkt dieser Kraft, die meinen Körper auf so unglaublich wunderbare Weise funktionieren lässt – und die natürlich auch den Geist auf so wunderbare Weise funktionieren lässt, am besten durch den Glauben an die eigene Bedeutung für das All.
Ich visualisiere mich als das Zentrum des Universums, als einen Punkt gewissermaßen, an dem sich der große Geist manifestiert hat, in mir.
Ich visualisiere mich als die Augen und Ohren des großen Geists, als den, der die Welt aus der Perspektive des großen Geists betrachtet.
Ich werde bekannt mit dem großen Geist – nicht indem ich jetzt größenwahnsinnig werde, sondern indem ich die tatsächliche Größe dieser Realität betrachte. Und ich sehe meine mir vom großen Geist zugedachte Rolle in dem großen Spiel der geistigen Kräfte auf diesem Planeten.
Mir ist die Rolle zugedacht, diesen einfachen Weg in der Sprache der heutigen Zeit darzustellen samt seiner Potenz, alle im Geist zu einen.
Ich kenne einen Weg da hin, der für alle gangbar ist.
Jeder kann ihn genau da beginnen, wo er gerade ist. Egal wie schwach. Solange noch ein Lebensfunke da ist, d.h. so lange der Körper noch funktioniert, ist Kraft da und diese Kraft, egal wie minimal, wenn auch mikroskopisch klein, egal wie viel, das Etwas, das da ist, kann eingesetzt werden.
Es ist wie mit Jesu Gleichnis von den Talenten. Egal wie wenig, es geht nur um den Einsatz. Dann wird alles möglich. Von jeder Ausgangsposition aus. Natürlich nur das, das im natürlichen Lauf der Dinge liegt. Wunder eingeschlossen, aber nicht zu erwarten.
Aber für Größenwahn wird es da keinen Grund geben, weil jeder gleichzeitig mit seine Größe auch seine Kleinheit erkennt. Jeder ist mit Fehlern behaftet. Es gibt keine Reinen. Es gibt nur Eingebildete, die glauben, sie wären rein. Keiner ist rein. Jeder ist fehlbar. Wir müssen erkennen, dass wir aus uns selber nichts können. Alles ist uns gegeben. Wir dürfen nichts für selbstverständlich erachten. Es gibt andere, die ein Schicksal tragen müssen, das wir nicht tragen möchten. Dürfen wir uns unserer Privilegiertheit rühmen? Nein. Wir sind nicht besser als die, die wir als „Abschaum“ betrachten. Wir hatten doch nur zufällig bessere Ausgangsbedingungen. Es ist nicht unser Verdienst. Wir könnten genauso an ihrer Stelle sein. Es gibt also keinen Grund, auf irgendjemand herunterzuschauen. Wir sind nicht besser als irgendwer. Wir sind genauso schwach, wie die Schwächsten, wenn wir ihre Bedingungen ertragen müssen.
Wir alle sind Menschen, Wesen, die, wie alles sonst auch, nach dem Licht streben. Die meisten von uns haben in ihrer Entwicklungsphase nicht genug davon bekommen und haben daher dann auch wenig zu geben. All das ist purer Zufall.
Ich meine, dieser Standpunkt ist dem des Karma in der heutigen Zeit überlegen, weil es jetzt darum geht, die Vorurteile zu beseitigen. Und das geht nur, wenn das Schicksal – bis zu einem bestimmten Punkt – purer Zufall ist. Sonst bilden sich die besser Gestellten etwas ein auf ihre Position und schauen auf die anderen herunter. Das ist nicht im Sinn des großen Geists.
Im Sinn des großen Geists ist es, dass alle gleich sind, dass jeder in seinem Sosein respektiert wird. Dass er nicht in irgendeiner Weise abgewertet wird, weil er vielleicht nicht so äußerlich sichtbar erfolgreich ist. Jeder hat seine eigenen Kämpfe auszufechten. Es gibt keine Wertunterschiede nach der Art der Aufgabe, die einem Menschen durch seine besondere Position im All zukommt, es gibt nur diese besondere und einzigartige Aufgabe, die uns durch unser Schicksal präsentiert wird.
Der Obdachlose hat seine Lebensschwierigkeiten, die an Intensität dem des Generaldirektors in nichts nachstehen. Wir können allen nur danken dafür, dass sie ihre Position im All eingenommen haben, wer sie auch sind, wie sehr oder wie wenig sie in der Gesellschaft geachtet werden.
Aber wir können den Unzufriedenen auch einen Ausweg zeigen aus ihrer Unzufriedenheit.
Es ist ein Weg, den ich nach Jahrzehnten der Suche wiederentdeckt habe. Natürlich hatten ihn andere schon längst vor mir auch entdeckt. Abraham hatte ihn beispielsweise vor viertausend Jahren schon [wieder]entdeckt. Er wird immer wieder entdeckt, weil es der logische Weg ist – jenseits aller Superstition.
Er beginnt mit der ersten Visualisierung, die ich oben beschrieben habe.
Und der Weg mündet in das Wahrnehmen der eigenen Berufung im All, also der idealen Position. Der Weg beginnt also mit einer gewissermaßen von außen angeregten Visualisierung, die dann übergeht in die persönliche Vision.
Die persönliche Vision schafft Realitäten. Sie wirkt echt schöpferisch. Sie ist ja nicht unser Verdienst, sondern sie ist schon längst da, sie ist in unserem Bauplan vorgesehen. Es ist daher in keiner Weise unsere Kraft oder unser Verdienst, es ist einfach nur die Folge der Tatsache, dass die große Kraft diesen Weg für uns vorgesehen hat, weil sie uns so gemacht hat, dass immer größere Sensitivität möglich ist, wenn wir ihrem Wirken in uns kein Hindernis in den Weg stellen. Dann beginnt sie, uns zu entwickeln, nach ihren Kriterien. Das Ergebnis kann nur optimal sein. Die ganze große Kraft wird unser ehrliches Bemühen unterstützen.
Natürlich geht das nicht ohne Ehrlichkeit. Ehrlichkeit ist das oberste Gebot. Höher als das erste der zehn Gebote, das doch auch dieses einschließt, weil es ihm zeitlich, also entwicklungsmäßig vorausgeht: Ehrlichkeit ist die Basis für diese Entwicklung. Ohne Ehrlichkeit bleiben die Möglichkeiten beschränkt und dem Unglück ist Tür und Tor geöffnet.
Ehrlichkeit ist die Eingangspforte zu diesem Weg.
Es geht nicht um Moral. In keiner Weise. Moral erzeugt nur Dünkel. Aber Moral ist nicht nötig, denn Ehrlichkeit reicht. Die Menschen sind nämlich so gebaut, dass sie von selbst gutherzig sind, wenn diese Gutherzigkeit nicht blockiert wird durch irgendeine Art von Unterdrückung. Wir brauchen also keine Angst haben, dass die Welt entgleist, wenn wir ihr die Freiheit geben.
Die Freiheit führt zu einem viel besseren Ergebnis zumindest für die, die sie praktizieren. Der Weg der Freiheit ist daher der einzige Weg, der es wert ist, propagiert zu werden. Freiheit und Bewusstheit sind eins. Ein Mensch, der bewusst ist, ist frei, sogar wenn er in Ketten gelegt sein sollte. Sogar noch im Moment der Hinrichtung oder des normalen Todes.
Freiheit und Bewusstheit bewirken ein optimales Verhalten. Natürlich sind unserer Macht Grenzen gesetzt. Wir haben unser Leben nicht in der Hand. Wir können es nur bewusst leben, egal wo es uns erwischt hat, egal was unser Schicksal, unsere Aufgabe ist. Die große Kraft bestimmt den Kurs. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass sie die, die sie bestimmen lassen, bestmöglich fördert.
Ob wir uns ihr anvertrauen, liegt im Bereich unserer Freiheit und zwar in der Freiheit eines jeden existierenden Menschen.
(Womit ich nicht sagen will, diese Möglichkeiten der Freiheit wären in anderen Bereichen der Existenz, etwa auf Pflanzen- oder Elektronenebene nicht gegeben. Ich gehe im Gegenteil davon aus, dass diese Freiheit überall auf der Welt existiert, auf jeder Ebene des Seins.
Es wäre dumm, wenn die Physiker diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen würden. Es wäre eine Art von Ignoranz. Wirkliche Wissenschaft muss mit allem rechnen. Alles andere wäre Scheuklappentum.)
Wir haben die Wahl zwischen zwei Wegen:
Der eine Weg ist der Weg des Fressens und Gefressen Werdens, der ständigen Bedrohtheit und Angst. Dies ist die Welt von Paranoia und Größenwahn. Jeder spielt dem anderen ein Theater vor, um sich damit etwas zu erwirtschaften. Aber das ist dumm. [Das war gemeint mit den sogenannten „niederen Instinkten“, einfach ein Stadium niedriger Bewusstheit.] Es gibt einen intelligenteren Weg [der aber nicht unbedingt „mehr Intelligenz“ im üblichen Sinn des Worts erfordert]:
Der andere Weg ist der Weg des Vertrauens. Er führt uns zur vollkommenen Entspannung, so dass der Stoffwechsel unseres Organismus keinen Hindernissen mehr begegnet, keinen angstbedingten Verengungen von Gefäßen und Nervenleitungen.
Stress führt zu Stoffwechselstörungen. Mangel an Herausforderungen auch. Es gibt daher nur einen Weg zu wirklicher Heilung: Sich aus seiner Froschperspektive zu erheben und sich als das Auge Gottes zu erkennen und von da an die Welt und alles in ihr mit den Augen Gottes zu betrachten. Dann entfaltet sich unser Weg von selbst vor uns.
Und er entfaltet sich zunächst als Vision und dann als deren Konkretisierung. Ein immer tieferes Eintauchen in die Geheimnisse der Schöpfung und des Schöpfers.
Das hat Jesus gemeint mit seinem „Sucht zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch nachgeworfen werden.“ Es wird uns nachgeworfen werden. Das ist ganz realistisch gemeint, nicht buchstäblich natürlich, aber so, dass für uns gesorgt ist, sobald wir uns auf diesen Weg begeben.
„Suchet und ihr werdet finden!“ Das ist keine Illusion, es ist die Wirklichkeit. So läuft das Leben.
Sobald wir ihm vertrauen, ihm glauben, werden wir vom großen Geist bedient. Er serviert uns die Gelegenheiten. Wir brauchen sie nur noch ergreifen. Und die Gelegenheiten werden immer genau unserem Stand und unserer Kraft angemessen sein. Wenn wir glauben, ist unser Weg vorgezeichnet, es ist der Weg zu immer mehr Kraft, weil wir immer mehr entdecken, wie die große Kraft uns unterstützt. Und umso umfassender wir sie am Werk sehen können, umso mehr werden wir ihre reale Wirkung spüren. Und es wird eine sehr positive Wirkung sein, eine fördernde Wirkung für uns selbst und für unsere ganze Umgebung.
So wird sich das neue Wort [vom neuen Weg] ausbreiten, einfach durch Sympathie.
Die Menschen werden den Respekt lieben, der ihnen entgegengebracht wird und sie werden diesen Respekt gerne auch allen anderen entgegenbringen. Das ist die Quelle der Sympathie, die allein das (natürliche) Propagandamittel sein wird für diesen neuen/alten Glauben.
Jede Gewalt, so wie sie früher bei der Ausbreitung von Religionen oft gegeben war, kann keine Sympathie bringen, höchstens Angst und Beklemmung. Daher wird Gewalt kein Mittel sein, nicht für die Religion.
Sie wird jedoch ein Mittel bleiben für die, die in der Welt der Paranoia befangen bleiben. Und die wird es weiter geben auf der Welt.
Aber durch die Neue alte Botschaft werden Paranoiker und Größenwahnsinnige immer weniger Anklang finden, denn die Sehnsucht wird sich ausbreiten, wie eine Wolke [hier ist in unserer heutigen Wirklichkeit der Punkt des Bilds von der Wiederkehr Christi]. Und diese Wolke der Sehnsucht wird die Menschen massenhaft erfassen, denn in ihr werden sie sich aufgehoben fühlen und bei sich in besten Händen. Diese neue Aussicht wird die Menschen begeistern. Denn sie werden persönlich plötzlich die Chance entdecken zu ihrer persönlichen Entfaltung. Ein Licht wird ihnen aufgehen. [Natürlich genau jenes legendäre, immer wieder prophezeite erlösende Licht.] Jenes uranfänglich göttliche „Es werde Licht – und es ward Licht“ wird eine für uns erfahrbare Realität.
Dieses Licht wird die Menschen fesseln, weil sie in ihm ihre Freiheit erkennen können. „Meine Bürde ist leicht“ hat Jesus gesagt. Genau das hat er auch gemeint.
Die Menschen werden erkennen, dass das Ergebnis den Preis nicht nur wert ist, sondern allen Einsatz vervielfacht.
Es wird der logische Weg sein. Er wird eine neue Kultur der Menschheit begründen, die natürlich von unseren heutigen Gegebenheit ausgeht. Kein zurück in die Steinzeit. Vorwärts geht der Weg. Alles dem Alten nachtrauern wird nur hinderlich sein.
Ein Bild wird entstehen, wie in der ganzen Welt Frieden sein kann.
Und dieses Bild wird realisiert werden. Es ist möglich.
Es braucht nur diesen Weg, der beginnt mit der Visualisierung der großen Kraft. Sie ist der Schlüssel zu allen Geheimnissen, besonders zu unseren eigenen Geheimnissen. Alles wird uns bewusst werden auf diesem Weg. Aber keine Angst! So schlimm es um uns auch stehen mag, es gibt einen Weg [„Wenn einer schuldig geworden ist, auf dem Weg wird er entkommen.“ Lao-tse]. Wir brauchen also die Augen vor unserem Unglück und vor unserer Unzufriedenheit nicht verschließen, denn es gibt einen Weg zur Zufriedenheit für jeden und daher auch für uns.
Und dieser Weg ist um nichts schwerer, als der möglicherweise verhängnisvolle Weg, den wir zu der Zeit gehen, wenn wir von dieser Möglichkeit zum ersten Mal hören. Der Weg zur Erfüllung unserer Träume ist nicht schwerer als der Weg des Misstrauens und des Konkurrenzkampfs und auch nicht schwerer als der Weg der Trägheit, der Resignation, ja viel leichter als alle diese. „Mein Joch ist sanft“, sagt daher Jesus. Es ist das Joch der Bewusstheit.
Joch deshalb, weil es einen Einsatz erfordert, aber der Einsatz, den die Trägheit zur Folge hat, ist unvergleichlich belastender. Joch bedeutet freiwilliger Einsatz, Trägheit bedeutet unfreiwilliger Einsatz, und wesentlich heftigerer Art. Die Opfer sind nicht zu beneiden.
Manchmal gibt es natürlich unschuldige Opfer, also solche, die trotz Bewusstheit Opfer geworden sind. Sie sind mit Bewusstheit Opfer geworden und das ist etwas völlig anderes, als unfreiwillig Opfer zu sein. Ganze Kaskaden an Licht, das allen anderen Menschen leuchtet, entstehen durch solche freiwilligen Opfer. Die unfreiwilligen Opfer umgibt nur Dunkelheit. Das ist nicht sehr angenehm.
Dabei ist der Schritt von der Dunkelheit ins Licht so klein.
Das kleine Wort „ich will“ ist der Schlüssel zum Licht.
Wir müssen das „Es werde Licht!“ sprechen, sonst wird es niemand für uns tun.
Und wir sind legitimiert dazu – auch vom Anfang des Schöpfungsberichts, der ja unsere Situation schildert: „Die Erde war wüst und wirr. Finsternis lag über der Urflut.“ Unsere Situation ist aussichtslos. Doch so ist es nur bevor wir den nächsten Satz hören: „Und der Geist Gottes schwang über den Wassern.“ Im Chaos sind wir nicht allein, der Geist Gottes ist längst da, er brütet bereits etwas aus. Er wird es uns mitteilen, nämlich das „Gott sprach: Es werde Licht – und es wurde Licht“. Wir sind doch die Materialisierung Gottes an dem Platz, an dem wir stehen. Natürlich sind wir auch Gottes Mund, aus dem es nun tönt: „Es werde Licht!“ Nicht wir müssen es sprechen, Gott selbst spricht es durch uns. Wir müssen uns ihm nur als sein Sprachrohr zur Verfügung stellen.
Von da an beginnen unsere Angelegenheiten, sich zu klären.
Also was sollte uns hindern, diesen Weg zu beschreiten?
Angst? Nein, es ist ein Weg aus der Angst heraus in das Vertrauen. Ein Weg der Entspannung und gleichzeitig immer tieferer Konzentration. Der Weg der Bewusstheit eben.
Er beginnt mit einer Visualisierung, mit der Visualisierung der Wahrheit über diese Welt und unserer Position darin.
Der Anfang ist reine Übungssache. Es geht darum, dass wir uns daran erinnern. Wir müssen dann die Zeiträume der Erinnerung ausdehnen, uns möglichst viel erinnern. Von da an kommt uns die ja immer schon vorhandene Energie von der anderen Seite entgegen und hilft uns beim Erinnern, erinnert uns. Von da an geht es gewissermaßen von selbst. Denn nun empfinden wir unseren Einsatz nicht mehr als Last, sondern als Befreiung.
Die ersten dieser Erlebnisse, sind möglicherweise so intensiv, dass sie als eine Art Wunder erlebt werden, als das Wunder der Erleuchtung. Hier besteht die Gefahr, dieses Erlebnis zu überhöhen und sich [in der Welt von Größenwahn und Paranoia verharrend] etwas darauf einzubilden. Wenn wir dieser Gefahr nicht erliegen, indem wir uns eben daran erinnern, wer wir sind, kommen diese Erlebnisse öfter. Später gewöhnen wir uns an den Effekt und wir lernen, den Prozess selbst einzuleiten – und aus der Verbindung zur großen Kraft heraus zu leben.
Das Ende ist der Anfang. Wir werden von da an immer durch die Augen Gottes schauen und daher sehen, wo was Not tut. Da liegt unsere Aufgabe – auf welchen Gebiet immer das sein mag. Jeder kennt seine Stärken, die gilt es einzusetzen.
II. Der Weg im „Plan“ des Weltgeists
02_03_08
Ich weiß heute, dass der Weg, von dem ich spreche, eine herausragende Rolle spielen wird, sogar was die künftige Weltgeschichte betrifft. Er könnte auch sehr hilfreich sein im Finden einer Lösung des gegenwärtigen Konflikts der Kulturen, denn es ist ein Weg für alle. Mehr und mehr Menschen werden diesen Weg zu ihrem machen, weil er effektiv ist und jeden persönlich und sozial optimal fördert.
Niemand muss seinen Glauben aufgeben, aber jeder kann darin seine Bewusstheit erweitern und damit zu einem völlig neuen Verständnis seines Glaubens gelangen, in dem dann alle anderen Glaubensrichtungen eingeschlossen [und nicht wie bis jetzt ausgeschlossen] sind.
Es ist die neue Basis gegenseitigen Verstehens, die heute notwendig ist, um den Kampf zwischen den Kulturen umzuwandeln in einen Kampf miteinander statt gegeneinander und zwar in die Richtung, in die die Paradiesvisionen aller Religionen seit je her schon deuten.
Das sollte doch allen ein Anliegen sein. Ich bin sicher, es ist eins und nicht nur eins unter vielen, sondern das zentrale Anliegen überhaupt. Das ist die Basis des neuen Weges, der doch nur der alte ist [für alle Kulturen], aber doch heute neu [in allen Kulturen] definiert werden muss, damit dieser Einigungsprozess in Gang kommen kann.
Niemand kann verlieren auf diesem Weg. Alle können nur gewinnen. Es ist eine win/win-Konstellation.
Die, die jetzt imstande sind zu dieser neuen Sicht, müssen den Weg vorangehen. Die anderen werden folgen.
Es gibt keine Alternative zu diesem Weg in seinen vielen Formen, außer dem fortdauernden sich gegenseitig Niedermachen und Abschlachten, wie es jetzt geschieht. Ich finde, das muss aufhören und alle müssen daran mitarbeiten.
Eine wichtige Basis für diese Arbeit sind die Religionen, die ja bis jetzt leider zu sehr viel gegenseitigem Nichtverstehen beigetragen haben, obwohl sie doch das Paradies anstreben. Das ist schade. Dieser Kurs muss geändert werden.
Jede dieser Religionen ist daher aufgefordert, ihren Dogmenschatz auf jene Dogmen zu überprüfen, der diesem Nichtverstehen Vorschub leistet. Diese Dogmen sind zu überdenken. Ein tieferes Verständnis dieser Dogmen muss gefunden werden. In ihrem gegenwärtigen Verständnis sind sie für die Menschen schädlich. Das heißt aber nicht, dass die Formulierungen an sich unrichtig oder schädlich wären. Sofern ihr gegenwärtiges Verständnis aber diese schädliche Wirkung hat, müssen sie eben untersucht werden und das offenbar vorhandene grundlegende Missverständnis der betreffenden Formulierung (dieses Dogmas) muss im Licht der größeren Einheit entdeckt und revidiert werden.
Ich habe die grundlegenden Dogmen zumindest der großen Religionen [und auch einiger kleinerer] studiert und ein neues Verständnis dieser Dogmen gefunden, ein Verständnis auf das sich alle Religionen einigen können, weil es sie alle auf einer höheren Ebene neu versteht und eint. [Mit „höher“ meine ich keine Wertung, sondern einfach die übergeordnete logische Ebene, die Ebene der Synthese – womit ich natürlich nicht „Synkretismus“ meine.] Wenn sich die Religionen auf solche neue Erklärungen ihrer Dogmen einlassen können, hat die nächste Etappe der Bewusstheitsentwicklung eingesetzt. Dann macht die Menschheit einen Sprung nach vorn, in ein bisher ungeahntes Potential der Bewusstheit mit allen politischen Konsequenzen und auf der persönlichen Ebene mit massenhaften realen spirituellen Erfahrungen, die alle bisherige religiöse Theorie weit hinter sich lassen. Statt zu glauben können die Menschen – und zwar sehr viele – selbst erfahren und daher wissen.
Natürlich ist der erste Schritt zu dieser Erfahrung ein Schritt ins Nichtwissen, ein Schritt des Vertrauens, des Glaubens, nämlich des Glaubens an die tatsächliche Verbindung mit der Kraft, die das ganze All hervorgebracht hat. Von einem Bewusstsein der „Gotteskindschaft“ ist früher gesprochen worden oder von einem „Bund mit Gott“.
Das verlangt in Konsequenz natürlich einen Sprung, heraus aus dem, was wir vorher als „gesichertes Leben“ angesehen haben, in das Risiko. Ohne Risiko wäre es kein Glauben. Wir müssen also etwas wagen – letztlich unser Leben einsetzen für -?
Für die Wahrheit. Für unsere Wahrheit. Der Sprung besteht darin, dass wir uns zeigen und uns nicht mehr verstecken hinter Formeln oder Formulierungen, etwa hinter religiösen Bekenntnissen. Das Wagnis besteht nämlich genau darin, dass es darum geht, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind, und uns so mitzuteilen. Das Wagnis besteht in der Ehrlichkeit. – Natürlich meine ich nicht eine blöde Ehrlichkeit, die, ohne die Situation zu fühlen, etwas Preis gibt, was an der Stelle vollkommen verschwendet ist. Es geht darum, einfach (ohne dahinter liegende Theorie) sich zeigen, sich zumuten, seine Wünsche äußern – natürlich wieder an die geeigneten Adressaten. Und darauf vertrauen, dass sich daraus letzten Endes [nach der logisch folgenden vermehrten Wunscherfüllung und Befriedigung] auch eine persönliche Aufgabe ergibt im Sinn des Weltgeists.
Das ist der Weg, die persönliche „Berufung“ zu entdecken. Es geht nur durch vorbehaltlose Ehrlichkeit. Alle Wünsche müssen sein dürfen. Mit dem Respekt vor uns selbst entsteht der Respekt vor den anderen. Wenn wir sein dürfen [so wie wir sind], dürfen die auch sein. Das ist ganz normal.
Dagegen wenn uns unsere Lebensberechtigung aberkannt wird (in den Wünschen der anderen), dann ist ja klar, dass auch wir Tötungswünsche entwickeln und diese möglicherweise sogar verwirklichen. Das ist die momentane Situation in vielen Ländern der Erde.
Wie wär’s daher mit Respekt? Respekt verlangt aber, dass die Widersprüche aufgeklärt werden. Respekt verlangt Verstehen. Und indem ich den anderen (beispielsweise von einer anderen Religion) verstehe, muss ich auch seinen Glauben verstehen. Und Verstehen bedeutet, zustimmen Können. Das aber wieder verlangt mit Sicherheit ein neues Verständnis des eigenen Glaubens. Die allgemeine Bewusstheit wird dadurch auf eine neue Ebene gehoben.
Daher bitte ich noch einmal alle Mitglieder aller Religionen [wie wahnsinnig, wie absurd zu glauben, sie würden mir zuhören?], ihre eigene Religion nach den Lehren zu erforschen, die einen Widerspruch mit anderen Religionen darzustellen scheinen und diesen Widerspruch so lange zu betrachten, bis er sich löst. Die Tatsache des Widerspruchs zeigt mit Sicherheit auf ein Missverständnis. Diese Auseinandersetzung ist harte Arbeit, aber es geht. Steine beginnen zu schmelzen, die Dinge kommen in Fluss, sobald ein Mensch zur Lösung entschlossen ist. Das ist der andere mögliche Weg, der erste bestand im Verstehen der anderen Religion.
Es ist ein völlig logischer Weg, das aufzugreifen, was am meisten Reibung verursacht und zu versuchen, diese Reibung abzustellen. In der Technik hat man die Reibung schon ganz gut abgestellt, aber wie steht es in unserem persönlichen Leben und in der Gesellschaft und in der Weltgemeinschaft?
Daher einer der ersten Schauplätze dieses neuen Weges: die Partnerschaft. Auch da geht es nur darum, sich zu zeigen, sich zuzumuten, die Wünsche zu äußern – und logischerweise das alles auch seinem Partner / seiner Partnerin zu erlauben. Ein gemeinsamer Weg kann nur dort gefunden werden, wo Übereinstimmung ist. Und auch da können die Reibungspunkte entdeckt und bearbeitet werden, aber eben wieder nur, wenn Ehrlichkeit herrscht, was ab dem Moment an ja der Fall ist, wo einer sich zeigt, so wie er ist, ohne Theater, ohne Tünche, einfach wahrhaftig.
Da entsteht von selbst eine Atmosphäre, in der beide erkennen können, dass sie einfach bedürftige Wesen sind, die sich doch freuen über jeden Wunsch der ihnen erfüllt wird und die daher auch Verständnis haben und damit eine gewisse Gewogenheit für die Wünsche des Anderen. Das hebt die Bewusstheit mit Sicherheit – und es löst die Probleme der Partnerschaft, samt den Folgen für Nachwuchs etc..
Ein weiterer Schauplatz wäre der der Unternehmen. Für ein auf diesem Weg geführtes Unternehmen wird es wichtig sein, gut zu kommunizieren mit den Mitarbeitern und mit den Kunden, sowie auch mit der Konkurrenz. Und eine für alle profitable Lösung finden. Jetzt herrscht oft eine Ausbeutungsmentalität. Das muss nicht so bleiben. Es gibt auch hier das win/win-Modell, in dem sowohl die Kunden als auch die Mitarbeiter als auch die Aktionäre profitieren. Wer würde sich solche Unternehmen nicht wünschen? Es ist möglich, aber es braucht dazu eine bewusste Entscheidung für diese Unternehmenskultur. Und dieser Weg bietet eine Basis für eine derartige Entscheidung.
Ein weiterer Schauplatz ist beispielsweise die Psychiatrie. Hier ist es so, dass die traditionelle Psychiatrie von der These ausgeht, eine psychische Erkrankung wäre eine angeborene Stoffwechselstörung, die nur durch lebenslange medikamentöse Behandlung unter Kontrolle gehalten werden kann. Es gibt keine Heilungsaussichten, es gibt nur eine chemische Linderung der Symptome.
Hier würden die Patienten sich fragen, ob dieses Dogma das letzmögliche Verständnis ihrer Krankheit ist oder ob es auch noch andere Perspektiven geben könnte. Und ich präsentiere ihnen die ganz andere Perspektive: Anstatt sich als kaputte Produkte des Zufalls zu betrachten, verdammt zu lebenslänglicher Reparaturbehandlung, können sie sich als ein Wunder der Schöpfung betrachten, nämlich einfach als eine der Erscheinungen der großen Kraft, als Kind Gottes, und als solches berufen zur persönlichen Entfaltung. Dann nämlich bekommt die Erkrankung einen neuen Sinn. Sie ist nun nicht mehr ein unglückseliger Defekt, sondern der Versuch einer Lösung eines Defekts, der ganz wo anders herkommt. Und so können sie ihre Erkrankung verstehen und sie können das, was sie notwendig gemacht hat, nun mit anderen Mitteln erreichen, nun, da die Bewusstheit dafür ausreicht. Dann ist die Krankheit nicht mehr notwendig und dann wird sie verschwunden sein. Klar dass so Geheilte einen Quantensprung der Bewusstheit gemacht haben – und dass sie für die Sozialkassen keine Belastung mehr sein werden, sondern im Gegenteil wertvolle Therapeuten. Also wer sollte sich eine derartige Entwicklung nicht wünschen?
Was braucht diese Entwicklung? Glauben, wie alles andere auch. Irgendwer muss anfangen, zu vertrauen, dann breitet sich das Vertrauen aus. Am besten daher die unangenehm Betroffenen, die Leidtragenden, die Kranken. Auch sie müssen nur ehrlich sein, bzw. sich um Ehrlichkeit bemühen, denn keiner ist auf Anhieb ehrlich, das braucht ein Training, ein ständiges sich darum Bemühen.
Der erste Anfangspunkt dieser Ehrlichkeit ist, zu erkennen, dass wir selbst das Wichtigste sind, das es gibt auf der Welt, nämlich der wandelnde Gott auf Erden. So unglaublich das im ersten Moment für einen psychisch Kranken sein mag – oder eine geglaubte Selbstverständlichkeit für manche Maniker. Es ist möglich, ein Verständnis diese Tatsache zu gewinnen, das nichts Größenwahnsinniges hat. Denn natürlich sind wir gleichzeitig ein Nichts im Vergleich zu dem Vielen – aber eben doch das Wichtigste auf der Welt. Das sind die zwei Ebenen, die zwei Pole zwischen denen wir uns bewegen. Und es wird gut sein, uns immer beider Seiten bewusst zu sein. Sonst bleiben wir in den Fängen der Krankheit, die ja gerade in diesem Ungleichgewicht liegt.
Und so geht der Weg auf allen anderen Ebenen auch. Es beginnt mit absolutem Respekt vor uns selbst, im Bewusstsein der Tatsache, dass jeder Mensch eine Erscheinung Gottes auf Erden ist. Und daraus folgt das Vertrauen in das Leben. Denn die große Kraft will logischerweise, dass es uns gut geht, dass wir wachsen und gedeihen können. Deshalb bringt doch die Bibel das Bild mit dem Garten, den Gott gepflanzt hat, als etwas, das gehegt und gepflegt wird. So sind wir gedacht von der schöpferischen Intention und nicht nur gedacht, sondern wir werden tatsächlich gehegt und gepflegt. Das merken wir, sobald wir uns auf diesen Weg begeben. Vorher aber arbeiten wir dieser natürlichen Pflege oft entgegen durch unreflektierte Ansichten und Einstellungen, die auf uns in dieser Situation gar nicht passen. Daher müssen wir lernen, auch in uns selbst auf die Widersprüche zu achten und uns auch selbst in der Weise pflegen, dass wir die Reibungen abbauen und das Gleiten erleichtern. Und auch dadurch erreicht die Bewusstheit eine neue Ebene.
Es gibt keinen Bereich des Lebens, der davon nicht profitieren könnte.
Ich kann nur hoffen, dass sich niemand daran stößt, dass ich von diesem Weg in solchen Tönen spreche, die leicht für größenwahnsinnig gehalten werden können. Für mich persönlich gibt es keinen Grund, mir auf irgendetwas etwas einzubilden. Durch den Zufall meiner Lebensgeschichte bin ich auf diesen Weg der Suche und des Findens geschickt worden. Ich wurde nicht gefragt. Es wurde mir nur eine Situation nach der anderen präsentiert. Ich hatte nicht die Wahl, abzulehnen. Es wäre unmöglich gewesen. Aber das Ergebnis ist diese heutige Beschreibung des Weges. Und diese Beschreibung kann für alle passen. Durch sie kann eine neue Einigung der ganzen Menschheit entstehen und ein Schub in der Bewusstheit der Menschen, dessen Folgen noch gar nicht auszudenken sind.
„Es ist möglich“, das ist die heutige „Frohe Botschaft“. Es geht nur um diese Möglichkeit, darum, dass sie ergriffen und realisiert wird von möglichst vielen, denn diese Bewegung wird ein Segen sein für die ganze Menschheit.
Sogar Atheisten können sich für diesen Weg entscheiden, weil der Gott, die Kraft, an die wir uns wenden, ja nicht jener mythische alte Gott ist, der da irgendwo draußen sitzt und uns misstrauisch beobachtet und uns in die ewige Hölle wirft, wenn wir etwas nicht schaffen. Diesen Gott gibt es in Wirklichkeit nämlich gar nicht. Daher haben die Atheisten Recht, wenn sie sich weigern, an diesen Gott zu glauben, an dieses Horrorgespenst. Dieses Horrorgespenst ist ein Produkt der Welt der Paranoia. Solange dieses Gespenst uns verfolgt, können wir die wirkliche Kraft des Universums nicht sehen. Wir müssen und wir können aber in die andere Welt überwechseln, in die Welt des Vertrauens und dann können wir die große Kraft wirklich „sehen“ und erleben. Und diejenigen, die sich als „Atheisten“ betrachten, können das auch. Alles, was dazu nötig ist, ist eine realistische Einstellung dem Leben gegenüber, denn dann wird man sich einfach der Instrumente bedienen, die wirklich helfen. Das ist absolut ohne jeden Aberglauben realisierbar. Trial and Error, die uralte wissenschaftliche Methode, reicht dafür aus.
Aber – wie schon gesagt – ist es nicht ohne Risiko realisierbar. Und Fehlschläge auf dem Weg des Lernens müssen als normal einkalkuliert werden. Die ganzen Rückfälle in die Unbewusstheit, die wir erleben werden, könnten uns sogar entmutigen, wenn wir nicht dann, wenn wir wieder mit der Kraft verbunden sind, wahrnehmen könnten, dass sie keine Phantasie ist, sondern Realität. Wir müssen uns auf viele Fehlschläge einstellen. Diese Fehlschläge sind in Wirklichkeit aber gar keine Fehlschläge, sie sind nur die notwendigen Stationen unseres Suchprozesses, durch den wir uns nach und nach [nach den Erfahrungen mit unserem Handeln und mit unseren Einstellungen] immer schneller und immer feiner einstimmen lernen in den Geist des Ganzen.
Das, was ich „Geist des Ganzen“ nenne, ist eine Perspektive, nämlich ein Schauen und Wahrnehmen durch die Augen des einen großen Geists. Damit wir das können, müssen wir unsere Vorstellungen zumindest für diese Zeit suspendieren, da sie sonst die Wahrnehmung so überlagern würden, dass eine wirkliche Wahrnehmung gar nicht mehr möglich wäre. Dieser Weg, die Vorurteile zu überwinden, macht es notwendig, auch äußerlich, physisch, körperlich, geistig, intellektuell und mit allen unseren Gaben all das zu betrachten, woran wir uns stoßen und zu versuchen, es zu verstehen mit allem Wohlwollen, das uns möglich ist. Erst wenn wir es voll verstanden haben, wenn wir ihm voll zustimmen können, haben wir unser Vorurteil überwunden. – Mit diesem Zustimmen meine ich nicht, dass wir real etwas geschehen lassen sollen, was uns nicht recht ist. Dagegen müssen wir natürlich eintreten. Aber es wird uns sehr helfen in unserer Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Lebens und der Menschen, wenn wir verstehen.
Der Prozess, des sich Befreiens von den eigenen Vorurteilen, ist in verschiedenen spirituellen Schulen als ein „Reinigungsprozess“ beschrieben worden. Diese Reinigung besteht nicht in einer Gehirnwäsche. Um eine solche geht es allerdings in manchen Sekten. Durch Gehirnwäsche wird der Schmutz aber nicht beseitigt, sondern vermehrt. Das Gehirn muss nicht, kann gar nicht gewaschen werden. Nur neue Vorurteile können durch Gehirnwäsche eingeprägt werden. Unser Wahrnehmungs- und Welterfassensinstrument verfügt aber über ganz natürliche Ausscheidungsmechanismen. Ihnen gemäß wird etwas ausgeschieden, wenn es erledigt ist. Durch Gehirnwäsche werden Fragen nicht erledigt, sondern nur weiter nach hinten rangiert, wo sie aber nicht auf Dauer festgehalten werden können, weil die Suche nach Wahrheit in uns doch mächtiger ist, als alle Tabus.
Das Leben drängt mit Macht nach Entfaltung. Das ist eine Naturgegebenheit. Es ist die Grundlage der Natur. Es ist eben jene eine Kraft, die überall nach Durchsetzung drängt. Es fehlt also nirgendwo an Kraft. Die Kraft ist immer da, die Frage ist nur, ob wir auf sie eingestimmt sind oder nicht. Wenn nicht, werden wir gegen sie arbeiten und uns damit selbst behindern. Wenn wir uns auf sie einstimmen, steht sie uns zur Verfügung. Aber es ist klar, dass die persönliche Lebensreise nun der privaten Sphäre enthoben ist. Nun sind nicht mehr wir die Herren unseres Lebens, nun ist diese Kraft der Herr unseres Lebens – ganz so wie die heiligen Schriften aller Völker es sagen. Sie ist es zwar immer schon der Herr gewesen, aber solange wir diese Tatsache nicht erkannten, versuchten wir, unser privates Süppchen zu kochen im großen Konkurrenzkampf. Die Bibel würde sagen „in der Welt des Baal“, eben jenes vermeintlichen Gotts, der die Welt des Fressens und Gefressen Werdens beherrscht.
Die Welt des biblischen „Jahwe“ unterscheidet sich grundlegend von der Welt des biblischen „Baal“. Die Welt Jahwes ist die Welt des Vertrauens. Die Welt des Baal ist die Welt von Größenwahn und Paranoia. Sie ist von Angst beherrscht. Angst verengt bekanntlich die Gefäße, bewirkt also Stoffwechselstörungen. Für die Unterlegenen in diesem System wird sich das in Form von Krankheiten ausdrücken, für die es keine Heilung geben wird, weil die Krankheiten ja nur Ausdruck eines grundlegenden Fehlers in der Lebenseinstellung sind. Damit sage ich nicht, dass die Kranken selbst schuld wären an ihrer Krankheit. Sie sind es nämlich nicht, es ist eine Erkrankung des ganzen Systems, zu dem man gehört. Die Individuen, die es trifft haben nicht unbedingt etwas dazu beigetragen. Sie haben die Schwäche entweder ererbt oder über die Wege der sozialen Kommunikation übertragen bekommen.
Die „Möglichkeit“, von der ich spreche, besteht darin, dass ein Mensch, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben sieht, wie es um ihn steht, ein neues Leben beginnen kann, in dem andere Gesetze herrschen, in dem Licht auf die dunklen Stellen geworfen wird. Es wird auch Licht auf die Kräftekonstellationen seiner Ahnen und seiner Umgebung geworfen, sodass er/sie sich selbst versteht und sich geführt sieht von dem einen großen Geist. Von da an beginnt logischerweise die Heilung. Solange ein Mensch im Dunkel der Welt der Angst lebt, gibt es keine Heilung. Heilung gibt es nur in der Welt des Vertrauens. Das Licht, das in dieser Welt scheint, ist das Licht der Bewusstheit.
All die großen revolutionären Ideen unserer Geschichte, wie die französische Revolution oder die kommunistische Revolution hatten das irgendwo im Hintergrund, aber eben als ferne Vision und daher setzten sie am falschen Punkt an. Die Heilung kommt eben nicht von der Vernunft, sondern von der Bewusstheit, in der die Vernunft nur ihren natürlichen bescheidenen Platz einnimmt neben all den anderen Wahrnehmungen. Und sie kommt auch nicht durch das Gemeinschaftseigentum an Produktionsmitteln, das kann vielleicht ein Ergebnis sein in einer späteren Phase der Entwicklung, aber es ist nicht die Schlüsselstelle. Die Schlüsselstelle der Veränderung ist die Bewusstheit, die Sensitivität, die Aufmerksamkeit. Und das sich Respektieren. Und die anderen respektieren, logischerweise, denn durch fehlenden Respekt den anderen gegenüber würden wir die Realität ignorieren. Und das könnte nicht lange gut gehen. Aus diesem Respekt ergibt sich von allein eine gerechtere Verteilung der Güter und der Information, so wie die Kommunisten es ersehnt hatten. Dieser Weg ist daher auch ein Weg für Kommunisten. Natürlich nur, wenn ihnen wirklich die Gemeinsamkeit ein Anliegen ist, nicht wenn sie nur eine Ideologie im Kopf haben. Die Ideologen werden diesen Weg ablehnen, wie alle Apparatschiks überall. Für die echten Kommunisten aber eröffnet dieser Weg ganz neue Chancen für die Realisierung ihres Traums von der Gemeinschaft. Es ist eine zwangfreie Realisierung von Gemeinschaft, nicht verordnet, sondern frei gewählt – aber letzten Endes doch nicht „frei“ gewählt, denn unsere Natur hat schon vor uns gewählt und uns ein inneres Bild des Himmels mitgegeben, in dem eine Gemeinschaft von sich gegenseitig respektierenden freien Wesen versucht, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Jeder in seinem Bereich.
Die Verwirklichung beginnt damit, dass wir mit dem schon Beschriebenen beginnen, dass wir anfangen, uns selbst und alle anderen als einzigartige Erscheinungen der großen Kraft zu erkennen und uns ganz natürlich entsprechend zu verhalten. Ohne Moral, ohne behördlichen Zwang, ohne inneren geistigen Zwang etwa durch eine Ideologie, also einfach von selbst. Nur so fühlen wir uns wohl und nur so können wir es den anderen auch erlauben, sich ebenso wohl zu fühlen.
Selbstverständlich werden wir da Dienste, die für uns angesagt sind, nicht verweigern. Durch jeden Dienst werden wir wachsen. Wir sind am Ende die Beschenkten. Die notwendigen Dienste ergeben sich aus unseren Begegnungen. Da sind die „Nächsten“ zu finden, von denen Jesus gesprochen hat. Da, wo wir sind, müssen/dürfen wir uns einsetzen. Indem wir dem großen Geist folgen, werden wir nicht mehr fragen, was bringt es uns, sondern es wird uns eine Freude sein, zu geben, was wir haben.
Solange die Nächstenliebe ein Gebot ist, sind wir nicht da. Wenn es eine Freude wird, sind wir da. Sobald wir uns auf den großen Geist einstimmen, sind wir da. Und da ist immer alles ok. Da ist alles gut.
III. Ich bin vollkommen in Deiner Hand
11. 3. 2002
In der Kapitulation sage ich: Ich bin vollkommen in Deiner Hand. Und ich meine in der Hand der großen Kraft, aus der alles hervorgegangen ist und die auch jetzt den vollkommenen Überblick über die Lage hat. Und schon öffnet sich dieser Überblick.
Aber wie funktioniert das? Was geschieht, wenn ich das sage?
Ich vertraue auf etwas, das in mir ist. Ich vertraue also darauf, dass dieses Wissen auch irgendwo in mir selbst ist, dass in mir zumindest ein Organ ist, das Zugang hat zu diesem Wissen. Wenn ich danach forsche, werde ich irgendwann herausfinden, wie dieses Organ zu gebrauchen ist. Indem ich darauf vertraue, werde ich es sehr schnell erfahren. Ich habe es bereits erfahren. Daher weiß ich, wovon ich rede.
Und außerdem vertraue ich darauf, dass ich so gebaut bin, dass etwas in mir nach Vollkommenheit strebt, mich in die Richtung [auf ein besseres Leben] zieht. Es ist eine Art inneres Programm – genau das Programm, das schon die ganze Evolution gesteuert hat. Es ist, logischerweise, auch in mir. Es äußert sich in unserer Sehnsucht. Und die bringt auch die Energie mit, die notwendig ist zur Realisierung der notwendigen Schritte. Diese Energie ist erfahrbar. Ich erfahre sie. Daher weiß ich, dass sie da ist – und zwar nicht nur für mich.
Und dann vertraue ich auch noch darauf, dass es etwas in mir gibt, das erkennen kann, wie ich mich genau dem Ziel meiner Sehnsucht nähere [es ist so etwas wie eine multiple-way-communication-Flugsteuerung für meinen Flug durch die Realität] und was ich dafür als nächstes [an Aufgabe, an Training, an Herausforderung] brauche und das auch imstande ist, die Weichen dafür zu stellen, sodass es zu den notwendigen Begegnungen kommt. Es ist also eine Art urteilender und fürsorgender Instanz – deren Urteile nichts zu tun haben mit unseren täglichen Urteilen und Bewertungen, sondern die einfach feststellt, was ist und was daher gebraucht wird. Und deren Einfluss weit über meine Person hinausgeht, weil sie offenbar so etwas wie Rufe auszusenden imstande ist, vielleicht vergleichbar mit den Rufen, die die Gralsritter hören konnten. In Wirklichkeit können alle diese Rufe hören, und alle werden von solchen Rufen auch gesteuert, wenn vielleicht auch nicht bewusst. Sogar die biblischen Heuschrecken und die Frösche haben diese Rufe gehört, zumindest in der Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten.
Das Vertrauen in diese Instanz zeigt mir die Situationen, die mir mein Schicksal beschert, in einem ganz anderen Licht. Etwa eine Erkrankung ist dann nicht mehr nur ein wohl oder übel zu erduldendes Schicksal, sondern sie wird zu einer Herausforderung, zu einer Gelegenheit, etwas über mich und die Welt zu erfahren. Und wenn ich die Herausforderung angenommen habe, wird die Krankheit [irgendein Leiden] irgendwann nicht mehr nötig sein, weil ich sehe, woher sie kommt, welche Kräfte sie hervorgebracht haben. Ich werde mich mit diesen Kräften dann bewusst auseinandersetzen, nämlich da, wo sie mir in sichtbarer Gestalt begegnen im realen Leben.
Und so werde ich ein neues Leben zu leben beginnen, indem ich mich dieser Kraft vollkommen anvertraue. Sie hat für alles gesorgt. Ich brauche nur noch auf sie achten und ihren Hinweisen folgen.
Das ist der Weg. Für mich. Und ich kann diesen Weg nur allen empfehlen. Es ist ein Weg der optimalen Förderung der ganzen Existenz in jeder ihrer Dimensionen. Es findet eine völlige Neugestaltung statt. Ein neues Leben. Das Leben überhaupt. Eine Entfaltung, der kein Ende gesetzt sein wird. Auch nicht durch den Tod. Die Bewusstheit bleibt erhalten, wo immer sie dann wirken mag. Dieses Leben hat kein Ende. Es hat nur immer neue Phasen höherer Bewusstheit und tieferen Verstehens. Wir sind jetzt da, wo wir sind, egal wo das sein mag. Von jedem Punkt aus ist dieser neue Lebenskurs möglich. Es gibt keine Nachteile. Es ist der Weg, der die Angst überwindet, der Weg, der das Göttliche in uns zum Erscheinen bringen wird. Wer sollte sich darüber nicht freuen? So kommt der Himmel auf die Erde! Für alle ist es möglich, jederzeit, egal von welchem Punkt der Existenz aus. Warum länger in der Hölle bleiben? Es ist nicht nötig.
Und keiner muss mehr Angst haben, dass er nicht sein dürfte. Alle Varianten dürfen sein. Wir sind Menschen, bedürftige Wesen. Jedem, der ehrlich ist, ist das klar. Wir müssen uns als das akzeptieren, was wir sind, egal was. Damit fängt es an. Indem wir uns, als der Dreck, als der wir uns möglicherweise gerade fühlen, dem Himmel zuwenden und unsere Lage aus den Augen Gottes betrachten. Wenn wir genau schauen, werden wir sofort erkennen, dass wir gewissermaßen Gottes anderes Ende sind – im Sinn der mythischen Uroboros-Schlange, die sich selbst betrachtet wie ein Gegenüber, obwohl sie doch eine ist. Und so werden wir sehen, dass in uns selbst diese göttliche Kraft gegenwärtig ist [das war der ursprüngliche Sinn des Glaubens an „den Sohn Gottes“ bzw. an die Gotteskindschaft], ja dass wir sie im eigentlichen Sinn des Wortes sogar sind.
Das Problem begann, gemäß Bibel ja dadurch, dass die ersten Menschen ihr traditionell und durch die zufällige persönliche Geschichte geformtes Urteil dem Urteil der großen Kraft entgegensetzten – also indem sie eine Froschperspektive entwickelten, und glaubten, die große Welt wäre tatsächlich so, wie sie sie sich in ihrem beschränkten Sichtkreis vorstellten. Sie entwickelten Kategorien und urteilten gemäß ihren Kategorien mehr als gemäß dem Urteil des großen Geists. Dadurch entwickelten sich Widersprüche, weil der große Geist ja weiterhin die Welt lenkte in seinem Sinn. Und diese Widersprüche wurden als der Verlust des Paradieses erlebt.
Und dann wurde dieses Problem auch noch weitergegeben, sodass wir alle es geerbt haben.
Biologisch betrachtet, ist es einfach die menschliche Entwicklung, die eben über die Entwicklung des Begriffssystems geht mit all den Problemen, die daraus entstehen. Es ist eine unvermeidbare Entwicklung. Aber damit ist die Entwicklung ja nicht abgeschlossen. Nun folgt eine neue Phase. Ein Erinnern an die Kraft. Und dann werden die beiden Systeme verbunden. Das System der Begriffe mit dem mysteriösen System der Kraft. Das Ergebnis ist vor einigen Jahrzehnten als der Traum von der „Selbstverwirklichung“ zumindest intendiert gewesen, andere suchen es als Erleuchtung. Es ist das sich reale Erinnern an die Kraft – natürlich dann auf sie achten – ohne unsere Begrifflichkeit zu verlieren, und ohne uns deshalb für „schlecht“ oder „unwürdig“ zu halten, weil wir bedürftige und in unserer Bedürftigkeit schwache Wesen sind, die oft genug darin auch fallen. Das alles gehört dazu. Es ist kein Hindernis für die Verbindung mit dem Geist.
Es gibt nur ein Hindernis und das ist der Stolz. Wenn ich es besser weiß und dem großen Geist nicht traue, muss ich natürlich weiterhin meinen eigenen Rezepten folgen. Dann muss ich noch Geduld haben, bis die Folgen des darin liegenden Widerspruchs sich materiell niederschlagen und mir Misserfolg bescheren. Es ist unausweichlich. Wenn ich nicht mit dem großen Geist übereinstimme, erzeuge ich einen Widerspruch. Er wird mich zu Fall und dadurch hoffentlich zum Nachdenken bringen.
Mit Übereinstimmung mit dem Geist meine ich natürlich nicht jene sektenhafte Hallelujah-Übereinstimmung, bei der jedes Mitglied gewisse Bereiche von sich verleugnen muss, sondern die Übereinstimmung mit dem großen Geist, die mir in meiner individuellen Situation sehr individuelle Möglichkeiten der Entfaltung zeigt – natürlich unter Einschluss aller Sinne und meines persönlichen Urteilsvermögens, nicht einfach blind einer möglichen Illusion folgend. Bewusst eben. [Dahin führt uns schon allein die Biologie.] Es ist eine neue Ebene der Bewusstheit, die über Klugheit und Instinkt hinausführt.
Und das sollte keine positiven Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit dieses Menschen haben? Es ist klar, dass dieser Weg in jeder Hinsicht fördert.
Dabei müssen wir nur unserer Natur Raum geben. Uns respektieren in unserem ganzen Sein. Dann stoßen wir von selbst auf den Geist als unserem Grund.
Alle Weg führen da hin, sobald wir unseren Geist öffnen, sobald wir anfangen, uns unserer selbst bewusst zu werden. Und wenn wir am Grund unserer Existenz angekommen sind, folgt ganz von selbst unsere Kapitulation vor der großen Kraft. Dann wissen wir: Wir sind vollkommen in ihren „Händen“. Und wir brauchen keine Angst mehr haben, denn sie ist mit und in uns in jedem Augenblick. Und ihre Intention wird durch uns real.
Die Meditation
(ursprünglich intendiert für psychiatrisches Fachpersonal) 02_03_22
Meine Meditation ist sehr einfach. Sie schließen die Augen, atmen gut und gehen in sich selbst an einen angenehmen Ort. Lassen Sie alles los, auch was Sie in den Händen halten, legen Sie es einfach an einen sicheren Platz, vielleicht unter Ihrem Stuhl. Sie dürfen sich jetzt ganz entspannen. Alles ist in bester Ordnung. Sie sind vollkommen sicher.
Fühlen Sie jetzt, wie gut es ist, so bei sich zu sein. Und wenn Sie sich an ihrem angenehmen Ort so richtig gut fühlen, denken Sie jetzt an all das, was Sie in letzter Zeit verunsichert hat. Betrachten sie es von dem sicheren Ort aus, an dem Sie jetzt sind.
Und Sie werden jetzt die Lösungen sehen, ihre Lösungen.
Und Sie werden diese Lösungen behalten, wenn Sie wieder zurückgehen in Ihren Alltag. Sie brauchen sie jetzt nicht festhalten. Sie können vertrauen und loslassen.
Sie können es daher nun einfach wagen, meinen Worten zu folgen und mich jetzt begleiten (mit allen Ihren Sinnen) auf eine Reise durch das Universum und zurück an dessen Ursprung.
Sie wissen von den Dimensionen des Alls, von seinen Milliarden von Milchstraßen, die teils Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind, und Sie wissen von unserem Sonnensystem mit seinen Planeten und von uns auf einem von ihnen, wie winzige Würmer, unscheinbarst, als eine äußerst unwahrscheinliche Chance der Evolution, und vielleicht sind wir auch nicht die Einzigen unserer Art in den unermesslichen Weiten des Universums.
Und Sie wissen, dass all das vor mehr als zehn Milliarden Jahren in einem gewaltigen Urknall begonnen haben soll.
Was für gewaltige Energie sich da entladen hat. Unvorstellbar.
Und dann ist diese Energie offenbar nicht einfach in Trägheit übergegangen, sondern sie hat das All in eine Richtung gedrängt, die am Ende uns Menschen hervorgebracht hat. Es war diese eine ursprüngliche Energie, die das alles hervorgebracht hat und diese Energie lenkt bis heute alles im Universum. Und es wäre daher nicht unbedingt intelligent, zu glauben, diese Energie hätte keine Bewusstheit – auch wenn diese Bewusstheit in einer gewissen Hinsicht auch unbewusst erscheinen mag, als sprachlose „Materie“ – aber gerade in dieser anscheinend sprachlosen Materie sehen wir doch durchgehend einen unverkennbaren Trend der Evolution und zwar genau den Trend hin zur Bewusstheit – gipfelnd in uns Menschen, zumindest unserer Anlage nach, also intendiert. Und dann setzt sich dieser Trend in unserem persönlichen Leben fort in dem unauslöschlichen Drang zur Realisierung dieser Bewusstheit. Es ist offenbar eine Art inneres Programm, das uns in diese Richtung drängt. Jeder Mensch hat diesen Drang und dieses Programm. Das Leiden drängt uns in diese Richtung und die Sehnsucht. „Der Himmel und die Hölle“, von denen die alten Religionen sprechen, bewegen uns tatsächlich. Von beiden Seiten drängt uns das Leben zu unserer vollkommenen Entfaltung.
Wir haben diesen Drang, diesen Weg nicht geschaffen. Es ist der Weg der gesamten Evolution von Anfang an und er wirkt in allem. Er ist uns eingebaut wie allem anderen auch. Von wem ist er uns eingebaut? Natürlich von dieser einen großen Energie. Sie wollte gerade auch uns und sie wollte und sie will immer noch, dass wir uns vollkommen entfalten. Und dadurch drängt sie uns schon von Natur aus in Richtung Bewusstheit. Es ist gar nicht unsere Wahl, aber wir werden uns unzufrieden fühlen, bis wir diesen Weg nicht bewusst eingeschlagen haben. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“, sagte daher einst der alte Kirchenlehrer Augustinus. Und dieses „dir“ oder „du“, von dem er spricht, ist jene eine große Kraft, die alles hervorgebracht hat. Seltsamerweise wird diese Kraft oft als kalt und gefühllos betrachtet, aber sie ist weder kalt noch gefühllos, im Gegenteil. Sie fühlt alles. Sie fühlt auch, was wir fühlen, denn wir sind doch eine Äußerung von ihr. Und natürlich können wir in direkte Kommunikation treten mit ihr, mit dem großen Du. Und da zeigt uns dieses Du unsere Chancen und es gibt uns natürlich auch die nötige Kraft, wenn wir durch sie und in Übereinstimmung mit ihr ein lohnendes Ziel sehen.
Logischerweise will diese große Kraft nicht unsren Untergang, sondern sie will, dass wir uns entfalten. Sie steht voll hinter uns. Und sie kennt von ihrer übergeordneten Warte aus den idealen Weg für uns – besser als wir selbst. Wir selbst sind mit unserer Weisheit ja nur bis da hin gelangt, wo wir sind. Wenn wir unzufrieden damit sind, dann gibt es hier ein Angebot: Wir können uns auf die Perspektive der großen Kraft einstellen, auf die Perspektive der Kraft des Ganzen und durch diese Perspektive Lösungen für uns selbst finden, die wir auf unserem bisherigen Kurs durch das Leben nicht finden haben können.
Deshalb ist die Übereinstimmung mit der großen Kraft das erste Ziel auf dem Weg zu unserem neuen Leben. Die Übereinstimmung mit der großen Kraft gibt unendliches Vertrauen. Und das Vertrauen entkrampft. Und dann beginnen die Dinge, sich zu lösen.
Das ist die Wirkung von Spiritualität.
Es kommt nun darauf an, diese Meditation öfter zu machen, immer wieder, möglichst täglich, irgendwann bald natürlich mit eigenen Worten. Dann beginnen die Dinge, sich zu lösen.
Und nun schauen wir noch einmal auf die Lösungen, die wir vorhin für uns selbst gefunden haben. Es ist leicht, uns wieder an sie zu erinnern: Wir brauchen uns nur noch einmal die Frage zu stellen, womit wir denn unzufrieden sind in unserem Leben, und dann die Antwort zu betrachten, die jetzt aus unserer ja gegenwärtigen Verbundenheit mit der Perspektive des Ganzen kommt.
Und auch jetzt brauchen wir nicht festhalten, was wir gesehen haben, denn wir können an diesen „Ort“ jederzeit zurückkehren, auch im Alltag, wir brauchen uns nur immer wieder die Frage stellen, womit wir denn unzufrieden sind in unserem Leben und uns dann einstellen auf die Perspektive des Ganzen. Sie wird kommen. Garantiert. Jederzeit. Es ist nicht schwer.
Und damit haben wir einen unschätzbaren Leitfaden für unser Leben entdeckt, den Ariadnefaden heraus aus unserem Labyrinth. Wir können diese Sicht jetzt jederzeit einblenden in allen konkreten schwierigen Fragen unseres Lebens.
Die Aussichten, die diese Sicht eröffnet, sind gewaltig, aber diese Sicht ist keine Errungenschaft. Sie ist ein Geschenk, das jedem gegeben wird, der es will, weil doch diese Kraft selbst uns zu dieser Sicht drängt. Diese Sicht ist daher etwas völlig Natürliches. Sie braucht auch keinerlei übernatürliche Annahmen und daher ist sie auch für Atheisten geeignet. Sie sucht keinen Gott irgendwo, denn sie weiß doch, dass die große Kraft das Wesen von allem ist. Wir brauchen sie nicht suchen. Wir brauchen nur unsere Augen aufmachen und sehen.
Und unsere Augen öffnen lernen wir in dieser Meditation.
In knappen Worten: Wir brauchen uns nur an die gewaltige Energie erinnern, die dieses Universum aus sich hervorgebracht hat. Und daran, dass diese Energie nicht blind ist, sondern dass sie auf unsere Entwicklung gedrängt hat und uns dadurch entstehen hat lassen, einfach durch den normalen evolutionären Druck in der Materie.
Und da sind wir nun und in uns die Bewusstheit und in ihr unsere Chance.
Die Perspektive des Ganzen ist die rettende Perspektive.
Das ist Spiritualität.
Bewusstheit.
Analyse des posthumen Erscheinens Jesu
anhand der Emmaus-Geschichte
(28. 4. 2002)
Die Emmausgeschichte (Lk 24, 13-35) gehört wahrscheinlich zum Legendengut des Lukas, trotzdem eignet sich die Geschichte als exemplarische Erzählung sehr gut dazu, zu verstehen, was mit der „Auferstehung Jesu“ gemeint ist:
Die beiden Jünger treffen am Tag nach der Kreuzigung auf ihrem Weg in ihr Heimatdorf Emmaus einen Fremden, der sie dazu veranlasst, sich ihre Erlebnisse mit Jesus noch einmal zu vergegenwärtigen. Der Fremde ist daher der Ehrengast und als dieser bricht er beim Abendessen das Brot. Und da läuft der Prozess ab, der später als „Auferstehung Jesu“ bezeichnet wird:
1. Im Augenblick des Brotbrechens erscheint aus ihrer doch extrem frischen Erinnerung das Bild Jesu und überlagert das Wahrnehmungsbild des Fremden. Sie sehen Jesus.
2. Aber sofort werden sie ernüchtert durch ihre Erkenntnis: Jesus ist tot und begraben. Er wird nie mehr wieder kommen! Nie mehr! Das ist ihnen so vollkommen klar, wie es uns klar sein würde.
3. Einen Augenblick später aber wird ihnen klar, dass Jesus ihnen doch alles bereits gesagt und gezeigt hatte, was es zu sagen oder zu zeigen gab. Es war nun klar an ihnen, seine Art zu leben aufzugreifen, sich innerlich so einzustellen, wie er eingestellt war, so aufzutreten, wie er aufgetreten war, so zu leben, wie er gelebt hatte.
4. In dem Moment, in dem sie aus ganzem Herzen „ja“ dazu sagten und sich diesem neuen Leben verschrieben – ist Jesus in ihnen lebendig geworden mit der ganzen Gewissheit seiner Gegenwart. Und damit ist er tatsächlich wiedergekehrt, tatsächlich auferstanden von den Toten.
Entscheidend zum Verständnis dieser biblischen Bilder und Formulierungen ist die (damals nicht mögliche) Unterscheidung zwischen „objektiv“ und „subjektiv“: Alle biblischen Auferstehungsberichte sind Aussagen über objektive Sachverhalte. Jesus ist in seinen Schülern tatsächlich wieder lebendig geworden. So wie er selbst es in seinen Aussagen über das Früchtebringen schon beschrieben hatte, war er der Same, der in die Erde gefallen ist – und bis heute Millionenfache Frucht gebracht hat.
Was subjektiv mit ihm geschah, weiß niemand. Die biblischen Auferstehungsberichte jedenfalls berichten nichts darüber. Sie berichten ja nur über „Erscheinungen“, also über ein (objektives) Erleben der Schüler Jesu – oder ihre subjektive Wahrnehmung.
Die Unterscheidung von subjektiv und objektiv ermöglicht eine genaue Analyse von Erscheinungen aller Arten, Erscheinungen von Verstorbenen genauso wie psychiatrische Erscheinungen, also Halluzinationen, aber auch mystische Erlebnisse.
Wenn beispielsweise ein Verstorbener entweder in einer Seance oder spontan „erscheint“, ist damit nichts über das subjektive Befinden des angeblich Erscheinenden ausgesagt, es ist nur etwas ausgesagt über den, der die Erscheinung (objektiv) wahrnimmt. Die bisherige Betrachtungsweise hat objektiv und subjektiv immer als eins gesehen. Dadurch sind gewaltige Missverständnisse entstanden, unter anderem eben die Meinung, das Grab Jesu wäre wirklich leer gewesen, weil eben Jesus seinen alten Körper in der Auferstehung wieder belebt habe. Und allein dieses Missverständnis (weil eben das Bild des leeren Grabes mit einem real leeren Grab verwechselt wurde) hat unglaublich viel Leid über die Menschen gebracht, durch die religiösen Auseinandersetzungen und gegenseitigen Verurteilungen und Verfolgungen. Die Unterscheidung von subjektiv und objektiv aber löst das Missverständnis auf:
Die Erscheinungen Jesu sagen nichts aus über die subjektive Existenz Jesu nach seinem Tod. Sie machen nur eine Aussage über eine Wirkung, die Jesus samt seinem Tod auf seine Schüler gehabt hat.
Es ist daher nicht notwendig, irgendwelche Erscheinung zu leugnen oder zu unterscheiden zwischen wahren oder unwahren Erscheinungen oder zwischen „echten“ und „unechten“ mystischen Erlebnissen. Die Wahrnehmung einer [jedweder] Erscheinung ist zunächst eine objektive Tatsache und muss als solche respektiert werden. Die Bedeutung und Interpretation des Inhalts dieser Tatsache ist aber immer eine subjektive, bezogen auf die Person, die die „Erscheinung“ hat, niemals bezogen auf die Person, die angeblich erschienen sein soll. Über die ist [auch durch die verlässlichsten „Seher“] weiterhin nicht mehr bekannt als die Wirkung, die sie auf die Person hat, die die Erscheinung hat. Wenn diese Person ratlos ist, kann ihr (therapeutisch) geholfen werden, wenn die Person dadurch aber innere Klarheit gewinnt über den Sinn des eigenen Lebens ist es diese Klarheit selbst, die wieder anderen helfen wird. So etwas war bei den Erscheinungen Jesu der Fall. Sie haben seine Schüler verwandelt. Aus ängstlichen Durchschnittsmenschen wurden Menschen, die die Welt veränderten. Aber alle Aussagen, die aus den Auferstehungs-Erscheinungen Rückschlüsse auf die Seins- und Befindlichkeitsebene Jesu ziehen, sind ganz klar illegitim.
Im Fall psychiatrischer Erscheinungen, also Halluzination und dergleichen, kann der Patient durch die Unterscheidung von „objektiv“ und „subjektiv“ verstehen, dass seine Wahrnehmung nicht [unter keinen Umständen] in Frage gestellt werden kann, es geht nun also nur noch um die Interpretation und deren Nutzung für das eigene Leben. Dadurch werden die Patienten nicht, wie durch die bisherige psychiatrische Sichtweise, entwertet, sie werden aber an die Aufgabe verwiesen, die das Leben diesen Patienten durch ihre Wahrnehmungen eben gestellt hat. Es muss ihnen nun nur noch geholfen werden, eine Lösung für die Widersprüche zu finden, auf die die Erscheinungen hindeuten. Darauf allein muss sich das therapeutische Bemühen konzentrieren.
Die Unterscheidung zwischen „subjektiv“ und „objektiv“ liefert aber beispielsweise auch eine Erklärung dessen, was in einer Familienaufstellung geschieht: Derjenige, der die Aufstellung macht (nicht der Leiter, sondern der Klient) bringt sich mit all seinem bewussten und unbewussten Wissen ein. Es geschieht so eine Art Invokation oder eine Projektion dieses [objektiv vorhandenen] Wissens in das Feld der Aufstellung. Der Klient oder Patient hat auch alles Wissen, das für die Lösung seines Problems relevant ist, aber es ist ihm nicht zugänglich. Die Projektion nach außen ermöglicht ihm und seinen Helfern aber einen Überblick. Die energetischen Verflechtungen beispielsweise mit den Ahnen und mit anderen Familienangehörigen werden sichtbar. Die Aufstellung ist eine objektive Darstellung dieses energetischen Geflechts aus der Perspektive des Patienten. Kein Detail dieser Ansicht muss übereinstimmen mit subjektiven Empfindungen oder Anschauungen anderer Beteiligter an dem Geflecht. Es geht in einer Familienaufstellung ja nicht darum, eine intersubjektiv übergeordnete Objektivität zu erreichen [wie etwa in einem Gerichtsprozess], sondern die Objektivität des Patienten reicht aus für die Lösung. Alle anderen Perspektiven der anderen Beteiligten können nur als subjektiv bezeichnet werden und sie scheiden damit als wirkende Faktoren aus. Die einzige andere Objektivität, die noch eine Rolle spielt, ist die der menschlichen Natur, die sich aber auch im Patienten als subjektives Wahrheitsempfinden vorhanden ist in Form von Archetypen der Beziehungen. Die Aufgabe des Familienstellens besteht also darin, diese Archetypen der Beziehungen in Beziehung zu setzen zu dem persönlichen Empfinden der real erlebten Beziehungen. Aus dem Vergleich dieser beiden Bilder [des kollektiven mit dem persönlichen] entsteht das Lösungsbild. Die subjektiven Empfindungen der anderen Beteiligten spielen dafür erst dann eine Rolle, wenn in dem Klienten während seiner Suche nach einer Lösung ein Interesse daran erwacht, also nur insofern, als sie eine Lücke in der Wahrnehmung des Klienten bilden, deren Schließung für die Lösung notwendig ist.
Auf die Frage nach dem subjektiven Schicksal Sterbender scheint die Gerichtsrede Jesu zu antworten. Doch auch sie macht keine konkreten Aussagen. Sie bringt nur Bilder, die darauf aufmerksam machen, dass das Leben nicht ewig dauert, dass es also gut sein wird, es nicht ungenützt verstreichen zu lassen – Jesus rüttelt auf etwa nach dem Muster von „Was bringt es euch, wenn ihr nur die grüßt, die euch grüßen?“
Eine andere Quelle könnte die Reaktion Jesu auf die Geschichte mit der Frau sein, die nacheinander von sieben Männern geheiratet worden war und alle überlebt hatte. Wem wird sie also nach der Auferstehung gehören? Leider enttäuscht Jesus auch hier die Fragesteller mit seiner Aussage, dass die Verstorbenen nicht heiraten, sondern dass sie sind „wie Engel“. Denn – wie sind Engel? Es sind „Boten Gottes“, aber damit ist noch nicht einmal gesagt, dass sie eine subjektive Existenz haben, denn es kommt ja nur darauf an, dass die Botschaft den erreicht, für den sie bestimmt ist; die Botschaft kann ja sogar in einem Stein liegen, über den ein Mensch stolpert oder in irgendetwas sonst, was [zumindest in dieser Beziehung] kein subjektives Bewusstsein hat. Also ist auch die Aussage „wie Engel“ nicht im Mindesten eine konkrete Aussage über ein Leben nach dem Tod, sondern nur die Ablehnung der primitiv materiellen Vorstellungen der Pharisäer und der Sadduzäer.
Am ehesten finden wir bei Paulus eine Antwort, wenn er sagt: „Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr hat es gehört, was Gott denen bereitet, die ihn lieben.“ Aber natürlich ist auch da nur der Sehnsucht die Tür geöffnet ohne auch nur den winzigsten Hinweis auf ein Wie.
Das einzig Konkrete zu der Frage nach dem subjektiven Schicksal eines Sterbenden ist das „er wird abwischen alle Tränen“.
Und dass es im Gegensatz dazu auch die Möglichkeit geben könnte zu „Heulen und Zähneknirschen“.
Es gibt weiters keine Angaben über eine Dauer des „ewigen“ Lebens. Es könnte sich auch um einen einzigen Augenblick vollkommener Klarheit handeln oder es könnte in einer Reihe von Wiedergeburten bestehen.
Alles ist offen. Wir wissen nichts – wir wissen nur, dass Jesus auferstanden ist, nicht unbedingt subjektiv, sicher aber objektiv.
Zusammenfassung der Begriffe:
„Die Wahrnehmung ist für den Wahrnehmenden bestimmt“, sagen die Yoga Yutras. Aus der objektiven Tatsache der Wahrnehmung von „etwas“ dürfen keine Rückschlüsse auf die subjektive Existenz des Wahrgenommenen gezogen werden. Die objektive Existenz des Gegenstands ist in der Wahrnehmung gegeben. Die objektive Existenz bedeutet aber nicht, dass eine Wahrnehmung durch einen anderen Menschen nachvollzogen werden könnte. Das ist nur möglich, wenn der Gegenstand der Wahrnehmung auch subjektiv, also auch für sich, existiert.
Und dann gibt es eine Zwischenstufe, etwa von Projektion. In der Projektion existiert ein Gegenstand als solcher auch nicht für sich, sondern er wird von einem Menschen [oder einem Geist, also von einer intersubjektiven Gruppierung] projiziert, so dass andere diese Projektion wahrnehmen können.
Mit solchen Projektionen arbeiten beispielsweise die Familienaufstellungen oder die Schamanen.
Ebenfalls in diese Kategorie einzuordnen sind die [mythischen] Bilder sowohl der Religionen als auch der Ideologien.
Eine Religion geht aus von einem realen, d.h. subjektiv für sich existierenden Menschen oder von einer ganzen Reihe solcher Menschen.
Diese realen Beispiele oder Vorbilder unterscheiden sich von späteren Mystifikationen [beispielsweise der Präexistenz Jesu oder Mohammeds] genau dadurch. Die Mystifikationen sind Projektionen, die helfen sollen, das Original-Bild zu stabilisieren [eine Art Anti-Oxidationsmittel], ihm die Beliebigkeit zu nehmen.
Es wird vorteilhaft sein, diese Tatsache als solche zu erkennen. Dann hört sich der Aberglaube sofort auf. Dann erfolgt keine Verwechslung mehr von Bild und Wirklichkeit.
Holocaust
(12. 4. 2002)
Die Juden sind nicht so sehr deshalb in den Holocaust gekommen, weil sie ihren Bund mit Gott vergessen hatten, sondern weil ihr Opfer „heilsgeschichtlich“ notwendig war. Sie wurden vom großen Geist als sein Eigentum beansprucht (wie Jesus beansprucht worden war) und die Waagschale geworfen – und das hat die Entscheidung gebracht für eine neue Welt.
Deshalb haben die Juden auch ein Anrecht auf eine neue Heimat.
Umkehr
2002_04_12
Ich weiß, dass die Umkehr eine reine Gnade ist, nichts, das ich tun könnte. Trotzdem muss ich mich bemühen, aber die Umkehr kommt nicht durch mein Bemühen, sie ist kein Verdienst, sie ist ein reines Geschenk aus einer anderen Sphäre.
In der Sphäre des Ego, in dem das Bemühen angesiedelt ist, gibt es keine Umkehr, die Umkehr besteht ja gerade darin, dass sich die andere Sphäre öffnet und die öffnet sich von der anderen Seite, wenn wir bereit sind.
Immerhin sagt Jesus: „Klopft an und es wird euch aufgetan.“ Aber unser Anklopfen muss [und wird am Ende] schon aus dem demütigen Geist der anderen Sphäre inspiriert sein.
Kindlich bitten.
Bitten im Wissen um das eigene Unvermögen.
Ich bitte dich, lieber Gott, hab Erbarmen mit mir stolzem Menschen und zeig mir meine Hartherzigkeit. Und lass mich meine Hartherzigkeit unterscheiden von der notwendigen Strenge zu mir selbst und zu den anderen.
Theologische Inzucht
(19. 4. 2002)
Jesus hat gesagt: „Was habt ihr davon, wenn ihr nur die grüßt, die euch grüßen?“
Und Paulus meinte: „Prüft alles, behaltet das Gute.“
Keiner von beiden sagt: „Und dann [wenn euer Dogmengebäude steht] beschäftigt euch nur noch mit eurem eigenen Kram.“ Aber das ist die Dummheit, an die sich viele der Theologen halten [zumindest von den christlichen und den islamischen].
Eine Sexuelle Kultur
20. 4. 2002
Eine sexuelle Kultur muss heute neu entstehen, weil die sexuellen Kulturen des Patriarchats nicht mehr funktionieren, weil sie der heutigen Lage der Welt nicht mehr angemessen sind.
Die heutige sexuelle Kultur beruht auf der Freiheit, die sich die Leute heute ohnehin nehmen. Anstatt irgendetwas zu verdammen oder zu verbieten, muss das, was getan wird, zunächst verstanden und dann auch „offiziell“ gewährt werden – und gesichert.
Es muss klar sein, dass alles menschlich und möglich ist, dass es bei allem eventuellen Restriktionen nur darum gehen kann, die Integrität der Person unter allen Umständen zu schützen, d.h. dass Schaden abgewendet wird. Eine freiheitliche Gesellschaftsordnung muss vor allem die Freiheit schützen und in ihr logischerweise die Integrität [also wieder die Freiheit] der Person. Es darf keine Übergriffe geben, keinen Eingriff in Rechte Dritter. Nur da ist Zwang erlaubt, wo die Freiheit und die Integrität der Person in Gefahr sind.
Das bedeutet, dass heute jede Art von sexueller Freiheit nicht nur als tatsächlich vorhanden, sondern auch in ihrer Eigenart respektiert werden muss, solange eben nicht in die Rechte [die Integrität und Freiheit] eines anderen eingegriffen wird.
Das bedeutet aber nicht, zu sagen, jede sexuelle Spielart sei für jeden empfehlenswert. Jeder muss das selbst finden, was für ihn/sie in Wahrheit Frieden und Zufriedenheit bringt. Jeder trägt die Verantwortung dafür selbst und allein.
Keiner ist ein Opfer, außer der, der sich selbst zum Opfer erklärt und nur solange er das tut. Es gibt für jeden [und für jede Entwicklungsstufe der Bewusstheit] eine Form von Sexualität, die passt – und sei es völlige Abstinenz. Nur eine Form kann niemals passen, nämlich eine solche, die den Partner / die Partnerin missachtet.
Die neue Ordnung der Sexualität wird sich unter den Prämissen von Freiheit und Respekt von selbst herauskristallisieren. Das ist der natürliche evolutionäre Vorgang. Der Unterschied zur alten Ordnung besteht darin, dass jetzt keine patrilineare Ordnung mehr herrscht, sondern eine demokratische Ordnung, in der die Freiheit und die Integrität der Person den obersten Platz in der Wertehierarchie einnehmen.
Das bedeutet, dass bei jeder Partnerwahl eine Auseinandersetzung stattfinden wird. Und dass auch in dieser Kommunikation Richtung und sozialer Wert der Person nach dem tatsächlichen, gefühlten Wert bemessen werden wird.
Der sexuelle Wert ist auch ein sozialer Wert, aber eher ein instinktiver – deshalb aber umso unumstößlicher. Um das zu veranschaulichen: Der sexuelle Wert einer Person nimmt normalerweise mit der Vitalität zu und daher mit dem Alter ab, er kann unter Umständen aber mit zunehmendem Alter weiter zunehmen, wenn der betreffende Mensch eine Entwicklung zu größerer Bewusstheit durchgemacht hat und außerdem nimmt er noch zu durch den sozialen Wert [damit meine ich Geld und Ansehen, die den sozialen Wert ja spiegeln] dieser Person.
Durch diese natürlichen Vorgaben sind die Möglichkeiten der Partnerwahl eingegrenzt. Eine Filmschauspielerin wird kaum einen ungebildeten Hilfsarbeiter zum Partner wählen – es sei denn dieser wäre von ungewöhnlicher Attraktivität, also Sex Appeal. Und dann [weil Sex-Appeal ja eine soziale Kompetenz einschließt] hat er auch die Fähigkeit mit ihr auf einer Ebene zu kommunizieren.
Es geht um Kommunikation. Darauf beruht die neue sexuelle Kultur. Alles ist erlaubt, außer jemandem schaden. Aber die Bedürfnisse müssen kommuniziert werden. Korrespondierende Partner müssen gefunden werden. Und dieses Finden ist ein fortwährender Prozess. Nichts kann als gesichert gelten im Leben. Wir müssen daher stets neu finden. Auch in einer bestehenden Partnerschaft. Sonst hört sie auf, zu leben, zu bestehen.
Dieser Prozess ist ein ständig erneuerter Prozess.
Egal welchen Perversionen jemand frönen mag, er/sie muss Partner dafür finden – und wenn einer ein Monomane ist, dann muss er eben mit diesem Schicksal zu Recht kommen. Auch das erfordert Kommunikation.
Und Kommunikation bewirkt Toleranz. Die Unterschiede werden sichtbar und sie werden respektiert. Das heißt ja nicht, dass sich jeder auf alles einlassen muss, natürlich nur auf das, auf das er sich einlassen will. Freiheit ist die oberste Direktive sowie die Integrität der Person. Darauf achtet jeder bei sich selbst, und nur auf die, die nicht auf sich selbst achten können, achtet die Gesellschaft.
Die neue sexuelle Kultur mag zunächst chaotisch erscheinen, aber sie wird sich gesellschaftlich klären in dem Maß, in dem die sexuelle Kommunikation zunimmt, in dem Maß, in dem jeder sich zeigt [wie die Tiere das stets tun], so wie er ist, ohne Angst.
Dazu, diese [kra